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Band XXIX (2008) Spalten 1273-1276 Autor: Bernhard Hemmerle

SCHNABEL, Joseph Ignaz, * 24. Mai 1767 in Naumburg am Queis (Schlesien), † 16. Juni 1831 in Breslau (Wroclaw), Kirchenmusiker, Komponist. - Schnabel entstammte einer Musikerfamilie und wurde schon früh von seinem Vater, der als Kantor tätig war, musikalisch unterrichtet. Er war Chorsänger an der Vincenzkirche in Breslau und besuchte das St. Matthias-Gymnasium in Breslau. Seinen Berufswunsch Priester zu werden mußte er nach einem Unfall aufgeben: Infolge eines Sturzes ins Wasser zog er sich ein chronisches Ohrenleiden zu, und wurde daher als nicht mehr geeignet für eine Priesterlaufbahn angesehen. J. I. Schnabel brach daher nach der sechsten Klasse den Besuch des Gymnasiums ab und begann eine Lehrerausbildung. 1790 wurde er Schulmeister und Gerichtsschreiber in Paritz. Anerkennung fand Schnabel hier bald aufgrund der guten Musikleistungen vieler seiner Schüler, aus denen er auch ein Orchester gebildet hatte. Ab 1797 wirkte er in Breslau als Violinist an der Vincenzkirche, dann als Organist an St. Klara. 1798 wurde er Violinist und Konzertmeister im städtischen Theaterorchester, das er öfter als Stellvertreter dirigierte. Am 1. April 1805 wurde Schnabel zum Domkapellmeister in Breslau berufen. 1806 übernahm er die Leitung der Richterschen Winterkonzerte, und 1810 auch die Direktion der Konzertgesellschaft (Montags- und Freitagskonzerte). 1812 unternahm J. Ignaz Schnabel gemeinsam mit Friedrich Wilhelm Berner, ebenfalls Kirchenmusiker, eine Reise nach Berlin, um dort bei Carl Zelter zu hospitieren. Dies brachte Schnabel im gleichen Jahr die Ernennungen zum Universitätsmusikdirektor, zum Musiklehrer am katholischen Seminar und zum Direktor des Königlichen akademischen Instituts für Kirchenmusik. Zusammen mit Friedrich Wilhelm Berner und Johann Theodor Mosevius (1788-1858, er gründete 1825 die Breslauer Singakademie), der nach Schnabels Tod die Funktion des Musikdirektors der Universität übernahm, gründete Schnabel 1819 den Verein für Kirchenmusik an der Universität (von 1819 bis 1821 war Schnabel Mitglied des Direktoriums und musikalischer Leiter des Vereins) der neben der schlesischen Musik die Verbreitung der europäischen Musik des 16. bis 18. Jahrhunderts vorantrieb. 1823 wurde J. I. Schnabel die Ehrendoktorwürde verliehen. Die enge, seit Jahrhunderten gewachsene Bindung Schlesiens an Böhmen und Österreich blieb in musikalischer Hinsicht auch nach der preußischen Okkupation 1740 erhalten, und verstärkte sich noch am Anfang des 19. Jahrhunderts. Die Werke J. Haydns wurden nicht nur in Breslau, sondern auch in manchen Klöstern sehr geschätzt. Ludwig van Beethovens Symphonien erklangen, sehr zur Freude des Komponisten, unmittelbar nach ihrer UA auch in Breslau. Große Verdienste hierbei erwarb sich Domkapellmeister Joseph Ignaz Schnabel der in Breslau ein stehendes Orchester aufgebaute hatte und mit diesem überwiegend Werke der Wiener Klassik zur Aufführung brachte. Haydns Oratorium Die Schöpfung führte Schnabel seit dem Jahr 1800 jährlich am Gründonnerstag auf. Frédéric Chopin, der viermal in Breslau weilte, gab bei seinem letzten Aufenthalt im Jahre 1830 auf Bitten von Joseph Ignaz Schnabel, der ein Freund von Chopins Lehrer Jozef Elsner war, ein Konzert (2. Klavierkonzert u. a. Werke) in der Breslauer Resourcce. Es dauerte freilich noch etliche Zeit, bis in Breslau ein privat finanziertes Berufsorchester unter dem Namen Breslauer Orchesterverein eingerichtet werden konnte, aus dem im 20. Jh. dann die staatliche Schlesische Philharmonie erwuchs. Joseph Ignaz Schnabel darf zu Recht als der führende katholische Kirchenmusiker Schlesiens seiner Zeit und als der Begründer einer neuen kath. Kirchenmusik in der schlesischen Musikgeschichte, der sog. <\>>Breslauer Schule<\<>, gesehen werden Unter ihm wurde der Breslauer Dom ab 1805 zum Zentrum der katholischen Kirchenmusik in Schlesien, zugleich aber auch zum Hüter der dem klassischen Stil verhafteten Tradition bis 1945. In dieser Zeit versahen sieben Domkapellmeister das kirchenmusikalische Amt. Sie hatten nicht nur die Musik im Dom zu leiten, sondern komponieren auch eigene Werke für die kirchenmusikalische Praxis. Im Mittelpunkt ihrer Arbeiten stand bis 1945 wie in Österreich vor allem auch die orchesterbegleitete Messe, die fester Bestandteil der feierlichen Liturgie blieb. Aus dieser "Breslauer Schule" traten neben Schnabel, Moritz Brosig (1815-87) und Siegfried Cichy (1865-1925) kompositorisch hervor. In den evang. und kath. Kirchen der Provinz waren in der Regel Lehrer als nebenberufliche Kirchenmusiker tätig. Das auf Berliner Anregungen hin gegründete Königliche akademische Institut für Kirchenmusik der Breslauer Universität und die Lehrerseminare bildeten die angehenden Lehrer in der Regel auch zu Kantoren aus, die in Dörfern wie Städten die musikalische Volksbildung tatkräftig förderten. Die Stadt Breslau hatte DKM Schnabel eine Straße, die Schnabelstraße, an der die St. Petrus-Canisius-Kirche lag, gewidmet. Sowohl die Schnabelstraße als auch die St. Petrus-Canisius-Kirche existieren nicht mehr. Sie fielen 1945 dem Befehl des Breslauer Gauleiters Karl Hanke zum Bau einer Flugzeugrollbahn in der Festung Breslau zum Opfer. - Schnabels kompositorisches Schaffen enthält ca. 210 Werke, vor allem instrumental begleitete Kirchenmusik, aber auch Orchesterwerke, Lieder, Männerquartette und Kammermusik, Schnabels bekanntestes Opus ist seine Bearbeitung der im Archiv des Breslauer Doms gefundenen Weihnachtspastorale eines unbekannten Komponisten aus dem Rokoko <\>>Transeamus usque Bethlehem<\<> , die heute zum Repertoire vieler Chöre gehört, und darüber hinaus in unzähligen Bearbeitungen vorliegt. Ein komplettes WV Schnabels ist enthalten in: Guckel, Hans Erdmann, Katholische Kirchenmusik in Schlesien, 1912, Nachdruck 1972).

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Quellen, Lit.: Guckel, Hans Erdmann, Katholische Kirchenmusik in Schlesien, 1912, Nachdruck 1972; Feldmann, F., Die schlesische Kirchenmusik im Wandel der Zeiten, 1975; - Walter, Rudolf, Das Musikalieninventar des Breslauer Domchors aus der Amtszeit von Domkapellmeister J. Ignaz Schnabel in: JbUnivBreslau 30, 1989, 77-103; - ders: J. I. Schnabels Figuralkomposition zu Vesper, in: JbUnivBreslau 38/39, 1997/98, 481-510; - Scheuermann, G.: Das Breslau-Lexikon M-Z ( Band 2), Dülmen 1994, 1511-1513; - MGG, diverse Artikel, Taschenbuchausgabe, Kassel-Basel-London 1989.

Bernhard Hemmerle

Letzte Änderung: 09.04.2011