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Band XI (1996)Spalten 867-869 Autor: Karl-Heinz Uthemann

THEODOR ANAGNOSTES, d.h. Lektor, an der Hagia Sophia in Konstantinopel (Ende 5. Jh. bis zumindest 518). Im Auftrag eines nicht namentlich bekannten Klerikers aus Paphlagonien stellte Th. in Gangra (Paphlagonien), wohin er vermutlich als Anhänger des Patriarchen Makedonios von Konstantinopel (496-511) verbannt war, nachdem dieser am 11. August 511 durch Kaiser Anastasios I. (491-518) abgesetzt und ins Exil nach Euchaïta (Paphlagonien) geschickt worden war, auf der Basis der Kirchengeschichten von Sokrates (CPG 6028), Sozomenos (CPG 6030) und Theodoret von Kyros (CPG 6222) eine durchlaufende Darstellung der Kirchengeschichte von Kaiser Konstantin d. Gr. bis zu Beginn der Herrschaft des Theodosios II. (408-450) zusammen, die sog. Historia tripartita (CPG 7502). Deren beiden ersten Bücher sind im Codex Marcianus gr. 344 (13./14. Jh.) bewahrt, doch nicht gedruckt, wohl aber in die kritische Apparate der Edition des Theodoret von L. Parmentier und jener des Sozomenos von J. Bidez (und G.Ch. Hansen) aufgenommen; in absehbarer Zeit wird von Letztgenanntem die entsprechende Ausgabe des Sokrates vorliegen. Die Bücher III und IV der Tripartita sind ebenso verlorengegangen wie ihre von Th. selbst geschriebene Fortsetzung der Kirchengeschichte (CPG 7503) von Kaiser Theodosios II. bis zum Beginn der Regierung von Kaiser Justin I. (518). Doch fragmentarisch ist beides in jener Epitome bewahrt, die kurz nach 610 aus Exzerpten der Historia ecclesiastica des Eusebios von Kaisareia (CPG 3495) sowie der Tripartita und der Kirchengeschichte des Th. zusammengestellt wurde, wobei einige Auszüge aus Gelasios von Kaisareia (CPG 3521) von Eusebios zu Th. überleiten. In der Tripartita hält sich Th. nicht nur an seine Quellen, sondern fügt einiges hinzu und verändert ab und zu aus dogmatischen Gründen den Text seiner Vorlagen. In der Kirchengeschichte erweist er sich als Gegner der Religionspolitik von Kaiser Anastasios I. und als Anhänger der Synode von Chalkedon (451). Daß sich unmittelbar nach dem Regierungsantritt Justins I. (Juli 518) die Endemusa unter Patriarch Johannes II. Kappadox (April 518 - Febr. 520) zum Dogma von Chalkedon bekannte und kurz darauf das »Fest von Chalkedon« einführte, findet bei Th. noch keinen Niederschlag. Zur Wirkungsgeschichte des Th. ist anzumerken, daß seine Werke nicht nur über die genannte Epitome, die insbes. Theophanes in seiner 811/814 verfaßten Chronographie benutzt hat, einen nicht unbedeutenden Einfluß ausgeübt haben. Die Kirchengeschichte des Th. wurde z.B. von Kyrill von Skythopolis (CPG 7536), Johannes Moschos (CPG 7376) und im 11. Jh. noch (nach H.G. Opitz direkt) durch eine von F. Diekamp herausgegebene anonyme Schrift über Schismen gebraucht. Die zunächst ohne die Kirchengeschichte publizierte Tripartita wurde um 560 von einem Mönch Epiphanius im Auftrag Cassiodors (um 485-580) ins Lateinische übersetzt und damit für Cassiodor zur Anregung, seine eigene Historia tripartita herauszugeben, die im Westen zur wichtigsten Quelle für die Kirchengeschichte seit Konstantin wurde.

Quellen: CPG 7502-7503: G.Ch. Hansen, Theodoros Anagnostes. Kirchengeschichte (Die Griechischen Christlichen Schriftsteller), Berlin 1971. - Latein. Übersetzung von CPG 7502: R. Hanslik, Cassiodori-Epiphanii Historia tripartita (Corpus Scriptorum Ecclesiasticorum Latinorum, 71), Vindobonae 1952. - Anonymus de schismatibus: F. Diekamp, Zu Theodorus Lektor, in: Historisches Jahrbuch 24 (1903) 553-558.

Lit.: Zur Wirkungsgeschichte: G.Ch. Hansen, a.a.O., S. XVI-XVII; XIX-XIV; XXIX-XXXV; - Übersicht: H.G. Opitz, in: Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaften. Neue Bearbeitung, Band V A (1934), Sp. 1869-1881 (neuere Lit. bei G.Ch. Hansen, a.a.O.).

Karl-Heinz Uthemann

Letzte Änderung: 20.09.1999