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Hrsta - Mike Moya - Dezember 2008
Montreal ohne Streicher.

Von Haiko Nahm


Mike Moya ist ein Teil von Montreals Musikgeschichte. Gründungsmitglied von Godspeed You! Black Emperor, beteiligt an vielen illustren Projekten wie Set Fire To Flames, und inzwischen schon seit drei Alben unterwegs mit seinem neusten Baby Hrsta. Erfreulich zudem, dass er es dann damit auch fast schon regelmäßig auch mal auf Deutsche Bühnen schafft, wo man Constellation Bands viel zu selten zu Gesicht bekommt. In der gemütlichen (oder engen, je wie man es nimmt) Astra Stube zu Hamburg traf ich einen trotz leichter Erkältung gut gelaunten Mike, der einiges zu Hrsta und natürlich seiner musikalischen Vergangenheit zu erzählen hatte. Schön dass das anschließende Konzert dann auch recht gut besucht war, boten die drei doch wieder ein tolles Konzert, in Sachen Improvisation (siehe Interview) wurden diesmal unter anderem Sägen und Fahrradspeichen mit einem Geigenbogen behandelt. Die auch alle rechtzeitig angeschlossen wurden.





Mit deiner jetzigen Tourbegleitung seid ihr ja fast schon eine All-Girl Band. Ist das nur für diese Tour, oder etwas Permanentes?


Es war so auf den letzten beiden Touren. Ich wollte schon immer Teil einer All-Girl Band sein, aber niemand hat mich je zu einer eingeladen. Also habe ich stattdessen angefangen, nach und nach Mädchen in die Band zu bringen, die ich geründet habe. [grinst] Es waren schon immer Frauen bei Hrsta, es gab immer viele Leute die dazukamen, wenn auch nur für eine Show, Boys & Girls. It's all inclusive.


Als ich euch das letzte Mal in Hamburg, so vor zwei Jahren, sah, hattet ihr noch einen Drummer.


Oh ja. Er war nur der Drummer für diese eine Tour. Er war auch unser Fahrer. Es passte ziemlich gut, dass unser Fahrer sich auch noch als guter Drummer herausstellte, daher mussten wir niemand anderes finden.


Und wie läuft die aktuelle Tour soweit? Kommen inzwischen mehr Leute zu euren Shows?


In Deutschland läuft es soweit ganz gut, es sind definitiv mehr Leute als beim letzten Mal. Diese Tour war bisher fantastisch, wir haben bisher an ein paar ziemlich interessanten Orten gespielt. Hübsche Lokalitäten, in denen Leute interessante Sachen machen. Wir haben in einem ehemaligen Pionier-Sommercamp der DDR gespielt, in einem kleinen Dorf, nördlich von Berlin. In vielen Orten schien es auch so, als würden wir vor Leuten spielen, von denen uns kaum welche kennen. Das ist auch schön für uns, wir lernen neue Freunde kennen.


Ihr habt dieses Jahr ein neues Album rausgebracht. Auf dieser Platte sind ein paar weniger Leute beteiligt als noch zuvor. Auf Stem Stem In Electro hattet ihr noch die Streicher, die diesmal nicht dabei sind. War das eine bewusste Entscheidung?


Es wurde nach ungefähr der Hälfte der Aufnahmen zu einer bewussten Entscheidung. Wir haben nicht mit dem Gedanken angefangen, keine Streicher zu haben, aber als wir bei der Hälfte der Aufnahmen angekommen waren entschieden wir, dass es ziemlich interessant wäre, ein Album zu machen, das aus Montreal kommt, und überhaupt keine Streicher hat. Dafür haben wir ja auch genug anderes Instrumentarium.


Ist es nicht auch ein großer Vorteil für die Liveshows, da ihr nicht mehr die Streicher kompensieren müsst?


Nein. Denn im Vergleich sind die Streicher ziemlich einfach, verglichen mit Vibraphone, elektrischem Piano, alten monströsen Pumporgans. Es gibt also immer noch einige Songs bei denen wir nicht so genau wissen wie wir sie live spielen sollen. Einfach jemand mit einer Violine dabei zu haben ist einfach, im Vergleich zu all den anderen Sachen.


Vieles auf dem Album ist erneut wieder sehr ruhig und entspannt, aber es gibt auch wieder Songs wie Hechicero Del Bosque mit den guten, alten Gitarrenausbrüchen. Warum ist diese Art von musikalischer Dynamik wichtig für dich? Es scheint ja in allen deinen Projekten bisher eine gewichtige Rolle zu spielen.


Für uns ja. Es gibt natürlich genug tolle Alben die ruhig sind, und auch die ganze Zeit ruhig bleiben. Die ersten Hrsta Shows waren wir immer ziemlich ruhig. Zu einem bestimmten Zeitpunkt entschieden wir uns bei einer Show sehr viel lauter zu spielen, zum größten Teil. Ich denke es kommt auch daher dass es live einfach viel mehr Spass macht, aber - wenn wir drei zusammenkommen und Musik machen ist es oft extrem leise, aber an anderen Tagen fangen wir auch laut an und bleiben dabei. Ich denke es ist einfach so dass wir beiderlei Art Gefühl sehr gerne haben.


Wie kommt es, dass eure Songtitel in der Sprache hin und her springen? Es gibt Englische, Spanische, Französische, aber die Texte an sich immer englisch sind?


Nun, die einzige Sprache die ich neben Englisch zumutbar beherrsche ist Französisch, und ich fühle mich bisher noch nicht sicher genug, um auf Französisch zu singen. Aber ich würde gerne. Hoffentlich bekomme ich auf dem nächsten Album etwas Einfaches hin.
Ich denke die Französischen Titel kommen z.B. einfach aus einem Buch das ich lese - oh, das ist ein wundeschöner Ausdruck, der perfekte Titel für den Song. Bei Hechicero Del Bosque haben wir uns einfach gedacht, dass wir ja noch keinen Spanischen Songtitel haben. Kotori ist Japanisch, glaube ich. Oder Koreanisch. Wir haben es nach einem Restaurant benannt, das wir sehr mögen.


Ihr habt dieses Mal gar nicht im Hotel2Tango aufgenommen. Warum?


Es gibt da in Montreal dieses andere, tolle Studio, The Pines, welches voll ausgerüstet und sehr gemütlich ist. Es liegt in einem alten Industriegebiet der Stadt, aber es fühlt sich tatsächlich so an als wäre man irgendwo auf dem Land, da es so ruhig ist dort. Es ist aus solidem Holz, obwohl es nur ein altes Lagerhaus ist, und hat eine wirklich schöne Atmosphäre. Der Klang in dem Studio ist wirklich sehr schön. Ich habe mit ihrem Aufnahmetechniker an vielen verschieden Sachen bereits gearbeitet, Dave Bryant, der auch bei Godspeed gespielt hat. Wir haben also schon sehr lange zusammen gespielt und aufgenommen. Ich wollte einfach sehr gerne mit ihm zusammenarbeiten.


Wie bist du darauf gekommen das grade ein Bee Gees Song gut für eine Adaption von Hrsta herhalten würde?


Ich weiß nicht warum ich nicht schon früher darauf gekommen bin. Denn dieses erste Bee Gees Album ist so seit ca. 20 Jahren eines meiner Lieblingsalben. Irgendwie kam mir dieser Song nie in den Sinn für einen Versuch. Eines Tages hörte ich ihn an, und dann kam es mir - dieser Song könnte wirklich toll sein, wenn man ein bisschen mehr hier - ah, vielleicht versuch ich es einfach. Es lief ziemlich gut. Ich bin mir immer noch nicht sicher was ich von der Aufnahme halten soll. Live hab ich das alleine gemacht, aber im Studio lief das nicht so gut, nur mit Gesang und einer Gitarre. Ich denke es hat immer noch ein schönes Feeling, aber anders als ich es gewohnt bin.


Hat das Album denn ein gewisses Hintergrundthema, einen roten Faden? Es gibt da einen Song Holidays, im Booklet sind diese Strandbilder.


Das ist einfach nur Zufall. Ich denke es gibt ein Thema, nicht Urlaub, da ist eher ein Gefühl von Winter. Wir haben es über vier oder fünf Monate im Winter aufgenommen, ich weiß nicht ob es jetzt offensichtlich ist wenn man es sich anhört, aber ich selber kann die Kälte wirklich hören.


Wie ist Brooke Crouser in der Band gelandet? Sie war ja bereits auf der letzten Tour dabei, aber noch nicht auf dem zweiten Album.


Nein. Sie kam zu uns kurz nachdem wir das aufgenommen hatten. Es ging vor allem darum jemand zu finden der Gitarre und Orgel spielen kann, und sie passte einfach musikalisch sehr zu dem was wir machen, also hat das gut geklappt.


Wie wichtig ist Harris Newman für die Band? Er ist ja immer als weiteres Bandmitglied in den Albumcredits zu finden.


Ja, er spielt auch Bass auf den letzten beiden Alben. Er spielt live mit uns wenn er kann, aber leider kann er nie wirklich auf eine Tour mitkommen die länger als eine Woche geht. Wir haben uns einfach daran gewöhnt, ohne einen Bassisten zu spielen. Auf dieser Tour hat er aber z.B. in Belgien eine Solo-Show gespielt, auf einem Festival auf dem wir auch spielten, also konnte er auf dieser Tour zumindest eine Show mitmachen.


Es ist bei deiner Musik immer nicht sonderlich einfach direkte Einflüsse auszumachen, was natürlich eine sehr positive Sache ist. Was würdest du denn von dir selber behaupten, was hat Einfluss auf dich und deine Musik?


Ich denke es gibt auf jeden Fall eine Menge Einflüsse. Sie sind alle ziemlich unterschiedlich, und viele von ihnen sind nicht sehr offensichtlich. Manchmal zum Beispiel mag ich einfach die Art wie irgendjemand etwas singt. Auch wenn ich nicht möchte, dass etwas von uns wie das entsprechende Album klingt - die Art wie diese Person singt, bewegt mich dazu auch eher etwas wie sie zu singen. Diese Art von Sache halt. Bei dem letzten Album gab es definitiv eine bewusste Entscheidung, von allerlei Art 60's Psychedelic Music beeinflusst zu sein. Ich denke das war bei uns immer da, aber diesmal ließen wir uns voll und ganz davon Beeinflussen.


Wenn wir dabei über Gesang reden - deine Stimme ist relativ ungewöhnlich, und man muss sich erstmal an sie gewöhnen. Warum hast du dich dafür entschieden so zu singen, es damit zu probieren?


Es ist einfach die Art wie ich singe. Es ging nie darum, so zu singen um zu der Musik zu passen, es geht eher darum Musik zu machen, die zu meiner Stimme passt. Ich selber mag interessante Stimmen mehr als sehr klare, schöne Stimmen. Ich mag das auch, aber ein Popsänger, der alle Noten richtig treffen kann, aber einfach nicht interessant klingt, erregt überhaupt nicht meine Aufmerksamkeit.


Euer erstes Album war etwas anders als seine Nachfolger. Es war ruhiger, experimenteller, die Songs hatten weniger Struktur. Warum hat sich euer Sound danach so verändert?


Als wir das zweite Album aufnahmen, haben Harris, ich und Eric Craven, der auf den letzten beiden Alben Schlagzeug spielte, schon eine Weile zusammen gespielt. Ich denke daher wurde es automatisch ein bisschen geschlossener. Es gab da auch die Entscheidung das Album kurz genug zu halten, um es auf ein Vinyl pressen zu können, was bei dem ersten Album nicht so war. Wenn du versucht zwei 22 Minuten lange Seiten zu machen, ist es schwieriger sich die Zeit zu nehmen, Sound einfach passieren zu lassen, es etwas gehen zu lassen.


Live auf der Bühne spielt ihr oft ja nicht einfach nur die Songs, sondern experimentiert auch ein bisschen. Wie zum Beispiel diese Sache mit der kleinen Walzorgel auf dem Metallkoffer auf der letzten Tour hier. Plant ihr sowas vorher, oder lasst ihr Platz für improvisierte Experimente?


Normal ist da Platz für da. Manchmal, wie zum Beispiel in den letzten zwei Wochen, merkst du während der Tour, dass du immer weniger derartiges machst. Und wir müssen uns daran Erinnern, zwischen zwei Songs Platz zu lassen, um ein wenig zu Improvisieren, anstatt einfach Song nach Song zu spielen, was wir zuletzt schon wieder ungewollt gemacht haben. Man muss schon ein wenig Planen. Also man muss es nicht, aber wir mögen es einfach, einen neuen Sound hineinzubringen, nur für die Improvisation. Wir müssen also zusehen, diese Dinge rechtzeitig anzuschließen, damit sie an den geplanten Stellen einsatzbereit sind. Hoffentlich denken wir auch heute Abend daran.


Wie es sich für einen Musiker aus Montreal gehört bist, du in der Vergangenheit Teil von diversen Bands und Projekten gewesen. Die Bekannteste ist sicher Godspeed You! Black Emperor, die du nach der zweiten Platte verlassen hattest. Warum bist du damals ausgestiegen?


Uh, ich weiß nicht - es fühlte sich einfach so an als wäre es an der Zeit zu gehen. Umso populärer wir wurden, umso weniger Zeit gab es sich einfach neue Musik auszudenken. Die ganze Zeit Shows spielen zu müssen, und nicht mehr so viel neue Musik zu kreieren - ich weiß nicht, es fing an sich wie ein Job anzufühlen, nicht nach einer spaßigen, kreativen Geschichte.


Konntest du dir damals vorstellen, dass die Band einen derartigen Einfluss auf die moderne Musikkultur haben würde?


Sicher nicht. Anfangs waren wir begeistert, dass wir gar zehn Leute dazu bringen konnten zu unseren Shows zu kommen. Wir hatten nicht erwartet überhaupt mal vor mehr als 30 Leuten zu spielen.


Auf der dritten Scheibe, am Anfang des letzten Songs, bist du aber nochmal zu hören gewesen. Was hat es damit auf sich gehabt?


Das war einfach nur Teil einer langen Aufnahme die wir auf Tour gemacht hatten. Wir haben Aufnahmegeräte überall hin mitgenommen, und so ziemlich alles aufgenommen was wir gemacht haben. Das war einfach irgendwo auf dem Land. Wir hielten an, machten ein wenig Musik, und irgendwie fing ich an, einen alten Folksong zu singen.


Kannst du dich noch erinnern wie du damals angefangen hast deine Gitarre mit einem Schraubendreher zu spielen? Es ist ja schon zu einer Art Trademark geworden.


Oh ja, ich fing damit an als Teenager. Ich spielte in einer Art Punk/60's/Surf Band, und benutzte es immer um Noise zu machen. Erst Jahre später entdeckte ich, dass man damit auch Noten spielen kann. Und wenn man das so und so mit der Hand macht, kann man sogar Akkorde spielen.


Du hast auch bei Set Fire To Flames mitgemacht. Wie habt ihr so eine riesige Band überhaupt zu Gange gebracht? Es waren ja noch mehr Leute als Godspeed You.


Es war ja nicht wirklich eine Band, es war immer mehr ein Projekt. Wir entschieden uns, ein paar Aufnahmen zu machen. Alle kamen zusammen, stellten ihre Instrumente auf, und wir spielten einfach. Manchmal komponierten wir Stücke während des Spielens, manchmal mixten wir einfach Zeug und nahmen es auf und es klang gut. Wir wollten nicht Godspeed You wiederholen, und die ganze Zeit mit einer großen Band spielen, daher haben wir immer zufällig ein paar Leute ausgesucht - hey, du und du, spielt etwas zusammen! Wir haben ungefähr zwei Wochen damit verbracht die Aufnahmen zu machen, und am Ende hatten wir eine Menge Material, das wir auf ein Album reduzierten mussten. Beim zweiten Album haben wir es genauso gemacht, nur diesmal verließen wir die Stadt und nahmen in der Scheune eines Freundes auf, auf dem Land. Wir nahmen Zelte mit, schliefen vor der Scheune, manchmal nahmen wir um vier Uhr morgens schon was auf, manchmal haben wir vor abends gar nix gemacht, wanderten durch die Landschaft.


Glaubst du dass ihr sowas eventuell nochmal machen werdet?


Ja, vielleicht. Wir haben sogar schon mehr Aufnahmen gemacht, im gleichen Geiste, aber mit noch mehr Leuten. Das Problem war aber, das wir 30 Stunden Material am Ende hatten, und niemand wollte sich das alles anhören, und entscheiden was die guten Parts sind. Es war ein zu großes Projekt, damit waren wir ein wenig zu weit gegangen. Wenn jemand mal Lust hat sich das alles anzuhören, kommt vielleicht ja mal etwas raus.



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