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Band VI (1993)Spalten 1043-1046 Autor: Manfred Heim

NOVALIS (Friedrich von Hardenberg), Dichter und Denker der deutschen Frühromantik, * 2.5. 1772 in Oberwiederstedt/Harz (Grafschaft Mansfeld), † 25.3. 1801 in Weißenfels. - N., Sohn des späteren Salinendirektors in Weißenfels Erasmus von Hardenberg, welcher der Herrnhuter Brüdergemeine angehört, und dessen Ehefrau Auguste Bernhardine, geborene von Bölzig, begeistert sich schon früh für alles Schöngeistige, insbesondere die Dichtung, wovon seine vielen Jugendgedichte (Jugendwerk 1788-1791) ein lebendiges Zeugnis ablegen. 1790 beginnt der von Gottfried August Bürger beeinflußte N. in Jena das Studium der Jurisprudenz. Dort macht er auch die Bekanntschaft des ihn nachhaltig prägenden Friedrich Schiller, dessen Geschichtsvorlesung er hört und dessen Rat er folgt, einem »ernsten« Beruf den Vorrang vor der Dichtung zu geben. Diese Spannung in N.s' dichterischem Schaffen zwischen Beruf und Dichtung spiegelt sich in seiner ersten Veröffentlichung wider, dem Gedicht »Klagen eines Jünglings« (1791 in Wielands »Neuem Teutschen Merkur«). In Leipzig, wo er 1792 Friedrich Schlegel begegnet, setzt N. sein Studium fort, um es im Juni 1794 in Wittenberg als Examensbester abzuschließen. Die darauffolgende berufliche Ausbildung ist begleitet von intensiven philosophischen Studien, v.a. der »Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre« Johann Gottlieb Fichtes (1794). In diese Zeit fällt auch seine Bekanntschaft mit der zwölfjährigen Sophie von Kühn, mit der er sich heimlich, ohne Wissen der Eltern, am 15.3. 1795 verlobt. Seit Januar 1796 wirkt N. als Akzessist an der Salinendirektion in Weißenfels, wo sich seine Familie 1785 niedergelassen hat. Der Tod Sophies am 19.3. 1797 hat die zweifellos »entscheidende Wendung seines Geistes« zur Folge, er wird zur »Geburtsstunde des Dichters N.« und der »Schlüssel zu allem«, denn dem »Gedächtnis der Braut gilt hinfort alles Sinnen und Dichten« (Müller-Seidel) N.s', der nunmehr seiner Braut nachzusterben wünscht. Gleichwohl nimmt er Ende 1797 an der Bergakademie in Freiberg das Studium der Bergwerkskunde, Chemie und Mathematik (bei Abraham Gottlob Werner) auf und entfaltet eine reiche literarische Tätigkeit. Im April 1798 erscheinen im ersten Heft der Zeitschrift »Athenaeum«, an der N. zur Mitarbeit eingeladen worden ist, seine als »vermischte Bemerkungen« abgelieferten 125, von Schlegel auf 114 reduzierten und unter dem Titel »Blüthenstaub« veröffentlichten Fragmente unter dem Pseudonym »N.« Im gleichen Jahr verlobt sich N. mit Julie von Charpentier, doch sollte auch diese zweite Verlobung ohne Heirat bleiben. An Pfingsten 1799 kehrt er zur Salinendirektion nach Weißenfels zurück und nimmt nach der Begegnung mit Ludwig Tieck (Juli 1799) seine dichterische Tätigkeit wieder auf. Seine zunehmende Kränklichkeit führt N. zur intensiveren Beschäftigung mit der Religion: Es entstehen der Essay »Die Christenheit oder Europa« und »Geistliche Lieder« (1799-1800), von denen 15, darunter auch Marienlieder, erhalten sind, und die, erstmals veröffentlicht im »Musenalmanach auf das Jahr 1802«, N.s' populärstes Werk darstellen. Sein unvollendet gebliebener Roman »Heinrich von Ofterdingen« (Abschluß des 1. Teils im April 1800) als »Apotheose der Poësie« ist ein »Schlüsselwerk« der Frühromantik. Seit Dezember 1799 Salinenassessor und Mitglied der Salinendirektion, wird N. am 6.12. 1800 zum Supernumerar-Amtshauptmann für den Thüringischen Kreis ernannt, kann die Stelle aber nicht mehr antreten. - Das Werk N.s' muß betrachtet werden im Rahmen seiner individuellen Religiosität und seiner von daher bestimmten Christusanschauung, zunehmend ausgerichtet an dem Ideal der ungeteilten Christenheit des Mittelalters, seiner Denkform und seines Bemühens um Versöhnung der Gegensätze zwischen Beruf und Dichtung, Glaube und Wissen, zwischen Geist und Natur, Bewußtem und Unbewußtem (daraus resultierend die Bedeutung der »Mittlergestalt« in seiner Dichtung). Tieck bezeichnete N. als »die reinste und lieblichste Verkörperung eines hohen, unsterblichen Geistes«. (Eine ausgezeichnete Rezeption der literaturwissenschaftlichen Novalisdeutung seit dem 19. Jahrhundert und der internationalen Forschungsliteratur nach 1945 in sämtlichen Aspekten des Werks bei Uerlings [1991].)

Werke: Schriften: Klagen eines Jünglings, 1791; Blüthenstaub, 1798; Blumen, 1798; Glauben und Liebe oder der König und die Königin, 1798; Hymnen an die Nacht, 1800; Dialoge, 1802; Geistliche Lieder, 1802; Heinrich von Ofterdingen, 1802; Die Lehrlinge zu Sais, 1802; Die Christenheit oder Europa, 1826. - Werkausgaben: Schriften, hrsg. v. Friedrich Schlegel u. Ludwig Tieck, 2 Bde., 1802, 51837, Bd. 3 hrsg. v. Ludwig Tieck u. Eduard von Bülow, 1846; Schriften, hrsg. v. Paul Kluckhohn u. Richard Samuel, 4 Bde., 1929, 5 Bde. 21960 ff., 31977 ff.; Werke (Studienausgabe), hrsg. v. Gerhard Schulz, 1977; Werke, Tagebücher u. Briefe Friedrich von Hardenbergs, hrsg. v. Hans-Joachim Mähl u. Richard Samuel, 3 Bde., 1978-1987; Heinrich von Ofterdingen, hrsg. v. Ursula Ritzenhoff (Erl. u. Dok.), 1988; Die Werke Friedrich von Hardenbergs, 4 Bde., 1 Materialienbd., 1 Erg.-Bd., hrsg. v. Richard Samuel i. Zusammenarbeit mit Hans-Joachim Mähl u. Gerhard Sauer (Bd. 5), 1988; N., Das allgemeine Brouillon. Materialien zur Enzyklopädistik 1798/99. Nach der Edition von Hans-Joachim Mähl, 1993.

Lit.: Wilhelm Dilthey, N., in: Preuß. Jb. 15 (1865) 596-650 (wieder in: Das Erlebnis und die Dichtung, 1905, 121957, 170-220); - Richard Samuel, Die poetische Staats- und Geschichtsauffassung Friedrich von Hardenbergs (N.), 1925; - Käte Hamburger, N. und die Mathematik, in: Romantik-Forschungen, 1929, 113-184 (wieder in: Philosophie der Dichter, 1966); - Heinz Ritter, N.s' »Hymnen an die Nacht«, 21974; - Walter Müller-Seidel, Probleme neuerer N.-Forschung, in: GRM NF 3 (1953) 274-292; - Theodor Haering, N. als Philosoph, 1954; - Gerhard Schulz, Die Berufslaufbahn Friedrichs von Hardenberg (N.), in: JbDSG 7 (1963) 253-312; - Werner Vordtriede, N. und die französischen Symbolisten, 1963; - Hans-Joachim Mähl, Die Idee des goldenen Zeitalters im Werk des N., 1965; - Leif Ludwig Albertsen, Novalismus, in: GRM NF 17 (1967) 272-285; - Manfred Dick, Die Entwicklung des Gedankens der Poesie in den Fragmenten des N., 1967; - Hans-Joachim Mähl, Goethes Urteil über N., in: JbFDH (1967) 130-270; - Eckhard Heftrich, N. Vom Logos der Poesie, 1969; - Gerhard Schulz, N., 1969; - Ders. (Hrsg.), N., 1970, 21986; - Hannelore Link, Abstraktion und Poesie im Werk des N., 1971; - Margot Seidel, Die »Geistlichen Lieder« des N., 1973, 21983; - Ernst G. Gäde, Eros und Identität bei N., 1974; - Johannes Hegener, Die Poetisierung der Wissenschaften bei N., 1974; - John Neubauer, N., 1980; - Hermann Kurzke, Romantik und Konservatismus, 1983; - Barbara Senckel, Individualität und Totalität. Aspekte zu einer Anthropologie des N., 1983; - Nicholas Saul, History and Poetry in N. and the Tradition of the German Enlightment, 1984; - Jury Striedter, Die Fragmente des N. als »Präfigurationen« seiner Dichtung, 1985; - Heinz Ritter-Schaumburg, N. und seine erste Braut. Sie war die Seele meines Lebens, 1986; - Géza von Molnßr, Romantic Vision, Ethical Context. N. and Aesthetic Autonomy, 1987; - Klaus Hartmann, Die freiheitliche Sprachauffassung des N., 1987; - Hermann Kurzke, N., 1988; - Ivo Weissenberger, Die Bildnisse Friedrich von Hardenbergs, in: Aurora 47 (1987/88) 126-130; - Manfred Koch, »Mnemotechnik des Schönen«. Studien zur poetischen Erinnerung in Romantik und Symbolismus, 1988; - Ilpo Tapani Piiroinen/Jörg Meier, Bergmännische Motive in den Werken Friedrich von Hardenbergs (N.), in: Der Anschnitt 40 (1988) 167- 189; - Jean-Charles Margotton, N.s' »Die Christenheit oder Europa«. Die Mythisierung der französischen Revolution, in: WB 35 (1989) 851-855; - Hans-Heino Evers, Kindheit als poetische Daseinsform. Studien zur Entstehung der romantischen Kindheitsutopie im 18. Jahrhundert. Herder, Jean Paul, N., Tieck, 1989; - Daniel Lancereau, Sur l'édition critique des oevres de N., in: Etudes germanistiques 44 (1989) 304-308; - Hans-Joachim Mähl, Zwei unveröffentlichte Handschriften aus der Berufstätigkeit Friedrich von Hardenbergs (N.), in: JbFDH 1990, 118-165; - Wilfried Malsch, Der ästhetische Schein des poetischen Staates. Zur Bedeutung Schillers für N., in: Aurora 51 (1991) 23-39; - Christian Schärf, Der Tod, die Zeichen und die Wirklichkeit der Schrift. Zur Initiation der Schreibweisen bei N., in: Wirk. Wort 41 (1991) 389-405; - Giampiero Moretti, L'estetica di N. Analogia e principio poetico nella profezia romantica, 1991; - Herbert Uerlings, Friedrich von Hardenberg, genannt N. Werk und Forschung, 1991 (WW., Lit.); - William Arctander O'Brian, Herstellung eines Mythos. N.s' »Schriften« in der redaktionellen Bearbeitung von Tieck und Schlegel, in: ZfdPh 111 (1992) 161-180; - Willi Hartmann, Der Gedanke der Menschwerdung bei N. Eine religionsphilosophische Untersuchung der Fragmente und Studienaufzeichnungen, 1992; - ADB 10, 562; - NDB 7, 652; - Hirsch IV, 432-434; - Goedeke 6, 48; - Albrecht-Dahlke II/1, 312; II/2; 1039; IV/2, 658, 729; - LThK VII2, 1061 f.; - RGG IV3, 1536-1539; - DLL XI3, 473-483; - Killy 8, 471-476.

Manfred Heim

Literaturergänzung:

Schuff-Eppli, Karin, Wortfiguren - Figurenworte, Theorie und Praxis des Zahlenkalküls in Texten Friedrich von Hardenbergs 1998; - "Nachtbegeisterung". Novalis' "Hymnen an die Nacht", in: Stephan Lüttich, Nacht-Erfahrung. Theologische Dimensionen einer Metapher (StSSTh 42), Würzburg 2004, 103-141; - Wilhelm Dilthey, Das Erlebnis u.d. Dichtung. Lessing, Goethe, Novalis, Hölderlin. Hrsg. von Gabriele Malsch. Göttingen 2005 (=Wilhelm Dilthey, Gesammelte Schriften; 26); - Andreas Maier, Wurstgewächs. "Das Märchen von Hyazinth u. Rosenblüte" von N., in: FAZ Nr. 4 vom 5.1.2006, S. 33; - Horst Weigelt, D. Elternhaus von N. u.d. Herrnhuter Brüdergemeine. Ein Beitr. zu d. pietist. Elternhäusern dt. Dichter, in: Interdisziplinäre Pietismusforschungen. Bd. 1. Halle 2005, S. 493-507; - Mads Nygaard Folkmann, Figurationen d. Übergangs. Zur literar. Ästhetik bei N. Frankfurt a.M. 2005; - Philipp W. Hildmann, Von N. für Europa lernen?, in: StZ 131.2006, S. 334-343; - Norbert W. Schlinkert, Wanderer in Absurdistan. Novalis, Nietzsche, Beckett, Bernhard u.d. ganze Rest. Würzburg 2005;- Martina Steinig, "Wo man singt, da lass' dich ruhig nieder ..." Lied- u. Gedichteinlagen im Roman d. Romantik. Berlin 2006; - Armin Gebhardt, N. Marburg 2006:- Mario Zanucchi, N. - Poesie u. Geschichtlichkeit. Paderborn 2006; - Andreas Kubik, D. Symboltheorie bei N. Tübingen 2006; - Veronica Freeman, The poetization of metaphors in the work of N. New York 2006; - Yihong Hu, Unterwegs zum Roman. N.' Werdegang als Übergang von d. Philos. zur Poesie. Paderborn 2007; - Peggy Fiebich, Gefährten im Unglück. Die Protagonisten narrativer Texte von E.T.A. Hoffmann sowie von Novalis, Goethe u. Kleist. Würzburg 2007.

Letzte Änderung: 03.07.2007