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Band III (1992) Spalten 1513-1517 Autor: Hans-Josef Olszewsky

KIRCHER, Athanasius, SJ, Universalgelehrter, * 2.5. 1602 in Geisa (Rhön), † 27.11. 1680 in Rom. - Die Anfänge seiner gelehrten Bildung erhielt K. von seinem Vater Johann K., Doktor der Philosophie und Theologie, der selbst eine umfangreiche Bibliothek besessen hatte. Im Alter von zehn Jahren wurde er auf das von Jesuiten geleitete Gymnasium in Fulda geschickt. Dort bekam er von einem Rabbiner Unterricht in der hebräischen Sprache. Im Jahre 1618 trat er als Novize in Paderborn in den Jesuitenorden ein und begann dort auch den vorgeschriebenen dreijährigen Philosophiekurs. Diesen beendete er in Köln, nachdem das Kolleg in Paderborn wegen der beginnenden Kriegswirren geschlossen werden mußte. Anschließend an diesen ersten Abschnitt seiner Studien kam er 1623 als Lehrer für Griechisch an das Jesuitenkolleg in Koblenz, ein Jahr später als Lehrer der »Humaniora« nach Heiligenstadt/Eichsfeld. Neben seiner Lehrtätigkeit fand er auch noch Zeit für naturwissenschaftliche Studien und Experimente. Dadurch wurde der Kurfürst von Mainz auf ihn aufmerksam und berief ihn an seine Residenz nach Aschaffenburg. In Mainz begann K. das Studium der Theologie und wurde 1628 zum Priester geweiht. Nach einem Probejahr in Speyer kam er als Professor für Ethik, Mathematik und orientalische Sprachen nach Würzburg. Im Jahre 1631 mußte er von dort vor den Schweden fliehen und er begab sich zuerst nach Lyon, dann nach Avignon, wo er auch weiterhin als Lehrer für den Orden wirkte. Einen Ruf an die Unviersität Wien als Professor für Mathematik nahm er nicht an, da er fast gleichzeitig als Professor für Mathematik, Physik und orientalische Sprachen an das Collegium Romanum (Gregoriana) nach Rom berufen wurde, eine Stelle, die er dann auch antrat. In den Jahren 1637 und 1638 begleitete er den späteren Kardinal Friedrich von Hessen-Darmstadt als Beichtvater nach Malta. Um das Jahr 1641 wurde er von seinen Lehrverpflichtungen entbunden und konnte sich in Rom ganz seinen umfangreichen wissenschaftlichen Neigungen widmen. Die von K. verfaßten Werke wurden nur zum Teil veröffentlicht. Zahlreiche Manuskripte befinden sich im Archiv der Gregoriana in Rom. - Trotz seiner weitgespannten Interessen hatte K.s Schaffen einen Mittelpunkt: die Philologie. Seit er in Speyer auf die Hieroglyphenschrift Altägyptens aufmerksam wurde, galt sein vorrangiges Bemühen der Entzifferung dieser Schriftzeichen. Die Tatsache, daß er an dieser Aufgabe scheiterte, hatte mit dem Mißverständnis seiner Zeit zu tun, diese Schrift als eine verschlüsselte Bilderschrift zu verstehen. Immerhin aber war es ihm gelungen, Zusammenhänge zwischen dem Koptischen und der Sprache der Hieroglyphen zu erkennen. Von daher versuchte er auch, die Kultur Ägyptens und die Geheimlehren des Orients intensiv zu erforschen. Sein Werk »Oedipus Aegyptiacus« (1652-1654) faßt diese über zwanzigjährigen Forschungen zusammen. Neben der Kultur Ägyptens interessierte ihn auch die damals noch völlig unbekannte Kultur Chinas. Über dieses Land hat er 1667 ein größeres Werk veröffentlicht, das in wesentlichen Teilen auf Berichten von Ordensbrüdern basierte. Andere Forschungen K.s galten den Naturwissenschaften, hier vor allem dem Wesen des Magnetismus. Bereits seine erste Veröffentlichung, die »Ars magnesia« (1631), behandelte dieses Thema. Auch auf dem Gebiete der Musik leistete K. Bedeutendes. In seinem diesbezüglichen Hauptwerk, der »Musurgia universalis« (1650), veröffentlichte er die von ihm in einem Kloster bei Messina gefundene Pindarmelodie, deren Echtheit allerdings heute umstritten ist. Von seiner Einstellung her war K. grundsätzlich allem Neuen gegenüber aufgeschlossen. So war er einer der ersten Theologen, die die Erkenntnisse des Galilei nicht einfach, wie die Kirche es forderte, verurteilten, sondern einer eigenen Überprüfung unterwarfen. Seine wissenschaftliche »Meinung« hat er dann auf ebenso subtile wie satirische Weise im 1. Teil seines »Itinerarium exstaticum« (1656) dargelegt. Das gesamte Wirken K.s kreiste um ein Problem: die Einheitlichkeit der Schöpfungsordnung in Gott. Der wissenschaftlichen Begründung dieser Vorstellung galt sein ganzes Bemühen. Nur deshalb versuchte er, von vielen Seiten her diese Thematik anzugehen und zu behandeln. Seine Universalität ruhte also eigentlich in dieser genuin religiösen Fragestellung.

Werke: Ars magnesia, 1631; Primitiae gnomoniciae catroptricae, 1635; Prodromus coptus sive Aegyptiacus, 1636; Specula Melitensis encyclica, hoc est syntagma novum instrumentorum physico- mathematicorum, 1637; Magnes sive de arte magnetica, 1641; Lingua Aegyptiaca restituta, 1643; Ars magna lucis et umbrae, 1646; Musurgia universalis, 2 Tle., 1650 (Reprint, 1970); Musurgia ..., Teilübers. ins Dt. von AndreasHirschen, 1662; Obeliscus Pamphylicus, 1650; Oedipus Aegyptiacus, 1652-1654; Itinerarium extaticum I, 1656; Iter extaticum II, 1657; Scrutinium physico-medicum, 1658; Pantometrum Kircherianum ... explicatum a G. Schotto, 1660; Diatribe de prodigiosis crucibus, 1661; Polygraphia nova et universalis, 1663; Mundus subterraneus, 2 Tle., 1665; Historia Eustachio-Mariana, 1665; Arithmologia, 1665; Obelisci Aegyptiaci ... interpretatio hieroglyphica, 1666; China monumentis ... illustrata, 1667 (Reprint, 1966); Magneticum naturae regnum sive disceptatio physiologica, 1667; Organum mathematicum, 1668; Principis Cristiani archetypon politicum, 1669; Latium, 1669; Ars magna sciendi sive combinatorica, 1669; Phonurgia nova sive conjugium mechanico-physicum artis et naturae, 1673; Phonurgia ..., dt. Übers., 1684 (Reprint, 1983); Arca Noe, 1675; Sphinx mystagoga, 1676; Musaeum Collegii Romani Societatis Jesu (Beschreibung des Museum Kircherianum in Rom, das bis 1915 bestanden hat), 1678; Turris Babel sive Archontologia, 1679; Tariffa Kircheriana sive mensa Pathagorica expansa, 1679; Physiologia Kircheriana experimentalis, 1680.

Lit.: M. Meibom, Antiquae musicae Auctores, 1652; - G. de Sepi, Romani Collegii Mus., 1678; - H. A. Langenmantel, Fasciculus epiostolarum adm. R.P. A.K. S.J., viri in mathematicis et variorum idiomatum scientiis celebratissimi, 1684; - P. Bonanni, Mus. Kircherianum ..., 1709; - J. Mattheson, Grundlage einer Ehrenpforte, 1740, 108, 148, 219, 274, 372; - Wurzer, A. K., in: Buchonia IV, 1829, 137 ff.; - J. L. Pfaff, Vita A. K., in: Examina Autumnalia in Lyceo et Gymnasio Fuldensi, 1831; - C. v. Winterfeld, J. Gabrieli und sein Zeitalter, 1834; - A. Behlau, A. K., in: Programm des Kgl. Gymnasiums Heiligenstadt, 1874; - Karl Brischar, Pater A. K. ein Lebensbild, in: Kath. Studien III, 1877, 249-339 (= Diss. Würzburg); - H. Gehrmann, J. G. Walter als Theoretiker, in: VfMw VII, 1891, 468 ff.; - Sommervogel IV, 1893; XI, 1932; - N. Seng, Die Selbstbiographie des Pater A. K., 1901; - E. Katz, Die musik. Stilbegriffe des 17. Jh.s, Diss. Freiburg, 1926; - G. Richter, A. K. und seine Vaterstadt Geisa, in: Fuldaer Gesch.bll. XX, 1927, 49-59; - H. G. Farmer, The Organ of the Ancients from the Eastern Sources, 1931; - O. Kaul, A. K. als Musikgelehrter, in: Ausder Vergangenheit der Univ. Würzburg. Festschr. zum 350jährigen Bestehen der Univ. Würzburg, 1932, 363-370; - K. Sapper, A. K. als Geograph, in: ebd., 355-362; - H. Ludwig, M. Mersenne und seine Musiklehre. in: Btrr. zur Musikforschung IV, 1935; - P. Friedländer, A. K. und Leibniz. Ein Btr. zur Polyhist. im 17. Jh., in: Atti della Pontificia Accademica Romana di Archeologia, Series 3, Bd. 13, 1937, 229-247; - J. Gutmann, A. K. und das Schöpfungs- und Entwicklungsproblem, Diss. Würzburg, 1938; - A. Protz, Btrr. zur Gesch. der mechanischen Musikinstrumente im 16. und 17. Jh., 1940; - F. Tutenberg, Musurgia universalis. Zum 350. Geb. des A. K., in: ZfM CXIII, 1952, 278 ff.; - R. Cenal, Juan Caramuel. Su epistolaria con A. K., in: Revista de Filosofia XII, 1953, 101-147; - J. Ferguson, Bibl. chemica I, 1954, 466-468; - C. Reilly, Father A. K., master of an hundred arts, in: Studies XLIV, 1955, 457-468; - W. Richter, A. K., Diss. Frankfurt/M.; - John E. Fletcher, Fulda und der röm. Phönix (A. K.), in: Fuldaer Gesch.bll. XLIII, 1967, 126-133; - Ders., A brief survey of the unpublished correspondence of A. K., in: Manuskripta XIII, 1969, 150-160; - Ders., Medical men and medicine in the correspondence of A. K., in: Janus LVI, 1969, 259-277; - Ders., A. K. and the distribution of his books, in: The Library, 5th series, XXIII, 1969, 108-117; - Ders., Astronomy in the life and correspondence of A. K., in: Isis LXI, 1970, 52-67; - Ders., Johann Marcus writes to A. K., in. Janus LIX, 1972,95-118; - Ders., Georg Philipp Harsdörffer, Nürnberg und A. K., in: MVGN LIX, 1972, 203-210; - Ders., Drei unbekannte Briefe A. K.san Fürstabt Joachim von Gravenegg (mit Übersetzungen von Eduard Krieg), in: Fuldaer Gesch.bll. LXIII, 1982, 92-104; - H.-U. Scharlau, A. K. als Musikschriftsteller. Ein Btr. zur Musikanschauung des Barock, Diss. Frankfurt/M., 1969; - Ders., A. K. (1601-1680), or some aspects of acoustical developments in the 17th century, in: Fontes artis musicae XXV, 1978, 86-89; - Ders., A. K. Ein Gelehrter der Barockzeit, in: Fuldaer Gesch.bll. LVII, 1981, 125-134; - F. Krafft/A. Meyer-Abich, Große Naturwissenschaftler. Biogr. Lex., 1970, 190 f.; - Gottfried Rehm, A. K. über dasehemalige Goldene Rad, in: Fuldaer Gesch.bll. XLVI, 1970, 225-228; - T. F. Glick, On the influence of K. in Spain, in: Isis LXII, 1971, 379-381; - M. Whitrow, Isis cumulative bibliogr. II, 1971, 21; - George J. Buelow, Symposium on 17th-Century Music Theory: Germany, in: Journal of Music Theory XVI, 1972, 36; - Richard van Dülmen, Ein unbekannter Brief von A. K. (1648 an Cyprian Kinner), in: Studia Leibnitiana IV, 1972, 141-145; - A. E. Covington u. a., The partial acceptance of the Copernican theory by A. 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Akad. der Wiss., 1981, H. 23, 385-405; - Valerio Rivosecchi, Esotismo in Roma barocca: studi sul Padre K.; 1982; - W. Jaeger, Die Ordnungsprinzipien der Farbsysteme des 17. Jh.s (Bramiscus Aguilonius - A. K. - Jsaac Newton), in: Klinische Mbll. für Augenheilkunde CLXXXIV, 1984, 321-325; - Klaus Wittstadt, A. K. (1602-1680), Theologieprofessor und Universalgelehrter im Zeitalter des Barock, in: Würzburger Diözesanbll. XLVI, 1984, 109-122; - Maristella Casciato (Hrsg.), K. e il Museo del Collegio Romano tra Wunderkammer e museo Scientifico, 1986; - Jean-Fran‡ois Marquet, La quete isiaque d'A. K., in: tudes philosophiques, 1987, 227; - John Fletcher, K. und seine Beziehungen zum gelehrten Europa seiner Zeit, 1988; - Thomas Leinkauf, Amor in supremi opifici mente resident. K.s Auseinandersetzungen mit der Schrift »De amore« des Marsilius Ficinus, in ZphF XLIII, 1989, 265ff; - ADB XVI, 1 ff.; - NDB XI, 641-645; - MGG VII, 937-940; - LThK 2VI, 287.

Hans-Josef Olszewsky

Werkeergänzung:

Musurgia universalis. Repr. d. dt. Teilübers. von Andreas Hirsch, Schwäbisch Hall, 1662. Hrsg. von Melanie Wild. Kassel 2006.

Literaturergänzung:

Franz Daxecker, Der Jesuit Athanasius Kircher und sein Organum mathematicum, Gesnerus, Swiss Journal of the History of Medicine and Sciences, 2000, 77-83 ; - - Wilhelm Ritz, Athanasius Kircher (1602-1680) und seine Vaterstadt Geisa/Rhön. Zum 400. Geburtstag des großen Universalgelehrten, Geisa 2002; - Franz Daxecker, Die Zeitberechnung und die Astronomie in Athanasius Kirchers Organum mathematicum, Acta Historica Astronomiae 15, Beiträge zur Astronomiegeschichte 5, 2002, 26-39; - Berthold Jäger, Athanasius Kircher (1602-1680). Jesuit u. Universalgelehrter. Symposion u. Ausstellung in Fulda, in: Kirchliches Buch- und Bibliothekswesen 3. 2002, 151-177; - A.K. The last man who know everything. Ed. by Paul Findlen. New York 2004; - Harald Siebert, D. große kosmol. Kontroverse. Rekonstruktionsversuche anhand d. Itinerarium exstaticum v. A.K. SJ (1602-1680). Stuttgart 2006; - Melanie Wild, Welterkenntnis aus Musik. A.K.s "Musurgia universalis" u.d. Universalwiss. im 17. Jhr. Kassel 2006; - Felicia Englmann, Spärenharmonie und Mikrokosmos. Das politische Denken des Athanaius Kircher (1602-1680). Köln u.a. 2006; - Ars magna musices - A.K. u.d. Universalität d. Musik. Hrsg. von Markus Engelhardt u. Michael Heinemann. Laaber 2007.

Letzte Änderung: 18.09.2007