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Band I (1990)Spalten 638-640 Autor: Friedrich Wilhelm Bautz

BOCK, Emil, Mitbegründer und seit 1938 »Erzoberlenker« der Christengemeinschaft, * 19.5. 1895 in Wuppertal, † 6.12. 1959 in Stuttgart. - Lic. theol. B., der einige Jahre im Kirchendienst gestanden hat, berichtet von den Anfängen der Christengemeinschaft: »Im Juni 1921 traf sich der Kreis von damals 18 jungen Menschen zum erstenmal: Studenten und Studentinnen, Jugendbewegte und solche, die allein ihre Wege gesucht hatten. Unser aller brennendes Verlangen zielte auf eine religiöse Wirksamkeit. Und die Krisis des Zeitalters hatte in uns die Überzeugung vertieft, daß der wesentlichste Beitrag zur menschlichen Erneuerung auf dem innersten, dem religiösen Felde zu leisten wäre. Aber in den Kirchen zu wirken schien uns unmöglich; die zünftige Theologie verschlug uns den Atem. Ein Teil von uns war bereits in die Naturwissenschaft oder in eine künstlerische Betätigung ausgewichen. Nun waren wir, als einzelne oder in kleinen Gruppen, unabhängig voneinander auf die überragende geistige Größe Rudolf Steiners aufmerksam geworden. Unsere staunende Bewunderung und Spannung war insbesondere dadurch erregt worden, daß durch die Geistesforschung, die den Bann des Materialismus real durchbrach, die unerwarteten Lichter auf die Mysterien des Christentums fielen. Wege zu einer erstaunlichen neuen Evangelien- und Christuserkenntnis waren erschlossen. Die Hoffnung, bei Rudolf Steiner Rat und Hilfe für eine freie, in das abwärtsrollende Rad der Zeit eingreifende religiöse Wirksamkeit zu finden, führte uns zusammen. Wir schlossen uns trotz der krassesten Verschiedenheiten, die unseren Kreis bestimmten, zu einer Schar von unerschütterlich Entschlossenen zusammen.« Dieser kleine Kreis holte »aus den Tübinger Kollegs, den Münchener Kontorstuben und von den Erntefeldern Mecklenburgs« Gesinnungsgenossen zusammen. Dem ersten Zusammensein mit Rudolf Steiner in Stuttgart folgte im September 1921 ein zweites Treffen mit ihm in Dornach bei Basel, dem Sitz der Anthroposophischen Gesellschaft. Über 100, meist junge Menschen, Theologen und Nichttheologen, sammelten sich dort in dem kleinen Dachsaal des »Goetheanums« um Steiner, der in 29 Vorträgen die versprochene weitere »Beratung und Unterweisung« für ihren künftigen priesterlichen Dienst gab. »In unserer Mitte wurde der christliche Kultus und Sakramentalismus geboren in der Gestalt, die unserer Gegenwart als dem Zeitalter der Bewußtseinsseele entspricht. Rudolf Steiner war in stiller Demut und Frömmigkeit und zugleich in höchster Geistesvollmacht in unserer Mitte. Die Zeit war reich, und unsere Herzen waren offen; und so konnte er für uns vom Himmel herunterholen, was die mit Christus verbundenen und Ihm dienenden geistigen Mächte der zukünftigen Menschheit als Gabe des Segens zugedacht hatten. Als Träger eines neuen Priesterauftrags sollten wir in die Welt hinausziehen.« Unter denen, die der Einladung nach Dornach gefolgt waren, gab es viele, »die zwar nach religiöser Erneuerung Ausschau hielten«, berichtet B., »die aber doch den hier sich offenbarenden Zielsetzungen, die radikal aus dem gegenwärtig sich offenbarenden Geistigen und nicht aus der Tradition geschöpft waren, teils nicht die genügende Aufgeschlossenheit, teils nicht den genügenden Mut und Willen entgegenbringen konnten. Von den über 100 Teilnehmern blieb nur ein Drittel übrig.« Da man bei eingehender Erörterung der Frage, ob ein Neuanfang im Sinn der neuen Geistigkeit innerhalb der Kirchen möglich wäre, die Überzeugung gewonnen hatte: »Es geht nicht, wenn nicht das Neue vom Alten erdrückt werden soll«, zog ein Teil jenes Kreises im Frühjahr 1922 »hinaus in die Städte im Osten und Westen, im Norden und Süden, um in der Stille die ersten vorbereitenden Schritte zur Gründung freier Gemeinden zu tun.« Nach einem Jahr des Weiterwirkens der von Steiner gegebenen Anregungen und der Vorbereitung trafen sich in Breitbrunn am Ammersee (Oberbayern) im September 1922 »vier mal zwölf Menschen«, um die »Christengemeinschaft« zu begründen. »In einem früheren Kuhstall waren wir Tag für Tag zusammen. Wir waren ganz von dem Bewußtsein durchdrungen, vor einem allerbedeutungsvollsten Schritt nicht nur in unserem persönlichen Schicksal, sondern in der Entwicklungsgeschichte des Christentums zu stehen.« »In einem ganz neuen Sinne zu einer Gemeinschaft geworden«, fährt B. fort, »zogen wir von Breitbrunn nach Dornach, wo das größte Ereignis unseres Lebens auf uns wartete. Unter dem hingebungsvollen Rat und helfenden Dabeisein Rudolf Steiners konnten wir den für unsere Zeit neu geoffenbarten Sakramentalismus auf Erden begründen.« Am 16.9. 1922 wurde dort im »Goetheanum« die erste, durch Friedrich Rittelmeyer vollzogene »Menschenweihehandlung« gefeiert. Dieser Tag gilt als der Gründungstag der Christengemeinschaft. »Wir waren weniger als ein halbes Hundert«, berichtet B., »als wir zur Erfüllung unseres Priesterauftrags in die Welt hinauszogen.« In 25 Städten begannen sie gleichzeitig ihre Wirksamkeit als Priester der Christengemeinschaft. Sie warben vor allem unter denen, die mit den anthroposophischen Lehren Steiners vertraut waren; sie suchten aber auch die zu gewinnen, die mit dem überlieferten Kirchentum zerfallen waren und nach neuer, besonders mystischer Ausprägung des religiösen Lebens verlangten. Durch eifrige Propaganda in Wort und Schrift und durch große Tagungen in den wichtigsten Städten wurde die Christengemeinschaft weithin bekannt. So erreichte sie vor allem die Gebildeten, die der Kirche entfremdet, aber religiös Suchende waren. Hin und her entstanden Gemeinden nicht nur in Deutschland, sondern auch im europäischen Ausland. An der Entstehung und Gründung der Christengemeinschaft war neben Steiner maßgebend beteiligt der Berliner Pfarrer Lic. theol. Friedrich Rittelmeyer, der von 1903 bis 1916 als Pfarrer an der Heilig-Geist-Kirche in Nürnberg gewirkt hatte. Er gab 1922 sein Pfarramt auf und wurde als »Erzoberlenker« der Leiter der Christengemeinschaft mit dem Wohnsitz in Stuttgart. Als Schriftsteller und als Schriftleiter der Monatsschrift »Die Christengemeinschaft« und durch rege Vortrags- und Werbetätigkeit wirkte Rittelmeyer für die Erneuerung des religiösen Lebens im Sinn der Christengemeinschaft. Als er am 23.3. 1938 starb, wurde B. sein Nachfolger. Im Juni 1941 wurde die Christengemeinschaft durch die nationalsozialistische Regierung verboten. »Es geschah alles Erdenkliche, um den Zusammenhalt nicht nur in der Priesterschaft, sondern auch unter den Gemeinden lebendig zu erhalten.« Im Frühjahr 1945 nahmen die Priester der Christengemeinschaft ihre öffentliche Wirksamkeit und Werbetätigkeit wieder auf. Im Lauf der Jahre wurden zahlreiche neue Gemeinden gegründet. Auch in der Schweiz, in England, Frankreich, den Niederlanden, Österreich, der Tschechoslowakei, in Schweden und Norwegen entstanden Gemeinden. Obwohl die Christengemeinschaft weiteste Verbreitung gefunden hat, zählt sie doch nur etwa 20 000 Mitglieder. In der Bundesrepublik Deutschland gibt es über 70, in der Deutschen Demokratischen Republik etwa 30 Gemeinden mit 150 Priestern und ihnen gleichberechtigten Priesterinnen. Nach dem Tod B.s ging die Leitung der Christengemeinschaft über an den evangelischen Theologen Dr. Rudolf Frieling (* 1901).

Werke: Boten des Geistes. Schwäb. Geistesgesch. u. christl. Zukunft, 1929 (19553); Wiederholte Erdenleben. Die Wiederverkörperungsidee in der dt. Geistesgesch., 1932 (erw. 19675: 12-15. Tsd.); Btrr. z. Geistesgesch. der Menschheit. I: Das AT u. die Geistesgesch. der Menschheit. 1. Urgesch., 1935 (19585); 2. Moses u. sein Zeitalter, 1935 (1952: 8-11. Tsd.); 3. Könige u. Propheten, 1936 (1965: 11-12. Tsd.); II: Urchristentum. 1. Cäsaren u. Apostel, 1937 (1958: 10-13. Tsd.); 2. Kindheit u. Jugend Jesu, 1939 (1949: 10-13. Tsd.); 3. Die drei Jahre, 1948 (19578); 4. Paulus, 1954; Kath., Prot., Christengemeinschaft. Alte u. neue Geistigkeit (Vortr.), 1940; Im michael. Zeitalter, 1948; Reisetagebücher. lt., Griechenland, Palästina, 1949 (19602); Apokalypse. Betrachtungen über die Offb. des Joh., 1951 (1964: 10-11. Tsd.); Die neue Ref. 4 Vortrr., 1953 (1963: 7-9. Tsd.); Das Zeitalter der roman. Kunst. Mit bes. Berückt. der württ. Denkmäler, 1958; Roman. Baukunst u. Plastik in Württ. Ein Kapitel Kulturgesch. in Bildern, 1958 (19602); Zeitgenossen, Weggenossen, Wegbereiter, 1959; Was will die Christengemeinschaft? 2 öff. Vortrr., hrsg. v. Gottfried Husemann u. Kurt v. Wistinghausen, 1961 (1964: 7-9. Tsd.); Rudolf Steiner. Stud. zu seinem Lebensgang u. Lebenswerk. Vortrr. vor Mitgliedern der Anthroposoph. Ges., hrsg. v. Gundhild Kacer-Bock u. Erich Gabert, 1961; E. B. u. Robert Goebel: Die Katakomben. Bilder aus der Welt des frühen Christentums, erw. 19612; Erinnerungen, in: Die Christengemeinschsft 32, 1960, 13 ff. 44 ff. 83 ff. 112 ff. 157 ff. 172 ff. 204 ff. 236 ff. 276 ff. 303 ff. 335 ff. 361 ff.; 33, 1961, 13 ff. 51 ff. 82 ff. 118 ff. 147 ff. 179 ff. 206 ff. 238 ff.; Der Kreis der Jahresfeste. Eine Smlg. v. Aufss., 1962; Briefe, hrsg. v. Gundhild Kater-Bock (Bibliogr.: 424 f.), 1968.

Bibliographie: Die Christengemeinschaft 32, 1960, 160.

Lit.: Kurt v. Wistinghausen, Erden-Abschied v. E. B., in: Die Christengemeinschsft 32, 1960, 37 f.; - Wilhelm Kalber, Konturen eines Wesensbildes, ebd. 49 ff.; - Eberhard Kurras, Zum Werden u. Wesen E. B.s, ebd. 138 ff.; - Friedrich Doldinger, E. B. im Leben u. Wirken. Die weißen Spindeln, ebd. 144 ff.; - Alfred Schütze, Der Denker, der Seelsorger, der Kämpfer, ebd. 136 f.; - Ders., E. B. als Stilist, ebd. 148 ff.; - Ders., E. B., in: Die Drei. Mschr. f. Anthroposophie, Dreigliederung u. Goetheanismus 30, 1960, 46 ff.; - Gerhard Wehr, E. B.: Im Dienste einer modernen Christosophie, in: Das edle Leben. Zschr. f. prakt. Philos. u. Lebensmeisterung 9, 1960, 15 ff.; - DLL I, 625.

Letzte Änderung: 26.04.2001