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Band VI (1993)Spalten 657-659 Autor: Elke Kuhn

NICLAES, Heinrich, Begründer der Sekte der Familisten, * 9. oder 10.1. 1502 oder 1501 wahrscheinlich in Münster, + nach 1570. - N. stammte aus einem frommen katholischen Elternhaus und soll schon als Kind Visionen gehabt haben. Seit 1531 lebte er als Kaufmann in Amsterdam. Im Jahre 1540 soll N. in einer Offenbarung zum Propheten berufen worden sein. Er zog daraufhin nach Emden und begann dort, seine Offenbarungen aufzuschreiben und auf Reisen (u.a. 1552/53 nach England) für seine Auffassungen, in denen er von dem Anabaptisten David Joris beeinflußt war, zu werben: Er glaubte, daß er als Mittler der vollendeten Offenbarung erwählt sei und verkündigte den Anbruch des Reiches der göttlichen Majestät auf Erden, des Zeitalters der Liebe. Als eine Gemeinschaft der Erwählten, die Irrtum und Sünde überwunden haben, gründete N. die »Familie der Liebe« (Familisten). Für diese entwarf er eine neue, dem angebrochenen Zeitalter der Liebe entsprechende, Zeitrechnung sowie eine eigene - wohl nur teilweise verwirklichte - Organisations- und Lebensform. Ungeklärt ist, inwiefern der gegen diese Gemeinschaftsform erhobene Vorwurf des Antinomismus reale Hintergründe hat. Dennoch bemühte sich N. darum, als ein unauffälliges Glied der kath. Kirche zu erscheinen, der auch der Reformation ablehnend gegenüberstand. Trotz dieser ablehnenden Haltung der Sache gegenüber stand N. in Kontakt zu Anhängern der Reformation. Wegen dieser Kontakte war er erstmals schon vor seiner Übersiedlung nach Amsterdam verhaftet worden und dann noch einmal in Amsterdam selber. Seine Schriften, die zum größten Teil aus der Emdener Zeit stammen, wurden heimlich gedruckt, v.a. durch den ebenso nach außen streng katholisch erscheinenden Antwerpener Buchdrucker Christophe Plantin (+ 1589), einen Anhänger N.s. Auf den Verfasser wiesen nur die Initialen H.N. hin. Die Schriften wurden meist durch Freunde verbreitet. Im Herbst 1560 schritt der Emdener Rat gegen N. ein. Er konnte unter Zurücklassung seiner Familie fliehen und hielt sich danach u.a. in Kampen, Utrecht und Köln auf. 1566 veranlaßten ihn erneute Offenbarungen zur Überarbeitung seiner Schriften. - N.s Wirken war nur von kurzer Dauer: Die von ihm gegründeten Gemeinschaften zerfielen wahrscheinlich schon teilweise zu seinen Lebzeiten. Einen etwas längeren Bestand haben die Familisten nur in England gehabt. Von den 51 Schriften des N. sind die meisten verloren bzw. verbrannt worden.

Werke: (u.a.): Van des Minschen Heerlichkeit im Anvangk, von synem affal, dodt unde vordömenisse, unde van syne Wederuprichtinge in syne vörige Heerlichkeit, Eine grundige Berichtinge, o.J.; Vorkündinghe van dem Vrede up Erden, und van dem Genedigentydt, idt Golden-jär ofte anghenäm fär des Heren, o.J.; Dat uprechte Christen-gelove des Ghemeinschoppes der Hilligen des Hüses der Lieften: Där oick de uprechte Christelicke-döpe inne betüget unde beleden wert, o.J.; Prophetie des Geistes der Lieften: Währmede dath de Here ... idt grüwelicke vorderven över alle godtlosen tho erkennen gift ... up dath se sick alle, to erer Beholdinge unde Salicheit, to de Gehorsamheit der Lieften uprechtelick begeven .., o.J.; Van dat geestlicke Landt der Belofften, van dat hemmelsche Jerusalem und des hilligen Volcks, 1546; Spiegel der Gerechtigkeit, 1549 (?) (Hauptwerk des N., jedoch verloren); Eyn clare berichtinghe van die Middelwerkinge Jesu Christi, die in den Geest geschiet, tot ein versoeninghe tusschen Godt und die mensche, 1550; Dre gründige Refereinen, die H.N. wedder syne Vyenden am dach gegeven heft, 1575; Comoedia. Ein Gedicht des Spels van Sinnen, dorch H.N. am dach gegeven, unde van Em uppet nye överseen unde vorbetert, 1575; De Lieder edder Gesangen H.N. Tor goede Lere unde Stichtinge, dem Hüsgesinne der Liefden unde en allen die sick daer-thoe wenden, 1575.

Lit.: Heinrich Nippold, Heinrich Niclaes und das Haus der Liebe. Ein monographischer Versuch aus der Secten-Geschichte der Reformationszeit. In: Zeitschrift für historische Theologie, Jg. 1862, 323-394. 473-563; - Friedrich Loofs, Art. Familisten, in: RE (3. Aufl.), Leipzig 1898, Bd. 5, 750-755.

Elke Kuhn

Letzte Änderung: 03.02.1999