NIKOLAUS V. Gegenpapst (Pietro Rainalducci). * 3. Viertel des 13.
Jhdts. in Corvaro (Prov. Rieti/Abruzzen), + 16. Oktober 1333
in Avignon. Aus einfachen Verhältnissen stammend, verließ er nach
5jähriger Ehe Giovanna Mattei und trat dem Konvent des Franziskanerklosters
Santa Maria in Aracoeli/Rom bei. Zeitgenossen waren in ihrem Urteil
zur Person N.s uneins, teils schilderten sie ihn von geradezu heiligmäßiger
Askese, teils von eher zweifelhaftem Ruf. Mit Teilen seines Ordens
(Spirituale) hatte er sich im Gefolge des Armutsstreits mit Papst
Johannes XXII. überworfen. - In der Auseinandersetzung zwischen
Ludwig dem Bayern und dem in Avignon residierenden Johannes XXII.
ließ der Kaiser während seines Krönungsaufenthalts in Rom den Papst
»wegen Häresie« absetzen und veranlaßte das römische Volk, einen neuen
zu wählen. Am 12. Mai 1328 wurde N. von einem Wahlkollegium von 13
römischen Priestern - jedoch ohne Beteiligung eines Kardinals - zum
[letzten kaiserlichen] Gegenpapst gewählt; am 15. Mai gekrönt. Unmittelbar
darauf kreierte N. sechs seiner insg. neun Kardinäle und begann mit
dem Aufbau einer Kurie. Gut zwanzig Bischofsernennungen, meist aus
den Reihen der Johannes XXII. feindlich gegenüberstehenden Franziskaner
bzw. Augustiner, folgten. - Größere Bedeutung und breitere Anerkennung
fand N. nicht einmal in Italien, wodurch das Ziel des Ks., seinen
päpstl. Widersacher in Avignon zu schwächen, gescheitert war. Nach
Ludwigs Abreise aus Rom (4. August 1328) verlor N. rasch an Einfluß
und Anhängern. Am 3. Januar 1329 traf er nochmals mit Ludwig in Pisa
zusammen, blieb jedoch in Mittelitalien, als der Ks. nach Norden aufbrach.
Von den wenigen verbliebenen Anhängern verlassen, verzichtete N.,
nachdem ihm Leben und Pension zugesichert worden waren, auf seine
Würde (25. Juli 1330 in Pisa), begab sich nach Avignon und unterwarf
sich schließlich reumütig Johannes XXII. (25. August). Nach 3jährigem
Aufenthalt in Avignon starb er dort am 16. Oktober 1333; begraben
wurde er in der Franziskanerkirche. - Als Person ohne größere
Bedeutung, war N. lediglich das Werkzeug eines kurzfristigen Augenblicks
in der langjährigen Auseinandersetzung zwischen Johannes XXII. und
Ludwig dem Bayern, ein Instrument einer ksl. Politik, die ihr Ziel
letztlich verfehlte.
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