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Sinn Féin gibt Widerstand gegen nordirische Polizei auf

Britische Regierung macht Weg frei für Neuwahlen in Nordirland am 7. März

Man soll bekanntlich mit dem Begiff "historisch" sparsam umgehen. Aber daß sich Ende Januar in Nordirland etwas Bedeutendes ereignet hat, steht außer Zweifel. Nach langem Diskussionsprozess hat Sinn Féin-Präsident Gerry Adams seine Partei davon überzeugt, die nordirische Polizei, die sich immer noch zu fast 80% aus Protestanten und Unionisten rekrutiert, anzuerkennen und an deren Aufsicht mitzuwirken. Mehr als 90% der Delegierten eines Sinn Féin-Sonderparteitages am 28. Januar in Dublin stimmten der zukünftigen Zusammenarbeit mit der Polizei zu.

Damit war der vielleicht entscheidende Durchbruch auf dem steinigen Weg zur Wiedereinrichtung der im Oktober 2002 suspendierten nordirischen Allparteienregierung erzielt. Wichtige Wegmarken waren die Niederlegung der Waffen durch die IRA, die im Jahr 2005 offiziell das Ende ihres bewaffneten Kampfes verkündete.

Keine Belege für anhaltende IRA-Gewalt

Die unabhängige Überwachungskommission für den Entwaffnungsprozess (IMC) kam Ende Januar erneut zu dem Schluss, daß es keine Belege für eine anhaltende Gewaltkampagne der IRA gebe. Auch könne der Untergrundorganisation kein Schmuggel zur Geldbeschaffung mehr nachgewiesen werden. Dazu die Tatsache, daß bereits vor Jahren die alte Royal Ulster Constabulary (RUC) reformiert und in den heutigen Police Service of Northern Ireland (PSNI) umgeformt wurde. Wichtig war auch, daß die letzte Frist für den Zeitplan zur Rückkehr zur nordirischen Autonomieregierung – wie von der Dubliner und der Londoner Regierung gesetzt – vor der Tür stand, und bei einem Scheitern die gesamte Grundlage des Karfreitagsabkommens von 1998 zur Disposition gestanden hätte.
Für Sinn Féins Widerpart (und Partner), die Democratic Unionist Party von Rev. Ian Paisley, war es aber undenkbar, ohne Lösung der Polizeifrage eine partnerschaftliche Regierungsbeteiligung auch nur zu erwägen.

Katholische Polen bei der Polizei

Zudem hatte sich der Anteil katholischer Polizisten in den letzten Jahren merklich erhöht – nicht nur, weil nordirische Katholiken auch ohne Empfehlung von Sinn Féin der Polizei beigetreten waren, sondern weil seit dem Beitritt Polens zur Europäischen Union 2004 sich in großer Zahl – katholische – Polen bei der Polizei von Nordirland um Aufnahme beworben, und damit zur Parität der Religionen beitragen haben, auch ohne Sinn Féin-Mitwirkung.
Zudem kehrten Gerry Adams und Martin McGuinness den niederschmetternden Befund von Ombudsman Nuala O’Loan über die illegale Zusammenarbeit der nordirischen Polizei mit loyalistischen Mörderbanden in ein Argument für Sinn Féin, durch Mitarbeit und Kontrolle dafür zu sorgen, daß so etwas nie wieder geschehen könne.
Bertie Ahern und Tony Blair begrüßten den "historischern Schritt" von Sinn Féin. Auch Ian Paisley äußerte sich vorsichtig optimistisch. Natürlich müsse sich in der Praxis erst noch zeigen, wie Sinn Féin ‘an der Basis’ mit der Polizei zusammen arbeiten werde. Er betonte vor allem, Sinn Féin dürfe der Polizei jetzt keine Informationen über politisch motivierte Verbrechen mehr vorenthalten und müsse junge Katholiken dazu ermutigen, in der protestantisch dominierten Polizei mitzuarbeiten. Ahern sagte am 30. Januar, Blair sei nach seinen Gesprächen mit Paisley überzeugt, dass die DUP zur Zusammenarbeit mit Sinn Féin bereit sei.

Blair: Letzte Chance

Am 30. Januar löste die Regierung Blair das derzeitige nordirische Parlament auf und setzte Neuwahlen für den 7. Mai an. Nach einem Treffen in London erklärten Blair und Ahern, dass bis zum 26. März eine neue Regierungskoalition aus jeweils zwei Parteien der Protestanten und der Katholiken in Belfast im Amt sein müsse. Sollte nach der Wahl keine Einigung zu Stande kommen, betonte Ahern, würde Nordirland endgültig wieder von London aus verwaltet. Blair sprach von der ‘letzten Chance’ und unterstrich, ihm sei es ernst mit der Frist.
Noch ist eine Einigung nicht erzielt. Aber vielleicht dürfen wir uns tatsächlich mit dem Gedanken anfreunden, dass ab Ende März eine von Ian Paisley und Martin McGuinness geführte Regierung ihr Amt in Nordirland antritt. Wer so etwas vor einigen Jahren auch nur als möglich bezeichnet hätte, wäre als Phantast und Spinner verlacht worden. Ein Zeichen dafür, wie fundamental sich die Situation im Norden Irlands geändert hat.

geschrieben von Eberhard Bort am 03.02.2007 um 11:44 Uhr.


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