Stolberg
Zinkhütter Hof
Nahwanderungen
 
Die ehemaligen Produktionshallen des Zinkhütter Hofes. Heute Ausstellungsräume eines Museums.

Binnenmigranten

ins Stolberger Industrierevier ab 1850

Anfang des 19. Jahrhunderts werden die Existenzgrundlagen der Eifel-Bevölkerung erschüttert. Die heimische Tuch- und Lederindustrie, vor allem aber die bedeutende Eisenindustrie mit ihren vielen Nebenerwerbsmöglichkeiten kommen wegen der in preußischer Zeit errichteten Zollgrenzen und der fehlenden Anbindung an das Eisenbahnnetz ganz zum Erliegen. In den 1880er Jahren folgt ein Zusammenbruch der Landwirtschaft. Das in der Eifel übliche System der "Erbteilung" führt bei jedem Erbgang zu einer größeren Zersplitterung des Besitzes, die schrumpfenden Parzellen reichen als Existenzgrundlage der Eifeler Bauern nicht mehr aus. Bei zusätzlich hohen Geburtenraten beginnt die Abwanderung aus der Eifel.

Die industrialisierte Städtereihe Aachen- Stolberg- Eschweiler, Mitte des 19. Jahrhunderts das ausgeprägteste Industriegebiet Deutschlands, nimmt die meisten Wanderer auf. Allein zwischen 1871 und 1914 sind es Schätzungen zufolge etwa 100 000 Eifeler, die ihre Heimat zunächst in Richtung des nahe gelegenen Industriegebietes, später in Richtung des Ruhrgebiets verlassen.

Migrationen sind in den letzen Jahren zu zentralen Themen der historischen Forschung geworden. Das Hauptaugenmerk liegt dabei auf der "Ein- und Auswanderung“, also den "spektakuläreren“ Formen der Fernwanderung über politische Grenzen hinweg. Der Bereich von Binnenmobilität und kleinräumiger Wanderung dagegen wird bis heute kaum beachtet. Dabei sind es gerade die kleinräumigen Migrationen, die zur hohen Mobilität in der Frühen Neuzeit und im 19. Jahrhundert maßgeblich beitragen. Diese Wanderungen, meist nicht einmalige Ortsveränderungen, sondern vielmehr permanente "Zirkulationen“, sind sehr viel schwerer zu "messen“. Man muss sich vor allem auch mündlichen Überlieferungen zuwenden, um diese Geschichten aufzuspüren.

Die Geschichte des Stolberger Zinkhütter Hofs, bezeugt auf besondere Weise, wie eng die Geschichte der Industrialisierung und die Nahwanderungen verbunden sind.

Bilder

Zinkhütter Hof Foto Dietrich Hackenberg

 

Das Wappen der Industriellenfamilie Hoesch enthält eine Eichel. Sie erinnert an die Geschichte von Jeremias Hoesch dem Älteren, der auf der Flucht seiner protestantischen Eltern vor den Häschern Albas aus den Niederlanden unter einer Eiche zur Welt gekommen sein soll. Der Sohn der Glaubensflüchtlinge wird später in Stolberg die Tochter eines Kupfermeisters heiraten und dort Gelbkupfer (Messing) herstellen. So beginnt in der Eifel eine Entwicklung, die die mit der Gründung des Stahlkonzerns Hoesch im Ruhrgebiet ihren Höhepunkt erreicht.

Grafik.  Horst Mönnich: Hoesch 1871-1971.