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Band VIII (1994)Spalten 1142-1144 Autor: Klaus Kienzler

SABBATHAI Zewi, jüd. Pseudo-Messias, Begründer der sabbatianischen Bewegung, * 1626 Smyrna (Izmir), † 1676 Albanien. - S. wurde in einer wohlhabenden Handelsfamilie geboren. Diese verhalf S. zu einem Studium des Talmud u. der Kabbala. Er fühlte sich schon früh zu merkwürdigen gesetzeswidrigen Handlungen gedrängt (z.B. Aussprache des Tetragramms, Feier der drei Wallfahrtsfeste in einer Woche u.a.). S. wurde von seinen Lehrern verbannt, er kam nach Saloniki u. Konstantinopel, wo er ebenfalls nicht lange bleiben konnte. Er lebte einige Zeit in Jerusalem u. übersiedelte dann nach Ägypten; er litt dort unter schweren Depressionen, die von messianischen Ansprüchen gefolgt waren. Auf der Suche nach Heilung kam er 1665 nach Gaza zu dem heiligmäßig geltenden Kabbalisten Nathan ben Elischa von Gaza. Dieser bestärkte S. nach einer vermeintlichen Vision in seinen messianischen Ansprüchen u. fühlte sich selbst als sein Prophet. S. vermählte sich mit einem Mädchen namens Sara, das überzeugt war, die Frau des Messias werden zu müssen. 1665 kehrte er nach Smyrna zurück, wo er als königlicher Messias auftrat u. mit messianischem Überschwang gefeiert wurde. Er legte sich den Ehrentitel »AMIRAH« zu (= »adonenu malkenu jarum hodo«: Unser Herr König, seine Majestät sei erhaben) u. bestimmte den 18.Juni 1666 zum Tag der Erlösung. Im selben Jahr nahm er die Aufteilung der Welt vor. S. war bald verehrt »von Kairo bis Hamburg, von Saloniki bis Amsterdam, von Marokko bis Jemen, von Polen bis Persien« (s.u. Enc. of Religion). Bei seiner Landung in Konstantinopel wurde er auf Befehl des Großwesirs verhaftet. Er wurde von den türkischen Behörden vor die Wahl gestellt, hingerichtet zu werden oder zum Islam überzutreten. Seine Anhänger nannten sein Gefängnis auf Gallipoli »Turm der Macht«. Er lebte dort wie ein König, von dort schickte er Boten aus u. empfing Gesandtschaften. Um der Todesstrafe zu entgehen, nahm er den Islam an u. erhielt die Freiheit sowie den Namen Mehemed Effendi. Er lebte zunächst mit einer türkischen Pension in Adrianopel, dann (nach einem neuen Prozeß wegen Geheimjudentums u. sexueller Freizügigkeit unter den Anhängern) in einer Festung in Albanien. Weder sein Abfall vom Judentum noch sein Tod bedeuteten das Ende der Bewegung. Nathan von Gaza baute die Apostasie des Messias in seine Theologie ein u. erklärte sie zum notwendigen Teil des Erlösungsprozesses: Der Messias muß in die Welt des Bösen u. der Dämonen hinabsteigen u. kann sich selbst u. Israel nur erlösen, indem er durch Unreinheit und tiefste Erniedrigung hindurchgeht. Nach seinem Tod entstand die Legende von der Entrückung u. baldigen Wiederkehr des Messias. Nathans Lehre lebte in radikalisierter Form in der Bewegung der Sabbathianer weiter u. stürzte das Judentum in eine Krise, deren Folgen (Diskreditierung jeglicher Form der messianischen Ewartung u. Ablehnung der Mystik) bis weit hinein in die Gegenwart spürbar bleiben. - S. hatte sowohl zu seinen Lebzeiten wie nach seinem Tod eine große Zahl von Anhängern, die »Sabbathianer«. Der Übertritt ihres Messias zum Islam veranlaßte nicht alle, ihren Glauben an seine Messiaswürde aufzugeben. In Saloniki wurde 1683 die Sekte de sog. »Dönmeh« (= Apostaten) gegründet, die ihrem Meister in den Islam folgten. In Polen fanden die Sabbathianer Anschluß an die Bewegung des Jakob Frank (1726-1791) u. hatten Einfluß bis ins 19.Jh. (etwa bei dem Dichter Adam Mickiewicz 1797-1855). In Deutschland führte die Auseinandersetzung zwischen der Orthodoxie u. den Sabbathianern zu dem berüchtigten Streit zwischen J. Emden, der seit 1733 in Altona eine Privatsynagoge unterhielt, u. dem Rabbiner von Hamburg Altona J. Eybschütz, der von Emden wegen eines Amulettextes als Sabbathianer verdächtigt wurde.

Lit.: W.D. Davies, From Schweitzer to Scholem: Reflections on Sabbatai Svi. In: Journal of Biblical Literature 95 (1976), 529 ff.; - A.Galanté, Nouveaux documents sur Sabbatai Zewi. Istanbul 1935; - M. van Loopik, Der Messianismus des Sabbatai Zewi und die jüdische Mystik. In: Concilium 29 (1993) H: 1, 49 ff.; - P. Schäfer, Schabbatai Zvi und die Sabbatianische Bewegung. In: Emuna 5-6 (1974), 341 ff.; - G. Scholem, Sabtai Sebi (hebr.). Tel Aviv 1957; - Ders., Die jüdische Mystik. Zürich 1957, 315-55; - Ders., Sabbatai Sevi: The Mystical Messiah, 1626-1676, übers. v. R.J. Zwi Werblowsky (mit Bibliographie). Princeton 1973; - Ders., Kabbalah. Jerusalem 1974, passim; - K. Schubert, Die Religion des nachbiblischen Judentums. Wien 1955, 176-86; - Encyclopedia of Religion 13, 192-194; - ECatt 1514-1515; - JewEnc 10, 586 ff.; - LThK2 9, 190-191; - NCE 13, 154-156.

Klaus Kienzler

Literaturergänzung:

Paul Petzel, Sabbatai Zwi - ein Bruder des Messias Jesus? in: ZKTh 127. 2005, S. 415-448.

Letzte Änderung: 12.12.2005