ANASTASIUS Bibliothecarius, Kirchenschriftsteller des 9. Jahrhunderts, kurze Zeit Gegenpapst, † 878 oder 879. - A. wuchs in Rom auf. Er wurde durch Leo IV. 847/48 zum Kardinalpriester von St. Marcellus kreiert, 850 wegen Pflichtvernachlässigung und Ungehorsam exkommuniziert und 853 anathematisiert. Als Leo IV. am 17.7. 855 starb, trat A. als Gegenkandidat gegen Benedikt III. auf. Von der kaiserlichen Partei unterstützt, drang er am 21.9. in den Lateran ein, wo sich Benedikt III. aufhielt, und ließ ihn vom päpstlichen Stuhl herabreißen, seiner Pontifikalgewänder berauben, mißhandeln und gefangensetzen. A. konnte sich nicht behaupten, weil die kaiserlichen Gesandten, von dem römischen Klerus und dem erregten Volk dazu gedrängt, ihren Kandidaten preisgaben, so daß Benedikt III. befreit und am 29.9. 855 in St. Peter geweiht wurde. A. war später Abt von St. Maria in Rom. Hadrian II. ernannte ihn 867 zum Bibliothekar der römischen Kirche, und Ludwig II. sandte ihn 869 nach Konstantinopel, um die Vermählung der einzigen Tochter des Kaisers mit dem ältesten Sohn des Kaisers Basilius I. zu vermitteln. A. wohnte 870 der letzten Sitzung der 8. ökumenischen Synode bei. - Die Hauptquelle seiner für die universalkirchengeschichtlichen Studien des Abendlandes bedeutenden »Chronographia tripartita«, die A. zwischen 873 und 875 in lateinischer Sprache geschrieben hat, ist die 60 Jahre früher abgeschlossene Chronographie des Theophanes Konfessor. A. benutzte ferner die bis 828 reichende Chronographie des Patriarchen Nikephorus und die um 806 geschriebene Chronik des Gregorius, des Geheimsekretärs des Patriarchen Tarasius.
Werke: Chronographia tripertite, hrsg. v. Fabroti, Paris 1649, nachgedr. in Venedig 1729; - übers. ins Lat. die Akten der 7. u. 8. ökumen. Synode, viele griech. Hll.akten, Legenden u. Schrr. - MPL 129, 9-744.
Lit.: Josef Hergenröther, Photius, Patriarch v. Konstantinopel, II, 1867, 230 ff.; - A. Lapôtre, De Anastasio bibliothecario sedis apostolicae, Paris 1884; - Karl Krumbacher, Gesch. der byzantin. Lit., 18972, 344 f. u. ö.; - J. Langen, Gesch. der röm. Kirche bis Leo I., III, 1892, 147 ff. 272 ff.; - Ernst Perels, Papst Nikolaus I. u. A. B., 1920; - F. Dvornik, Les Slaves, Byzance et Rome, Paris 1926, 198 ff. 206; - G. Laehr, in: NA 47, 1928, 416 ff.; - Johannes Haller, Nikolaus I. u. Pseudo-Isidor, 1936; - N. Ertl, in: AUF 14, 1937, 83 ff.; - Jeffé I, 341; - Hefele IV, 374 ff.; - Manitius I, 678 ff.; - Haller II, 66 ff. 88 ff.; - Catholicisme I, 512 ff.; - LThK I, 493 f.; - RE I, 489 f. 492 f.; - RGG I, 355 f.
