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Band II (1990)Spalten 1241-1243 Autor: Michael Tillly

IBN ESRA, Abraham ben Meir, oder Abraham Judaeus, Avenezra, Avenare, arabisch Ibraham abu Ishak ibn al-Majid ibn Ezra, abgekürzt RABa', jüdischer Exeget, Philosoph, Astrologe, Astronom, Grammatiker und Dichter, * wahrscheinlich 1089 in Toledo, † am 28.1. 1164. Der Ort seines Ablebens ist nicht bekannt, es wird jedoch angenommen, daß I. kurz vor seinem Tode noch nach Israel zog, wo er dann auch starb. - Das Leben des I. wird in der Geschichtsschreibung traditionell in zwei Abschnitte unterteilt: Vor 1140 und nach 1140, bzw. sein Leben in Spanien und seine Zeit als in ganz Europa umherziehender Gelehrter. Bei dieser Unterteilung muß jedoch berücksichtigt werden, daß I. möglicherweise bereits in der ersten Phase seines Lebens Marokko, Algerien, Tunis und vielleicht auch Ägypten besucht hat. Über diesen ersten Lebensabschnitt ist wenig bekannt. Die Nachrichten aus seinem Leben zu dieser Zeit beschränken sich auf die Tatsachen, daß I. sich nach einer intensiven und umfangreichen Ausbildung einen Namen als Dichter und Gelehrter unter den spanischen Juden machte, und bedeutenden jüdischen Zeitgenossen seiner Umgebung, wie Josef ibn Zaddiq und Jehuda ha-Levi, bekannt war. I. hatte offensichtlich fünf Kinder, von denen jedoch vier in jungen Jahren starben. Sein fünfter Sohn Isaak verließ Spanien kurz vor oder gleichzeitig mit seinem Vater, und ging als Dichter nach Bagdad. Im Jahre 1140 verließ I. Spanien und machte sich auf den Weg nach Rom. Fünf Jahre später finden wir ihn in Lucca, der Hauptstadt der Toscana. Von dort zog I. über Mantua und Verona (1145-46) nach Narbonne in die französische Provence. Der Weg seiner Wanderung läßt sich über Béziers, Rouen und Dreux bis hinauf nach England verfolgen. 1158 kam I. nach London, von dort kehrte er zurück nach Narbonne, wo er schließlich im Jahre 1161 eintraf. Alle wichtigen Werke I.s sind in den mehr als zwei Jahrzehnten seiner Wanderschaft dieser zweiten Lebensphase entstanden. Eine herausragende Stellung innerhalb seines Werkes nehmen die exegetischen Kommentare ein. I. verfaßte Kommentare zum Pentateuch, zu den Geschichtsbüchern Jesaja, den zwölf Propheten, dem Psalter, Hiob und Daniel. Es wird angenommen, daß I. auch zu anderen Büchern des Alten Testamentes exegetische Kommentare verfaßt hat, die jedoch verloren sind. Bei seiner Bibelauslegung schloß sich I. nicht der zu seiner Zeit weit verbreiteten Methode an, die Texte Vers für Vers allegorisierend auszulegen, sondern er versuchte, den literarischen Sinn zu erfassen, indem er großen Wert auf ausführliche etymologische und grammatikalische Erklärungen legte. I.s grammatikalische Lehrwerke gaben den europäischen Gelehrten seiner Zeit erstmalig die Möglichkeit, durch ihre Ausführlichkeit und Verständlichkeit mehr als nur rudimentäre Kenntnisse der hebräischen Sprache zu erlangen. Die Philosophie des I. ist zwar noch vom Neuplatonismus geprägt, jedoch sind bereits aristotelische Züge, abweichend von der Linie Issak ben Salomon Israelis, festzustellen. Weiterhin befaßte sich I. in seinem Schrifttum mit der Astronomie, der Astrologie, sowie mit mathematischen und kalendarischen Arbeiten. Schließlich verfaßte er einige Prosaschriften und zahlreiche weltliche und religiöse Gedichte. Durch sein vielschichtiges und umfangreiches literarisches Werk gilt I. als hervorragende Gestalt in der Geschichte des mittelalterlichen jüdischen Denkens. Ein großer Teil seiner religiösen Dichtungen wurde in die synagogale Liturgie übernommen, seine Bibelkommentare wurden zu Standardwerken, und noch lange nach seiner Zeit galt der überaus bedeutende spanisch-jüdische Sprachwissenschaftler I. als "Vater der hebräischen Sprache". Auch seine astrologischen und astronomischen Werke hatten einen weitreichenden Einfluß. Sie gehören zu den wichtigsten Quellen algebraischer und trigonometrischer Kenntnisse in der Renaissancezeit. In zahlreichen volkstümlichen Legenden wurde I. als äußerst bescheidener Mann beschrieben, der es stets ablehnte, Gefälligkeiten von anderen anzunehmen, der über seine eigene Armut scherzte, und durch seine große Weisheit vielen, die ihn um Rat fragten, eine große Hilfe war.

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Werke: Wolf Benjamin Heidenheim (Hrsg.), Abraham I., Mo'zne leschon ha-Qodesch, Offenbach 1791; Gabriel Hirsch-Lippmann (Hrsg.), Sefer sahut, Fürth 1827; Miqra'ot gedolot, 5 Bde., Wien 1859, Neudr. Jerusalem 1958/59; Michael Friedlaender (Hrsg.), Heteq perusch ha-Ra'aba al ha-Torah, in: Ders., Essays on the Writings of I., London 1877; Jacob Egers (Hrsg.), Diwan des Abraham I. mit seiner Allegorie "Hei ben mezik", Berlin 1886; Jehuda Leb Fleischer (Hrsg.), Sefer I., le-Sefer schemot, Wien 1926, Neudr. Tel Aviv 1970; José Maria Millás Vallicrosa (Hrsg.), El libro de los fundamentos de las Tablas astronómicas de R. Abraham I., Madrid/Barcelona 1947; Hajjim Schirmann (Hrsg.), Abraham I., ha-Schirah ha-Ivrijt bi-Sfarad ubap Provence, Jerusalem 11954 = 21961, 569-623; Kitbe R. Abraham I., 5 Bde., Jerusalem 1970-72.

Bibliographie: in: EJud VII, 350 f.

Lit.: S. D. Luzzatto, in: Kerem Hemed 4 (1839), 132 ff.; - Abraham Geiger, Jüd. Dichtungen der span. und ital. Schule, Leipzig 1856; - Wilhelm Bacher, I.s Einleitung zu seinem Pentateuchkommentar, Wien 1876; - Ders., I. als Grammatiker, Straßburg 1882; - Ders., in: Ozar tov 18 (1891), 1-51, 19 (1892), 55-108; - Michael Friedlaender, Essays on the Writings of I., London 1877; - D. Kaufmann, in: MGWJ 33 (1884), 327-332; - D. Rosin, Reime und Gedichte des I., Breslau 1885-1894; - Ders., Die Religionsphilosophie des Abraham I., in: MGWJ 42 (1898), 43 (1899); - L. Orschansky, Abraham I. als Philosoph, Breslau 1900; - R. Levy, The Astrological Works of I., London 1927; - Ders., F. Cantera, The Beginning of Wisdom, An Astrological Treatise by Abraham I., London 1939; - D. Herzog, Bemerkungen zu I., dem "Historiker", in: MGWJ 81 (1937), 422-438; - José Maria Millás, The Works of Abraham I. in Astronomy, in: Tarbiz 9 (1938), 306-322; - Ders., Sobre la autenticidad de una obra astronómicas de R. Abraham I., in: Sefared 8 (1948), 136-139; - G. Vadja, Introduction à la pensée juive du moyen âge, Paris 1947, 109 ff.; - N. Ben Menahem, in: Sinai 10 (1942), 267-287, 11 (1942), 370, 20 (1947), 237-240, 24 (1949), 68-71, 230-235, 29 (1951), 271-317, 41 (1957), 19-36; - Ders., in: Arashet (1944), 361-371; - Ders., Mi-Ginzei Yisrael be-Italyah, 1954 f.; - Ders., in: Sefer ha-Bescht (1960), 107-111; - Ders., in: Fourth World Congress of Jewish Studies Papers 2 (1968), 51 ff.; - Leo Prijs Dse grammatikalische Terminologie des Abraham I., Basel 1950; - P. R. Weiss, in Meliah 1 (1944), 35-53, 2 (1946), 121-124, 3/4 (1950), 188-203; - A. M. Habermann, in: Jewish Book Annual 24 (1966/67), 61-64; - Ders., in: Sefer Hayyim Schirmann (1970), 79-91; - Ascher Weiser, RABa' ke-Farsin, in: Sinai 62 (1967/68), 113-126; - H. R. Rabinowitz in Shanah be Shanah 9 (1968), 207-217; - Israel Levin, Abraham I., ha-Jjav we-Schirato, Tel Aviv 1969; - Hermann Greive, Glaube und Einsicht, Je-huda ha-Levi und Abraham I., in: Emunah 7 (1972), 184 189; - Ders., Studien zum jüd. Neuplatonismus, Die Religionsphilosophie des Abraham I., Berlin 1973 (Lit.); - Ders., Jehuda ha-Levi und die philos. Position des Abraham I., in: Judaica 29,4 (1973), 141-148; - Etan Levine, Codex Vaticanus hebraicus 38: I.s Pentateuchal Commentary, in: Manuscripta 19,2 (1975), 116-119; - Winter-Wünsche II, 185-190, 289-306; - EC VI, 1534 f.; - EDR II, 1756; - ERE VII, 67 f.; - JewEnc VI, 520-524; - LThK I, 61; - RGG3 III, 552; - TRE I, 389-392; -UJE V, 523-525.

Michael Tilly

Literaturergänzung:

2008

Carlos del Valle Rodriguez, La exégesis de A.I.E. y los cinco métodos exegéticos históricos, in: EstB 66.2008, S. 313-336; -

2010

Tamas Visi, The first instant of creation. Jedaiah ha-Penini, Durandus of Saint Pourcain and the Ibn Ezra supercommentary "Avvat Nefesh", in: RThPhM 77.2010, S. 83-124; - Jonathan Jacobs, Does Rashbam's commentary on the Torah acknowledge the commentaries of Rabbi Abraham Ibn Ezra?, in: JJS 61.2010, S. 291-304.

Letzte Änderung: 09.04.2011