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Band IX (1995)Spalten 1212-1215 Autor: Eberhard Hauschildt

SCHWEIZER, Alexander, Zürcher Pfarrer und Professor für Praktische Theologie, * 14.3. 1808 in Murten, Kanton Freiburg; neben fünf Brüdern und einer Schwester Kind des Pfarrers und damaligen Lehrers an der Murtener Lateinschule, Johannes Jakob Schweizer (1771-1843), Sproß der Pfarrer-Linie einer alten Zürcher Familie; mütterlicherseits Herkunft aus der Familie Dollfuß aus Mülhausen; + 3.7. 1888 in Zürich. - 1809 wurde der Vater, der wegen politischen Engagements und »Unmoral« Ab- und Versetzungen hatte hinnehmen müssen, Prediger in Nidau, Kanton Bern. Mit 10 Jahren kam S. auf das Gymnasium in Biel und 1819 auf das in Basel und in die Obhut zur Unterhaltung des kinderlosen Kaufhausschreibers Daniel Merian. In Zürich (der Vater wurde wegen Trunksucht und Bürgschulden abgesetzt und ging auf eine staatliche Stelle im Oberland) folgte auf die Gelehrtenschule (1822-23) von 1823-1825 das Collegium humanitatis. Ab 1826 waren Ausbildungs- und Lebenshaltungskosten durch einen Freiplatz im Alumnat gesichert. S. absolvierte im Carolinum die philologische Klasse und darauf die beiden je zweijährigen Kurse in Philosophie sowie Theologie. Ostern 1831 wurde er examiniert und ordiniert. Ein Stipendium ermöglichte ihm 1832 einen Studienaufenthalt in Berlin und es kam zu der für ihn prägenden Begegnung mit Schleiermacher als theologischem Lehrer und Prediger. Besonders dessen philosophische Ethik wurde für S. richtungsweisend; sie gab er später auch, unter maßgeblicher Verwendung seiner eigenen Kollegmitschriften, heraus. Kurz nach Beginn mit dem im Stipendium vorgesehenen zweiten Studienjahr in Jena kam S. zusätzlich der Bitte nach, dem erkrankten Pastor Hirzel als Vikar der reformierten Gemeinde in Leipzig zu assistieren. Es enstanden die erste wissenschaftliche Arbeit und der erste Predigtband Schweizers, dem noch vier weitere folgen sollten. 1834 nahm S. das Angebot an, Vikar am Großmünster zu Zürich und Privatdozent an der neugegründeten Hochschule zu werden. Hier qualifizierte er sich mit einer praktisch-theologisch Grundsatzarbeit. 1835 wurde er außerordentlicher Professor der Praktischen Theologie und heiratete Amalie Charlotte Möller aus Nordhausen, die ein Jahr darauf bei der Geburt der Tochter verstarb. 1840 bekam S. die ordentliche Professor, wobei er zeitweise nebenbei außerordentliche Professuren in den Fächern Neues Testament und Christliche Moral sowie Pastoraltheologie vertrat. Ausgesprägten dogmengeschichtlichen und systematisch-theologischen Interessen konnte er weniger in Lehrveranstaltungen, vor allem aber in Publikationen ebenfalls nachgehen (Erst nach A.E. Biedermanns Tod 1885 durfte er auch Dogmatik lesen.). 1839 sprach sich S. als Mitglied der theologischen Fakultät und des Großen Rates der Stadt gegen die Berufung des umstrittenen D. Fr. Strauß aus, um einer Kirchenspaltung vorzubeugen, und schlug dafür dessen Berufung an die philosophische Fakultät vor. Nach der Absetzung der freisinnigen Regierung durch das konservativ-kirchliche Landvolk wurde S. zunächst wieder in den Rat gewählt, aufgrund seiner Kritik an radikalen Vorhaben der neuen Mehrheit stellte man ihn bei der nächsten Ratserneuerung nicht wieder auf. 1842 heiratete er Rosine Hürlimann-Landis aus Richterswil, Tochter des Zentralpräsidenten der Glaubenskomitees; aus der Ehe gingen drei Söhne hervor. Erst 1844 wurde S. eigentlicher Pfarrer am Großmünster, ein Amt, das er 1863 wegen der zeitweiligen Gemütskrankheit seiner Frau abgab. Über drei Jahrzehnte wirkte er auch in der obersten Kirchenleitung des Kantons Zürich. S. und Gottfried Keller tauschten selbstverfaßte Gedichte aus. - Einerseits setzte S. sich zeitlebens für die Anerkennung der faktischen Union zwischen Lutheranern und Reformierten im deutschsprachigen Bereich ein, andererseits - für S. kein Gegensatz - fällt das Gewicht seiner Werke je länger je mehr auf seine historisch-systematische Rekonstruktion des reformierten Bekenntnisstandes. S. gilt zum einen als einer der treuesten Schleiermacherschüler und zum anderen als Vermittlungstheologe auf hohem Niveau. Sein Aufbau der homiletischen Theorie wirkt bis in die Gegenwart.

Werke (Auswahl): Exegetisch-historische Darstellung der Versuchungsgeschichte Jesu, 1833; Kritik des Gegensatzes zwischen Rationalismus u. Suprarationalismus, 1833; Schleiermachers Wirksamkeit als Prediger, 1834; Christliche Predigten für denkende Verehrer Jesu, 1. Sammlung, 1834; 2.-5. Sammlung, 1838-1862; Entwurf eines Systems der Sittenlehre. Aus Schleiermachers handschriftlichem Nachlaß hrsg., 1835; Ueber Begriff und Eintheilung der praktischen Theol., 1836; Wiefern die liturgischen Gebete bindend sein sollen, 1836; Drei Predigten in Beziehung auf die prot. Fortbildung der öff. Kirchenlehre, 1839; Leitfaden zum Unterricht in der Glaubenslehre, 1840; Das Ev. Johannes, 1841; Die Glaubenslehre der ev.-ref. Kirche dargest. u. aus den Quellen belegt, 2 Bde., 1844/47; Das kirchliche Zerwürfnis des Jahres 1845 im Kanton Waadt, 1846; Homiletik der ev.-prot. Kirche systematisch dargest., 1848; Die Aufnahme in die Synode kirchenrechtlich beleuchtet, 1850; Das Bedürfniß einer Reorganisation des Zürcherischen Kirchenrathes, 1850; Die protestantischen Zentraldogmen in ihrer Entwicklung innerhalb der ref. Kirche, 2 Bde., 1854/56; Die theol.-ethischen Zustände der zweiten Hälfte des 17. Jh. in der Zürcherischen Kirche, 1857; Die Christliche Glaubenslehre nach prot. Grundsätzen dargest., 2 Bde., 1863/69, 21877; Hinabgefahren zur Hölle als Mythus ohne bibl. Begründung [...] nachgewiesen, 1868; Die christliche Lehre von der Obrigkeit u. die Zeitereignisse (Predigt), 1871; Krieg u. Frieden im Lichte des Christenthums (Predigt), 1871; Der Prophet Jeremias u. die großen Ereignisse der Gegenwart (Predigt), 1871; Pastoraltheorie od. die Lehre v. der Seelsorge des ev. Pfarrers, 1875; Nach Rechts u. nach Links (Aufsatzsammlung), 1876; Die Zukunft der Religion, 1878/79; Rede gehalten bei der Bestattung Dr. Alfred Fischers, 1882; Zwinglis Bedeutung neben Luther, 1884; Diverse Artikel in der Prot. Kirchenzeitung 1854-1883 (Mithrsg.), den Theol. Studien u. Kritiken, den Theol. Jahrbüchern u. der RE1; Biographische Aufzeichnungen, von ihm selbst entworfen (Lit.), hrsg. v. Paul Schweizer, 1889; Friedrich Meili, Verzeichnis der literarischen Publikationen Alexander Schweizers, Theol. Zschr. aus der Schweiz 2, 1885, 110-114; Nachlaß in der Zentralbibliothek Zürich.

Lit.: Heinrich Gelzer; Die Straussischen Zerwürfnisse in Zürich v. 1839, 1843; - Friedrich Meili, Nachruf auf A.S., in: Neue Zürcher Zeitung 68, 1888, Nr. 205; - o.N., Nachruf auf A.S., in: Schweizerisches Protestantenblatt 11, 1888, 225-28. 233-235. 243.245.; - Gustav v. Schultheß-Rechberg, Die Zürcher Theologenschule im 19. Jh., 1914; - Paul Schweizer, Geschichte der Familie Schwyzer oder Schweizer, Zürich 1916; - Die Universität Zürich 1833-1933 und ihre Vorläufer, 1938; - Louis Perriraz, Alexandre Schweizer. Alois Biedermann, Lausanne 1942; - Friedrich Wintzer, Homiletik als System? Bedeutung und Eigenart der Homiletik von A.S., in: EvTh 25, 1965, 604-615.650 f.; - Jean-Pierre Bodmer, Gottfried Keller und A.S., Separatdruck aus der Neuen Zürcher Zeitung Nr.4583 v. 29.10.1967; - Paul Schweizer, Freisinnig - Positiv - Religiössozial, 1972; - Klaus Otte; Durch Gemeinde zur Predigt. Zur Verhältnisbestimmung von Theologie und Predigt bei A.S. u. Alois Emanuel Biedermann, 1973; - Ders., Die Theolgie der Predigt bei A.S. und Alois Emanuel Biedermann, in: ThZ 36, 1980, 26-39; - Markus Baumgartner, Ins Netz verstrickt. Beobachtungen zum Denkmuster des sogenannten Vermittlungstheologen A.S., 1991; - ADB XXXIV,772-775; - CKL II, 922; - EKL1u.2 III, 891 f.; - HBLS VI, 284; - RE3 XVIII,66-72; - RGG1 V, 509 f.; - RGG2 V, 353; - RGG3 V, 1619.

Eberhard Hauschildt

Letzte Änderung: 14.03.1999