SESAM: Selbstorganisation und Spontaneität in liberalisierten und harmonisierten Märkten

Virtuelle Kraftwerke - Die Vision eines sich selbst organisierenden Energiesystems


Zielsetzung

Die natürlichen Ressourcen der Erde wie Energie, reine Luft, Wasser, Bodenschätze verknappen sich angesichts des Wachstums der Weltwirtschaft drastisch. Die Wirtschaft kann daher nur einem Wachstum folgen, wenn sie sich um einen schonenden Einsatz knapper Ressourcen bemüht. Dies gilt sowohl für Volkswirtschaften insgesamt als auch für die Betriebswirtschaft der einzelnen Unternehmen. Die Prämisse des Vorhabens SESAM ist es, das methodische Wissen und die Techniken bereit zu stellen, die Voraussetzung für das Funktionieren eines solchen Marktes sind.

Anwendungsdomäne

SESAM verfolgt seine Ziele im Rahmen einer konkreten Anwendung, den Energiemärkten. Die Liberalisierung der europäischen Energiemärkte und die Einführung des CO2- Emissionsrechtehandels haben in den letzten Jahren zu einschneidenden Veränderungen in der Energiewirtschaft geführt. Gerade bei Energiemärkten hat man es in der Zukunft mit endlichen Energieressourcen zu tun. Wir gehen davon aus, dass ein Markt, der einem offenen, liberalisierten Modell folgt, letztendlich auch der beste Garant für einen ressourcenschonenden Energieeinsatz ist.

Vision

Das Projekt SESAM folgt der Vision eines neu gestalteten Energiesystems. In diesem existieren neben konventionellen Großkraftwerken eine Vielzahl kleiner dezentraler Anlagen zur Stromerzeugung, beispielsweise Mikro-Blockheizkraftwerke, Brennstoffzellen, Solaranlagen etc. Diese Technologien ermöglichen eine ressourcenschonendere beziehungsweise umweltverträglichere Bereitstellung der benötigten Energie, da sie entweder sogenannte Erneuerbare Energien nutzen oder durch eine gekoppelte Erzeugung von Strom und Wärme deutlich höhere Wirkungsgrade erreichen als konventionelle Großkraftwerke, die in der Regel nur elektrische Energie bereitstellen. Durch die Vernetzung mit sich selbst organisierenden Energiemärkten entsteht aus diesen dezentralen Anlagen ein virtuelles Kraftwerk, d.h. eine Zusammenschaltung von kleinen, dezentralen Anlagen. In der betrachteten Vision verfügen Haushalte und Gewerbe zudem über Intelligente Energiemanagementsysteme (IEMS). Diese steuern zum einen den Einsatz der dezentralen Energieumwandlungsanlagen. Zum anderen planen sie in Abhängigkeit von den Strompreisen für den nächsten Tag, wann elektrische Verbraucher wie Kühlschränke oder Waschmaschinen eingeschaltet werden. Schließlich beschaffen sie sich die benötigte elektrische Energie am Markt.
Entsprechend hat sich in der SESAM-Vision auch die Struktur der Strommärkte entscheidend verändert. Teilnehmer am Stromhandel sind nicht mehr nur Energieversorgungsunternehmen und große Industrieunternehmen. Alle Stromproduzenten, auch die Betreiber dezentraler Anlagen sowie Haushalts- und Gewerbekunden nehmen, "vertreten" durch ihre Energiemanagementsysteme, am Strommarkt teil. Stromverträge werden nicht mehr wie bisher ausschließlich langfristig geschlossen, sondern auch spontan mit weitaus kürzeren Laufzeiten. Da dezentrale Erzeuger in der Regel ihre elektrische Energie auf der niedrigsten Spannungsebene einspeisen, könnten in Abhängigkeit von der Netzstruktur (Höchst-/Hoch-/Mittel-/Niederspannung) zudem lokale Märkte entstehen, die eine Umspannung auf höhere Spannungsebenen vermeiden würden.

Herausforderungen

Ziel von SESAM ist der Aufbau einer integrierten Plattform zu Simulation und Analyse des sich selbst organisierenden Marktes in einem visionären Energiesystem. Dabei werden in Abhängigkeit von der betrachteten Fragestellung verschiedene Referenzgebiete mit unterschiedlichen Charakteristika untersucht. Die hieraus entstehenden Fragestellungen betreffen die Bereich Wirtschafts- und Rechtswissenschaften sowie Informatik. Im Projekt SESAM wird daher den im Folgenden beschriebenen Aspekten eine erhebliche Bedeutung zugemessen.
Da der betrachtete Strommarkt im Besonderen durch Spontaneität und Selbstorganisation geprägt ist, erfordert seine Umsetzung ein hohes Maß an Automatisierung der Marktmechanismen. Dies beinhaltet einerseits Komponenten, die ein automatisches Finden von möglichen Vertragspartnern sowie automatisierte Verhandlungen und Vertragsabschlüsse unterstützen. Andererseits muss eine Automatisierung der begleitenden rechtlichen Bewertung sowie die Bereitstellung von Funktionalitäten zur Beweissicherheit, zur Förderung höchster Flexibilität und Nutzervertrauen gewährleistet sein. Zudem benötigen sowohl Nachfrager als auch Anbieter Werkzeuge zur Steuerung und Optimierung, um in diesem dynamischen Umfeld flexibel auf Marktveränderungen reagieren zu können. Die Grundlage hierfür bildet eine realitätsnahe Nachbildung der Bedarfs- und Angebotsstruktur.
Eine konventionelle Client-Server-Kommunikationsinfrastruktur kann den Anforderungen eines solchen Systems nur unzulänglich gerecht werden. Daher wird in SESAM eine weitaus vorteilhaftere verteilte Kommunikationsinfrastruktur verwendet, die jedoch vollkommen neue Anforderungen an Robustheit und Sicherheit stellt.

Mehrwert

Durch die prototypische Umsetzung soll gezeigt werden, dass die SESAM-Vision eines Virtuellen Kraftwerks mit den modernen Entwicklungen der Informatik nicht nur technisch umsetzbar, sondern auch gesamtwirtschaftlich, ökonomisch und ökologisch sinnvoll ist. Der verwendete Marktmechanismus führt zu einer Verminderung von Transaktionskosten, wodurch sich gesamtwirtschaftlich ökonomische Effizienzgewinne realisieren lassen. Insbesondere soll gezeigt werden, dass Haushalte durch den Einsatz der Intelligenten Energiemanagementsysteme ihre Energiekosten in erheblichem Maße verringern und auf Seiten der Energieversorgungsunternehmen dank der dezentralen Struktur des Marktes unter Umständen notwendige Infrastrukturinvestitionen vermieden werden können. Zudem wird demonstriert, dass ihnen der dynamische Markt die Möglichkeit bietet, spontan auf Kundenbedürfnisse und veränderte Angebotslagen zu reagieren und so ihren Kraftwerkspark optimal auszunutzen. Die aus dem Einsatz von Erneuerbaren Energien und Kraft-Wärme- Kopplung resultierende Primärenergieeinsparung führt zu einer Schonung der verbleibenden fossilen Ressourcen und zu einer Reduktion der CO2-Emissionen. Der hieraus entstehende ökologische Mehrwert lässt sich in Form von vermiedenen Emissionen quantifizieren.