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2011: 150 Jahre Karl Gölsdorf

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2011: – Karl Gölsdorf –
sein Geburtstag jährt sich zum 150. Mal

zusammengestellt von Dipl.-Ing. Thomas Pohl.

Karl Gölsdorf (* 8. Juni 1861 in Wien - † 17. März 1916 am Semmering am Wolfsbergkogel), ein österreichischer Ingenieur und Lokomotiv-Konstrukteur.

Aus der Personenmappe im Archiv des technischen Museums Wien ist zu erfahren, dass Karl Gölsdorf mit dem Eisenbahnbau aufwuchs: “Sein Vater Louis Adolf Gölsdorf war Maschinendirektor der Südbahngesellschaft, seine Mutter Agnes Marie Schilff entstammte einer deutschen Maschinenbauerfamilie. Karl zeigte schon früh Vorliebe für alles Technische, der Vater förderte sein Talent und zog ihn bereits als Mittelschüler beim Entwurf von Lokomotiven heran.

Karl Gölsdorf studierte 1880-1884 an der Technischen Hochschule in Wien (wo er sein Diplom mit Auszeichnung abschloss) und arbeitete gleich danach als Konstrukteur bei der Wiener Maschinenfabrik der öst.-ung. Staatsbahnen, wo er bald eine leitende Funktion innehatte. 1891 organisierte er bei den k.k. österr. Staatsbahnen den Lokomotivpark neu. Er konstruierte richtungsweisende 5- und 6-fach gekuppelte Gebirgslokomotiven und eine Schnellzuglokomotive mit hoch liegendem Kessel.
Außerdem machte er als Beamter Karriere: 1896 Inspektor der öst. Staatsbahnen, 1905 Oberbaurat, 1910 Ministerialrat, 1913 Sektionschef und betraut mit der Revision der Departements für Lokomotiv- und Waggonbau, für elektrischen Starkstrom und mit Spezialangelegenheiten.”

In der Laudatio zur Herausgabe der Sonderpostmarke 2011 ‘150. Geburtstag von Karl Gölsdorf - 100 Jahre Reihe 310’ der Österreichischen Post heißt es außerdem:

“Am 1. November 1891 kam er schließlich als Ingenieur-Adjunkt zum Konstruktionsbüro der Österreichischen Staatseisenbahn, wo seine buchstäblich “Bahn”-brechenden Ideen ihren schöpferischen Anfang nahmen. So erfand er zunächst eine leistungsfähige Anfahrvorrichtung für Verbunddampf-Lokomotiven, da die bisher gebräuchlichen Vorrichtungen in Österreich mit seinen teilweise schwierigen Streckenverläufen einen Zug nicht zuverlässig genug anfahren ließen.

Briefmarke 2011 (150. Geburtstag Karl Gölsdorf, 100 Jahre Reihe 310, (c) Österreichische Post)

Briefmarke 2011 —
150. Geburtstag Karl Gölsdorf,
100 Jahre Reihe 310

© Österreichische Post

Seine große Bekanntheit verdankt Gölsdorf freilich der Erfindung der seitenverschiebbaren Kuppelachsen für Dampflokomotiven, welche später sogar nach ihm benannt wurden (Gölsdorf-Achse). Die erste damit ausgerüstete Maschine war eine vierfach gekuppelte Dampflok im Jahre 1897. Diese schwere Lokomotive, die “BR 56”, zählt zu den meistgebauten der damaligen Zeit.

Von 1893 bis 1916 war Karl Gölsdorf Chefkonstrukteur der Kaiserlich-Königlichen Österreichischen Staatsbahnen, im Laufe der Jahre entwickelte er nicht weniger als 25 verschiedene Grundtypen bemerkenswerter Dampflokomotiven. Zu seinen Konstruktionen gehören unter anderen so bekannte Typen wie die Reihe 30 der ehemaligen Wiener Stadtbahn, die “Atlantics” der Reihe 108 und natürlich die Reihe 310, die heuer ihr 100-jähriges Jubiläum feiert (siehe Markenmotiv). Diese dreifach gekuppelte Schnellzug-Lok mit einem Vierzylinder-Heißdampf-Verbundtriebwerk ist zweifellos eine der schönsten dieser Epoche und mit Sicherheit die bekannteste Schöpfung Gölsdorfs. Als Mitherausgeber der Zeitschrift “Eisenbahntechnik der Gegenwart” fand sein Schaffen auch die entsprechende Publizität beim Fachpublikum. Besondere Berühmtheit erlangte in diesem Zusammenhang seine umfangreiche Fotosammlung, die sich heute im Besitz des Deutschen Museums befindet.”

‘Arbeiten’ wir mal die verschiedenen diese Punkte einzeln ab.

“Man kann an einer Lokomotive nicht eine Tonne Gewicht einsparen - wohl aber an tausend Stellen ein Kilo.”

Dieser Gölsdorf zugeschriebene, zumindest aber in seinem Zusammenhang immer wieder zitierte Satz wurde jedenfalls zu seiner Maxime, der sich alle Lokomotivkonstuktionen unterzuordnen hatten. Veranlasst war sie durch die von den Militärstrategen der k.k. Monarchie festgelegten Achslastbeschränkung auf gerade einmal 14,5 Tonnen. Angeblich, um einen Einsatz der Lokomotiven fremder Mächte beim feindlichen Einmarsch in das Territorium des König- und Kaiserreichs unmöglich zu machen. Aber welche feindliche Macht hat sich im Kriegsfall je um die pflegliche Behandlung der vorliegenden Infrastruktur Sorgen gemacht - geschweige denn die Lokomotiven des überfallenen Gegners nicht gleich selbst benutzt.
Jedenfalls zwang diese Beschränkung zu einem kaum vorstellbaren Leichtbau der Lokomotiven durch die österreichischen Konstrukteure jener Zeit - einschließlich Karl Gölsdorf.

Leistungsfähige Anfahrvorrichtung für Verbunddampf-Lokomotiven

Bei den Verbundlokomotiven der Reihe 310, dem Gölsdorf’schen Paradepferd [siehe auch Liste unten], hat er ein ungewöhnliches Schieberprinzip eingesetzt, das zwar zur gleichen Zeit schon für die A 3/5 der von SLM-Winterthur und von Maffei für die schweizerische Gotthardbahn angewandt wurde, aber das Besondere, das Ungewöhnliche dabei war, dass der Durchmesser des Schiebers um 90 mm größer war als der des Hochdruckzylinders.
Wie bemerkt zusätzlich Siegfried Baum aus Augsburg in seinem Artikel in der Zeitschrift ‘Gartenbahnen’ über diese Gölsdorf’sche Errungenschaft: “Dass diese Schieberkonstruktion nicht nur auf breite Zustimmung traf, sehen wir bei der bayer. S 3/6. Hier hatte sich Anton Hammel, Chefkonstrukteur und Direktor bei Maffei, geweigert, die Konstruktion für die S 3/6 zu übernehmen, obwohl sie ihm, so Baron Welser, von Gölsdorf wärmstens empfohlen worden sei.”

Seitenverschiebbaren Achsen in einem Starrrahmen

Gölsdorf setzte erstmals diese von Richard von Helmholtz theoretisch erarbeiteten “konstruktiven Mittel”, wie Helmholtz 1888 sie in der ‘Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure’ (ZVDI) nennt, ein. Bei seiner Reihe 170 [siehe auch Liste unten], Bauart 1D n2v, gebaut in den Jahren 1897-1919 für die kkStB und die Südbahn, erhielten die Laufachse sowie die zweite und die vierte Kuppelachse jeweils ein Seitenspiel.

“Die Pionierlokomotive, die alle aufgezählten Lösungen über den Haufen warf” so Karl-Ernst Maedel und Alfred B. Gottwaldt, nachdem sie in ihrem Buch die verschiedensten vor 1900 verwendeten Lösungen zur Kurvenläufigkeit sowie die der Gelenklokomotiven beschreiben, “war die 1900 von der Wiener Lokomotivfabrik erbaute E-n2v-Güterzuglokomotive Reihe 180 [siehe auch Liste unten]. Ihr Schöpfer war Gölsdorf. Mußten wir den Ingenieuren der neunziger Jahre den Vorwurf machen, daß sie sozusagen ‘den Wald vor Bäumen nicht sahen’ und das Problem so unendlich komplizierten, so war es dem Vorschlag Karl Gölsdorfs zu verdanken, die v. Helmholtzschen Untersuchungen zum einzig schlüssigen praktischen Ergebnis zu führen. Gölsdorf verlieh, theoretisch völlig richtig, dem ersten, dritten und fünften Radsatz Seitenspiel; zwangsläufig wurde der vierte, feste Radsatz zum Treibradsatz. Durch Zurückverlegung des Kreuzkopfes vermied man eine zu lange und schwere Treibstange.”
(Karl-Ernst Maedel und Alfred B. Gottwaldt in ihrem Buch ‘Deutsche Dampflokomotiven - Die Entwicklungsgeschichte’ auf Seite 135)

Die bemerkenswerteste Konstruktion seitenverschiebbarer Achsen hingegen war sicher die sechsfach gekuppelte Gebirgsschnellzuglok der Reihe 100 von Gölsdorf [siehe auch Liste unten], eine leider nur Einzelstück gebliebene Lokomotive mit Treib- und Kuppelrädern von 1450 mm Durchmesser. “Die Lok mit der bis dahin für unmöglich gehaltenen Zahl von Treibachsen in einem Starrrahmen” so Baum, “nahm die Maschinenfabrik Esslingen zum Anlass, die württ. Baureihe K (BR 59.0) mit der gleichen Achsfolge in immerhin 44 Exemplaren zu bauen. Nicht wenige dieser Maschinen leisteten bekanntlich am Ende ihrer Tage noch wertvolle Dienste auf der Semmeringbahn!”

Krauss-Helmholtz-Lenkgestell

1887 entstand in der Lokomotivfabrik Krauss & Co. (1860 in Allach bei München gegründet) durch deren Chefkonstrukteur Richard von Helmholtz eine wegweisende wissenschaftliche Untersuchung über das Verhalten von Lokomotiven in Kurven und die Abnutzung von Rad und Schiene. Aus dieser theoretischen Arbeit folgte als praktisches Ergebnis 1888 die Konstruktion des Krauss-Helmholtz-Lenkgestells, welches später bei vielen Lokomotiven mit Laufachsen – nicht nur Dampflokomotiven – zum Einsatz kam. Gölsdorf setzte als erster das Krauss-Helmholtz-Lenkgestell als führendes Gestell in seiner Schnellzuglokomotive Reihe 210 [siehe auch Liste unten] von 1908 ein.
Bei diesem Lenkgestell ist, so beschreibt Wikipedia, “eine (nicht angetriebene) Laufachse über eine Deichsel mit einer (angetriebenen) Kuppelachse so verbunden, dass das radiale Ausschwenken der Laufachse eine entgegengesetzte seitliche Verschiebung der Kuppelachse bewirkt. Hierdurch werden die seitlichen Kräfte bei der Kurvenfahrt zu etwa gleichen Teilen von beiden Achsen aufgenommen, womit sich die Laufeigenschaften denen eines Drehgestells annähern und der Verschleiß von Spurkränzen und Schienen reduziert wird.”
(Siehe auch Wikipedia: Krauss-Helmholtz-Lenkgestell)

Winkelhebelsteuerung

Für die Steuerung der Dampflokomotiven entwickelte Gölsdorf außerdem, was relativ wenig bekannt zu sein scheint, eine Steuerung mit Winkelhebel (statt der Schwinge) - ähnlich der amerikanischen Baker-Steuerung. Dass dieses österreichische Pendent letztlich nur bei Nebenbahn- und einigen Schmalspurlokomotiven, wie der Reihe 178 [siehe auch Liste unten] und Reihe 278 [siehe auch Liste unten] oder an einer erhaltenen Schmalspurlok der Ybbstalbahn angewandt wurde, mag mit an dem großen und sicher nicht ganz leichten Winkelhebel gelegen haben.

Gölsdorf'sche Winkelhebelsteuerung an der kkStB-Reihe 178

 

Gölsdorf’sche Winkelhebelsteuerung an der kkStB-Reihe 178

Gölsdorf’s Erfindungsreichtum kann man an dieser Reihe 178 [siehe wie gesagt auch Liste unten] insbesondere am Federausgleich erkennen, auf den hier nochmals speziell hingewiesen sei. Eine ungewöhnliche Konstruktion bilden nämlich die Längenausgleichshebel mit den beiden Tragfedern jeweils an der Abstützung der vorderen beiden und der hinteren beiden Achsen.

Ungewöhnlicher Federausgleich der kkStB-Reihe 178 - Ausschnitt

 

Ungewöhnlich konstruierter Federausgleich der kkStB-Reihe 178.
(Von mir in weiß einskizziert.)

Eine Gesamtansicht dieser kkStB-Reihe 178 darf zum Abschluss natürlich nicht fehlen.

Gesamtansicht der kkStB-Reihe 178.
Die 178.49 ‘Arcivevoda Karel’ (übersetzt ‘Erzherzog Karl’), Werksfoto der Wiener Maschinenfabrik der k. k. österreichischen Staatsbahnen; heute Museumslok 422.025 im Eisenbahnmuseum ‘Lužná u Rakovníka’.

kkStB 178.49_LoRes

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Karl Gölsdorf verstarb überraschend am 17. März 1916, also mitten in den Wirren des Ersten Weltkriegs, während eines Aufenthalts am Semmering am Wolfsbergkogel. Ursache dürfte ein Halskrebs-Leiden gewesen sein.

Dass keine österreichischen Institutionen, sondern ausländische ihm noch zu Lebzeiten hohe Ehrungen zuteil werden ließen — so verlieh ihm nämlich 1910 die Technische Hochschule Hannover die Ehrendoktorwürde — sei für ihn der Anlass gewesen, seinen umfangreichen Nachlaß schließlich im bayerischen Ausland dem ‘Deutschen Museum von Meisterwerken der Naturwissenschaft und Technik’ in München zu vermachen.

Gölsdorf wurde auf dem Friedhof des Wiener Stadtteils Hietzing beigesetzt. Noch heute besteht dort sein Ehrengrab und der Grabstein trägt die Inschrift “K.k. Sektionschef, Dr. ing. h.c. KARL GÖLSDORF, geb. Wien 8. Juni 1861, gest. Semmering 17. März 1916. Segensreich hat sich erfüllt, was Dein rastloser Geist erhoffte, Dir zur Ehre, der Menschheit zum Nutzen.”


Einige von Karl Gölsdorf konstruierte Lokomotivreihen

1.

Reihe 59 der kkStB von 1893-1903
(dreifach gekuppelte Güterzug-Schlepptenderlokomotive, Cn2v)

Diese Lokomotivreihe war die erste Schöpfung Karl Gölsdorfs. Sie war zwar in ihren Abmessungen ähnlich der Vorgängerreihe 56, besaß wie diese Innenrahmen, hatte aber äußere Heusinger-Steuerung und ein Verbundtriebwerk. Sie war damit auch die erste österreichische Lokomotivreihe mit Verbundtriebwerk. Damit war sie den bis dahin gebräuchlichen dreifach gekuppelten Güterzuglokomotiven in einem unübersehbaren Maße überlegen. Äußerlich machte sich positiv bemerkbar, dass Gölsdorf den sattelförmigen Sandbehälter der Reihe 56 durch einen Sanddom ersetzte.

2.

Reihe 6 der kkStB von 1894–1898
(zweifach gekuppelte Schnellzug-Schlepptenderlokomotive, 2'B n2v)

Da die eingesetzten Schnellzuglokomotiven in den 1890er-Jahren wegen steigender Zuggewichte zu schwach waren, entwarf Gölsdorf als Ersatz für die Reihe 4 die erheblich stärkere Reihe 6 als Verbundmaschine. Der Kessel lag um einen halben Meter höher als bei der Reihe 4. Die Reihe 6 war ein durchschlagender Erfolg. Sie fuhr problemlos 130 km/h, Dauerleistungen von 800 PS und Spitzenleistungen von 1000 PS. In der Ebene zog sie 210 t mit 100 km/h; auf einer 10‰-Steigung sank die Geschwindigkeit nicht unter 58 km/h. Als Höchstgeschwindigkeit wurden 90 km/h zugelassen.

3.

Reihe Gv / Reihe 189 der kkStB von 1895–1899
(zweifach gekuppelte Tenderlokomotive, ursprüngliche Reihe Gv in Schmalspur, nach Umbau zur Reihe 189 dann Normalspur, 1B n2vt)

Als die Pferdeeisenbahn Budweis–Linz–Gmunden auf Lokomotivbetrieb umgestellt wurde, behielt man ihre Spurweite von 1106 mm bei. Die dafür 1895 bis 1899 beschafften Lokomotiven der Reihe Gv waren daher Schmalspurlokomotiven.
Als die kkStB, die die ehemalige Pferdeeisenbahn übernahm, 1903 die Strecke auf Normalspur umbaute, ließ sie auch die vier vorhanden Gv einem Umbau auf Normalspur unterziehen, womit die Reihe die Bezeichnung 189 bekam.
Jedoch waren die Maschinen, die von Karl Gölsdorf mit einem Krauss-Helmholtz-Lenkgestell ausgestattet worden waren und daher keinen festen Radstand besaßen, nur sehr beschränkt einsetzbar.

4.

Reihe 30 der Wiener Stadtbahn der kkStB von 1895–1901
(dreifach gekuppelte Stadtbahn-Tenderlokomotive, 1'C1' n2vt)

Nach dem Beschluss über den Bau der Wiener Stadtbahn im Jahr 1892 begann Karl Gölsdorf bereits mit der Konstruktion einer Stadtbahnlokomotive für die neuen Innenstadtstrecken. Gefordert waren auf den teilweise engen Gleisbögen und vielen Steigungen rasche Anfahreigenschaften bei kurzem Stationsabstand.

5. *) (d.h. siehe Fußnote am Ende der Auflistung!)

Reihe 60 der kkStB und SB von 1895-1910
(dreifach gekuppelte Güterzug-Schlepptenderlokomotive, Die Loks 60.01–297 als 1C n2v, die Loks 60.500–521 als 1C t2v, die Loks 60.800–802 als 1C h2v)

Die kkStB verwendete für den Güterverkehr nur laufachsenlose dreifach und vierfach gekuppelte Lokomotive, die wegen des großen vorderen und hinteren Überhanges nur geringe Geschwindigkeiten erlaubten. Karl Gölsdorf behob dieses Problem, indem er bei der Reihe 60 eine führende Laufachse einführte und den Stehkessel über der hintersten Treibachse unterbrachte. Das bedingte eine Anhebung des Kessels, was den Maschinen ein modernes Aussehen gab. Im Detail verwendete Gölsdorf wesentliche Teile der Reihe 59 und Reihe 30 wieder.

6. *)

Reihe 170 der kkStB und SB von 1897-1919
(Zwei Lokomotiven wurden außerdem 1919 von Krauss in Linz an die Sächsischen Staatseisenbahnen geliefert, welche sie in die Gattung IX V einordnete), (vierfach gekuppelte Güterzug-Schlepptenderlokomotive, 1D n2v)

Der steigende Verkehr auf der Arlbergbahn brachte es mit sich, dass bereits zwei Jahre nach ihrer Eröffnung mit den Dreikupplern der Reihe 48 nicht mehr das Auslangen gefunden werden konnte. Daher entwickelte Karl Gölsdorf 1897 für den Reisezugdienst(!) die Reihe 170, eine vierfach gekuppelte Verbund-Maschine mit einer vorlaufenden Achse. Die Lokomotiven hatten zwei Dampfdome mit Verbindungsrohr. Gölsdorf setzte die von Richard von Helmholtz entwickelte Theorie des Bogenlaufs gekonnt in die Praxis um, indem er der Laufachse sowie der zweiten und vierten Kuppelachse jeweils ein Seitenspiel einräumte. Dadurch wurde der Verschleiß an Spurkränzen und Schienen stark vermindert, was für die österreichischen Bergstrecken sehr von Vorteil war. Während des Ersten Weltkrieges waren sie die Stütze im Güterverkehr.

7. *)

Reihe 106 der kkStB und SB von 1898–1902
(zweifach gekuppelte Schnellzug-Schlepptenderlokomotive, 2'B n2v)

Obwohl man mit der Reihe 6 sehr zufrieden war, entschied man sich doch, kleine Verbesserungen durchzuführen. Die so entstandene Reihe 106 hatte unter anderem eine auf 3,0 m² vergrößerte Rostfläche.

8. *)

Reihe 9 der kkStB und SB von 1898–1903
(dreifach gekuppelte Schnellzug-Schlepptenderlokomotive, 2'C n2v)

Für Hügellandstrecken entwarf Karl Gölsdorf diese Schnellzuglokomotive, bei der er nur wenige Neuerungen einführte. So war die Lokomotivtype die letzte, bei der er einen Außenrahmen zur Anwendung brachte. Die Verbundmaschine hatte zur Zeit ihrer Entstehung einen der größten Niederdruckzylinderdurchmesser in Europa, nämlich 810 mm. Während die Steuerung außen lag, erschwerten die innen liegenden Zylinder und Treibstangen die Wartung beträchtlich. Am auffälligsten war der große Dampfsammelbehälter mit einer Länge von 4,4 m auf dem Kesselscheitel, der die für Bergfahrten benötigte große Dampfmenge aufnehmen sollte. Die Reihe 9 brachte allerdings nicht die Leistungen, die man von ihr erwartet hatte. Dies war vor allem durch den Eigenwiderstand des Triebwerks bedingt.

9.

Reihe 178 der kkStB von 1899-1918
(vierfach gekuppelte Tenderlokomotive für den Lokalbahnverkehr, D n2vt)

Als Ende des 19. Jahrhunderts der Verkehr auf der Schneebergbahn (SchBB), die vor allem zum Abtransport der Kohle aus dem Grünbacher Grubenrevier gebaut worden war, wegen des zunehmenden Tourismus auf den Hochschneeberg, der mittels Zahnradbahn erreicht werden konnte, so stark zunahm, dass die vorhandenen zwei- und dreifach gekuppelten Nebenbahnlokomotiven nicht mehr ausreichten, wurde Karl Gölsdorf beauftragt, eine neue Lokomotive zu konstruieren.
Gölsdorf schuf eine kräftige vierfach gekuppelte Tender-Verbundmaschine, die sogar engere Kurvenradien als die alten Dreikuppler zwanglos durchlief. Krauss in Linz lieferte zwei Probemaschinen, die die Nummern 21 und 22 sowie die Namen „WILLENDORF“ und „KLAUS“ erhielten. Nachdem die Eisenbahn Wien–Aspang (EWA) 1899 den Betrieb der Schneebergbahn übernommen hatte, bestellte sie weitere acht Stück dieser Lokomotiven. Die damit vorhandenen zehn Stück wurden als Reihe IVd mit den Nummern 71 bis 80 eingeordnet.
Die von Gölsdorf bei diesen Maschinen angewandte, abgewandelte Heusingersteuerung, ist nach ihm benannt. Obwohl sie sich bewährte wurde sie weder in Österreich, noch sonst in Europa nochmals verwendet. In Amerika aber wurde sie zur Baker-Steuerung weiterentwickelt.
Die kkStB beschaffte für ihre Nebenbahnen bis 1918 insgesamt 211 Stück dieser als Reihe 178 bezeichneten Maschinen.

10. *)

Reihe 180 der kkStB und SB von 1901-1908
(fünffach gekuppelte Güterzug-Schlepptenderlokomotive, 180.01 bis 180.181 als E n2v und 180.500 bis 180.557 als E t2v)

Durch den steigenden Bedarf an starken Lokomotiven zum Kohlentransport auf den nordböhmischen Strecken, vor allem der verstaatlichten Prag-Duxer Eisenbahn (PD), tat Karl Gölsdorf den nächsten konstruktiven Schritt bei der Erhöhung der Anzahl der gekuppelten Achsen: er schuf mit der Reihe 180 die erste fünffach gekuppelte Lokomotivreihe. Die Verbund-Maschinen erhielten Doppeldom mit Verbindungsrohr und die bereits bei der Reihe 170 bewährte Art der besseren Kurvenläufigkeit durch seitlich verschiebbare Achsen nach den Ideen von Richard von Helmholtz.

11. *)

Reihe 108 der kkStB und SB von 1901-1910
(zweifach gekuppelte Schnellzug-Schlepptenderlokomotivreihe, 2'B1' n4v)

Gleichzeitig mit der ÖNWB XVIb und der kkStB 106 stellte die kkStB 1901 auch eine neue Reihe der Bauart 2'B1' in Betrieb. Karl Gölsdorf ließ sie erst nach langjährigen Studien in Serie bauen. Diese als Reihe 108 bezeichneten Maschinen waren die ersten Vierzylinder-Verbundlokomotiven mit dieser Achsformel. Alle vier Zylinder trieben die erste Achse an. Die 108er erreichten problemlos 143 km/h, konnten aber aus signal- und bremstechnischen Gründen nur bis 100 km/h zugelassen werden. Die Dauerleistung war 1400 PS mit Spitzenleistungen von 1600 PS. Auch die Tender der Reihe 86 waren eine Neukonstruktion Gölsdorfs, die Langläufe der 108er ermöglichten.

12. *)

Reihe 129 der kkStB von 1902
(dreifach gekuppelte Personenzug-Tenderlokomotive, 1C-n2v)

Zur Verbesserung des Personennahverkehrs beschaffte die kkStB 1C-n2v-Tenderlokomotiven, die die für diesen Zweck eingesetzten zweifach gekuppelten Schlepptenderlokomotiven ersetzen sollten. Die Tenderlokomotiven hatten zudem den Vorteil, dass man sich das Wenden an den Endpunkten ersparte. Karl Gölsdorf legte bei der Konstruktion besonderes Augenmerk auf gutes Beschleunigungsvermögen. Die 17 Maschinen dieser als 129 bezeichneten Reihe wurden von der Lokomotivfabrik Floridsdorf und der Wiener Neustädter Lokomotivfabrik geliefert.

13. *)

Reihe 206 der kkStB und SB von 1903–1907
(zweifach gekuppelte Schnellzug-Schlepptenderlokomotive, 2'B n2v)

Obwohl man mit der Reihe 6 und Reihe 106 sehr zufrieden war, wollte die kkStB kleine Verbesserungen durchführen. Bei der so entstandenen Reihe 206 wurde der Kessel noch höher gelegt, um Platz für eine größere Strahlungsheizfläche der Feuerbox zu erhalten. Obwohl die Rohre kürzer waren als bei den Vorgängerbauarten 6 und 106, konnte dennoch eine Leistungssteigerung erreicht werden. So ergab sich eine Dauerleistung von 940 PS bei 90 km/h.
Gölsdorf legte bei den 206ern besonderes Augenmerk auf die Ästhetik des Erscheinungsbildes der Lokomotiven. So verzichtete er auf den Doppeldom mit Verbindungsrohr zugunsten eines einzigen halbhohen, konischen Dampfdomes mit aufgesetzten Sicherheitsventilen. Die Seitenwand des Führerhauses war schwungvoll gestaltet, der Umlauf wurde über dem ersten Treibrad bogenförmig empor gezogen, sodass der Blick auf die Räder frei war. Die 206er galten als formvollendetste Schnellzuglokomotiven ihrer Zeit.

14. *)

Reihe 229 der kkStB von 1904–1918
(dreifach gekuppelte Personenzug-Tenderlokomotive, 1'C1' n2vt)

Da die Lokomotiven der früheren Reihe 129 durchaus erfolgreich waren, wollte auch die Südbahn ähnliche Maschinen beschaffen, allerdings mit größeren Vorräten. Gölsdorf modifizierte daher den Entwurf der Reihe 129, indem er eine Nachlaufachse vorsah. Floridsdorf liefert von 1903 bis 1907 elf Stück dieser als Reihe 229 bezeichneten Lokomotiven an die Südbahn.

15. *)

Reihe 110 der kkStB, der SB und der Kaschau-Oderberger Bahn (KsOd) von 1905–1907
(dreifach gekuppelte Schnellzug-Schlepptenderlokomotive, 1'C1' n4v)

sowie

Reihe 110.5 der kkStB von 1906–1909
(Schnellzug-Schlepptenderlokomotive, 1'C1' t4v)

Da die Reihe 9 kein wirklicher Erfolg war, entwarf Karl Gölsdorf eine viel stärkere 1'C1'-Lokomotive mit Vierzylinder-Verbundtriebwerk. Durch extreme Gewichtsersparnis gelang es ihm, eine 1400 bis 1500 PS starke Lokomotive mit weniger als 70 t Gewicht und einem Radstand von 14,976 m mit Tender zu entwerfen, die es gestattete, die Maschinen auf den 16-m-Drehscheiben zu wenden. Allerdings bedingte das, eine Schräglage der außen liegenden Niederdruckzylinder in Kauf zu nehmen. Der über den Treibrädern gewölbte Rahmen und der im dritten Schuss konisch erweiterte Kessel gaben den Lokomotiven ihr spezielles, elegantes Aussehen, das noch durch den glatten, mit keinen Leitungen verunzierten Kessel unterstrichen wurde. Diese Konstruktion behielt Gölsdorf auch bei den folgenden Reihen 210, 10 und 310 bei.

16. *)

Reihe 280 der kkStB von 1906/07 und der SB von 1908/1911
(fünffach gekuppelte Gebirgsschnellzug-Schlepptenderlokomotive, 1E t4v)

Die topographischen Besonderheiten Österreichs als Gebirgsland und die steigenden Zuggewichte sorgten bald dafür, dass die frühere Reihe 170 für den Schnellzugdienst auf den Bergstrecken zu schwach war. Karl Gölsdorf schuf daraufhin speziell für Schnellzüge auf der Arlbergbahn die fünffach gekuppelte Lokomotivreihe 280 mit Vierzylinder-Verbundtriebwerk. Da die schwachen Brücken nicht mehr Gewicht zuließen, war die Achsmasse auf 13,8 t zu beschränken. Gölsdorfs Entwurf ist daher ein Paradestück des Lokomotivleichtbaus. Ähnlich wie bei der Reihe 110 wurde der zweite Kesselschuss konisch erweitert, um mehr Dampfraum zu erhalten. Der eingebaute Clench-Dampftrockner bewährte sich nicht und wurde nach 1918 wieder entfernt. Die Maschinen erhielten, wie fast alle am Arlberg eingesetzten Lokomotiven, eine Ölzusatzfeuerung, um die Rauchentwicklung in den Tunnels zu vermindern.

17.

Reihe 112 der kkStB von 1907
(Schnellzug-Tenderlokomotive, 1A1 n2vt)

Um einen schnellen Zubringerdienst zu Schnellzugstationen einzurichten, bestand bei der kkStB Bedarf an kleinen, schnellen Lokomotiven. Karl Gölsdorf entwarf die Reihe 112 für diese Zwecke. Die Maschinen waren gut durchkonstruiert, erlaubten eine kurzzeitige Geschwindigkeit von 100 km/h und konnten 100 t dauerhaft mit 80 km/h befördern.

18.

Reihe 329 der kkStB von 1907–1909
(dreifach gekuppelte Personenzug-Schlepptenderlokomotive, 1'C1' tn2v)

Zur Verbesserung des Personennahverkehrs beschaffte die kkStB 1C-n2v-Tenderlokomotiven der früheren Reihe 229. Beim Personenfernverkehr sollten die bis dahin eingesetzten zweifach gekuppelten Schlepptenderlokomotiven ebenfalls durch dreifach gekuppelte Maschinen ersetzt werden. Der Konstrukteur Karl Gölsdorf übernahm für diese Konstruktion das Fahrwerk der 229 unverändert. Die bessere Gewichtsverteilung erlaubte einen größeren Rost, der für die schlechte österreichische Kohle besser geeignet war. Die Maschinen erhielten den Clench-Gölsdorf-Dampftrockner.

19.

Reihe 210 der kkStB von 1908
(dreifach gekuppelte Schnellzug-Schlepptenderlokomotive in ‘Adriatic’-Bauart, 1'C2' t4v)

Als im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts andere Bahnverwaltungen zu 2C1-Schnellzuglokomotiven übergingen, um den steigenden Anforderungen des Schnellzugverkehrs Folge zu leisten, konnte die kkStB diesem Trend nicht folgen, da die ihr zur Verfügung stehende energiearme Kohle einen großen Feuerrost und einen breiten Stehkessel erforderten, um dieselbe Leistung erbringen zu können. Karl Gölsdorf entschied sich daher für die 1C2-Bauart, die dafür genug Platz bot, und außerdem gestattete, die vom Militär aufrecht gehaltene Achslast von 14,5 t einzuhalten.

20. *)

Reihe 306 der kkStB und der SB von 1908 und 1910
(zweifach gekuppelte Schnellzug-Schlepptenderlokomotive, 2'B h2v)

Da mittlerweile die Heißdampflokomotiven Serienreife erlangt hatten, wollte sich auch die kkStB die wirtschaftlichen Vorteile dieses Systems zu Nutze machen. Karl Gölsdorf konstruierte daher auf Basis der Reihe 206 eine Heißdampfvariante. Im Unterschied zu den preußischen Vorbildern begnügte er sich aber nicht mit einer Zwillingsmaschine, sondern wählte eine Heißdampfverbundvariante. Die Überhitzerfläche war vergleichsweise klein, was aber nicht darauf zurückzuführen war, dass Gölsdorf wenig Vertrauen in die neue Technik hatte, sondern darauf, dass höhere Temperaturen Schmieröle bedingt hätten, die dann teuer aus dem Ausland eingeführt hätten werden müssen. Allerdings erhöhte er den Kesseldruck auf 15 kp/cm², womit er nicht nur die Reihe 206 mit 13, sondern auch die preußischen Heißdampflokomotiven mit zwölf kp/cm² weit übertraf. Die Leistung und die Kohleersparnis von 18% waren durchaus erfreulich, allerdings war die Zeit der zweifach gekuppelten Schnellzuglokomotiven bereits abgelaufen. Um die schweren Schnellzüge jener Zeit in Bewegung zu setzen, bedurfte es dreifach gekuppelter Maschinen.

21.

Reihe 10 der kkStB von 1909-1910
(dreifach gekuppelte Schnellzug-Schlepptenderlokomotive, 1'C1' h4v)

Die Reihe 10 war als Heißdampflokomotive stärker als die Vorgängerbauart 110, doch war die logische Bezeichnung 210 bereits durch eine Probelokomotive besetzt.

22.

Reihe 160 der kkStB von 1909-1910
(dreifach gekuppelte Güterzug-Schlepptenderlokomotivreihe, 1C h2v)

Da sich die Reihe 60 gut bewährte, entwickelte Karl Gölsdorf sie in eine Heißdampfvariante weiter. Wie bei Gölsdorf üblich war die Überhitzerfläche eher bescheiden, da noch höhere Dampftemperaturen den Zukauf von teurem Schmieröl aus dem Ausland bedingt hätten. Die anderen Abmessungen stimmten exakt mit denen der Reihe 60 überein, allerdings konnte der Dampfdruck erhöht und das Gewicht verringert werden. Das äußere Erscheinungsbild der 160er gewann dadurch, dass Gölsdorf auf den Doppeldom mit Verbindungsrohr der Reihe 60 zugunsten eines einfachen Domes verzichtete.

23.

Reihe 278 der kkStB von 1909-1911
(vierfach gekuppelte Tenderlokomotive für den Lokalbahnverkehr, D h2vt)

Die kkStB 278 war die Heißdampfvariante der Reihe 178. Die kkStB beschaffte sie von 1909 bis 1911 nur in einer Anzahl von acht Stück bei Krauss in Linz. Die ersten beiden Maschinen waren für die Bukowinaer Lokalbahnen, die dritte für die Lokalbahn Tarnopol–Zbaraz bestimmt.

24.

Reihe 380 der kkStB von 1909 und 1911 - 1914
(fünffach gekuppelte Gebirgsschnellzug-Schlepptenderlokomotive, 1E h4v)

Als sich die Heißdampflokomotiven durchzusetzen begannen, ließ die kkStB die bewährte Reihe 280 für die Tauernbahn in Heißdampfausführung bauen. Die ersten beiden von der ‘Lokomotivfabrik der Staats-Eisenbahn-Gesellschaft’ in 1909 gelieferten Maschinen 380.01–02 bewährten sich hervorragend. Sie leisteten 1645 PS, die sich bis zu Spitzenwerten von 2100 PS steigern ließen. Sie war daher um 23% stärker als die 280 und um 50% stärker als die Reihe 170. Ja sie übertraf sogar die Reihe 310 - Leistung 1800 PS. In der Fachwelt gilt die Reihe 380 als die gelungenste Schöpfung Karl Gölsdorfs.
Es wurden 26 Maschinen nachbestellt, bei denen die Flachschieber der Niederdruckzylinder durch Kolbenschieber ersetzt wurden. Sie wurden mit 380.100-125 bezeichnet und von der ‘Lokomotivfabrik der StEG’, von der ‘Wiener Neustädter Lokomotivfabrik’ sowie von der ‘Lokomotivfabrik Floridsdorf’ 1911 bis 1914 geliefert.
Die 380er wurden in Folge auch auf der Wocheinerbahn und auf der Arlbergbahn eingesetzt, wo sie auch mit Ölzusatzfeuerung ausgerüstet wurden.

25. *)

Reihe 429 der kkStB von 1909–1916
(dreifach gekuppelte Personenzug-Schlepptenderlokomotive, 1'C1' h2v)

Als der Schmidtsche Überhitzer Serienreife erlangte, modifizierte Karl Gölsdorf die Reihe 329 zur Heißdampfvariante 429. Die Rauchkammer wurde verlängert, der Langkessel entsprechend verkürzt, der Hochdruckzylinder erhielt Kolbenschieber, der Niederdruckzylinder Flachschieber. Die Lokomotivfabrik Floridsdorf, die Wiener Neustädter Lokomotivfabrik und die Lokomotivfabrik der StEG lieferten 57 Stück (429.01–57) an die kkStB.
Trotz der geringen Überhitzerfläche traten Probleme mit dem Flachschieber der Niederdruckseite auf. Daher wurden die folgenden 126 Maschinen mit Kolbenschieber auf beiden Seiten geliefert (429.100–225). Gleichzeitig wurde eine Zwillingvariante mit Kolbenschiebern erprobt, von der schließlich 197 Stück von der kkStB beschafft wurden (429.900–999 und 429.1900–1996).

26.

Reihe 100 der kkStB von 1911
(sechsfach gekuppelte Gebirgsschnellzug-Schlepptenderlokomotive, 1F h4v)

Da für den wachsenden Reiseverkehr auf der 1909 eröffneten Tauernbahn selbst die Reihe 380 zu schwach war, entwarf Karl Gölsdorf eine noch stärkere Gebirgslokomotive. Er wagte den Schritt zur ersten wirklich praxistauglichen sechsfach gekuppelten Lokomotive. Wie schon bei den Vorgängerbauarten kkStB 170, kkStB 180, kkStB 280 und kkStB 380 nutzte er die Ideen Richard von Helmholtz’ zur seitlichen Verschiebbarkeit der Achsen, um eine geeignete leichte Kurvengängigkeit zu erreichen. Dieses Einzelstück, die 1911 von der Lokomotivfabrik Floridsdorf gelieferte 100.01, erfüllte die an sie gestellte Anforderungen im Betrieb mühelos. Sie beförderte 360 t mit 40 km/h über die 28‰-Steigungen der Tauernbahn. Die erreichte Höchstgeschwindigkeit betrug 85 km/h, die indizierte Leistung 2020 PS, womit sie 20% stärker als die Reihe 380 war. Die ‘Königlich Württembergische Staats-Eisenbahnen’ nahm die 100.01 als Vorbild für ihre ebenfalls sechsfach gekuppelte ‘Württembergische K’.

27.

Reihe 310 der kkStB von 1911–1916
(dreifach gekuppelte Schnellzug-Schlepptenderlokomotive, 1'C2' h4v)

Gölsdorfs ‘Paradepferd’, seine bekannteste Lokomotivbaureihe.
Bei der Konstruktion war zu berücksichtigen, dass sowohl die Achslasten als auch die Gesamtlänge durch Strecken- und Drehscheibenbedingungen in engen Grenzen limitiert waren. Darauf war Karl Gölsdorf schon mit der Reihe 210 eingegangen und modifizierte sie nun so, dass sie von einem Heißdampf-Vierzylinder-Verbundtriebwerk angetrieben wurde. Wegen der schwergängigen Steuerung blieben die als Reihe 310 bezeichneten Lokomotiven aber Flachlandmaschinen, die dort aber bis zu 1800 PS Leistung erbrachten.

28.

Reihe 269 der kkStB - auf der Erzbergbahn in der Steiermark - von 1912
(Zahnradbahn-Dampflokomotive mit der Achsformel Fn4zzt: Sechs gekuppelte Treibachsen in einem starren Rahmen und ein Zahnradtriebwerk mit zwei Zahnrädern)

Die Erzbergbahn konnte bereits 1911 den Betrieb mit den 18 vorhandenen Dampflokomotiven der Reihe 69 nicht mehr bewältigen. Da ein zweigleisiger Ausbau der Strecke nicht möglich war, wurden stärkere Lokomotiven gefordert. Im Auftrag der Kaiserlich-königlichen österreichischen Staatsbahnen (kkStB) entwarf Chefkonstrukteur Karl Gölsdorf die Zahnradbahn-Dampflokomotiven der Reihe 269.
Es entstand eine sechsachsige Tenderlokomotive mit der Achsformel Fn4zzt: Sechs gekuppelte Treibachsen in einem starren Rahmen und ein Zahnradtriebwerk mit zwei Zahnrädern. Diese selten angewandte Bauform als Sechskuppler konnte 150 Tonnen auf dieser Strecke mit 15 km/h befördern und sollte den Schubdienst mit mehreren Lokomotiven vermeiden.

29.

Reihe 910 der kkStB von 1916–1918
(dreifach gekuppelte Schnellzug-Schlepptenderlokomotive, 1'C1' h2)

Für den schwachen Oberbau verstaatlichter Privatbahnen benötigte die kkStB Schnellzuglokomotiven, die leichter als die Reihe 110 und Reihe 10 waren. Karl Gölsdorf konstruierte mitten im Ersten Weltkrieg die Reihe 910 unter Verwendung wesentlicher Bauteile der Reihen 10 und 429.9. So stammte der Kessel im wesentlichen von der 429.9, die Treibräder von der 10. Das führende Krauß-Helmoltz-Gestell stammte von der Reihe 310, für die hintere Adams-Achse musste er aus Gewichtsgründen Räder mit kleinerem Durchmesser vorsehen. Die Reihe 910 war die letzte Konstruktion Gölsdorfs.
Die Maschinen leisteten 1180 PS und erreichten problemlos 120 km/h, wurden aber aus bremstechnischen Gründen und, um Lagerschäden zu vermeiden, nur für 90 km/h zugelassen. Die 22 Stück umfassende Reihe wurde von der Lokomotivfabrik Floridsdorf von 1916 bis 1918 geliefert. Sie wurden vor dem Balkanzug eingesetzt, der den mit Kriegsbeginn eingestellten Orient-Express ersetzte, und stellten damit einen europäischen Langstreckenrekord der damaligen Zeit auf.


 

Fußnote:
*) Von 1885 bis 1908 war Louis A. Gölsdorf, der Vater von Karl Gölsdorf, als Maschinendirektor bei der ‘kaiserlich königlich privilegierten Südbahngesellschaft’ tätig. Die finanzielle Situation der SB zwang dazu, die Eigenkonstruktionen aufzugeben. Stattdessen übernahm man ab 1898 die bewährten Konstruktionen von Karl Gölsdorf (9, 60, 106, 206, 306, 108, 110, 170, 180, 229, 280, 429).

Ein höchst interessanten Artikel über die Geschichte der Südbahn erschien von Andreas Mehrl online im Länderbahn-Forum von Jürgen Riedl.


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- Version 1 vom 6. September 2011. Der Webmaster. -