Stroud, Jonathan: Lockwood & Co – Die Seufzende Wendeltreppe

von Siggi Seuss

Mit welcher Selbstverständlichkeit die 14jährige Lucy von ihrem außergewöhnlichen Berufsleben erzählt, das macht ihr so schnell keiner nach. Eigentlich müssten einem kritischen Leser die Haare zu Berge stehen, wenn er diese Göre reden hört: Eine Wesenheit namens "Knochenknirsch" nach einigen Todesfällen (!) unschädlich gemacht. Und jetzt auf den Spuren der Heimsuchung von Mrs. Hope.

Stroud, Jonathan: Lockwood & Co – Die Seufzende Wendeltreppe. Aus dem Englischen von Katharina Orgaß und Gerald Jung. .
Cbj, München 2013.
416 S., 18,99 €
ISBN 978-3-570-15617-9

Nach dem Glossar in Jonathan Strouds neuem Fantasythriller Lockwood & Co – Die Seufzende Wendeltreppe (das klingt nach Folgeromanen!), ist eine Heimsuchung eine Geistererscheinung und "kann in Begleitung aller möglichen übersinnlichen
Phänomene auftreten." Als wäre sie ohne Zweifel eine Tatsache, die ins richtige Leben gehört, wie Geisternebel, kriechende Grauen und Gaben. Gaben beschreiben die Fähigkeit "Geister zu sehen, zu hören oder auf andere Weise wahrzunehmen".

Stroud schreibt dieses Talent vor allem Kindern zu, aber schlummern kann es auch noch in Erwachsenen. Schließlich haben wir als Kinder immer wieder mal Geister beschworen, um dann, wenn sie erschienen, schreiend davonzulaufen. Strouds Meisterschaft, das Unmögliche so in Szene zu setzen, dass man alsbald vergisst, dass es sich hier um Fantasy handelt, bewies der britische Autor bereits in der phänomenalen Bartimäus-Tetralogie. Selbst die seltsamsten Wesen entpuppten sich dort als realitätstaugliche Geschöpfe. Und die bringt Stroud – auch dank seiner Übersetzer Katharina Orgaß und Gerald Jung – den Lesern witzig, "sophisticated", ironisch und spannend nahe wie kein Zweiter.

Cover: Jonathan Stroud, Lockwood & Co.

Das Perfide, mit dem er nun in Lockwood & Co die Leser einfängt, ist eben jene selbstverständliche Art, wie er die junge Heldin von den Zuständen erzählen lässt. Seit Jahrzehnten wird Großbritannien von Erscheinungen der Geister toter Mitbürger heimgesucht. Im Gewerbe der Geisteraustreibung wurstelt sich das Team mit dem überaus selbstbewussten Chef Anthony Lockwood, dem Nerd George und der sensiblen Lucy mehr schlecht als recht durch die Nacht. Macht und Einfluss haben die Großen im Geschäft, die von Erwachsenen geführt werden. Die jungen Agenten setzen sehr oft ihr Leben aufs
Spiel, wenn sie mit Degen, Eisenketten, Eisenspänen, Plomben, Metallnetzen und Leuchtbomben bewaffnet den Geistern zu Leibe rücken.

Lucy, Anthony und George kriegen jedenfalls mächtigen Ärger, als sich hinter einer einfachen Geisteraustreibung der Fall eines mysteriösen, lang zurückliegenden Mordes auftut und plötzlich allerhöchste Kreise alarmiert sind. Im Stress kann es da
Lockwood & Co schon mal passieren, dass sie versehentlich ein ganzes Haus abfackeln, wenn’s denn dem persönlichen Überleben dient. – Wir warten auf den nächsten Fall und streuen vorsorglich ein Pentagramm aus Eisenspänen um den Lesesessel. (ab 12 Jahren)

Die Rezension erschien ursprünglich am 04. Oktober 2013 in der Süddeutschen Zeitung. Übernahme mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.

 

 

 

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