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Disbelief






Disbelief - Karsten "Jagger" Jäger - Mai 2009
So agressiv wie möglich...

Von Philipp Schlee



Auch in diesen verrückten Zeiten gibt es noch Dinge, auf die man sich verlassen kann, wie etwa auf die südhessische Metal-Institution Disbelief, die einfach nicht kleinzukriegen ist und auch auf dem bereits achten Album Protected Hell nicht nur die eigene Historie, sondern auch den Großteil der aktuellen Konkurrenz mal wieder in den Schatten stellt. Dennoch sind die Zeiten für die ganz große Euphorie vorbei, wie die ehrlichen Antworten des sympathischen Disbelief-Frontmanns Karsten "Jagger" Jäger zeigen...

Euer aktuelles Werk Protected Hell ist bei den meisten Medienkollegen ja mal wieder eingeschlagen wie die sprichwörtliche Bombe. Freut man sich im Disbelief-Lager eigentlich immer noch über positives Echo oder hat man sich nach acht fast durchgängig abgefeierten Alben daran gewöhnt?

Natürlich ist es schön zu sehen, das die Magazine das neue Album wieder gut bewertet haben. Das erfüllt einen mit Genugtuung für die intensive Zeit, die wir investiert haben, damit die neue Platte so klingt, wie sie jetzt klingt.

In einem Statement im RockHard habt ihr in Bezug auf Protected Hell von eurem möglichen Reign In Blood gesprochen. Was macht das Album in deinen Augen so außergewöhnlich gut, etwa im Vergleich zum schon hervorragenden Vorgänger Navigator?

Das mit unserer Reign in Blood war ein Ausspruch, den ich getätigt habe in der Euphorie des Mixing-Prozesses, weil ich der Meinung bin, das Protected Hell als Gesamtprodukt sehr schlüssig klingt und ich für mich Protected Hell als unser reifstes, wie auch produktionstechnisch bestes Album ansehe. Im Vergleich zum Vorgänger Navigator haben wir viel Wert darauf gelegt, dass alle Songs eine klare Linie besitzen und nicht zu weit auseinander liegen, was ich im Nachhinein bei Navigator so empfinde. Der Fortschritt, was den Sound betrifft, liegt auch klar auf der Hand - die Gitarren sind auf vorderster Front, zusammen mit den Vocals auf einer Ebene liegend. Dieser Unterschied macht Protected Hell viel aggressiver als alle Vorgänger-Alben.

Wie bringt man eigentlich nach so vielen Jahres noch die nötige Wut und Verzweiflung auf, um Hassbrocken wie Hate/Agression Schedule, One Nation's Son oder Room 309 zu schreiben? Gab es eigentlich schon einmal bandintern die Diskussion, von dieser düsteren, agressiven Ausrichtung abzuweichen?

Wir versuchen immer aus allen Songideen, die im Laufe des Songwriting - Prozesses entstehen, das Aggressivste raus zu holen, was geht. Diese aggressive Seite gepaart mit unserer speziellen Atmosphäre macht eben Disbelief aus und warum sollten wir das ändern, das macht uns ja auch so individuell.

Was verbirgt sich eigentlich hinter dem bedeutungsschwangeren und gleichzeitig rätselhaften Songtitel Room 309 (Kraftprinzip)?

Room 309 (KraftPrinzip) ist einer der perönlichsten Songs auf Protected Hell, weil ich da meine eigenen Erfahrungen eines Krankenhausaufenthaltes in Worte umgesetzt habe, diese Erfahrungen habe ich kombiniert mit dem, was uns ein Fan über MySpace mitteilte. Dieser erzählte mir, wie er sich im Krankenhaus seinem Krebsleiden gestellt hat. Um Kraft zu sammeln diese Krankheit zu besiegen, half dieser Person unsere CD Worst Enemy ungemein. Deshalb der Beititel Kraftprinzip, der für diese Person sehr wichtig wurde und für die Zeit steht, für den Aufenthalt im Krankenhaus und den angenommenen Kampf.

Seit 66 Sick arbeitet ihr ja nicht mehr mit eurem Haus-und-Hof-Produzenten Andy Classen zusammen. Wie kam es zu dieser Entscheidung?

Wir mussten damals für unserer CD Shine den Produzenten aus Zeitgründen wechseln. Das war das erste mal für uns, mit einem anderen Produzenten zusammen zu arbeiten. Diese Erfahrung hat uns gefallen, da wir wieder was dazu gelernt hatten. Danach haben wir wieder für Spreading the Rage wieder mit Andy zusammen gearbeitet, was auch wieder sehr zufriedenstellend war. Danach haben wir mit Tue Madsen kooperiert, was vom Endresultat sehr gut war, aber ein hartes Stück Arbeit war, weil Tue erst zum Ende hin genau begriffen hatte, wie der Disbelief Sound zu klingen hat. Nun arbeiten wir jetzt zum zweiten mal hintereinander mit Michael Mainx zusammen, was sehr gut ist, denn wir konnten jetzt durch den ersten Studio-Aufenthalt bei Michael für Protected Hell davon profitieren und aus diesem Erfahrungswert Kapital zu schlagen.

Wie ist es eigentlich zu dieser, auf den ersten Blick etwas überraschende Kooperation mit Michael Mainx, der ja eigentlich als Onkelz-Spezi bekannt ist, zustande gekommen?

Unser Bassist Joe und Michael kennen sich schon sehr lange, haben sogar mal in einer Band zusammen gespielt. Vor den Aufnahmen zu Navigator haben wir uns für Michael Mainx und sein MX-Studio in Buchen entschieden und haben diese Entscheidung nie bereut, weil er sich sehr für uns bei den Aufnahmen einsetzt, seine Studio nicht all zu weit von uns entfernt ist und er all seine Erfahrungswerte in unsere Produktionen steckt. Er sieht sich jetzt nicht als der große Künstler hinter den Reglern, sondern er tut alles, das die Band genau das bekommt, was sie sich im Vorfeld vom Sound her vorgestellt hat, also alles im Dienste der Band, was uns sehr gut gefällt.

Das Artwork von Protected Hell ist im Gegensatz zum kraftvollen Cover von Navigator ja wieder etwas minimalistischer ausgefallen. War das eine bewusste Entscheidung und nach welchen Kriterien sucht ihr euer visuelles Konzept aus - eine gewisse Experimentierfreudigkeit auf diesem Feld kann man euch ja nicht absprechen?

Das Auge auf dem Cover von Protected Hell soll in Kombination mit dem Feuer darstellen, dass im Leben nicht immer das Schicksal dafür verantwortlich ist, das einem Schlimmes passiert. Meist ist man selber verantwortlich dafür, dass einem das Leben wie eine Hölle vorkommt - entweder schaut man nur hinein, oder man begibt sich bewusst in diese.

Habe auch schon Meinungen über das Cover gelesen, wie das es sehr scheußlich wäre und so weiter. Für mich ist es sehr ästhetisch und spiegelt den Titel sehr gut wieder.

Euer Line-Up war in den letzten Jahren erstaunlich konstant - mit Ausnahme des Sechssaiter-Postens. Euer neuer Gitarrist kommt aus Spanien und hört auf den Namen Alex Varela. Wie seit ihr mit Alejandro in Kontakt gekommen und wie funktioniert die grenzübergreifende Zusammenarbeit?

Wir hatten auf unserer Homepage wie auch auf der MySpace-Seite gepostet, dass wir einen neuen Gitarristen suchen, worauf sich auch viele Gitarristen gemeldet haben. Letztendlich hat Alex das Rennen gemacht, weil er uns durch seinen Einsatz, seine Person und durch sein Gitarrenspiel überzeugt hat. Zur Zeit ist er an den Wochenenden bei uns, um die gemeinsamen Gigs zusammen zu bestreiten. Leider können wir mit Disbelief noch nicht unseren Lebensunterhalt verdienen, was zur Folge hat, dass Alex im Moment immer wieder nach Spanien zurückkehren muss, um seinen Job als Gitarrenlehrer nachzugehen. Wie das in Zukunft weitergeht, wird sich weisen. Ich hoffe, das Alex bald zu uns ziehen kann, um den ganzen Stress ad acta legen zu können.



Nach 66 Sick seit ihr zum zweiten Mal in eurer Karriere aus dem Nuclear Blast-Stall zu Massacre Records gewechselt. Hat sich NB als doch zu groß für eine Band wie Disbelief herausgestellt? Und gibt es einen speziellen Grund, warum ihr euch bei Firmen aus dem Ländle offensichtlich besonders gut aufgehoben fühlt?

Das beide Plattenfirmen aus den Schwabenländle sind, ist purer Zufall. Bei Nuclear Blast war im Grunde genommen von Anfang an zu erwarten, dass falls wir nicht explosionsartige Verkäufe haben wir keine lange Zeit dort verweilen würden, da unser Manager, der auch den Posten des A&R bei Nuclear Blast inne hat, uns zwar bei Nuclear Blast unterbringen konnte, wir aber nie bei dem Platenboss Markus Staiger hoch im Kurs standen. Wir hatten einfach zu wenige Fürsprecher im Hause NB, das war unser Pech! Massacre Records hielten dagegen immer die Tür für uns auf, was wir sehr respektiert haben und was auch ein Hauptgrund war, wieder zu Massacre zurückzukehren.

Im Vergleich zu den späten 90ern scheint die extreme Metalszene international ja wieder gehörig aufzublühen und auch für Sounds abseits der Norm, wie ihr ihn ja definitiv produziert, ist offensichtlich wieder deutlich mehr Interesse vorhanden. Spürt ihr eine steigende Nachfrage nach Disbelief in irgendeiner Form?

Im Moment fühlt sich es so an, dass es zur Zeit sehr schwer ist, die Leute dafür zu begeistern, auf die Konzerte zu kommen. Es besteht definitiv gerade ein Überfluss an Tourneen, zudem denke ich, das die Leute heutzutage ihr Geld lieber für die Sommer - Festivals investieren, wo sie die Möglichkeit haben, viele Bands auf einmal zu sehen.

Wenn das mal kein Ansporn ist, mal wieder ein Disbelief-Konzert zu besuchen...
Apropos: Schaut man sich euren aktuellen Tourkalender an, seit ihr in nächster Zeit ja wieder viel in deutschen Underground-Clubs sowie auf deutschen und mittelgroßen Festivals unterwegs. Hättet Ihr mal Lust auf eine große internationale Tour (wie ihr es in eurem letzten Interview in unserem Magazin auch angedeutet habt) oder seid ihr mittlerweile ganz froh, überwiegend nicht so weit weg von Heim und Familie unterwegs sein zu können?


Wir sind für den Herbst immer noch auf der Suche nach einer geeigneten Tour für uns. Entweder als Support für eine geeignete Band oder wir organisieren zusammen mit unserer Booking-Agentur eine Headliner-Tour in einem starken Package. Wir wollen uns auch nicht nur auf Deutschland konzentrieren, verschieden Sachen sind in Planung, wie z.B. eine Tour durch Amerika, Südamerika oder auch die Ukraine sind sehr interessante Sachen für Disbelief.

Welche CDs routieren bei dir privat momentan im heimischen Player?

Zur Zeit höre ich sehr viel die aktuelle Rush Snakes and Arrows, Death Human, Testament The Gathering, Whiplash Power and Pain, Detente Recognize No Authority.

Schöne Auswahl!
Soweit, so gut... Vielen Dank für die artige Beantwortung meiner Fragen und alles gute für eure anstehenden Aktivitäten! Möchtest du noch irgendetwas an alle Ungläubigen da draußen loswerden?


Ja, an alle Ungläubigen unter euch möchte ich loswerden, das unsere neue CD + eine Bonus DVD in einer limitierten Version erscheint. Dort gibt es viele interessante Sachen für alle Disbelief-Fans zu sehen. Ansonsten wünsche ich euch allen alles Beste und kommt zu unseren Shows und supportet Disbelief!



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