Suche:  
|   Spenden  |   Sitemap   |   Newsletter  |   Datenschutz  |   Kontakt  |   Impressum
zur Startseite  
 
 Ziele > Politische Arbeit

Bürgerrechts-, Selbsthilfe- und Solidarverband

Abschnittsübersicht
1. Solidarverband: Bürgerschaftliches Engagement für den Anderen
2. Selbsthilfe, Selbstorganisation und Selbstbefähigung
3. Bürgerrechtspolitik
4. Zusammenspiel von Bürgerrechts-, Selbsthilfe- und Solidararbeit
5. Arbeitsweise des LSVD an konkreten Beispielen
- 5.1. Beispiel binationale Paare
- 5.2. Beispiel Anti-Gewalt-Arbeit
- 5.3. Beispiel Integration


Die Situation von Lesben und Schwulen in Deutschland hat sich erheblich verbessert. Dennoch stoßen sie immer wieder auf gesellschaftliche und rechtliche Schranken. Viele sehen sich weiterhin genötigt, ihre sexuelle Identität zu verbergen und ein Doppelleben mit heterosexueller Fassade zu führen. Teile der Bevölkerung sind weiterhin massiv homosexuellenfeindlich eingestellt. Von annähernd gleichen Bürgerrechten kann noch keine Rede sein.



1. Solidarverband: Bürgerschaftliches Engagement für den Anderen

Der LSVD ist die bundesweit größte Organisation von Schwulen und Lesben. Er ist für viele Menschen daher die erste Anlaufadresse für Fragen, Probleme und Hilferufe in Zusammenhang mit Homosexualität. Als Solidarverband leistet der LSVD klassische "Wohlfahrtsarbeit". Er bietet Beratung, Hilfe und Unterstützung in allen Problemsituationen, mit denen Menschen wegen ihrer Homosexualität konfrontiert werden.

Oft wollen Schwule wie Lesben sich auch mit Sorgen, die nichts mit ihrer Homosexualität zu tun haben, keiner "normalen" Lebensberatungsstelle anvertrauen. Sie befürchten, dort wegen ihrer sexuellen Identität auf Ablehnung zu stoßen, und wenden sich auch mit allgemeinen Problemen der Lebensbewältigung lieber an einen schwul-lesbischen Anbieter.

  • Diskriminierungserlebnisse (z.B. durch Behördenentscheidungen, in der Familie, am Arbeitsplatz, im Wohnumfeld, im Geschäftsleben)
  • Gewalterfahrung

  • rechtliche Probleme (z.B. die erhebliche Benachteiligung von Lebenspartnerschaften und die weitgehende Rechtlosigkeit nichtehelicher Lebensgemeinschaften, ausländer- und asylrechtliche Fragen, arbeitsrechtliche Fragen)

  • Probleme mit dem Coming-out

  • Schwierigkeiten bei der Integration in die schwule und lesbische Gemeinschaft

  • Allgemeine Probleme der Lebensbewältigung

 



2. Selbsthilfe, Selbstorganisation und Selbstbefähigung

Probleme, die Lesben oder Schwulen durch Vorurteile, gesellschaftliche und rechtliche Diskriminierung, Ausgrenzung, Anfeindung oder Gewalt entstehen können, sind kein unabänderliches individuelles Schicksal. Der LSVD ermutigt und unterstützt Schwule und Lesben darin, aus der Opferrolle herauszutreten und ihre Angelegenheiten selbst in die Hand zu nehmen. Der LSVD bietet daher Gruppen einen Rahmen für Selbsthilfearbeit. Im Rahmen seiner Möglichkeiten unterstützt der LSVD Selbsthilfegruppen ideell, finanziell sowie strukturell durch Bereitstellung von Räumlichkeiten und durch hauptamtliche Begleitung. Spezialisierte Selbsthilfe- bzw. Gruppenstrukturen innerhalb des LSVD gibt es beispielsweise für junge Schwule und Lesben ebenso wie für die ältere Generation, für "Regenbogenfamilien", für binationale Paare oder Lesben und Schwule nichtdeutscher Herkunft.

Viele Schwule und Lesben engagieren sich ehrenamtlich im LSVD: in der Öffentlichkeitsarbeit, in den Arbeitskreisen und Selbsthilfegruppen, in der Beratungsarbeit und in den Gremien des Verbandes. Für ehrenamtlich Tätige werden Seminare und Schulungen angeboten. Diese Bildungsarbeit will Lesben und Schwule in ihrem Engagement unterstützen und weiter qualifizieren.



3. Bürgerrechtspolitik

Der LSVD will sich nicht auf die Arbeit als "Reparaturbetrieb" für die Beschädigungen beschränken, die die herrschenden Strukturen den Menschen zufügen. Über die Beratungs- und Selbsthilfearbeit hinaus will der LSVD die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass Schwule und Lesben ihre persönlichen Lebensentwürfe selbstbestimmt entwickeln können - frei von rechtlichen und anderen Benachteiligungen, frei von Anpassungsdruck an heterosexuelle Normen, frei von Anfeindungen und Diskriminierungen.

  • Entwickeln von politischen Forderungen und realitätstüchtigen Konzepten zu deren Umsetzung
  • Ausarbeiten von Gesetzentwürfen und Maßnahmenprogrammen

  • Pressearbeit, um lesbische und schwule Belange in möglichst breiten Kreisen der Bevölkerung publik zu machen

  • Politische Öffentlichkeitsarbeit durch Aktionen, Demonstrationen, Plakatkampagnen

  • Kommunikation mit Parteien, Behörden, Verbänden, Kirchen

  • Zusammenarbeit mit anderen Organisationen

  • Informationsarbeit durch Veranstaltungen, Publikationen und über das Internet, um zu einer vertieften Beschäftigung mit schwulen und lesbischen Themen einzuladen und um für Akzeptanz zu werben

  • Politische Bildung

  • Kulturarbeit

 



4. Zusammenspiel von Bürgerrechts-, Selbsthilfe- und Solidararbeit

Die Arbeit als Bürgerrechts-, Selbsthilfe und Solidarverband ist beim LSVD eng verzahnt. Aus der Beratungstätigkeit und aus dem Selbsthilfesektor kommen "von unten nach oben" wichtige Informationen und Anregungen für die Konzepte und Schwerpunktsetzungen der Bürgerrechtsarbeit. Umgekehrt verbessert die Bürgerrechtsarbeit die Möglichkeiten, Ratsuchenden zu helfen, und erweitert das Handlungsfeld der Selbstorganisation.

Der LSVD ist ein bundesweit tätiger Verband. Er kann Erfahrungen seiner Gliederungen bündeln und auswerten. Das verhindert, dass das Rad immer wieder neu erfunden werden muss. In Untergliederungen wie Landes- oder Ortsverbänden werden modellhaft Projekte erprobt, z.B. das Anti-Gewalt-Projekt. Diese Modellprojekte können dann ganz oder teilweise von anderen aufgegriffen werden. Sie verstehen sich als Angebot und als Vorlage, aus der Module übernommen und an die jeweiligen Bedürfnisse vor Ort angepasst werden können.



5. Arbeitsweise des LSVD an konkreten Beispielen

- 5.1. Beispiel binationale Paare

Gleichgeschlechtliche Paare waren bisher in Deutschland rechtlich nicht anerkannt. Vor dem Gesetz galten homosexuelle Lebenspartner als Fremde. Diese Rechtlosigkeit trat bei binationalen Paaren besonders krass zu Tage. Kamdie Lebensgefährtin oder der Lebensgefährte aus einem Land außerhalb der Europäischen Union, gab es zumeist größte Schwierigkeiten mit dem Aufenthaltsstatus. Heterosexuelle Liebespaare in gleicher Situation haben dagegen durch Heirat einen Rechtsanspruch auf "Herstellung und Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft".

In der vergangenen Jahren haben immer mehr binationale Paare ihre massiven Probleme bei der Aufenthaltsgenehmigung für den ausländischen Partner oder die ausländische Partnerin an den LSVD herangetragen. Aufgrund der besonders bedrückenden Situation dieser Paare hat der LSVD dieses Thema zu einem Schwerpunkt seiner Arbeit gemacht. In enger Abstimmung mit fachkompetenten Anwältinnen und Anwälten wurde ein spezielles Beratungsangebot eingerichtet, das über das Ausländerrecht, über Rechtsprechung und Behördenpraxis informiert.

Aus dem Kreis der Ratsuchenden haben sich Selbsthilfegruppen binationaler Paare unter dem Dach des LSVD gegründet. Diese Gruppen dienen dem Erfahrungsaustausch und der gegenseitigen Ermutigung. Sie sind Nachrichtenbörse für die neuesten Entwicklungen in Rechtsprechung und Politik sowie Ausgangspunkt politischer Aktionen.

Die existentiellen Probleme binationaler Paare bilden ein wichtiges Argument für die LSVD-Forderung nach umfassender rechtlicher Anerkennung gleichgeschlechtlicher Paare und Gleichstellung mit der Ehe. Indem binationale Paare ihre Situation öffentlich thematisieren, machen sie diese Forderung auch plastisch erfahrbar.

Der LSVD leistet politische Überzeugungsarbeit, um parlamentarische Mehrheiten für die generelle rechtliche Gleichstellung homosexueller Lebensgemeinschaften zu erreichen. Bis zur Umsetzung dieses Großzieles bemühen wir uns parallel, die Situation der binationalen Paare so weit zu verbessern, wie das unter dem geltenden Recht möglich ist. Nicht ohne Erfolg: Durch das Lebenspartnerschaftsgesetz hat sich die Situation binationaler Paare, bei denen einer der beiden Partner Deutscher ist,  wesentlich verbessert. Es bestehen aber immer noch erhebliche Unterschiede zu binationalen Ehen



- 5.2. Beispiel Anti-Gewalt-Arbeit

Gewalt gegen Schwule ist immer noch ein großes Problem. Schwule sind überproportional häufig Ziel gewalttätiger Attacken. In einer 1996 durchgeführten soziologischen Befragung, an der sich über 3.000 schwule Männer beteiligten, berichteten 11 % der ostdeutschen und 13 % der westdeutschen Befragten, dass sie in den vorausgegangenen 12 Monaten wegen ihrer Homosexualität beschimpft, beleidigt oder angepöbelt wurden. 3,5 % der Westdeutschen und 4,1 % der Ostdeutschen berichteten, dass sie in diesem Zeitraum Opfer körperlicher Gewalt wurden. Die Täter sind zumeist männliche Jugendliche. Schwule gelten ihnen als Verkörperung des "Unmännlichen" und damit als vogelfrei. Die Täter schlagen zu, weil sie eine schnelle Mark machen wollen, oder einfach nur aus Haß auf Homosexuelle.

Polizeiexperten schätzen, dass ein Großteil der antihomosexuellen Gewalttaten nicht angezeigt wird. Viele Schwule unterlassen eine Anzeige, weil sie Diskriminierungen von der Polizei befürchten oder aber Angst haben, in ihrem gesellschaftlichen Umfeld durch die Anzeige und eine daraus möglicherweise folgende Gerichtsverhandlung als Schwuler "enttarnt" zu werden.

Nach Protesten gegen die Ermittlungsmethoden der Polizei in einem Verbrechensfall kam es 1991 in Köln zu ersten Gesprächskontakten mit den Behörden. Daraus ist ein kontinuierlicher Dialog und schließlich eine enge Zusammenarbeit zwischen der Polizei und unserem Verband entstanden. Das "Kölner Modell" zur "Bekämpfung antischwuler Gewalt" wurde entwickelt - ein Konzept, in dem Beratung und Bürgerrechtsarbeit ineinander greifen. Mittlerweile arbeiten auf dieser Grundlage in vielen Städten Anti-Gewalt-Projekte.

Gewalt gegen Lesben ist nicht zu trennen von der allgemeinen Gewalt gegen Mädchen und Frauen in der patriarchalen Gesellschaft. Daher findet lesbisches Engagement zu diesem Thema häufig im Rahmen von Anti-Gewalt-Projekten statt, die aus der Frauenbewegung entstanden sind, z.B. in Notrufeinrichtungen gegen sexuelle Gewalt, Zufluchten für misshandelte Frauen und Mädchen, Projekte gegen sexuellen Missbrauch von Kindern.

Mancherorts wurden die Anti-Gewalt-Projekte des LSVD aber auch zu schwul-lesbischen Initiativen erweitert. Der LSVD unterhält Beratungstelefone, die Opfern antihomosexueller Gewalt Rat und Hilfe bieten. Wir belassen es aber nicht dabei, Opfern von Gewalt zu helfen, die aktuelle Traumatisierung zu überwinden, sondern wir bemühen uns, das Problem strukturell anzugehen.

Wir informieren Politik und Behörden über die Problematik, haben vielerorts ein Umdenken bei der Polizei bewirkt und eine gute Partnerschaft mit den Polizeibehörden etabliert. Diese öffentlich demonstrierte Zusammenarbeit soll einen angemessenen Umgang der Polizei mit Schwulen und Lesben sicherstellen, durch Vertrauensbildung das Anzeigeverhalten verändern und damit auch präventiv auf gewaltbereite Gruppen wirken. Zudem wollen wir durch Akzeptanzkampagnen antihomosexuellen Einstellungen entgegenwirken und damit das Gewaltpotential verkleinern. Eine solche Kampagne führen das Landeskriminalamt NRW und unser Verband seit 1996 unter dem Motto "Liebe verdient Respekt" durch: Über Plakate, Anzeigen und Faltblätter, mit einem Infomobil und durch Radiospots wird gemeinsam für Akzeptanz geworben.



- 5.3. Beispiel Integration

Zumindest in den größeren Städten besteht heute ein dichtes Netz schwuler und lesbischer Treffpunkte wie Cafés, Bars, Discos und Begegnungszentren. Nicht alle Schwule und Lesben sind aber in diese "Gay and Lesbian Community" voll integriert.

Lesben und Schwule nichtdeutscher Herkunft erleben häufig mehrfache Diskriminierung sowohl als "Ausländer" als auch aufgrund ihrer sexuellen Identität. Gleichzeitig können sie von ihren "Landsleuten" kaum Unterstützung erwarten, da Homosexualität in ihrer Herkunftskultur oft noch weniger akzeptiert wird als in der deutschen Gesellschaft. Das gilt besonders für Schwule und Lesben mediterraner und vor allem islamischer Herkunft. Unter dem Dach des LSVD hat sich daher eine Selbsthilfegruppe "Türk gay" gegründet und eine Gruppe griechischer Schwuler und Lesben ("Ermis") die Arbeit aufgenommen. Über die Selbsthilfearbeit hinaus wird die Informations- und Aufklärungstätigkeit in der "ausländischen Wohnbevölkerung" in Angriff genommen, um für Akzeptanz zu werben. Gleichzeitig beteiligt sich der LSVD als Verband an Aktivitäten, die eine generelle Stärkung der Bürgerrechte von Migrantinnen und Migranten erreichen wollen.

Integrationsprobleme finden sich auch bei älteren Schwulen. Für ältere Lesben gibt es innerhalb der Frauenbewegung eine Reihe von Angeboten, die allerdings in der Regel als Frauengruppen firmieren. Ältere schwule Männer machen dagegen nicht selten die Erfahrung, innerhalb schwuler Lebenswelten an den Rand gedrängt zu werden. Mit "Gay and Grey"-Projekten arbeitet der LSVD an der (Re-) Integration älterer Schwuler in die schwule Gemeinschaft: durch niedrigschwellige Freizeitangebote, Informationsabende und ein "Erzähl-Cafe". Gleichzeitig wendet sich der LSVD politisch dagegen, dass die traditionelle Altenarbeit die Bedürfnisse älterer schwuler Männer wie lesbischer Frauen nahezu vollständig ignoriert.

 
 

Mitglied werden             eMail an Webmaster             Druckversion dieser Seite                Seite weiterempfehlen

 
  © Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD) e.V.