ARZNEIPFLANZENPORTRÄT

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Sennesfrüchte

Hilfe für den trägen Darm

von Monika Schulte-Löbbert, Kaarst

Neben Sennesblättern gehören Sennesfrüchte zu den häufig verwendeten pflanzlichen Abführmitteln. Zahlreiche Studien belegen, dass ihre kurzfristige Anwendung sicher und risikoarm ist. Ihre Inhaltsstoffe, die Anthraglykoside, werden erst dort aktiv, wo es nötig ist: im Dickdarm. Die Früchte wirken im Vergleich zu den Blättern milder.  

Die Sennesgewächse (Cassia-Arten) sind in den tropischen und subtropischen Gebieten Nordafrikas und des Mittleren Ostens heimisch. Bereits im 9. Jahrhundert erwähnen die arabischen Mediziner Serpion und Mesue in ihren Schriften die abführende Wirkung der Sennesfrucht. In Mitteleuropa gibt es im 13. Jahrhundert erste Hinweise über die Anwendung von Senna als Abführmittel. Volksmedizinisch werden nicht nur die Früchte und Blätter, sondern auch die Blüten der verschiedenen Cassia-Arten gegen Verdauungsbeschwerden eingesetzt. Die zahlreichen Sennesarten wurden auch zu nicht medizinischen Zwecken verwendet, zum Beispiel als Kautabak oder als Zusatz zum Färben von Stoffen. Aus dem Holz wurden Werkzeuge und Möbel hergestellt. 

Die heute für die Drogen- und Extraktherstellung verwendeten Sennesfrüchte stammen von zwei morphologisch eng verwandten Cassia-Arten. Cassia senna L. (=Cassia acutifolia) liefert die Alexandriner-Sennesfrüchte. Sie ist in Nordafrika und im mittleren Nilgebiet heimisch und wird in Ägypten und im Sudan angebaut. Die in Südindien, vor allem im Tinnevelly-Distrikt auf Plantagen kultivierte Cassia angustifolia VAHL liefert die Tinnevelly-Früchte. Auf Grund ihrer geringen morphologischen Unterschiede wurden die Cassia-Arten mit geraden Staubblättern in der Gattung Senna zusammengefasst, sodass die neue korrekte Bezeichnung für die beiden Arten Senna alexandrina lautet. Das Europäische Arzneibuch (Ph.Eur. 4. Ausgabe 2002) führt beide Früchte noch in zwei getrennten Monographien auf: Alexandriner-Sennesfrüchte (Sennae fructus acutifoliae) und Tinnevelly-Sennesfrüchte (Sennae fructus angustifoliae). Die schonend getrockneten Früchte der beiden Pflanzen unterscheiden sich in Größe und Form nur gering, wohl aber im Gehalt ihres Hauptinhaltsstoffes, des Anthraglykosids. 

Das Arzneibuch fordert für die Alexandriner-Ware mindestens 3,4 Prozent und für die Tinnevelly-Früchte mindestens 2,2 Prozent des Glykosids. Trotz des geringeren Glykosidgehaltes gilt die Tinnevelly-Senna zur Zeit als qualitativ hochwertiger, da sie auf geeigneten Böden kultiviert und mit größter Sorgfalt von Hand geerntet wird. Werden Sennesfrüchte (Fructus Sennae, Folliculi Sennae) ohne nähere Angabe verordnet, so sind Tinnevelly-Sennesfrüchte zu verwenden. 

Die beiden Cassia-Arten gehören zur Familie der Caesalpiniaceae (Johannisbrotgewächse). Die bis zu zwei Meter hohen Halbsträucher besitzen paarig gefiederte Blätter mit oval-lanzettlichen Fiederblättchen. Die leuchtend gelben Blüten sitzen zu ein bis drei Trauben in den Blattachseln und locken mit ihrem Duft zahlreiche Bienen an.  

Der Volksmund nennt die Sennesfrüchte zwar häufig Sennesschoten (lateinisch: Folliculi Sennae) oder Sennesbälge, das ist botanisch aber nicht korrekt. Die flach zusammengedrückten, braungrünen pergamentartigen Früchte sind Hülsen, sie werden bis fünf Zentimeter lang und sind schwach gebogen. Die beiden Fruchtblatthälften haften auf der ganzen Fläche aneinander und lassen sich daher nur schwer trennen. Die Hülsen der Cassia angustifolia enthalten sieben bis zehn Samen, die der Cassia acutifolia nur fünf bis sieben. Sennesfrüchte schmecken anfangs schleimig-süß, aber bald bitter und kratzend. 

Im Dickdarm wirksam

Die Sennesfrüchte enthalten neben Flavonoiden und Schleimstoffen die für die abführende Wirkung verantwortlichen Dianthronglykoside, darunter die Sennoside A und B. Aus diesen Anthraglykosiden werden erst im Dickdarm hydrolytisch die Anthrachinone freigesetzt. Die Darmbakterien reduzieren die Antrachinone dann zu den eigentlich wirksamen Anthronen wie Rhein-Anthron beziehungsweise Anthranolen. Diese Metaboliten hemmen die Wiederaufnahme von Wasser und Natrium aus dem Darm und bewirken einen zusätzlichen Einstrom von Elektrolyten und Wasser in den Darm. Dadurch erweicht und vergrößert sich die Stuhlmenge, außerdem regen die Anthranole die Darmperistaltik an, und es kommt zur abführenden Wirkung. 

Sennesfrüchte gehören folglich zu den Laxantien, die sowohl die Motilität, als auch die Sekretion beeinflussen. Bei richtiger Dosierung bewirken sie acht bis zwölf Stunden nach der Einnahme die leichte Entleerung des weichen, aber noch geformten Stuhls. Die Kommission E sowie die ESCOP (European Scientific Cooperative on Phytotherapy) empfehlen Sennesfrüchte als pflanzliches Laxans zur kurzfristigen Anwendung bei gelegentlicher Verstopfung. Sinnvoll ist die Einnahme auch nach Darmoperationen, wenn die Stuhlentleerung erleichtert werden soll. 

Patienten mit Darmverschluss, akut entzündlichen Erkrankungen des Darms (wie Morbus Crohn und Colitis ulcerosa) und Kinder unter zwölf Jahren dürfen die Droge nicht anwenden. Auch während der Schwangerschaft und Stillzeit ist die Einnahme von Sennesfrüchten kontraindiziert. In Einzelfällen, vor allem bei einer Überdosierung, kann die Droge Krämpfe im Magen-Darm-Trakt auslösen, die sich durch eine Senkung der Dosis vermeiden lassen. 

Wechselwirkungen beachten

Die langfristige und hoch dosierte Einnahme von Sennesfrüchten kann zu Elektrolytverlusten führen, vor allem zum Verlust von Kalium. Durch die verminderte Kaliumkonzentration im Körper können Muskelschwäche, Wadenkrämpfe und Störungen der Herzfunktion auftreten. Sennesfrüchte können die Wirkung von herzwirksamen Glykosiden verstärken, daher sollten PTA oder Apotheker gerade ältere Patienten fragen, ob sie gleichzeitig Herzglykoside (Digitalis) einnehmen. Außerdem müssen PTA oder Apotheker bei ihrer Empfehlung beachten, dass die Kombination mit Thiazid-Diuretika oder Kortikoiden die Kaliumverluste erhöhen kann. Grundsätzlich gilt: Menschen mit einer Verstopfung dürfen senneshaltige Abführmittel ohne ärztlichen Rat nicht länger als ein bis zwei Wochen anwenden. 

Kanzerogenität geprüft

Ausgelöst durch einen tierexperimentellen Befund wurde in den letzten Jahren die Stoffklasse der Anthranoide auf genotoxische und kanzerogene Risiken untersucht. In vier klinischen Studien erwiesen sich Sennoside und ihre aktiven Metaboliten als unbedenklich. 

Den Patienten stehen verschiedene Darreichungsformen zur Auswahl: Tee, Granulat, Dragees, Tabletten und Komprimate (Würfel). PTA oder Apotheker sollten nur Arzneimittel mit einem standardisierten Gehalt an Droge oder Drogenextrakt empfehlen. Die mittlere empfohlene Tagesdosis von 20 bis 30 mg Hydroxyanthracenderivat, berechnet als Sennosid B, wird von zahlreichen Präparaten erreicht wie den Mono-Fertig-Arzneimitteln Bekunis Instant Tee, Depuran® Dragees, Grünwalder® Sennesfrüchte-Tabletten, Heverto® Kräutertabletten, Midro® Abführ Tabletten, Ramend Abführ-Tabletten 20 mg, Regulax®N Würfel und den Kombinations-Präparaten Agiolax® Granulat oder Neda Früchtewürfel® (alle genannten Präparate sind Beispiele). 

Wer aus der Droge einen Tee zubereiten möchte, übergießt ein bis zwei Teelöffel Sennesfrüchte mit 150 ml heißem Wasser und lässt die Tasse zehn Minuten bedeckt stehen. Danach abseihen. Von dem frisch bereiteten Tee morgens, bevorzugt aber abends vor dem Schlafengehen eine Tasse trinken. Die abführende Wirkung setzt etwa nach zehn Stunden ein. 

Patienten mit starker, länger andauernder Verstopfung sollten Sennesfrüchte nur kurzfristig einnehmen und auch nur dann, wenn die Umstellung auf eine ballaststoffreiche Ernährung keine Besserung brachte. Ein praktischer Hinweis an den Patienten sollte nicht fehlen: Nach Einnahme von senneshaltigen Präparaten kann sich der Harn intensiv gelb oder rotbraun färben. Dieser Effekt ist vorübergehend und harmlos.

 

E-Mail-Adresse der Verfasserin:
schulte-loebbert(at)t-online.de


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