Geschichte

Geschichte der Waag

Die Entstehung der Zünfte muss im Rahmen einer gesamteuropäischen Entwicklung betrachtet werden, die von Oberitalien bis an den Hoch- und Niederrhein reichte. Sie steht in engem Zusammenhang mit der Gründung und Privilegierung der Städte zur Zeit des Kampfes zwischen Kaiser und Papst. Am Hof eines Stadtherrn waren schon früh Handwerker anzutreffen, die sich im Laufe der Jahrzehnte zu Verbänden und Korporationen zusammenschlossen.

Religiösen Hintergrund hatten die sogenannten Bruderschaften, welche auch die Familien der Mitglieder umfassten und sich um den Unterhalt der Altäre kümmerten, Prozessionen durchführten, die Leichenfeiern der Berufsgenossen organisierten und die Betreuung ihrer Hinterbliebenen übernahmen.
Gekreutze Zunftpanner im Zunftsaal

Von überragender Bedeutung war indessen das wirtschaftliche Motiv: Die ersten Handwerkerkorporationen, welche nördlich der Alpen im 11. Jahrhundert entstanden, umfassten meist ein Gewerbe und waren auf Abwehr der auswärtigen Konkurrenz, Regelung der Produktion sowie die Handhabung der Gewerbegerichtsbarkeit ausgerichtet. Sie werden als Innungen oder «antwerck» (Handwerk), oft auch schon als Zunft bezeichnet. Politische Ambitionen, die später eine so grosse Rolle spielen sollten, gehörten ursprünglich noch nicht zur Zielsetzung. Die damaligen Inhaber der Macht fürchteten offenbar, dass wirtschaftliche Verbände als Vertreter des niederen Volkes vermehrten Einfluss erlangen könnten, und verboten ihnen deshalb jede politische Betätigung. So stellt denn auch der Zürcher Richtebrief – er mag einige Jahre vor dem Bundesbrief von 1291 entstanden sein – mit aller Schärfe fest, «dass nieman(d) werben noch tuon (gründen) sol enhein (keine) zunft noch meisterschaft mit eiden mit worten noch mit werchen …». Und auf Verletzung des Gebots standen ausserordentlich harte Strafen: Hausabbruch, hohe Busse und Landesverweis.

Trotz Verboten und teilweise rücksichtsloser Unterdrückung von Aufständen durch die Stadtherrscher und ihre Gefolgschaft war der Aufstieg der Zünfte zur Beteiligung an der politischen Macht jedoch nicht aufzuhalten. Dabei begünstigten verschiedene Zeitströmungen und Ereignisse die Sache der Handwerker: Die von den Bettelorden geforderte religiöse Erneuerung des gesamten Lebens, die Rechtsunsicherheit infolge chronischer Schwäche des Königtums, das gewachsene soziale Bewusstsein des neuen Handwerkerstandes, eine vielerorts ungeschickte Regentschaft der aristokratischen Räte, aber auch verheerende Pestepidemien und wiederholte Wirtschaftskrisen.

So folgten sich denn seit dem ausgehenden 13. Jahrhundert die politischen Umstürze und Verfassungsänderungen und sicherten den Zünften Anteil an der Regierung oder gar Übermacht in den Räten. Interessant bleibt indessen, dass eine eigentliche Zunftdemokratie fast nirgends von Dauer war. Es bildete sich eine neue regierende Schicht der Meister und Räte aus verhältnismässig wenigen Zünften, welche meist zum wohlhabenden Kaufmannsstand gehörten. Sie ist richtigerweise als neue Oligarchie bezeichnet worden. Als Wahlkollegien hatten die Zünfte vielerorts bis nach der Französischen Revolution Bestand.