MELITIUS, Bischof von Lykopolis
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Band V (1993)Spalten 1213-1219 Autor: Eckhard Reichert

MELITIUS, Bischof von Lykopolis in Oberägypten, war Urheber eines Schismas, das vom Beginn des vierten Jahrhunderts bis ins das achte Jahrhundert andauerte. Sein Geburtsjahr ist unbekannt. Die ursprüngliche Namensform ist Melitios; vor allem in der älteren Literatur ist häufig Meletius zu lesen. Nähere Hinweise auf seine Herkunft und seine Familie haben sich nicht erhalten. Bald nach dem Konzil von Nicäa (325 n. Chr.) ist M. in Lykopolis gestorben. Die kirchliche Wirksamkeit des M. fiel in eine Zeit, die von planvollen, sich steigernden Maßnahmen der Spitze des römischen Staates gegen die Christen bestimmt war. Nachdem Diokletian gegen Christen im Heer und am kaiserlichen Hofe vorgegangen war, eröffnete er einige Jahre später mit seinem ersten allgemeinen Verfolgungsedikt vom 23. Februar 303 den Kampf gegen die gesamte Kirche. Dabei ging er weit über das Versammlungsverbot Valerians hinaus. Er befahl, daß alle christlichen Kirchen zerstört und die heiligen Schriften verbrannt werden sollten. Außerdem sollten Christen alle Ämter und Würden und die mit ihnen verbundenen Vorrechte verlieren. Die Folgen waren einschneidend: Christen jeden Standes konnten jetzt der Folter unterworfen werden. Auch war ihnen die Rechtsfähigkeit genommen. Christen konnten keine Prozesse mehr anstrengen. Selbst vor Gericht gezogen, waren sie wehrlos. Nach diesem Schlag gegen alle Christen ordnete Diokletian im Frühsommer 303 an, die Kleriker einzukerkern. Kurz darauf verlangte er von ihnen den Vollzug eines Opfers für die Götter des Staates und für die Tetrarchen. Wer sich fügte, sollte freigelassen, wer sich widersetzte, sollte gefoltert werden. Im Frühjahr 304 schließlich erließ Diokletian einen allgemeinen Opferbefehl für die gesamte Reichsbevölkerung. Er gebot damit den Christen, vom Christentum abzufallen. Folter und bei fortgesetzter Weigerung die Todesstrafe sollten diesem entscheidenden Schritt im Kampf gegen die Kirche zu der erhofften Wirkung verhelfen. Infolge der gegen die Kleriker angeordneten Maßnahmen waren ägyptische Bischöfe verhaftet und ins Gefängnis gebracht worden: Phileas von Thmuis im Nildelta und drei weitere Bischöfe, wohl ebenfalls aus Unterägypten, Hesychius, Pachumius und Theodorus. Bischof Petrus von Alexandrien war vor der Verhaftung geflohen. Die Abwesenheit dieser Bischöfe hinterließ kirchenpolitisch ein Machtvakuum, in das M. als Inhaber des nach Alexandrien rangnächsten Bischofssitzes eindrang. U.a. ordinierte M. Presbyter und Diakone, die seiner Ansicht nach der herrschenden Verfolgungssituation besser gewachsen waren als die von den rechtmäßigen Bischöfen geweihten Kleriker. Aus dem Gefängnis in Alexandrien protestierten die betroffenen Bischöfe. In einem Brief an M., ihren dilectus comminister in Domino, führen sie an, daß bereits seit einiger Zeit unsichere Gerüchte über M. zu ihnen gedrungen seien. Nun seien die Nachrichten, daß M. fortgesetzt die göttliche Ordnung und die kirchliche Regel verletze, glaubhaft bestätigt worden. Die Inhaftierten machten gegen M. geltend, daß er seine Kompetenzen weit überschritten habe. Dadurch, daß er in fremden Sprengeln Weihen vornehme, setze er sich über uraltes, dem göttlichen und menschlichen Recht gemäßes Gesetz hinweg. Ohne Rücksicht auf dieses Gesetz, ohne Erlaubnis der zuständigen Ortsbischöfe und ohne Zustimmung des Bischofs von Alexandrien habe er gehandelt. Zu seiner Entschuldigung könne er auch nicht anführen, daß eine Notlage ihn dazu verpflichtet habe. Die Gemeinden seien nicht verwaist gewesen. Periodeuten und Visitatoren seien eingesetzt worden, um die Christen zu betreuen. Ein etwaiges Fehlverhalten dieser Personen hätte vor die zuständigen Bischöfe gebracht werden müssen. Für seine eigenmächtigen, völlig übereilten Schritte gebe es keinen rechten Grund. Selbst in der irrigen Annahme, daß sie hingerichtet worden seien, hätte er sichere Nachrichten einholen müssen. Im Falle ihres Todes aber wäre es geboten gewesen, sich an den Bischof von Alexandrien zu wenden. M. habe nur die Gemeinden in Unruhe gestürzt und Spaltungen verursacht. Die inhaftierten Bischöfe schlossen ihren Brief mit der dringenden Bitte, M. möge künftig die unter Amtsbrüdern üblichen Regeln beachten. Ihre Einwände blieben ohne Erfolg. Die Klage führenden Bischöfe und andere Kleriker starben den Märtyrertod, der Weg für M. war frei. Er griff nach Alexandrien, wo Petrus von seinem Zufluchtsort aus nur begrenzte Möglichkeiten hatte, auf die Gemeindesituation einzuwirken. Petrus wandte sich in einem Schreiben an die alexandrinischen Christen. Er beklagte das Vorgehen des M. und warnte davor, mit ihm in Verbindung zu treten. In einer eingehenden Unterredung mit M. und anderen wollte er vor der Einberufung einer Synode die Standpunkte zu klären, um einSchisma zu vermeiden. Doch war dies nicht möglich, solange die Verfolgung andauerte. Inzwischen war auch M. verhaftet und nach einiger Zeit im Gefängnis zur Bergwerksarbeit verurteilt worden. Er rückte in den Rang eines Konfessors. Das Ansehen, das er sich ohnehin erworben hatte, wuchs weiter. Die Schar seiner Anhänger wurde größer. M. behielt gute Kontakte zur Außenwelt, nahm Ordinationen vor. Sein Ziel war es, während der Abwesenheit des alexandrinischen Bischofs seinen Einfluß durch von ihm eingesetzte Kleriker zu sichern. Nachdem die erste Welle der diokletianischen Verfolgung abgeebbt war, kehrte Petrus nach Alexandrien zurück. Auch die Konfessoren wurden entlassen. Wie überall im Reich, so stellte nun auch in Ägypten die Lösung der Frage, wie mit den während der Verfolgung abtrünnig gewordenen Gemeindemitgliedern zu verfahren sei, eine große Herausforderung dar. Petrus stellte sich ihr, wohl in einem Rundschreiben, aus dem sich vierzehn Bußkanones erhalten haben. Die hier getroffenen Regelungen zur Bußfrage zeigen, daß der alexandrinische Bischof sich der psychologischen und seelsorgerlichen Problematik der Bußfrage voll bewußt war. Den Gefallenen öffnete er den Weg zur Wiederaufnahme in die Gemeinden noch während der Verfolgung. Er sah außerdem vor, daß der Grad des Verschuldens berücksichtigt werden müsse. So sollte weniger hart bestraft werden, wer erst unter dem Eindruck der Folter schwach geworden war. Sklaven, die auf Befehl ihres Herrn und stellvertretend für diese geopfert hatten, sollten nur ein Jahr, ihre Herren aber drei Jahre Kirchenbuße leisten. Gefallene Geistliche allerdings durften nicht wieder in ihre Ämter zurückkehren. Bereits diese Beispiele zeigen, daß Petrus hinsichtlich des kirchlichen Strafmaßes gemäßigte Vorstellungen vertrat, die sich zu den rigoristischen Forderungen des M. in krassem Gegensatz befanden. An eine Vermittlung der Standpunkte war nicht zu denken. M. blieb in seiner Haltung zu der Frage, wie die lapsi zu behandeln seien, unnachgiebig. Am Verhalten des Petrus übte er heftige Kritik. Er sah die Gefahren des schlechten Beispiels sowie des Rückfalls. Deshalb sei an ein kirchenamtliches Bußverfahren erst zu denken, wenn die Verfolgungen tatsächlich ihr Ende gefunden hätten. Um die bedrohte Einheit der ägyptischen Kirche zu retten, berief Petrus eine Synode gegen M. ein, die im Jahr 306 in Alexandrien tagte. M. selbst nahm wohl nicht teil. Ihm wurde vorgeworfen, unbefugt in fremde Sprengel eingegriffen und unerlaubt geistliche Weihen erteilt zu haben. Später wird M. außerdem beschuldigt, er habe während der Verfolgung geopfert, doch verdankt sich diese Nachricht polemischer Absicht. In Abwesenheit wurde M. seines Bischofsamtes enthoben. Seine Verurteilung aber wurde nicht überall in der ägyptischen Kirche akzeptiert. Der Erfolg, den Petrus auf der Synode erzielt hatte, war weder durchschlagend noch von langer Dauer. Auf Grund der christenfeindlichen Politik des Maximinus Daia wurde M. im Jahr 308 deportiert. Die Bergwerksarbeit in Palästina hinderte ihn nicht, seine Pläne weiter zu verfolgen. Überhaupt lassen die Quellen nicht den Eindruck entstehen, es habe sich um Zwangsarbeit im Sinne des Wortes gehandelt. Die Deportierten konnten sich einigermaßen frei bewegen und richteten für sich sogar Kirchen ein. M. konnte von dort aus sein Schisma ausbreiten. Er bildete eine »Kirche der Märtyrer« und stellte sie selbstbewußt der »katholischen Kirche« des Petrus und seiner Anhänger gegenüber. Als im November 311 Petrus den Märtyrertod fand, entfiel für M. ein gewichtiges Argument gegen seine Gegner, denen er sonst vorgehalten hatte, daß er standhaft seinem Glauben treu geblieben war, ihr Bischof sich jedoch dem Blutzeugnis verweigert hatte. Doch ermöglichte ihm das Edikt des Galerius die Rückkehr aus der Deportation, so daß er sich persönlich dafür einsetzen konnte, seinen Machtbereich zu sichern und zu erweitern. Im melitianischen Schisma blieb der Gegensatz zur Großkirche auf die Frage von Mäßigung und Rigorismus in der Bußfrage beschränkt. In der Folgezeit wurde die melitianische Bewegung in die Auseinandersetzung der Großkirche mit dem aufkommenden Arianismus hineingezogen. Arius hatte sich zu den Melitianern gehalten und in ihren Kreisen eine enthusiastische Gefolgschaft gefunden. M. vertrat indes keine häretischen Ansichten. Er trat sogar gegen Arius auf, erst spätere Melitianer standen dem Arianismus nahe. Den bedrohten Kirchenfrieden sollte das Konzil von Nicäa (325 n. Chr.) wiederherstellen. Das melitianische Schisma wurde ausdrücklich verurteilt. Doch sah man keine Möglichkeit, das Schisma und seine Folgen aus der kirchlichen Landschaft zu verbannen. M.wurden Rang und Würde eines Bischofs bestätigt, auch sein Bischofssitz, doch untersagte man ihm, bischöfliche Rechte auszuüben. Die von ihm geweihten Bischöfe und Kleriker wurden nach Handauflegung in die katholische Kirche aufgenommen. Vorbehaltlich ihrer Wahl durch das Volk und der Zustimmung des Bischofs von Alexandrien sollten diese Bischöfe nachrücken, sobald ein Bischofssitz frei wurde. Bis dahin sollten diese Bischöfe den vom alexandrinischen Bischof berufenen Bischöfen nachgeordnet sein. Ohne Zustimmung des ihnen übergeordneten Bischofs konnten sie nichts tun. Auch stand ihnen weder zu, bei Wahlen für geistliche Ämter ihre Stimme abzugeben noch durften sie Wahlvorschläge machen. M. hat keine Schriften hinterlassen. Doch forderte das von ihm verursachte Schisma eindringlich dazu auf, wichtige Fragen auf kirchenrechtlichem und dogmatischem Gebiet zu klären. Dadurch gewannen die im ägyptischen Bußstreit gewonnenen Standpunkte bleibende Bedeutung. Das melitianische Schisma dauerte an. Vor allem die Bischöfe von Alexandrien, besonders Athanasius, hatten sich mit den Melitianern auseinanderzusetzen. Erst im Laufe des fünften Jahrhunderts verlor dieses Schisma an Bedeutung, doch lassen sich seine Spuren bis in das achte Jahrhundert verfolgen.

Lit.: Carl Joseph von Hefele, Conciliengeschichte, Erster Band, 18732, 343-356: § 40 Der Beschluß in Betreff des meletianischen Schismas; - Konrad Lübeck, Reichseinteilung und kirchliche Hierarchie des Ostens bis zum Ausgange des vierten Jahrhunderts. Ein Beitrag zur Rechts- und Verfassungsgeschichte der Kirche = Kirchengeschichtliche Studien V, Heft 4, Münster 1901; - H. Idris Bell, Jews and Christians in Egypt. The Jewish troubles in Alexandria and the Athanasian controversy, Oxford 1924, 38-99: The Meletian schism; - Franz Jospeh Dölger, Klingeln, Tanz und Händeklatschen im Gottesdienst der christlichen Melitianer in Ägypten (Dazu Tafeln 11-15), in: AuC 4, 1934, 245-265; - Franz Heinrich Kettler, Der melitianische Streit in Ägypten, in: ZNW 35, 1936, 155-193; - W. Telfer, Meletius of Lycopolis and episcopal succession, in: HThR 48, 1953, 227-237; - Josef Grotz, Die Entwicklung des Bußstufenwesens in der vornicänischen Kirche, Freiburg i. Br. 1955, 409-413; - E. W. Kemp, Bishops and Presbyters at Alexandria, in: JEH 6, 1955, 125-142; - Karl Holl, Die Bedeutung der neuveröffentlichten melitianischen Urkunden für die Kirchengeschichte, in: Ders., Ges. Aufss. z. KG II, Darmstadt 1964, 283-297; - Leslie W. Barnard, Athanasius and the Meletian schism in Egypt, in: JEH 59, 1973; - Paul Keresztes, From the Great Persecution to the Peace of Galerius, in: VigChr 37, 1983; - T. Vivian, Saint Peter of Alexandria: Bishop and Martyr, University of California, Santa Barbara 1985; - Bernhard Kriegbaum, Kirche der Traditoren oder Kirche der Martyrer? Die Vorgeschichte des Donatismus, Innsbruck-Wien 1986; - A. Martin, La reconciliation des Lapsi en Egypte. De Denis à Pierre d'Alexandrie: Une querelle de clercs, in: RSLR 22, 1986, 263-266; - Joseph A. Fischer, Das kleine Konzil zu Cirta im Jahr 305 (?), in: Archivum Historiae Conciliorum 18, 1986, 281-292; - Ders., Die Synode zu Alexandrien im Jahr 306, in: Archivum Historiae Conciliorum 19, 1987, 62-70; - Wolfgang Wischmeyer, Art. Ägypten: Evangelisches Lexikon für Theologie und Gemeinde I, 1992, 26-28; - RE XII, 558-562; - RGG IV 845-846; - LThK VII, 257-258.

Eckhard Reichert

Letzte Änderung: 11.07.1998