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Band XX (2002)Spalten 6-12 Autor: Paul Martone

ADAM, Nestor. Nestor Adam wurde am 7. Februar 1903 in Etroubles im Aostatal am Aufstieg zum Großen St. Bernhardspass als zweites von sechs Kindern des Gemeindeschreibers Augustin-Séverin und der Joséphine Marcoz geboren. Nach dem Besuch der obligatorischen Schulen in seinem Heimatort, der Matura (Abitur) am Kollegium Saint-Anselme in Aosta (1912 - 1916) und des Lyzeums Prince-de-Naples in Aosta (1916 - 1919) schrieb sich Nestor im Herbst 1919 in Turin in der juristischen Fakultät ein. Dieser Aufenthalt in Turin dauerte jedoch nur ein Jahr, denn am 23. Oktober 1920 suchte Nestor Adam um Aufnahme in die Kongregation der Augustinerchorherren vom Großen St. Bernhard nach. Er mußte es aus gesundheitlichen Gründen aber wieder verlassen und setzte in Turin sein Rechtsstudium fort. Am 22. Juli 1922 trat er jedoch wieder ins Noviziat des Klosters auf dem 2400m hoch gelegenen St. Bernhard ein und legte am 10. April 1923 seine einfachen Gelübde ab. Am 10. April 1926 beendete er das Noviziat mit den feierlichen Gelübden. Er begann sein Theologiestudium im Orden und führte dieses 1926/27 in Innsbruck weiter. Am 28. August 1927 wurde er durch den Bischof von Sitten, Viktor Bieler in der bischöflichen Hauskapelle in Sitten zum Priester geweiht und primizierte am 7. September in seinem Heimatort Etroubles. 1927/28 wirkte er als Professor der Philosophie und der Theologie für seine Ordensmitbrüder in Martinach (VS). Von 1928 bis 1934 war er Novizenmeister seines Ordens auf dem Großen St. Bernhard. 1932 wurde Nestor Adam Bürger von Mex und somit Schweizer Bürger. Aus gesundheitlichen Gründen mußte er vom Dienst als Novizenmeister demissionieren. 1934 wurde er Rektor in der kleinen Pfarrei Ravoire, wo sich seine Gesundheit bald besserte. Am 18. April 1939 wählten die Augustinerchorherren vom Großen St. Bernhard Nestor Adam zum Propst (Abt) ihrer Kongregation. Papst Pius XII. bestätigte die Wahl am 10. Mai 1939 und am 11. Juni erhielt er von Bischof Viktor Bieler die Abtsbenediktion. Seit Beginn seiner Zeit als Abt war es das große Anliegen von Nestor Adam die klösterliche Armut zu leben und das gemeinsame Chorgebet zu pflegen. Auf materiellem Gebiet kamen schwierige Probleme auf ihn zu. So transferierte er das Seminar des Ordens vom Großen St. Bernhard hinunter nach Ecône, schuf das Priorat Montflauri und mit ihm verbunden die Direktion an der Landwirtschaftlichen Schule in Aosta und schließlich 1951 die Gründung des Kollegiums Champittet bei Lausanne. - Am 19. März 1952 starb der Bischof von Sitten, Dr. Viktor Bieler. Papst Pius XII. ernannte daher am 8. August desselben Jahres Nestor Adam zum neuen Bischof von Sitten. Am 12. Oktober 1952 wurde er durch den Apostolischen Nuntius in der Schweiz, Msgr. Filippo Bernardini zum Bischof geweiht. Sein Wappenspruch lautete "Ubi caritas, ibi Deus" - Wo Liebe ist, da ist Gott. Nach seiner Weihe erklärte der neue Bischof: "Mein Regierungsprogramm ist das Evangelium!" Seine Amtszeit fiel in eine äußerst heikle und schwierige Zeit -eine geistige Revolution auf allen Lebensgebieten. Das Episkopat von Bischof Nestor Adam ist von zwei Ereignissen geprägt: Das Zweite Vatikanische Konzil (1962 - 1965) und die Diözesane Synode (1972 - 1976). - Der Bischof von Sitten wurde berufen, in der Vorbereitungskommission des Konzils für die Studien und Seminare mitzuarbeiten. Diese Kommission traf sich vom 1960 bis 1962 zu 40 Vollversammlungen. Während des Konzils selber nahm er an allen Vollversammlungen teil. Bereits während dem Konzil schrieb Bischof Adam mehrere Hirtenbriefe an seine Diözesanen, in denen er sie an die Pflicht erinnerte, sich persönlich und entschlossen für die Anliegen des Konzils einzusetzen. Gleichzeitig trat er auch Befürchtungen entgegen, die im Konzil einen Verrat am althergebrachten Glaubensgut sahen. So schrieb er im Frühjahr 1962: "Gebt euch da keinen Illusionen hin! Das Konzil wird das Evangelium nicht ändern. Es wird weder die Lehre noch die Moral um einen Buchstaben abschwächen." Er empfahl den Gläubigen, das Konzil im Lichte des Evangeliums zu sehen. Es müsse "nach den Bedürfnissen der gegenwärtigen Zeit ein Reformwerk der Sitten und der Einrichtungen der Kirche werden". Auch "keine Spur von Bannsprüchen... Die Menschen von heute müssen auf positive Art und Weise aufgeklärt und ermutigt werden. Eine gestrenge und drohende Sprache könnte sie abstoßen und für immer von Gott und der Kirche entfernen", so der Bischof in einem weiteren Hirtenbrief. Während seines Episkopates hat Bischof Nestor Adam 50 Hirtenbriefe veröffentlicht, ohne jene zu zählen, die er an bestimmte Stände richtete. Alle bischöflichen Schreiben waren immer sehr aktuell; - sie waren Aufrufe zum Glauben, Beten und Dienen nach den drei Grundfunktionen der Kirche: Glaubensverkündigung, Liturgie und Diakonie. Oft waren sie aber auch Antworten auf bestehende Probleme oder drohende Gefahren. Die Briefe sind Meilensteine im Wirken dieses Oberhirten, der die geistlichen Bedürfnisse seiner Gemeinschaft nie aus den Augen verliert. - Eine Frucht des Konzils waren auch die Gründung eines Priesterrates im Jahre 1967, eines Seelsorgerates im Bistum (1976) und von Pfarreiräten (1971). Im Jahre 1970 wählte die Schweizer Bischofskonferenz Nestor Adam zu ihrem Präsidenten. Ein Dienst, den er bis 1977 innehatte. In diesem Amt vertrat er die Bischofskonferenz 1971 in Rom bei der Bischofssynode über das Priestertum und die Gerechtigkeit in der Welt. Als Präsident der Bischofskonferenz unterzeichnete er am 5. Juli 1973 die gegenseitige Anerkennung der Taufe mit dem Präsidenten des Evangelischen Kirchenbundes und dem Bischofsvikar der christkatholischen Kirche. Nestor Adams Hauptaufgabe war es, nach dem Abschluß des 2. Vatikanischen Konzils praktische Schlußfolgerungen für das Alltagsleben in den Bistümern zu ziehen. Zudem zeigten sich im Innern der Kirche als Folge der konziliaren Reformen gegensätzliche Strömungen, die die Einheit der Kirche gefährdeten. Die zahlreichen neuen und dringenden Aufgaben machten eine umfassende Reorganisation der Bischofskonferenz und ihrer Arbeitsweise erforderlich. Um die Beschlüsse des II. Vaticanums umzusetzen, beriefen die Schweizer Bischöfe für jede ihrer Diözesen eine Synode ein. Diese "Synode 72" wurde für die Kirche in der Schweiz zu einem sehr wichtigen Moment. Ein gemeinsames Vorgehen der Bischöfe drängte sich dabei auf. Deshalb berief Bischof Adam Sondersitzungen ein, an denen die Bischöfe und die Verantwortlichen der Diözesansynoden Seite an Seite teilnahmen. Im Bistum Sitten fand die konstituierende Sitzung der Synode 72 am 23. September 1972 statt. In 12 Kommissionen erörterten Männer und Frauen, Priester und Laien die religiöse Situation der Bistums und die Konsequenzen, die daraus zu ziehen sind. Die Synode sah sich als Kirche, die sich befragt und die die Menschen befragt. Am 30. November 1975 wurde die Diözesansynode offiziell geschlossen. Durch sie und die pastorale Klugheit des Bischofs, der durch die Prinzipien des 2. Vatikanischen Konzils inspiriert war, begab sich die Diözese von Sitten energisch auf den Weg der Öffnung zur modernen Welt. Der Bischof wurde dabei nicht müde, die Universalität der Kirche und die wichtige Rolle der Laien in der Kirche zu betonen. Um eine bessere Seelsorge zu gewährleisten, gründete Bischof Adam während seines Episkopates elf neue Pfarreien und weihte 59 Kirchen ein. Er visitierte fünfmal sämtliche Pfarreien seines Sprengels. Der Bischof legte auch ein großes Gewicht auf die Ausbildung seiner Priester. Ein wichtiger Entscheid in dieser Sache fiel bezüglich des diözesanen Priesterseminars. Der Mangel an Seminaristen machte sich auch im Bistum Sitten bemerkbar. Im Seminar wohnten mehr Professoren denn Seminaristen. Daher beschloß der Bischof 1970 sein Seminar nach Freiburg i.Ue. zu transferieren, damit die Kandidaten an der dortigen katholischen Universität das Theologiestudium absolvieren könnten. - Während seiner Amtszeit weihte Bischof Nestor Adam zwei Bischöfe, zwei Äbte, einen Propst und 126 Weltpriester. In den siebziger Jahren überschattete vor allem eine bedauerliche Angelegenheiten das Leben des Bischofs von Sitten, nämlich jene um Erzbischof Marcel Lefèbvre (1905 - 1991) und sein integristisches Priesterseminar in Ecône, einer kleinen Ortschaft in der Nähe von Sitten. Erzbischof Lefèbvre, als Generaloberer der Kongregation vom Heiligen Geist (Spiritaner - CSSp) selbst Konzilsmitglied, lehnte grundsätzlich ab: die erneuerte Liturgie, die Religionsfreiheit, die Ökumene als Dialog mit den Konfessionen und Religionen. Insgesamt warf er der römisch-katholischen Kirche vor, mit den Lehren des Zweiten Vatikanischen Konzils die Tradition der Kirche zerstört zu haben, und verweigerte den Gehorsam gegen den Papst. Erzbischof Lefèbvre und seine Anhänger sehen sich als wahre Bewahrer der Tradition der "Heiligen römischen Kirche". Im Anschluß an das Konzil beschloß die Generalversammlung seiner Kongregation weitreichende Reformen im Sinn des Konzils, Reformen, die Lefèbvre nicht gewillt war, mitzutragen. Daher trat er 1968 als Generaloberer zurück und gründete ein Jahr später in Fribourg (Schweiz) die Priesterbruderschaft Pius X. 1970 errichtete er das Priesterseminar St. Pius X. in Ecône. Bischof Adam von Sitten, in dessen Diözese sich Ecône befindet, hat Mgr. Lefèbvre nie die Erlaubnis erteilt, dort ein Seminar zu gründen. Er hatte nur bewilligt, in Ecône ein Noviziat zu eröffnen, wo die zukünftigen Priester der Bruderschaft ins geistliche Leben eingeführt werden könnten, ihre Studien jedoch an der Universität von Fribourg absolvieren sollten. Erzbischof Lefèbvre dachte jedoch nicht mehr daran, mit seinen Seminaristen nach Fribourg zu ziehen, und begann sofort die Gebäulichkeiten in Ecône zu erweitern und neue zu errichten, so daß sie heute mehr als hundert Seminaristen fassen können. Er hatte dafür keine Bewilligung von Bischof Adam, der nie ein Gründungsdokument unterzeichnet hatte, das Msgr. Lefèbvre hätte vorweisen können. Die Schweizer Bischofskonferenz, deren Präsident Bischof Nestor Adam war, mußte sich 1971 erstmals mit dem Seminar auseinandersetzen. 1975 entzog der Bischof von Lausanne, Genf und Fribourg, Msgr. Pierre Mamie der Priesterbruderschaft die kirchenrechtliche Bewilligung und auch die Schweizer Bischofskonferenz beschloß, eine Erklärung herauszugeben, in der sie die Verantwortlichen von Ecône verurteilten, weil sie sich auf Päpste von gestern berufen, um sich dem Gehorsam gegenüber dem gegenwärtigen Papst zu entziehen. Alle Mahnungen fruchteten jedoch nichts, Lefèbvre fuhr fort in Ecône Seminaristen aufzunehmen und Priester zu weihen. Er selber sprach von diesem Ungehorsam als seine Pflicht. Im Juli 1976 belegte ihn Rom mit der Suspendierung "a divinis". Wer nur die amtlichen Texte in dieser Affäre liest, kann sich kaum vorstellen, wie sehr der Bischof von Sitten darunter gelitten hat, daß sich einer seiner Brüder, Bischof wie er, auf den Weg des Ungehorsams verirrte. Bischof Adam hat den Erzbischof Lefèbvre mehrmals getroffen und versucht, ihn zur Einsicht zu bringen. Zwischen der widerrechtlichen Gründung des Seminars und der endgültigen Verurteilung durch Rom verstrichen mehrere Jahre - Jahre der Annäherung, des geduldigen Wartens, des Zuredens und der Hoffnung. Aber alle Versuche scheiterten am unbeugsamen Willen des Mannes, der sich für den alleinigen Verwalter der Wahrheit hielt. Am 30. Juni 1988 hat Erzbischof Lefèbvre in Gegenwart von Bischof Antonio de Castro Mayer die Patres Bernard Tissier de Mallerais (F), Richard Williamson (GB), Alfonso de Galarreta (RA) und Bernard Fellay (CH) zu Bischöfen konsekriert. Papst Johannes Paul II. erklärte daraufhin mit seinem Motu proprio "Ecclesia Dei afflicta" vom 2. Juli 1988, diese Bischofskonsekrationen seien ein "schismatischer Akt" und daher seien Erzbischof Lefèbvre und die vier von ihm konsekrierten Bischöfe "der Strafe der Exkommunikation latae sententiae" verfallen. Erzbischof Lefèbvre starb unversöhnt mit Rom am 25. März 1991 in Martigny. Das Priesterseminar in Ecône und die Priesterbruderschaft Pius X. existieren auch heute noch. Am 26. Juli 1977 demissionierte Nestor Adam von seinem Amt als Bischof von Sitten. Nachdem er am 15. August 1977 den Hirtenstab an seinen Nachfolger Heinrich Schwery übergeben hatte, übernahm er die kleine Pfarrei Bourg-St-Pierre am Fusse des Großen St. Bernhard, wo er bis 1984 als Prior wirkte. Dann zog er sich ins Altersheim für Priester in Sitten zurück, wo er am 8. Februar 1990 verstarb. Am 12. Februar wurde er in der Bischofsgruft der Kathedrale von Sitten zur letzten Ruhe geleitet.

Lit.: Helvetia Sacra, I/5, Basel, 2001; — E+M, Mgr. Adam, 25 ans évêque de Sion, in: Evangile et mission 1990, Nr. 7, 103ff.; — Escher Benjamin, Seine Exzellenz, Msgr. Dr. Nestor Adam, Bischof von Sitten, in: Walliser Jahrbuch 1953, 15-19; — LThK, Bd. 1, Sp. 141, Freiburg 1993; — Martone Paul, Geschichte des Priesterseminars des Bistums Sitten (1545-1988), Brig-Glis 1990; — Truffer Bernard, Portraits des évêques de Sion, Sitten 1977; — Tscherrig Emil, u.a., Zum 10. Jahrestag der Bischofsweihe von Monseigneur Nestor Adam, Bischof von Sitten, Sonderausgabe vom »Anzeiger des Bistums Sitten«, St-Maurice 1962; — ders., Bischof Nestor Adam und das Oberwallis, in: Walliser Jahrbuch 1991, 31-34; — Quaglia Lucien, La Maison du Grand-Saint-Bernard dès origines aux temps actuels, Martinach 1972; — Schifferle Alois, Das Ärgernis Lefèbvre. Informationen und Dokumente zur neuen Kirchenspaltung, Fribourg 1989; — Zermatten Maurice, Nestor Adam, Bischof von Sitten. Für ein Jubiläum, Brig 1977; — ders., Son Excellence Monseigneur Nestor Adam, Sion 1977.

Paul Martone

Letzte Änderung: 17.05.2002