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Natur und Land Nr. 1/2 - 2008: Wasserkraft um jeden Preis?

01.01.2008 NATUR & LAND von Steffi Ebnicher

Natur und Land Cover Heft 1/2-2008

Die Wasserkraft wird gerne als erneuerbare, umweltfreundliche Energie dargestellt. Vergessen wird dabei aber, dass der Bau von Wasserkraftwerken zu einer großen Beeinträchtigung bzw. Zerstörung des Naturraums führt und die natürliche Dynamik eines Fließgewässers stark beeinträchtigt. Im Staubereich kommt es zu Geschiebe- und Se-dimentansammlungen, flussabwärts zu Geschiebemangel mit Eintiefung der Sohle, oft zu geringer Wasserführung, Austrocknung der Au und mitunter auch des Gewässers. Damit verschwinden Kiesbänke und Kieslaichplätze. Viele Kraftwerke verhindern, dass Fische wandern können, da es keine Fischaufstiegshilfen gibt, die Kraftwerksturbinen sind mitunter ein tödliches Hindernis für Fische. Etwa 70 % unseres Strombedarfs decken wir aus der Was-serkraft und der Druck auf Bäche und Flüsse steigt weiter massiv an. Das Ökostromgesetz, an sich eine gute Sache, trägt wesentlich dazu bei, weil es den Ausbau der Kleinwasserkraft angeheizt und einen Kraftwerks-Boom ausgelöst hat. Nun gilt es, die letzten unberührten, freien Fließ-gewässer(abschnitte) von jeglicher Nutzung freizuhalten. Um die Wasserkraftpotentiale und Grenzen zu ermitteln, arbeitet das Lebensministerium derzeit an einem sog. Masterplan Wasserkraft. Der NATURSCHUTZBUND verlangt gemeinsam mit anderen NGOs Tabuzonen für die E-Wirtschaft, Effizienzsteigerung bei den vorhandenen Kraftwerken, Energiesparmaßnahmen und eine seriöse Abschätzung des tatsächlich vorhandenen Wasserkraftpotenzials.

 

Inhalt

 

Titel


Thema

Innovativ

  • Die Wasserschnecke: Altes Wissen neu entdeckt
  • Die Ökostrombörse Salzburg
  • Die Strom-Boje: Ein schwimmendes Kleinwasserkraftwerk


Plus/Minus


Interview Fische und Wellenschlag
Jugendseite mit Dr. Uhu

NATURSCHUTZBUND Gewässerprojekte

Bücher/Impressum/Schriftenreihe/Shop/Tonträger

 

Wasserkraft um jeden Preis?

Unsere Fließgewässer - die Lebensadern Österreichs

Die Wasserkraft wird gerne als erneuerbare, umweltfreundliche Energie dargestellt. Vergessen wird dabei aber, dass der Bau zu einer großen Beeinträchtigung bzw. Zerstörung des Naturraums führt und die natürliche Dynamik eines Fließgewässers stark beeinflusst. Im Staubereich kommt es zu Geschiebe- und Sedimentansammlungen, flussabwärts zu Geschiebemangel mit Eintiefung der Sohle, oft zu geringer Wasserführung, Austrocknung der Au und mitunter auch des Gewässers. Damit verschwinden Kiesbänke und Kieslaichplätze. Viele Kraftwerke verhindern, dass Fische wandern können, da es noch allzu viele ohne Fischaufstiegshilfen gibt, die Kraftwerksturbinen sind mitunter ein tödliches Hindernis für Fische. Wasserkraftwerke produzieren in den Sommermonaten im Regelfall große Überschüsse. Im Winter hingegen muss die stark reduzierte Stromproduktion der Flusskraftwerke durch Zuschalten von umweltbelastenden öl-, gas- oder kohlebefeuerten Kraftwerken (kalorische KW) kompensiert werden.

Die Landschaft gleicht einem riesigen lebendigen Organismus, der von unzähligen Nervenbahnen und Adern durchzogen wird: vom kleinen Rinnsal bis zum großen Strom. In den vergangenen 60 Jahren hat sich die Landschaft nicht nur optisch, sondern auch in ihrer Ausstattung sehr verändert. Viele Feuchtgebiete und Rinnsale wurden trockengelegt oder sind verschwunden, Flüsse und Bäche sind auf einen Bruchteil ihrer früheren Ausdehnung zurückgebaut, unterbrochen von einer Vielzahl an Kraftwerken. Allein seit 1945 wurden mehr als 30.000 Kilometer Fließstrecke begradigt und verbaut, so dass heute im Schnitt auf 1,1 km ein Querbauwerk kommt. All diese Eingriffe haben sich sehr nachteilig auf die "Lebendigkeit" unserer Landschaft und auf Hochwasserereignisse ausgewirkt.

Wasser soll wieder verweilen
Die Versiegelung der Böden geht ungebremst weiter - ein Problem, das speziell beim Hochwasserereignis 2002 wieder in seiner ganzen Dimension sichtbar wurde. Lebenswichtiges Wasser verlässt im Eilzugstempo die Landschaft; die Zeit des "Verweilens" wird immer kürzer - mit fatalen Folgen. Über die Notwendigkeit einer Neuorientierung im Umgang mit dem anfallenden Wasser herrscht weitgehend Einigkeit - im speziellen der Flussbau befindet sich auf neuen Wegen, wie erfolgreiche Revitalisierungsprojekte im Zuge der "Gewässerbetreuung" unter Beweis stellen. Bisher wurden in Österreich etwa 30 Gewässerbetreuungskonzepte erstellt, ein Großteil davon befindet sich bereits in der Umsetzung, einige sind schon abgeschlossen. Dabei wird versucht, die gesamte Flusslandschaft in die Planung einzubeziehen und die Anforderungen des Hochwasserschutzes mit jenen der Ökologie zu harmonisieren. Beispiele dazu sind Projekte wie "Lebendige Donau" in der Wachau, Revitalisierungsmaßnahmen an der Ybbs, im OÖ Machland, am Inn, an der Enns, Raab und Mur. Hervorzuheben ist die 1,6 km lange Aufweitungsstrecke der Grenzmur bei Gosdorf in der Steiermark: Sie könnte als Vorbild für die drei weiteren Mur-Staaten dienen. Einige Beispiele sind in dieser Ausgabe ausführlich beschrieben.

Wasserkraft: erneuerbar, aber nicht umweltfreundlich
Wasserkraft hat gravierende Auswirkungen auf das komplexe ökologische Wirkungsgefüge von Fließgewässern: Überflutete Gebirgstäler, künstlich herbeigeführte Wasserstandsschwankungen (Schwallbetrieb) und periodisch oder ständig ausgetrocknete Flüsse führen zu großen Problemen und in der Folge zu konfliktreichen Diskussionen. Studien europäischer Wissenschafter zeigen eindrucksvoll die Beeinträchtigung der ökologischen Funktionsfähigkeit in Restwasserstrecken. Die größten Probleme sind im Schwallbetrieb von Kraftwerken und der damit verbundenen Geschiebetätigkeit zu sehen. Ein großes Manko sind auch die viel zu wenigen freien Fließstrecken.

Österreich deckt etwa 60 % (Mittelwert) seines Strombedarfs aus Wasserkraft und der Druck auf Bäche und Flüsse steigt weiter massiv an. Das Ökostromgesetz trägt wesentlich dazu bei, hat es doch den Ausbau der Kleinwasserkraft angeheizt und damit einen Kraftwerks-Boom ausgelöst. Nun gilt es, die letzten unberührten, freien Fließgewässer(abschnitte) von jeglicher Nutzung freizuhalten. Denn nur mehr 4 bis 6 % aller heimischen Flussläufe können noch als natürlich angesehen werden, 70 % der Bäche und Flüsse sind durch Verbauungen wesentlich in ihrer Gestalt verändert und nur begrenzt ökologisch funktionsfähig.

Kein Wunder also, dass nach der IST-Bestandsanalyse der Wasserrahmenrichtlinie (Seite 7) 54 % der Fließgewässer ein sicheres Risiko und 21 % ein nicht einstufbares Risiko aufweisen, den "guten ökologischen Zustand" bis 2015 überhaupt zu erreichen. Um die Wasserkraftpotentiale und Grenzen zu ermitteln, arbeitet das Lebensministerium derzeit an einem sog. Masterplan Wasserkraft (Seite 9). Gleiches tat auch das Wirtschaftsministerium mit der E-Wirtschaft, die völlig überraschend, noch während der Erstellung dieser Seiten, einen eigenen Masterplan Wasserkraft zu deren Ausbaupotenzial präsentierten!

Der NATURSCHUTZBUND verlangt gemeinsam mit anderen NGOs Tabuzonen für die E-Wirtschaft, Effizienzsteigerung bei den vorhandenen Kraftwerken, Energiesparmaßnahmen und eine seriöse Abschätzung des tatsächlich vorhandenen Wasserkraftpotenzials.

Kleinwasserkraft: Goldgräberstimmung auf Kosten der Bäche und Flüsse
Besonders heiß geht es in der Steiermark und in Osttirol her - Tirol ist jenes Bundesland mit der höchsten Dichte an Wasserkraftwerken, gefolgt von der Steiermark. Sind es in der grünen Mark mehr als 40 geplante Wasserkraftwerke z. B. an letzten, unverbauten Murabschnitten (auch Seite 20) und im Europaschutzgebiet an der Schwarzen Sulm (auch Seite 30), so geht es in Osttirol in erster Linie um Anlagen, die im Einzugsbereich von Gebirgsbächen in zunehmender Zahl geplant und gebaut werden - vornehmlich Kleinwasserkraftwerke. Das liegt im Wesentlichen an einer eklatanten Schwäche des ansonst recht positiven Ökostromgesetzes. Als Kleinwasserkraftwerke gelten solche mit einer Engpassleistung von 10 MW - eine willkürliche Größe (siehe Kasten), die suggeriert, dass die Verbauung von Bächen und Flüssen mit Kraftwerken bis zu dieser Größe an sich ökologisch sei. Die Problematik der Kleinwasserkraft zeigt sich gut am Beispiel Tirols: Vergleicht man die Zahl der Anlagen und der betroffenen Gewässerstrecken mit der produzierten Strommenge, zeigt sich, dass Kleinkraftwerk nicht Kleinkraftwerk ist: Von den insgesamt rund 800 Anlagen erzeugen 760 (das sind 95 %) der "mittleren" Kleinkraftwerke bis 3 MW nur 11 % der gesamten Stromproduktion. Noch deutlicher ist das Missverhältnis bei den Kleinstanlagen bis 220 kW: Ca. 640 Anlagen produzieren nur etwa 2 % des Stroms1. Allein ein größeres "Klein"-Kraftwerk mit 10 MW (z. B. Schwarzach) liefert also mehr Strom als alle 640 kleinsten zusammen. Unter dem Deckmantel "Ökostrom" werden hier die letzten frei fließenden Bäche mit öffentlicher Finanzierung verbaut, statt die Fördergelder in die Verbesserung und Instandsetzung "echter" Kleinwasserkraftwerke zu investieren. Ohne weiteren Eingriff in die Natur wäre es damit möglich, die Effizienz vieler veralteter, ineffizienter Anlagen um 20-30 % zu steigern.

In Osttirol kommt noch die wohlwollende Behandlung der Kraftwerkswünsche von Gemeinden durch das Land Tirol hinzu. Diese erhoffen sich damit Extraeinnahmen. Stellt eine Gemeinde einen Antrag auf wasserrechtliche Genehmigung eines Kraftwerkes, kann dies gleichsam als "öffentliches Interesse" angesehen und entsprechend hoch bewertet werden. Auch legt man in Tirol bei Genehmigungen für Wasserkraftwerke sehr großen Wert darauf, dass die nach dem WRG2 vorgesehene "möglichst vollständige wirtschaftliche Ausnützung der in Anspruch genommenen Wasserkraft" erfolgt und ordnet diesem Aspekt alle anderen weitgehend unter - auch wenn es zu einer Verschlechterung des Gewässerzustandes führt und nicht mit dem Wortlautder WRRL konform geht. Es hat den Anschein, als ob vollendete Tatsachen geschaffen werden sollen, solange dies noch geht - Anträge für weitere Wasserkraftwerke von Gemeinden in Osttirol häufen sich. Erst vor wenigen Monaten wurden das Kraftwerk am Dorferbach in Prägraten und am Unterlauf der Schwarzach feierlich eröffnet.

Wasser soll wieder mehr Platz bekommen
In den nächsten Jahren gibt es also viel zu tun. Es gilt, Fließgewässer wieder mehr mit ihrer Landschaft zu vernetzen, ihnen wieder mehr Raum zu geben und Wanderbarrieren für Wasserlebewesen zu beseitigen. Dazu braucht es vielfältige Uferstrukturen, wie Steilwände und Schotterbänke, die Möglichkeit unterschiedlichste Strömungsverhältnisse zu entwickeln und eine ökologische Verbesserung bestehender Regulierungen. Nur so werden Bäche und Flüsse wieder teilweise zu dem, was sie einmal waren: die vielfältigsten und artenreichsten Lebensräume, die unsere Natur zu bieten hat!

Text: Ingrid Hagenstein

Quellen: Umweltdachverband, WRRL, Dr. Wolfgang Retter, Dr. Johannes Gepp u.a.


Wem gehört der Fluss?
Das Bett und die Ufer von (größeren) Fließgewässern sind in der Regel öffentliches Wassergut (ÖWG), das ist eine Sonderform des öffentlichen Eigentums der Republik Österreich, die im Wasserrechtsgesetz (WRG) geregelt ist.

Das Betreten der Flächen des ÖWG ist jedermann gestattet. Ist der Zugang nur über private Grundstücke möglich, sollte man jedenfalls die Erlaubnis der angrenzenden Grundbesitzer einholen. Dies gilt auch für jene meist kleineren Bäche, deren Bachbette nicht im öffentlichen Eigentum stehen und im Grundkataster meist auch nicht als eigene Parzellen ausgewiesen sind.

Behörden für die Verwaltung des ÖWG sind bei den Ämtern der Landesregierungen und im Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (BMLFUW) eingerichtet (gekürzt).

Ausführliche Behandlung des Themas unter www.lebensministerium.at (WASSERnet > Fragen & Antworten > Wissenswertes rund um unsere Flüsse)


Definition von Kleinkraftwerken
Zwischen den EU-Mitgliedsstaaten gibt es keine Übereinkunft über die Definition. Einige Staaten, wie Portugal, Spanien, Irland, Griechenland, Belgien und Österreich akzeptieren 10 MW als Obergrenze für die installierte Leistung. In Italien ist das Limit 3 MW, in Schweden 1,5 MW, in Frankreich 12 MW, in England gibt es keine Festlegung, aber es werden 10 MW als Schwelle akzeptiert. In der Regel werden 10 MW Leistung mehr oder weniger als "klein" angesehen. Erst ab einer Leistung über 15 MW muss ein UVP-Verfahren durchgeführt werden.

Aus: "Checkliste für Wasserkraftwerke bis 15 MW Engpassleistung aus naturschutzfachlicher Sicht", von Revital ecoconsult und Arge Limnologie im Auftrag der Tiroler Landesregierung/Abt. Umweltschutz, 2006


Kleinwasserkraftwerke in Österreich 2008
Anzahl: mehr als 2.400 Kleinwasserkraftwerke
Stromerzeugung: ca. 8 % des österreichischen Strombedarfs

Quelle: PA Kleinwasserkraft v. 4. 4. 08, www.kleinwasserkraft.at


Kleinwasserkraftwerkszertifikate
Diese basieren auf dem Prinzip, dass jeder Endverbraucher 8 % seines Verbrauches aus Kleinwasserkraftwerksanlagen (bis zu einer Engpassleistung von 10 MW) decken muss. Der Nachweis ist durch Kleinwasserkraftwerkszertifikate zu erbringen.

Quelle: e-control, gekürzt

 

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25 Jahre Ramsargebiete in Österreich

Ramsar-Konvention: Internationaler Feuchtgebietsschutz

Feuchtgebiete haben eine wichtige Funktion in Ökosystemen: Sie sind "Hotspots" der Biodiversität - der genetischen Vielfalt, der Artenvielfalt und der Vielfalt an Lebensräumen. Sie spielen eine bedeutende Rolle für den Wasserhaushalt, die Sicherung unseres Trinkwassers, den Hochwasser- und den Klimaschutz. Vor 25 ist Österreich der Ramsar-Konvention beigetreten. Seit 2008 ist der NATURSCHUTZBUND offizieller National Focal Point für Öffentlichkeitsarbeit.

Die Ramsar-Konvention ist ein internationales Übereinkommen "zum Schutz und zur wohlausgewogenen Nutzung von Feuchtgebieten". Seit ihrer Gründung in der iranischen Stadt "Ramsar" am Kaspischen Meer im Jahr 1971 haben 158 Staaten diese Konvention unterzeichnet. Vor 25 Jahren, am 16. April 1983, trat Österreich dem Übereinkommen bei. Zeitgleich mit der Unterzeichnung wies Österreich in einem ersten Schritt fünf Feuchtgebiete internationaler Bedeutung als "Ramsar-Gebiete" aus: den Neusiedler See mit dem Seewinkel, die Donau-March-Auen, die Untere Lobau, die Stauseen am Unteren Inn und das Rheindelta am Bodensee. Heute gibt es in Österreich bereits 19 Ramsar-Gebiete (siehe Kasten) mit einer Gesamtfläche von rund 1200 km2, was etwa 1,5 % der Staatsfläche entspricht.

Die Ramsar-Konvention trägt mit ihren Maßnahmen wesentlich dazu bei, bis 2010 den Verlust an Biologischer Vielfalt ("Countdown 2010") zu reduzieren, insbesondere bei Binnengewässer-Ökosystemen und Feuchtgebieten. In fast allen österreichischen Ramsar-Gebieten sind bereits Pflegepläne in Umsetzung und jene Gebiete, die für den naturnahen Tourismus interessant sind, verfügen über Ramsar-Informationsstellen.

Der NATURSCHUTZBUND unterstützt die Ramsar-Konvention als ein wichtiges Schutzinstrument für wertvolle Feuchtlebensräume. Aufgrund seiner langjährigen Erfahrung im Feuchtgebietsschutz stellt er mit Mag. Gernot Neuwirth den NGO-National Focal Point und wirbt in dieser Funktion für die Erhaltung von Wasserlebensräumen.

19 Ramsar-Gebiete in Österreich (Fläche 122.264 ha)
Neusiedler See mit dem Seewinkel - Burgenland
Donau-March-Auen - Niederösterreich
Waldviertler Moor-, Fluss und Teichlandschaft - Niederösterreich
Untere Lobau - Wien
Rheindelta am Bodensee - Vorarlberg
Sablatnig-Moor - Kärnten
Moor- und Seenlandschaft Keutschach-Schiefling - Kärnten
Hörfeld - Steiermark und Kärnten
Pürgschachen-Moor - Steiermark
Moore am Nassköhr - Steiermark
Lafnitztal - Steiermark und Burgenland
Moorgebiet Bayrische Wildalm-Wildalmfilz - Tirol
Rotmoos im Fuscher Tal - Salzburg
Moore am Pass Thurn - Salzburg
Moore am Sauerfelder Wald - Salzburg
Moore am Schwarzenberg - Salzburg
Moore am Überling - Salzburg
Nationalpark Kalkalpen - Oberösterreich
Stauseen am Unteren Inn - Oberösterreich

 

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Die Wasserrahmenrichtlinie

Die WRRL ist ein Meilenstein auf dem Weg zu einem einheitlichen Schutz aller europäischen Gewässer. Mit ihr hat die Wasserwirtschaft zum ersten Mal ein Instrument in der Hand, alle Gewässer - Flüsse, Seen, künstliche Gewässer und Grundwasser nach einheitlichen Kriterien zu untersuchen, zu bewerten und deren Qualität zu erhalten und zu verbessern. Die WRRL ermöglicht auch, das Verursacher- und Kostendeckungsprinzip für Wasserdienstleistungen anzuwenden.

Ziel der EU-Richtlinie ist es, den guten ökologischen Zustand für alle Gewässer zu erreichen, eine Verbesserung zu gewährleisten (Verbesserungsgebot) und eine Verschlechterung zu vermeiden (Verschlechterungsverbot). Die WRRL verbietet nicht grundsätzlich den weiteren Ausbau der Wasserkraft, sondern lediglich eine Verschlechterung des Gewässerzustandes. Käme es zu einem solchen, dann wäre Wasserkraftnutzung nur möglich, wenn übergeordnetes öffentliches Interesse und keine bessere Umweltoption gegeben sind 1.

Ist-Bestandsaufnahme
Einer der ersten Schritte zur Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie war die Erhebung des Ist-Zustandes aller Gewässer mit einem Einzugsgebiet (inkl. Schutzgebiete) größer als 100 km² (2005). In einem zweiten Schritt kamen jene Gebiete an die Reihe, die größer als 10 km² sind (2007). Dazu wurden die existierenden Belastungen in einer Risikoanalyse zusammengefasst, die sich auf eine mögliche Verfehlung des guten ökologischen Zustandes bezog: Fließgewässer und Grundwasserkörper wurden in Bezugseinheiten eingeteilt, die menschlichen Auswirkungen auf den Zustand der Gewässer festgestellt (Risikoanalyse) und eine wirtschaftliche Analyse der Wassernutzung vorgenommen: Herausgekommen ist, dass 27.147 Querbauwerke unsere Fließgewässer signifikant belasten, das ist eine Anlage pro 1,1 km, und die Stilllegung von etwa 25.000 ha Ackerfläche (1,8 % der Fläche Österreichs) für sechs Grundwasser-Sanierungsgebiete empfohlen wird. Herausgekommen ist auch, dass ca. 54 % der Fließgewässer das Risiko haben, den guten Zustand zu verfehlen, 21 % haben ein nicht einstufbares Risiko und nur 25 % weisen kein Risiko auf. Diese Ergebnisse dienen dem Aufbau eines Monitoringprogramms, das 2007 gestartet wurde und in dessen Rahmen der tatsächliche Zustand der Wasserkörper erhoben wird. Die erforderlichen Maßnahmen zur Erreichung des guten Zustands sind bereits in Vorbereitung. Als Maßnahmenprogramm sollen sie 2009 im ersten Nationalen Gewässerbewirtschaftungsplan verankert werden. Geschätzte Kosten für zusätzliche Maßnahmen: 138 Mio. EUR pro Jahr, Laufende Maßnahmen 1,419 Mrd. EUR/Jahr (Runder Tisch Wasser, April 2008).

Für die Beurteilung
des ökologischen Zustandes sind biologische, chemisch-physikalische und hydromorphologische Komponenten heranzuziehen. Um den guten ökologischen Zustand zu erreichen, darf dabei das Vorkommen gewässertypischer Organismen wie z. B. Fische, Wasserpflanzen, Algen und Makrozoobenthos nur geringfügig vom natürlichen, anthropogen unbeeinträchtigten Zustand abweichen.

Wassernutzung
Ein zentrales Element bei der Umsetzung der WRRL ist die wirtschaftliche Analyse der Wassernutzungen. Die WRRL sieht vor, dass der Grundsatz der Kostendeckung bei Wasserdienstleistungen zu berücksichtigen ist. Dabei sollen auch umwelt- und ressourcenbezogene Kosten eingerechnet werden, um ausreichend Anreize für die Nutzer zu schaffen, Wasser effizient zu verwenden 2. Mit den Berichten zur IST-Bestandsaufnahme wurde auch die wirtschaftliche Analyse der Wassernutzungen in den Mitgliedsstaaten veröffentlicht.

Kostendeckung
Was unter Ressourcen- bzw. Umweltkosten zu verstehen ist, erläutert die WRRL leider nicht. Eine Mitteilung 3 der Europäischen Komission erklärt dies genauer: Umweltkosten sind demnach solche, die aufgrund von Schäden entstehen, die die Wassernutzungen für Umwelt, Ökosysteme und Personen mit sich bringen. Als Beispiel wird die Verschlechterung der ökologischen Qualität von aquatischen Ökosystemen genannt. Ressourcenkosten sind jene, die entstehen, wenn anderen Nutzern Schäden infolge einer Nutzung der Ressource über ihre natürliche Wiederherstellungs- oder Erholungsfähigkeit hinaus entstehen (z. B. übermäßige Grundwasserentnahme).

Wasserdienstleistung
ist in der WRRL 4 definiert. In Österreich sind Wasserdienstleistungen primär in Zusammenhang mit der Erbringung von Dienstleistungen an Dritte im Wasserversorgungs- und Abwasserentsorgungssektor zu verstehen. Explizit ausgenommen ist u.a. die Wasserkraftnutzung. Die Richtlinie spezifiziert nicht, ob im Begriff der "Dienstleistungen" die Selbstversorgung eingeschlossen ist oder nicht. Dies führt dazu, dass nur KonsumentInnen für die Nutzung von Wasser bezahlen, während alle anderen Arten der Wassernutzung in Österreich nach wie vor gratis sind - dazu zählen Aufstauungen zu Zwecken der Elektrizitätserzeugung und Schifffahrt sowie alle Maßnahmen des Hochwasserschutzes. Genau hier setzt die Kritik von Naturschutzorganisationen an: Gerade jene Umstände sind vielfach von der wirtschaftlichen Analyse ausgenommen, die verantwortlich sind für die wahrscheinliche Zielverfehlung des "guten Zustandes" - Staudämme, Schwallbetrieb und auch die für die Gewässerbeeinträchtigungen verantwortlichen Sektoren Schifffahrt, Wasserkraftnutzung und Hochwasserschutz wurden nicht berücksichtigt. Aus diesem Grund reichten zahlreiche europäische Umweltverbände Beschwerde gegen elf Mitgliedsstaaten - auch Österreich - bei der EU-Kommission ein. Geklärt werden sollte die Definition der Wasserdienstleistungen. In Bezug auf Österreich wurde nun die Beschwerde vorerst zurückgelegt, da das Land eine engere Definition zusagte.

Der Verpflichtung zur Kostendeckung bei Wasserdienstleistungen muss bis 2010 nachgekommen werden. In dieser Bestimmung wird zusätzlich gefordert, dass die verschiedenen Wassernutzer einen angemessenen Beitrag zur Deckung der Kosten nach dem Verursacherprinzip zu leisten haben. Eine Unterteilung in Industrie, Haushalte und Landwirtschaft wird als Minimum angesehen. Über die Höhe des Beitrages wird in den einzelnen Mitgliedsstaaten selbst entschieden. Diese müssen allerdings in den Managementplänen klar darlegen, aus welchen Gründen einzelne Sektoren (z. B. Landwirtschaft) dem Kostendeckungsprinzip nicht in vollem Umfang unterworfen werden. Die Ziele der WRRL dürfen dadurch nicht in Frage gestellt werden.

Quellen: Umweltbundesamt, Umweltdachverband, Lebensministerium

1 Laut § 104a WasserRechtsGesetz. Aus Vortrag: Masterplan Wasserkraft - Potentiale und Grenzen der Wasserkraft, Dr. Veronika Koller-Kreimel & Mag. Gisela Ofenböck, BM f. Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft, Tagung Erneuerbare Energien - Chancen und Grenzen, 29.-30. Nov. 2007
2 Artikel 9 WRRL
3 Mitteilung der Europäischen Kommission über die Preisgestaltung als politisches Instrument zur Förderung eines nachhaltigen Umgangs mit Wasserressourcen (KOM 2000/477)
4 Definition im Artikel 2 Nr. 38 WRRL


Eckdaten und Ziele der WRRL

Seit 22. 12. 2000 als europäisches Gesetz in Kraft (RL 2000/60/EG)
Seit Dezember 2003 in österreichisches Recht umgesetzt
Ziel: Erreichung des guten Zustandes / des guten Potenzials für alle Gewässer bis 2015
Verschlechterungsverbot: Eine Verschlechterung der Gewässer ist zu verhindern
Verbesserungsgebot
Einstufung der Gewässer: Sehr guter-guter-mäßiger-unbefriedigender/schlechter Zustand. Zusätzliche Kategorie: Erheblich veränderter Wasserkörper: der gute ökologische Zustand kann nicht oder nur mit unverhältnismäßigen Mitteln wieder hergestellt werden.
IST-Bestandsanalyse im April 2005 erstmals der Öffentlichkeit präsentiert
Gewässer werden in Flusseinzugsgebiete zusammengefasst
Gewässerbewirtschaftungspläne für diese Gebiete sind zu erstellen
Aktive Beteiligung der Öffentlichkeit ist vorzusehen
Güteziele werden in Form der Qualitätszielverordnung festgelegt
Stufenweise Umsetzung der Umweltziele bis 2015 - 2021 - 2027
Das Wasserinformationssystem WISA gibt Auskunft zur WRRL
Quelle: Umweltbundesamt

 

Tipp
Die IST-Bestandsanalyse ist unter http://publikationen.lebensministerium.at/ bzw. http://wasser.lebensministerium.at/article/archive/5738/ abrufbar. www.umweltdachverband.at/schwerpunkte/wasser/wrrl.htm


Information
Wasserdienstleistungen sind alle Dienstleistungen, die für Haushalte, öffentliche Einrichtungen oder wirtschaftliche Tätigkeiten jeder Art Folgendes zur Verfügung stellen: Entnahme, Aufstauung, Speicherung, Behandlung und Verteilung von Oberflächen- oder Grundwasser; Anlagen für die Sammlung und Behandlung von Abwasser, die anschließend in Oberflächengewässer einleiten (laut Definition Art. 2, Nr. 38 und 39 der WRRL). In Österreich erstrecken sich die Begriffe Aufstauung und Speicherung auf Dämme und andere Infrastrukturen, die für Zwecke wie die Elektrizitätserzeugung aus Wasserkraft, den Hochwasserschutz und die Schifffahrt dienen.

Unter Wassernutzung sind die Wasserdienstleistungen sowie jede andere Handlung mit signifikanten Auswirkungen auf den Wasserzustand zu verstehen (Definition gilt für die Zwecke des Artikels I und der wirtschaftlichen Analyse gemäß Artikel 5 und Anhang III, Buchstabe b).

Wasserkraftnutzung zur Stromerzeugung umfasst lediglich eine Aufstauung und/oder Speicherung von Oberflächenwasser, nicht aber die Entnahme, Behandlung oder Verteilung von Oberflächenwasser. Das Zur-Verfügung-Stellen ist im Sinne einer Dienstleistung für Haushalte, öffentliche Einrichtungen oder wirtschaftliche Tätigkeiten jeder Art gemeint (sofern z.B. Wasser als Betriebsmittel in der Industrie zur Verfügung gestellt wird).

Eine Dienstleistung im Sinne der WRRL liegt nur dann vor, wenn von einem Dienstleister eine Leistung an eine dritte Person, den Leistungsempfänger, erbracht wird. Derjenige, der zur Verfügung stellt, muss verschieden von dem sein, dem zur Verfügung gestellt wird. Der Erfüllung einer Dienstleistung steht eine Gegenleistung gegenüber (z.B. Gebühr, Preis).

Bei der Stromerzeugung stellt der Erzeuger sich selbst die Aufstauung von Wasser (für die Stromerzeugung) zur Verfügung. Zudem erfolgt die Wassernutzung nicht gegen Entgelt, weshalb die Wasserkraftnutzung zur Stromerzeugung nicht vom Begriff der "Wasserdienstleistung" erfasst ist. Sehr wohl kann die Stromerzeugung hingegen eine "Wassernutzung" im Sinne von

Art. 2 Nr. 39 der Richtlinie 2000/60/EG darstellen. Das gilt auch für Hochwasserschutz und Schifffahrt.
Quelle: Informationen Lebensministerium, Abteilung I/4

 

 Kritische Bemerkungen zu Potenzialen und Grenzen der Wasserkraft und zur österreichischen Umsetzung der Wasserrahmen-Richtlinie

Der geplante Masterplan Wasserkraft des Lebensministeriums versucht die Forderungen der Wasserrahmenrichtlinie und der Fauna-Flora-Habitatrichtlinie unter einen Hut zu bringen. In einem ersten Schritt wurden Kriterien erarbeitet, die aufzeigen sollen, wie ökologisch sensibel österreichische Fließgewässer gegenüber der Wasserkraftnutzung sind. Genau hier setzt die massive Kritik der Naturschutzorganisationen an: Die ökologischen Kriterien bewerten die Sensibilität aus der Sicht der Vorgaben der Wasserrahmen-Richtlinie WRRL, (Kasten u.). Kriterien aus naturschutzfachlicher Sicht wurden auf ausdrücklichen Wunsch der Länder nicht berücksichtigt.

Was heißt das konkret?
Der Masterplan kennt keine Tabuzonen: In ihm sind Fließgewässer, die einen natürlichen und naturnahen Zustand aufweisen oder in ausgewiesenen und potenziellen Schutzgebieten liegen, nicht von einer energetischen Nutzung ausgeschlossen. Auch naturräumlich besonders schöne Flusslandschaften außerhalb von Schutzgebieten, wie z. B. die Koppentraunschlucht, die Schluchtstrecken der Schwarzen Sulm oder die Osttiroler Isel sind nicht ausgenommen. Ob Fließgewässer genutzt werden, soll wohl durch Interessensabwägung entschieden werden. In den Diskussionen ist die starke Position der E-Wirtschaft deutlich zu spüren. Sie verwendet als Argument die CO2-Einsparung und Forcierung Erneuerbarer Energien, um uneingeschränkt Wasserkraftwerke errichten zu können. Das Ökostromgesetz trägt wesentlich zum Kleinkraftwerksboom an den letzten freien Fließstrecken bei, denn der gesetzliche Auftrag heißt, dass bis Ende 2008 9 % des Energiebedarfs aus Kleinwasserkraft zu decken sind - derzeit sind es 8 %! Die eben beschlossene Novelle ändert daran nichts.

Wasserrahmenrichtlinie...
Die WRRL hat in diesem Konfliktfeld große Bedeutung, da ihre konsequente Umsetzung einen sinnvollen Ausgleich zwischen Wasserkraft und Naturschutz schaffen könnte. Sie betrachtet die Bewirtschaftung der Flüsse von ökologischer Seite und gibt vor, dass innerhalb der EU bis 2015 ein "guter Zustand" in allen Gewässern zu erhalten oder wieder herzustellen ist. Dazu soll es bis zum Ende dieses Jahres Flussgebiets-Managementpläne, bis zum nächsten Jahr ein Maßnahmenprogramm geben.

...ihre Umsetzung...
Die WRRL ist im Wasserrechtsgesetz umgesetzt, das sich wiederum auf Umweltqualitätsziele beruft, die derzeit im Rahmen der Managementpläne ausgearbeitet werden. Alles in allem sehr viel versprechend, würden die WRRL und ihre Umsetzungsziele nicht oftmals verwässert. Zum besseren Verständnis ist es nötig, hier etwas weiter auszuholen:

Einer der ersten Schritte der Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie war die Erstellung einer Ist-Bestandsanalyse aller Gewässer mit mehr als 100 km² Einzugsgebiet. Dazu wurden die existierenden Belastungen (Stau, Querbauten, Schwall etc.) in einer Risikoanalyse in Bezug auf eine mögliche Zielverfehlung des guten ökologischen Zustandes zusammengefasst. Bis Ende 2007 wurden auch die Fließgewässer von 10-100 m2 Einzugsgebiet erfasst. Bisher ist allerdings die große Zahl kleiner Gewässer noch nicht behandelt worden.

...und ihre Schlupflöcher
Gemäß der Ist-Bestandsanalyse (Stand 2007) zeigen 21 % der Fließgewässer ein "nicht einstufbares Risiko". Auffallend ist, dass es besonders viele in Tirol sind, eigenartigerweise gehäuft dort, wo Kraftwerksprojekte bereits geplant oder noch möglich sind (Kauner-, Pitz-, Stubai-, Wipptal, Teile der Isel, Kalser-, Villgratenbach und Schwarzach).

So stellt sich die Frage, ob für die großteils gut zugänglichen Fließgewässer wirklich keine Daten vorhanden sind, wo doch seit dem Inkrafttreten der WRRL schon Jahre ins Land gegangen sind? Der Verdacht drängt sich auf, dass damit Freiraum für weitere Eingriffe geschaffen werden sollte. Zwar spricht die WRRL klar von einem Verschlechterungsverbot wie von einem Verbesserungsgebot. Wenn aber der derzeitige Zustand nicht bekannt ist, wird auch keine Verschlechterung nachweisbar sein!

Jetzt könnte man meinen, das Verschlechterungsverbot wäre ein Segen. Würde man es nämlich ernst nehmen und die Umweltqualitätsziele danach ausrichten, bedeutete dies das Aus für weitere Wasserkraftwerke. Das dachten auch die Naturschutzorganisationen, haben aber die Macht der Kraftwerkslobby unterschätzt, die so manche Schlupflöcher in der WRRL gefunden zu haben scheint. Dazu gehört etwa die sog. Ausnahme vom Verschlechterungsverbot. Sie könnte, je nach Auslegung der Umweltqualitätsziele und/oder der Interessensabwägung, zur Regel werden: Etwa, wenn Staumauern einen Fluss weniger als 500 m aufstauen und dies nicht als Verschlechterung gewertet wird - dann ist dem weiteren Ausbau der Wasserkraft Tür und Tor geöffnet. Wie der aktuelle Fall des Europaschutzgebietes Schwarze Sulm (siehe eigener Beitrag) in der Steiermark zeigt, wird das sog. "öffentliche Interesse" als Ausnahmeregelung für einen Kraftwerksbau als überwiegend gesehen (§ 104a WRG).

Klare Grenzen für den weiteren Ausbau
Laut Sektion Wasser im Lebensministerium wird der Masterplan erst angewendet, wenn eine Verschlechterung für ein Fließgewässer eintritt - auch hier mit der Gefahr, dass eine Ausnahme geltend gemacht wird. Um diesen Schlupflöchern einen Riegel vorzuschieben, fordert der NATURSCHUTZBUND gemeinsam mit dem Umweltdachverband und dem WWF klare Grenzen für den weiteren Ausbau der Wasserkraft. Das heißt, dass im Masterplan alle Fließgewässerstrecken als sehr sensibel eingestuft werden sollen, die in einem natürlichen und naturnahen Zustand sind, die den "guten Zustand" bis 2015 erreichen und die in Schutzgebieten liegen (inkl. der als potenziell bekannten Natura 2000-Gebiete). In weiterer Folge müssen diese sehr sensiblen Gewässerstrecken als kraftwerksfreie Zonen ("No-go-areas") ausgewiesen werden. Der NATURSCHUTZBUND setzt seine Erwartungen und Hoffnungen in die naturschutzfachlichen Kriterien, die die ökologischen ergänzen. Wie der jüngst aus dem Ärmel geschüttelte Pro-Wasserkraft-Masterplan Wasserkraft des Wirtschaftsministers und der E-Wirtschaft zeigt, ist es hoch an der Zeit für eine Kompetenz und Sektoren übergreifende Zusammenarbeit von Lebens- und Wirtschaftsministerium!

Weitere kritsche Argumente lesen Sie im Positionspapier der Naturschutzverbände in diesem Heft.


Ausgangssituation
Steigerung der Erneuerbaren Energien am Gesamtenergieverbrauch auf mind. 25 % bis 2010, Verdoppelung des Anteils an Ökostrom bis 2015 von derzeit 8 auf 15 % und Anhebung des Stromanteils aus Erneuerbaren auf 85 % (Vorgaben im Regierungsprogramm zur Erreichung der Klimaschutzziele sowie in der beschlossenen Novelle zum Ökostromgesetz lt. PA vom 7.5.08)
Konflikt: ökologische Ziele im WRG bzw. WRRL
Guter ökol. Zustand bzw. Verschlechterungsverbot
Vorgeschlagener Kriterienkatalog
Fließgewässer werden eingeteilt nach
"Gewässerökologischen Kriterien" (Auszug): Typspezifische Seltenheit, faunistische/floristische Besonderheiten oder gewässerökologisch bedeutende Arten, Gewässersondertypen, freie Fließstrecken, Schutzgebiete, Augebiete, Erholungsfunktion/Landschaftsbild, Flussstrecken österreichweiter Bedeutung.

Zu jedem Kriterium wird die "Gewässerökologische Sensibilität" - gering bis mittel sensibel (1), sensibel (2) und sehr sensibel (3) - definiert.


"Übergeordnetes öffentliches Interesse"
Argumentation der EU-Kommission
Im Mahnschreiben der Europäischen Kommission vom 23. 10. 2007 an Österreich zum Europaschutzgebiet "Schwarze und Weiße Sulm" wird dargelegt, dass eine Verschlechterung eines Gewässers vom "sehr guten" auf den "guten" Zustand durch ein Kleinkraftwerk nicht sozusagen selbstverständlich mit dem Argument eines übergeordneten öffentlichen Interesses an Stromerzeugung aus Wasserkraft zuzulassen sei. Begründung: Da die Leistungsdaten eines solchen Kleinkraftwerkes im Vergleich zur Bruttostromerzeugung Österreichs sehr gering seien, darf deshalb nicht von vorneherein ein übergeordnetes öffentliches Interesse angesehen werden.

Quelle: Europ. Kommission, Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich Nr. 2006/4416 betreffend Europaschutzgebiet Schwarze und weiße Sulm, Aufforderung zur Stellungsnahme, 23.10.06


Alternativenergien - Grenzen und Chancen
So lautete der Titel einer Tagung des Umweltdachverbandes, die vom 29. - 30. 11. 2007 in Innsbruck stattfand. Der Tenor der Tagung: Sparsamerer Energieeinsatz muss das Um und Auf unserer Zukunft werden, sonst sind alle Bemühungen um Verringerung der Klimaerwärmung aussichtslos.

Immer wieder wurde deutlich, dass verschiedene sonstige Energieformen begrenzt sind und nur die direkte Solarnutzung nahezu unbeschränkt möglich ist. Andere Länder - ganz besonders Deutschland - sind Österreich im Bereich der Photovoltaik himmelweit voraus, haben sich auf diesem Zukunftsmarkt bereits eine hervorragende Marktposition geschaffen und viele tausende Arbeitsplätze entstehen lassen.

Als ganz besonders unbefriedigend wurde das Ökostromgesetz und der viel zu geringe politische Einsatz für Effizienzsteigerung und Alternativenergien in Österreich beurteilt. Äußerst kritisch wird ein weiterer Ausbau der Wasserkraft in Österreich gesehen, da hier die letzten Kostbarkeiten unseres Landes auf dem Spiel stehen.

Text: Wolfgang Retter

Unterlagen dieser Tagung auf www.umweltdachverband.at/service/termine/jahrestagung.htm

 

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Wasserkraft und Naturschutz

Schwallbetrieb in Österreichs Fließgewässern

Um Tagesspitzen des Stromverbrauchs abzudecken, wird das Wasser in Speicherseen zurückgehalten, um dann eine größere elektrische Leistung bereitstellen zu können. Sowohl der Schwall als auch die starken Wasserstandsschwankungen wirken sich erheblich auf Fische, Kleinlebewesen und andere Flussuferbewohner aus. Es besteht akuter Handlungsbedarf.

Im Fachjargon wird der Schwallbetrieb als anthropogen bedingte, tagesrhythmische Schwankungen der Abflüsse unterhalb von Wasserkraftwerken, die Strom für Spitzenbedarfsdeckung produzieren, bezeichnet. Beim Schwallbetrieb wechseln einander der "Schwall", ein künstlich erhöhter Abfluss, und der "Sunk", eine künstliche Niedrigwasserphase, bisweilen mehrmals täglich ab. Schwallbetrieb stellt einen starken Eingriff in die natürliche Abflussdynamik eines Gewässers dar und zählt zu den "hydrologischen Belastungen". Ab einer bestimmten Intensität beeinträchtigt der Schwallbetrieb die ökologische Funktionsfähigkeit sehr stark. Im Gegensatz zu anderen Eingriffen und deren Folgen wirkt er nicht nur lokal, sondern über vergleichsweise lange Gewässerstrecken.

Was passiert beim Schwall?
Der Wasseranstieg durch den Schwall und das Absinken danach passieren sehr viel schneller als bei einem natürlichen Hochwasser. Dieser rasche Wechsel übersteigt oft die Möglichkeiten der Tiere zur Anpassung, diese werden weggeschwemmt oder stranden beim Trockenfallen des Gewässerrandes. Die Anzahl (Häufigkeit, Individuendichte) und die Menge (Biomasse) verschiedener aquatischer Tier- und Pflanzengruppen nehmen unter dem Einfluss von Schwallbetrieb meistens stark ab, oft kommt es zu einer Abnahme der Artenvielfalt. Besonders davon betroffen sind Fischnährtiere und Fische.

Übersteigt der Schwallabfluss eine bestimmte, gewässerspezifische Höhe, kommt es zu einem massenhaften und unkontrollierten Abtreiben von Pflanzen, vor allem von fädigen Aufwuchsalgen und Tieren, hier vor allem von Jungfischen und wirbellosen Wassertieren, wie Krebsen, Würmern, Insekten und ihren Larven. Dieses Phänomen wird als "Katastrophendrift" bezeichnet.

In alpinen Gewässern ist der Schwallbetrieb während des Winters meist am ausgeprägtesten, da zu dieser Zeit die hohen Spitzen des Energiebedarfs (Maximalschwälle) in die Niederwasserperiode fallen. Tägliche Schwankungen dieses Ausmaßes kommen in einem Fließgewässer von Natur aus nicht vor und verursachen eine für die Organismen unvorhersehbare Störung, da sie die Abfluss- und Strömungsverhältnisse wesentlich verändern.

Verödung als Folge
Der von kraftwerksbedingten Abflussschwankungen am meisten betroffene Teil des Flussbettes ist die sog. Wasserwechselzone, die während des Schwalls unter Wasser steht und bei Sunk wieder trocken fällt. Deren pflanzliche und tierische Besiedlung ist von der Wasser- wie auch von der Landseite her so stark eingeschränkt, dass von einer "Verödungszone" gesprochen wird. Grund dafür ist, dass sich beim Trockenfallen Organismen nicht schnell genug in Richtung Flussmitte zurückziehen können und somit stranden. Insbesondere die Fischbrut und/oder die Jungfische bevorzugen flache Uferbereiche. Bei Wasserrückgang verbleiben diese in Mulden und gehen dort zugrunde. Bei regelmäßig erzwungenen Ortswechseln riskieren die Fische, gefressen zu werden, weil die Deckung fehlt. Zudem tritt vermindertes Wachstum durch einen erhöhten Energiebedarf auf.

Neben dem Abfluss schwankt meist auch die Wassertemperatur sehr stark, da die Temperatur des Schwallwassers aus den Speicherseen meist deutlich von jener des Gewässers abweicht. Dies kann zu massiven physiologischen Störungen und Beeinflussungen des Verhaltens führen, indem z.B. das Ablaichen abgebrochen wird. Zudem kommt es oft zu einer erhöhten Trübung der Gewässer, was sich zusätzlich negativ auf die Gewässerbiozönose auswirkt.

Der energiewirtschaftliche Nutzungs- bzw. Ausbaugrad Österreichischer Fließgewässer ist sehr hoch. Das ist auch auf den großen Anteil alpin geprägter Gewässer zurückzuführen, die durch ihr Gefälle als Standort für Speicherkraftwerke prädestiniert sind. Derzeit werden rund 70 % der ausbauwürdigen Fließgewässerstrecken Österreichs energiewirtschaftlich genutzt.

In Österreich sind viele Flussstrecken von Schwallbetrieb betroffen - Drau, Möll, Salzach, Enns, und Alpenrhein - es gibt jedoch nur wenige tief greifende Studien und Analysen dazu. Die ökologischen Folgewirkungen wurden in Österreich bislang nur in Einzelfällen untersucht. Weitere Untersuchungen sind aber erforderlich, um die Wirkungsmechanismen herausfinden und das Ausmaß der Beeinträchtigung mit Daten belegen (oder zahlenmäßig erfassen) zu können.

Um die auftretenden Abflussschwankungen zu vermindern bzw. zu eliminieren, gibt es unterschiedliche technische Möglichkeiten. Wird z. B. die Betriebsweise eines Kraftwerkes geändert, werden Ausgleichsbecken angelegt oder Ausleitungen ermöglicht, kann der Schwall gedämpft werden. Die Sanierung von Schwallstrecken ist wesentlicher Bestandteil eines ökologisch ausgerichteten Gewässermanagements und besitzt daher in Österreich hohe Dringlichkeit.


Text: Univ. Prof. DI Dr. Stefan Schmutz, DI Rafaela Schinegger & Univ. Prof. Dr. Mathias Jungwirth, Institut für Hydrobiologie und Gewässermanagement (IHG), Department für Wasser, Atmosphäre, Umwelt, Universität für Bodenkultur Wien, Stefan.schmutz@boku.ac.at


Literatur:

Jungwirth, M., G. Haidvogl, O. Moog, S. Muhar and S. Schmutz (2003). Angewandte Fischökologie an Fließgewässern. Wien, Facultas Verlag.

Limnex, 2004. Auswirkungen des Schwallbetriebes auf das Ökosystem der Fliessgewässer: Grundlagen zur Beurteilung. Bericht im Auftrag des WWF, Zürich.

Moog, O. (1993). Quantification of daily peak hydropower effects on aquatic fauna and management to minimize environmental impacts. Regulated Rivers-Research & Management 8(1-2): 5-14.

Parasiewicz, P., S. Schmutz and O. Moog (1998). The effect of managed hydropower peaking on the physical habitat, benthos and fish fauna in the River Bregenzerach in Austria. Fisheries Management and Ecology 5(5): 403-417.


Wie steht es um unsere Fließgewässer?
2.031 morphologisch stark veränderte Abschnitte
82 Schwallstrecken
756 Restwasserstrecken
575 Staustrecken >500 m
3.148 Wanderhindernisse
(Quelle: Veronika Koller-Kreiml/Gisela Ofenböck, BMLFUW, Taggung 29./30.11.2007, Innsbruck)

 

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Kraftwerke bedrohen König der Mur

Die freie Fließstrecke der Mur von Graz bis Mellach ist Lebensraum des Huchen - des Königs der Mur. Er reproduziert hier wieder natürlich, das heißt, er überlebt in diesem Murabschnitt auch ohne Neubesatz. Dieser Lebensraumtyp soll nun durch zwei Murkraftwerke zerstört werden.

In der Mur leben rund 2.000 fortpflanzungfähige Huchen - das entspricht ca. der Hälfte des gesamten Huchenvorkommens in Österreich. Weitere größere Bestände gibt es in der oberen Drau, der Gail, der Pielach und der Enns. Diese Fischart ist auf der Roten Liste gefährdeter Tierarten als "stark gefährdet" eingestuft. Wie für die meisten anderen Fischarten auch, liegen die Ursachen in den unterbrochenen Wanderwegen zu den Laichplätzen, deren Verlust durch Stauhaltungen, Stauraumspülungen und Schwallbetrieb von Wasserkraftanlagen und in der Folge an der Futterknappheit.

Über den Grazer Murauen samt ihrer über 20 km langen unverstauten Fließstrecke hängt derzeit das Damoklesschwert der Kraftwerksprojekte Gössendorf und Kalsdorf. Der Amtssachverständige der Naturschutzabteilung, DI Karl Fasching, spricht sich in seinem Gutachten klar für die Erhaltung dieses 1.400 ha großen biogenetischen Reservates und Landschaftsschutzgebietes südlich von Graz aus. Trotz der anzuerkennenden Bemühungen der Kraftwerksbetreiber, die Störungen und negativen Auswirkungen des Projektes zu mildern, kommt der Sachverständige zum Schluss, dass das Vorhaben in Umfang und Ausführung erhebliche Beeinträchtigungen für Biotope und Ökosysteme verursacht. Besonders, wenn man das Verhältnis zum Stellenwert des Landschaftsschutzgebietes, dessen Schutzzweck und Schutzziele betrachtet. Trotz all dem hat die Behörde am 14. März d. J. im UVP-Verfahren zugunsten der Kraftwerke entschieden, worauf der NATURSCHUTZBUND Anfang April dagegen berufen hat.

Kraftwerksboom
Wie aktuelle Projekte zeigen, macht der Wasserkraftboom nicht einmal vor Schutzgebieten halt - eine dramatische Entwicklung, die negative Auswirkungen auf Tourismus, Artenvielfalt, Wasserhaushalt, Naturräume, freie Fließstrecken und unser Naturerleben hat. Über 40 Wasserkraftwerke sind in der Steiermark geplant - ob an der Mur, der Sölk, der Schwarzen Sulm oder am Johnsbach - die letzten Flussjuwele dürfen nicht als Kapitalanlagen geopfert werden. Statt punkto Klimaschutz auf Energiesparen, Effizienzmaßnahmen und Optimierung bestehender Anlagen zu setzen, wird wertvolle Natur zerstört. Die Naturschutzverbände protestieren gegen diese Entwicklung und zeigen "Flagge": Der NATURSCHUTZBUND hat seinerseits eine Auwaldparzelle am Murufer in Feldkirchen angekauft, um solche hochwertigen Naturräume zu sichern. Ein Antrag zur Unterschutzstellung dieses Auwaldhabitats ist eingebracht - die Ausweisung als 2Geschützter Landschaftsteil2 wurde bereits zugesagt.

Text: Ingrid Hagenstein, Prof. Dr. Johannes Gepp

 

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Grenzenloses Mur-Erleben

Der Lebensraum Grenzmur samt Flusseinzugsgebiet, der sich entlang der slowenischen Grenze von Spielfeld bis Radkersburg erstreckt, wurde an mehreren Abschnitten nachhaltig verbessert. Eines der bedeutendsten Fluss-Revitalisierungsprojekte in Österreich wurde hier umgesetzt...

Aufweitungen an der Mur bei Gosdorf und Weitersdorf, das Entfernen von Uferverbauungen bei Donnersdorf oder eine Fischpassage am Mühlbach zeugen von der positiven Veränderung für das Flussgebiet und seine Lebewesen. Diese Beispiele sind nur einige von vielen, wo sich der Fluss sein Bett wieder selbst wählen darf, Schotter weiter bewegen oder den Auwald überfluten kann und Fischen das Wandern wieder ermöglicht wird. Aufbauend auf das grenzüberschreitende Projekt1 "Lebensraum Unteres Murtal" und das "Wasserwirtschaftliche Grundsatzkonzept für die Grenzmur" wurden Maßnahmen umgesetzt, die sowohl den Lebensraum, als auch die Ressource Wasser sichern. Für das gesamte Projektgebiet von ca. 137 km² wurden 3,8 Mio. Euro in die Hand genommen. Das Projekt erstreckt sich über die Jahre 2002-2008 und schließt das neue Europaschutzgebiet "Steirische Grenzmur mit Gamlitzbach und Gnasbach" ein. Der Projektträger Wasserverband Wasserversorgung Bezirk Radkersburg arbeitet dabei eng mit der slowenischen Seite zusammen.

Ziele
Zum einen stehen der Hochwasserschutz (durch die Aktivierung zusätzlicher Retentionsräume), die Stabilisierung der Flusssohle und die Verbesserung der Grundwassersituation für die Gesamtregion an oberster Stelle. Zum andern ist es die Umsetzung eines Natura-2000 Managementplans, der die Themen Wasserhaushalt und Wasserwirtschaft, Naturschutz und Tourismus integriert und die Grundlage für alle Maßnahmen im Natura 2000 Gebiet ist. Damit wurden gute Voraussetzungen geschaffen, um den Naturhaushalt so minimal wie möglich zu beeinträchtigen, die Landschaft nachhaltig zu nutzen, so dass ihre ästhetische Qualität erhalten bleibt und den Tourismus schonend zu entwickeln.

Muraufweitung Gosdorf
Auf einer Länge von 1.000 m wurde das Flussbett bei Gosdorf von zuvor 85 m auf 250 m erweitert! Ziel ist, die Mur in diesem Abschnitt in mehrere Flussarme aufzuzweigen und zwischen Schotterinseln fließen zu lassen. Damit wird ein Zustand erreicht, der weitestgehend dem natürlichen Zustand entspricht. Nachdem die Uferverbauung auf der gesamten Länge entfernt wurde, kann das Wasser 300.000 m³ Geschiebe durch Seitenerosion selbst bewegen. Durch den neu angelegten Hinterrinner - eine Tiefenrinne zwischen dem Ufer und vorgelagerten Kiesbänken - ist eine etwa 150 m breite Insel entstanden, die der natürlichen Dynamik der Mur überlassen bleibt. Durch die Anbindung des Saßbaches in den Hinterrinner der Mur sind die Fluss- und Bachgewässer optimal miteinander vernetzt.

Text: Ingrid Hagenstein

 

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Lebenswerter Inn

Reaktivierung eines Seitenarmes bei Kundl und Radfeld

Der Inn hat gerade in den letzten 150 Jahren große Flächen seiner ehemals ausgedehnten Auenlandschaften eingebüßt. Er ist einer von vier Modellflüssen Österreichs, an denen verschiedene Revitalisierungsmaßnahmen umgesetzt werden: Eine davon ist die Anbindung eines ehemals durchströmten Seitenarms an den Hauptfluss, eine andere die Umgestaltung der Auenlandschaft.

Von etwa 1.600 ha Auen im Jahr 1855 sind im Tiroler Inntal nur noch rund 210 ha erhalten. Das ursprüngliche Artenspektrum von 31 Fischarten ist heute im Wesentlichen auf die Äsche, die Bachforelle und die Regenbogenforelle beschränkt. Die Tiroler Landesregierung bekennt sich dazu, dass neben dem Schutzwasserbau auch der Gewässerentwicklung, zu der die Reaktivierung dieses Seitenarmes zählt, ein hoher Stellenwert zukommt. "Durch die Anbindung des Seitenarmes an den Inn, die Verwendung von ingenieurbiologischen Gestaltungsmaßnahmen und die Schaffung von Stillwasserbereichen kann eine wesentliche ökologische Verbesserung des Flussraumes und dessen Lebensgemeinschaften im Projektsabschnitt erreicht werden", erklären Landesrätin Anna Hosp und Landesrat Hannes Bodner. Bei der Gestaltung wird besonders auf die bestmögliche Erhaltung des bestehenden Auwaldbestandes geachtet. Das Projekt wurde auch von mehreren Sponsoren aus der Wirtschaft unterstützt.

Wiederherstellung von Flüssen
Der Inn ist nur ein Beispiel dafür, welche ökologischen Beeinträchtigungen alpine Flüsse erfahren haben. Aus diesem Grunde wird heute national und international die Wiederherstellung der ökologischen Funktionsfähigkeit der Fließgewässer sowie deren typische Lebensräume als wichtiges Ziel erkannt und betrieben. Hierbei stellen etwa die Richtlinien der Europäischen Union (Wasserrahmenrichtlinie, Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie) wichtige Rechtsinstrumente dar. Gerade Tirol hat positive Beispiele solcher Projekte vorzuzeigen, wie etwa die Revitalisierungen am Lech, an der Vils, an der Großache, dem Kohlenbach oder der Isel und ihren Zubringern Schwarzach und Kalserbach.

Masterplan Inn
Was am Inn in den nächsten Jahren geschehen soll, ist im so genannten "Masterplan Inn" zusammen gefasst. Mit ihm hat die Tiroler Landesregierung in Zusammenarbeit mit Lebensministerium und WWF 2007 die Strategien zur künftigen Hochwasserprävention und zur Gewässerentwicklung am Inn beschlossen. Eine wichtige Basis dafür war das so genannte "Revitalisierungskonzept Inn", das 2005 erstellt wurde. Das Ziel ist, den Inn wieder "sicherer und lebendiger" zu gestalten. Darüber hinaus ist seit dem November 2006 eine Schutzgebietsbetreuung vom Land Tirol, Abt. Umweltschutz für die Auenschutzgebiete eingerichtet worden. Auf Basis des Masterplans und der Schutzgebietsbetreuung Innauen deklariert sich das Land Tirol zu einer ökologischen Verbesserung des Inns und zum Erhalt der Innauen. -HA-

Informationen: Land Tirol, Abt. Wasserwirtschaft, Mag. Andreas Murrer, andreas.murrer@tirol.gv.at, Land Tirol, Abt. Umweltschutz, Mag. Harald Pittracher, harald.pittracher@tirol.gv.at, WWF, Mag. Hermann Sonntag

 

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Front gegen Innkraftwerk Telfs

In den nächsten Jahren soll ein weiteres Laufkraftwerk am Inn und zwar bei Telfs entstehen. In einer gemeinsamen Erklärung sprechen sich zahlreiche Naturschutzorganisationen gegen den Bau aus. Sie sehen das Auenschutzgebiet "Rietzer und Mieminger Innauen", die Schotterbänke und damit verbunden die Brutplätze für Vögel in Gefahr.

Die Innsbrucker Kommunalbetriebe (49 % Eigentum der Tiroler Wasserkraft AG) planen die Errichtung eines Laufkraftwerks im Bereich Telfs/Rietz, das einen ökologisch sehr hochwertigen und für den Tiroler Inn einzigartigen Bereich betrifft. Durch fünf Innkraftwerke im Tiroler Unterland ist der Inn in mehrere Einzelabschnitte zerschnitten. Flussabwärts folgen bis zur Donaumündung weitere 19 (!) große Kraftwerke. Fische und andere aquatische Organismen können nicht mehr wandern, der genetische Austausch zwischen den Populationen wird verhindert und deren Anfälligkeit für Krankheiten und Umwelteinflüsse erhöht. Ausleitungen und Stauungen haben das hydrologische Regime stark verändert.

Vor diesem Hintergrund kommt der Strecke des geplanten Kraftwerks auch eine wesentliche Bedeutung als freie Fließstrecke zu, die über die Tiroler Grenzen hinausgeht. Darüber hinaus ist dieser Abschnitt auch einer der gewässermorphologisch naturnahesten Bereiche am Inn.

Schlechter ökologischer Zustand
Der Inn ist mit seinen 520 km Länge und seinem Einzugsgebiet von rund 26.000 km2 der größte Donauzubringer Mitteleuropas und einer der wichtigsten Alpenflüsse Österreichs. Durch seine Lage in einem der am intensivsten genutzten Täler der Welt kam es im Laufe der vergangenen Jahrhunderte zu großflächigen Veränderungen der Flusslandschaft, ihrer Charakteristik und der typischen Landschaftselemente. Die wesentlichsten Defizite aus ökologischer Sicht sind die Beeinträchtigung durch Kraftwerke, der Verlust von Lebensräumen und Arten und die Geschiebeproblematik.

Der entsprechend schlechte ökologische Zustand des Inn ist durch mehrere umfangreiche Studien, wie beispielsweise "Inn 2000" dokumentiert und spiegelt sich auch in der Einstufung des Lebensministeriums, der sog. "IST-Bestandsanalyse", für die EU-Wasserrahmenrichtlinie wider. Vor diesem Hintergrund wurde der "Masterplan Inn zur Hochwasserprävention und Gewässerentwicklung" verabschiedet.

Die Naturschutzorganisationen fordern daher die Tiroler Politik auf, das geplante Kraftwerk abzulehnen und eine Entscheidung im Sinne des Masterplans für einen "sicheren und lebendigen Inn" zu treffen, damit die Ziele der EU-Wasserrahmenrichtlinie nicht untergraben werden.

Breite Ablehnung
Die Naturschutzorganisationen BirdLife, Naturfreunde, NATURSCHUTZBUND und WWF, der Tiroler Fischereiverband, die Innsbrucker Fischereigesellschaft lehnen das geplante Innkraftwerk bei Telfs aus folgenden Gründen ab:
Gefährdung des Auen- und Sonderschutzgebietes Rietzer und Mieminger Innauen. Dieses gehört zu den wenigen Auenresten am gesamten Tiroler Inn. Der Inn hat schon einen großen Teil seiner Auen in den letzten 100 Jahren verloren. Die noch erhaltenen 3-5% sind daher absolut erhaltenswert und sollten nicht einem Kraftwerksprojekt geopfert werden.
Zerstörung der Schotterbänke. Die im Staubereich gelegenen und für alpine Fließgewässer typischen Schotterbänke beherbergen einzigartige und gefährdete Tier- und Pflanzenarten wie Flussuferläufer, Flussregenpfeifer, Äsche, Huchen, Schmerle und Koppe sowie die Deutsche Tamariske und zahlreiche Kleinlebenwesen.
Widerspruch zu einem "sicheren und lebendigen" Inn. Das Innkraftwerk bei Telfs stellt einen Widerspruch zu der von allen Organisationen sehr positiv gesehenen Initiative des Landes im Rahmen des Masterplans "Unser Inn" dar. Im Speziellen, da das geplante Kraftwerk in einem der wertvollsten Abschnitte am Inn umgesetzt werden soll und die freie Fließstrecke dieses Gewässers mit einem Schlag halbiert wird.
Verlust der Dynamik und ökologischen Funktionsfähigkeit. Das geplante Kraftwerk bei Telfs führt zu weiteren ökologischen Verschlechterungen wie die Verringerung der Fließgeschwindigkeit, den damit zusammenhängenden Verlust an Dynamik, Änderungen der Grundwasserverhältnisse etc. Diese Veränderungen werden auch das Umland und die angrenzenden Gewässerabschnitte stark beeinflussen.
Informationen: Katharina Peer, BirdLife, Hermann Sonntag, WWF

 

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Naturschutzplan Fließgewässer: Tirols Fließgewässer fertig kartiert

Die von der Abt. Umweltschutz in Auftrag gegebene Studie "Naturschutzplan Tiroler Fliessgewässerräume" untersuchte die naturräumliche Bedeutung der Fließgewässer Tirols. Damit liegt dem Land Tirol eine ökologische Beurteilung und Inventur der Tiroler Fließgewässer vor. Die Studie ermöglicht es, die noch vorhandenen naturnahen und besonders schützenswerten Gewässer zu erhalten. Der Naturschutzplan ist als Planungs- und Entscheidungsgrundlage zu verstehen, die einen guten Überblick über die Fließgewässer Tirols und deren Einzugsgebiete gibt. Er ersetzt aber keineswegs die naturschutzfachliche Detail- oder Standortprüfung bei konkreten Projekten, da hier umfangreichere und detailliertere Datengrundlagen zu verschiedensten Schutzgütern erforderlich sind.

Die Ergebnisse werden auch als Basis für eine weitere Wasserkraftnutzung herangezogen. Dabei wird darauf geachtet, dass "Referenzlebensräume" erhalten werden, die frei von jeglicher energiewirtschaftlicher Nutzung sind. Weiters sollen jene Bereiche einen zukunftsorientierten Schutz erhalten, die für den Naturschutz von besonderer Bedeutung sind. Dafür wurde die "Checkliste für Wasserkraftwerke bis 15 MW Engpassleistung aus naturschutzfachlicher Sicht" erarbeitet und im Dezember 2006 von der Tiroler Landesregierung beschlossen.

Weitere Informationen: Abt. Umweltschutz, T 0043/(0)512/508-3452 www.tirol.gv.at/themen/umwelt/naturschutz/kleinwasserkraftwerke

 

 

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Ybbs-Au: Schlägerungen im Schutzgebiet

In Ybbs wurde kürzlich eine Fläche von rund zwei Hektar gerodet. Die Rodungsflächen liegen mitten im Natura-2000-Gebiet "NÖ Alpenvorlandflüsse" und stehen als "Hartholzauwälder" nach der FFH-Richtlinie unter Schutz: Laut Natura-2000-Leitfaden des Landes Niederösterreich stellen die Eichen-Ulmen-Eschenauen dieses Europaschutzgebietes ein höchstrangiges Erhaltungsziel dar. Sie mussten als natürlicher Hochwasserschutz einem Gewerbegebiet weichen.

Ausgehend von diesen naturschutzrechtlichen Vorgaben sind die erfolgten Schlägerungen vollkommen unverständlich. Daher hat der NATURSCHUTZBUND NÖ gemeinsam mit BirdLife und WWF Österreich die zuständige Behörde um Übermittlung der Ergebnisse folgender rechtlichen Prüfungen ersucht: Naturschutzrecht (Natura 2000 Vorgaben, NÖ Naturschutzgesetz), Raumordnungsrecht (Flächenwidmung im Hochwasser-Abflussgebiet), Forstrecht (Rodung - Ersatzaufforstung) und Wasserrecht (Verlust von Hochwasser-Retentionsraum).

... für ein Gewerbegebiet
In einer Stellungnahme der NÖ Umweltanwaltschaft hat diese mitgeteilt, dass sowohl die erforderliche UVP als auch eine strategische Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt wurden. Grund der Schlägerungen war die Errichtung eines Hochwasserschutzdammes für Ybbs, einer Flutmulde für den Hochwasserschutz und die Erweiterung des Gewerbegebietes für die Fa. Stora Enso. Mittels Aufforstungen sollen die Rodungen kompensiert werden. Dieser Argumentation schließt sich der NATURSCHUTZBUND NÖ nicht an! Nach internationalen Vorgaben gilt das sog. "Verschlechterungsverbot" für die definierten Schutzgüter. Die betroffenen Eichen-Ulmen-Eschenauen können nicht durch Aufforstung "wiederhergestellt" werden. Äußerst bedenklich ist, dass für die Erweiterung des Gewerbegebietes ein international geschütztes Schutzgut zerstört wird und dass einmal mehr ein Gewerbegebiet in einem natürlichen Hochwasser-Retentionsraum erweitert wurde!

Text: NATURSCHUTZBUND NÖ

 

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Zaya: Uralter Auwald geschlägert

Der Schrecken war groß, als Mitglieder des NATURSCHUTZBUNDes Anfang dieses Jahres die Schlägerungen an der Zaya zwischen Eben- und Hobersdorf entdeckten. Auf ca. 1,5 km Länge war der auf einem Damm stockende Waldstreifen zwischen Zaya und Mühlbach weitgehend verschwunden.

Beim Lokalaugenschein des NATURSCHUTZBUNDes NÖ zeigte sich das ganze Ausmaß dieses bedauerlichen Eingriffes in die Natur: Alte Eschen und ein teils uralter, auwaldartiger Weidenbestand hatten den Motorsägen weichen müssen. Allein aufgrund seines Alters- und Höhlenreichtums muss dieser Waldbestand als Brut- und Wohnstätte zahlreicher Tierarten als bedeutend eingestuft werden. Ganz zu schweigen von seiner Funktion als ökologischer Korridor in der ohnehin zunehmend stark belasteten Tallandschaft östlich von Mistelbach. Die Schlägerung ist aus naturschutzfachlicher Sicht höchst bedenklich und entspricht kaum der EU-Wasserrahmenrichtlinie. Der NATURSCHUTZBUND erwartet sich eine Prüfung des Sachverhaltes.

Text: Ingrid Hagenstein/NATURSCHUTZBUND NÖ

 

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Ettlinger Mühlbach vor Zuschüttung

Im Ettlinger Mühlbach, einem Zubringerbach der Zaya auf dem Gemeindgebiet St. Leonhard am Forst, wurden vor geraumer Zeit die stark gefährdeten Fluss- oder Bachmuscheln Unio crassus gefunden. Da die Mühle aufgelassen wurde, soll nun auch das Wasserrecht gelöscht und damit der Mühlbach zugeschüttet werden.

Damit würde jedoch der Lebensraum und damit auch die international geschützte Muschelart selbst zwangsläufig verschwinden. Weil dies mit den naturschutzrechtlichen internationalen Verpflichtungen nicht vereinbar ist, muss bald eine Lösung zur Erhaltung des Mühlbachs gefunden werden. Der NATURSCHUTZBUND NÖ ist bereit, die laufende Pflege des Baches zu übernehmen und hat nun, um die drohende Verfüllung zu verhindern, eine Naturverträglichkeitsprüfung gefordert. Derzeit wird gemeinsam mit Vertretern der Abteilungen Wasserbau und Naturschutz des Landes NÖ, der BH Melk, der Gemeinde St. Leonhard und den Grundeigentümern nach einer Lösung gesucht.

Text: Ingrid Hagenstein/NATURSCHUTZBUND NÖ

 

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Kein Kraftwerk an der Schwarzen Sulm

Ein Mahnschreiben aus Brüssel bestätigt die Kritik der Naturschutzorganisationen an den geplanten Kraftwerken mitten im Europaschutzgebiet. Diese sind mit der Erhaltung des einzigartigen Flussjuwels unvereinbar. Die Antwort der EU-Kommission spricht eine deutliche Sprache.

Die Schwarze Sulm, ein Oberlauf der grenznahen Sulm mit Ursprung in der Koralpe, zählt nicht nur zu den hochwertigsten, sondern auch den letzten, unberührten Schluchtstrecken Österreichs - ein unerschlossenes, ursprüngliches Gebiet mit hochwertigsten Lebensräumen. Gemeinsam mit dem Arbeitskreis zum Schutz der Koralpe hat der NATURSCHUTZBUND schon vor rund neun Jahren die Ausrufung zum Naturdenkmal eingefordert, um jegliche Kraftwerksnutzung zu verhindern. Mitte 2006 - nachdem auch der Landtag dazu bereit war - wäre es so weit gewesen, hätte nicht die Behörde das Kraftwerk genehmigt, ohne zuvor den Naturdenkmal-Bescheid abzuwarten.

Im Vorfeld zur Natura-2000-Ausweisung ergab die naturschutzfachliche Prüfung (Screening) der Behörde, dass es sich "um die längste, zusammenhängend unbeeinflusste Fließstrecke eines gestreckten Flusses mit zentralalpinem Einzugsgebiet" in der Steiermark handelt. Aber nicht einmal die Ausweisung zum 220 ha großen Europaschutzgebiet "Schwarze und Weiße Sulm" Ende 2004 konnte die privaten Kraftwerksbetreiber von ihrer Kraftwerksplanung abhalten. Sie hatten "überwiegend öffentliches Interesse und/oder Vorteile für Umwelt und Gesellschaft" angeführt! Und das, obwohl mit dem Kleinkraftwerk nur eine Stromleistung von 0,028 % der österreichischen Gesamtstromerzeugung aus Kleinkraftwerken zu erreichen ist.

Die behördliche Prüfung der Kraftwerksprojekte ergab jedenfalls, dass mit erheblichen Auswirkungen auf das Schutzgebiet gerechnet werden müsse. Trotzdem wurde auf Betreiben der Kraftwerksinteressenten ein Gutachten eines privaten Konsulenten eingeholt. Nachdem dieses zum gegenteiligen Ergebnis kam, dass nämlich nicht mit erheblichen Auswirkungen zu rechnen sei, wurde im Juli 06 die naturschutzfachliche Genehmigung für das Kraftwerksprojekt erteilt! Arbeitskreis, WWF und Naturschutzbund haben eine Beschwerde bei der EU-Kommission eingebracht sowie einen offenen Appell an EU-Umweltkommissar Stavros Dimas gerichtet.

Im Oktober 07 antwortete die EU-Kommission mit einem Mahnschreiben an die Republik Österreich: Darin wird unmissverständlich festgehalten, dass die Genehmigung des Kraftwerkes im Natura-2000-Gebiet Schwarze Sulm gegen EU-Recht verstößt. Die Kommission bezieht sich auf die gesetzwidrige Vorgangsweise der steirischen Behörden für Naturschutz und Wasserrecht bei der Beurteilung des Sulm-Kraftwerkes: Diese hätten bei der Genehmigung des Kraftwerkes dessen ökologische Auswirkungen auf das Natura 2000-Gebiet Schwarze Sulm allzu optimistisch bewertet. In Wahrheit würde die ökologische Qualität des Flusses durch das Kraftwerk massiv geschädigt werden. Darüber hinaus würde die geringe Menge an gewonnener Energie den Eingriff in die einzigartige Flusslandschaft nicht rechtfertigen und der EU-Wasserrahmenrichtlinie zuwider laufen. Diese sieht ein Verschlechterungsverbot für ökologisch wertvolle Flüsse vor. Wörtlich heißt es: "Es ist aufgrund des Bescheides (Genehmigung, Anm. d. Red.) nicht nachvollziehbar, wie das Kraftwerk mit einer maximalen Leistung von 4.920 kW auch nur "überregionale Vorteile" aufweisen soll bzw. gegenüber der Erhaltung dieser [...] Fließstrecke [...] einen überwiegenden Nutzen hätte.

Nach jahrelangen innersteirischen Auseinandersetzungen um das Sulm-Kraftwerk ging die Entscheidung über dessen wasserrechtliche Genehmigung schließlich an das Lebensministerium über. Nun liegt die Rettung der Schwarzen Sulm in der Verantwortung des Umweltministers. Zur Nagelprobe wird hier der Masterplan Wasserkraft werden, da nach dessen Kriterien die Schwarz Sulm als "sehr sensibel" eingestuft werden müsste.

Text: Ingrid Hagenstein

 

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Salzach - Revitalisierung

Die Salzach fließt fast gänzlich reguliert und mit vielen Wasserkraftwerken unterbrochen durch das gesamte Bundesland. Als Folge davon grub sich der Fluss nördlich der Stadt Salzburg mehrere Meter in sein Bett, vom einstigen Fischartenreichtum blieb nur wenig und es besteht dringender Handlungsbedarf. Mit dem länderübergreifenden Jahrtausendprojekt "Die Zukunft der Salzach - Renaturierung eines Lebensraumes" soll Abhilfe geschaffen werden. Um bei Hochwasser Überschwemmungen vorzubeugen, hat man an mehreren Streckenabschnitten das Flussbett aufgeweitet.

Im Großteil der etwa 60 km langen Strecke von Salzburg bis zur Einmündung in den Inn neigt der Grenzfluss zur Eintiefung. Ausgelöst wurde diese Tendenz vor allem durch die Begradigung und harte Verbauung des Flusses vor knapp 200 Jahren, verschärft wurde sie durch die jahrzehntelange Schotterentnahme. Mit dem Konzept "Weiche Ufer" sollen Längsverbauungen entfernt und so der Fluss von seinem Korsett befreit werden. Damit erhält die Salzach die Möglichkeit, sich zu verbreitern. Erfahrungen aus bereits durchgeführten Maßnahmen an anderen Flüssen haben gezeigt, dass so die weitere Eintiefung gestoppt und sogar umgekehrt werden kann. Die grenzüberschreitende Aktionsgemeinschaft "Lebensraum Salzach", der auch der NATURSCHUTZBUND Salzburg angehört, mahnt seit Jahren die Verantwortlichen, dem Fluss "seinen" Schotter zurückzugeben.

Gestern
Zwischen Salzburg und der Mündung in den Inn durchfloss die Salzach vor der großen Regulierung eine weitläufige Fluss- und Auenlandschaft von rund 5.700 ha. 44 Fischarten, von den Weitwanderfischen Stör, Hausen und Sterlet bis zum Steinbeißer und Schlammpeitzger als Kleinfische, besiedelten Salzach und Inn. Heute sind es nur mehr 26 Arten. die der Salzach beschlossen. Eine der Folgen der großen "Korrektion" war eine immer schnellere Eintiefung des Flussbettes, die in den 1990ern eine kritische Untergrenze erreichte. Deshalb wurden mit der "Wasserwirtschaftlichen Rahmenuntersuchung Salzach" (WRS) Sanierungsmaßnahmen entwickelt. Beim Hochwasser 02 kam es zwischen der Saalachmündung und Laufen/Oberndorf auf einer Strecke von zirka sechs Kilometern zum befürchteten Sohldurchschlag, das heißt der schlagartigen weiteren Eintiefung um mehrere Meter innerhalb eines Tages. Bei einem weiteren - auch kleineren - Hochwasserereignis gehen die Flussbauexperten von einer akuten Gefährdung des Ortsbereiches Laufen/Oberndorf aus, da sich der Sohldurchschlagsbereich flussabwärts fortzusetzen droht.

Heute
Im Herbst 06 wurde mit der Sanierung zwischen den Doppelstädten Laufen/Oberndorf und der Saalachmündung begonnen, im Winter 07/08 erfolgte die Stützung der Salzachsohle flussabwärts, unterhalb der beiden Städte. In weiterer Folge wird auch die Flusssohle im Freilassinger Becken südlich der Landeshauptstadt im Winter 08/09 mit einer Rampe gestützt. Auf weiten Strecken werden "weiche" Ufer die Salzach von ihrem Steinkorsett befreien, damit diese sich in die Breite entwickeln kann. Alles zusammen bewirkt eine Stabilisierung des malträtierten Flusses.

Morgen
Flache fisch- und bootspassierbare Rampen werden die Flusssohle stabilisieren, über Aufweitungen wird der Fluss im Jahresrhythmus des Abflussgeschehens abgelagerte Schotter neuerlich mobilisieren und damit wieder dynamische Wechselprozesse, Abtrag, Auflandung, wandernde Kiesbänke, Pionierstandorte, aber auch deren hochwasserbedingte Zerstörung in Gang zu setzen.

Mehr Raum für die Obere Salzach im Pinzgau
Ein aufgeweitetes Flussbett ist der beste Hochwasserschutz. In Mittersill wurde der Salzach deshalb wieder mehr Raum für ihr Bachbett zurückgegeben, um die Hochwassergefahr zu verringern - in Kombination mit einem Hochwasserdamm. Erfahrungen mit Renaturierung und Flussaufweitungen wurden zuvor bereits bei Bramberg (Bild), Niedernsill und an der Stubachmündung gesammelt. Die Biotopschutzgruppe Pinzgau des NATURSCHUTZBUNDes bemüht sich seit Jahren auch um die Erhaltung von letzten Feuchtwiesen, Sumpfflächen, Auwäldern und Mooren im Talraum des Oberpinzgaus. Solche Flächen können - wenn sie in genügender Anzahl und Größe vorhanden sind - als wirksamer Wasserspeicher und Retentionsraum in der Landschaft dienen. Das Positive an derartigen Feuchtflächen ist, dass sie auch eine gelegentliche Überflutung gut vertragen. Ein paar mehr solcher Rückhalteflächen kann der Pinzgau - wie an den dramatischen Hochwasserschäden der letzten Jahre im Raum Mittersill zu sehen war - sehr gut gebrauchen.

Text: Ingrid Hagenstein

Quelle: Dr. Paul Jäger, Land Salzburg, Gewässerschutz: "Wiederbelebung der Fischwanderung im Potamal eines großen Alpenflusses, der Salzach", Kurzfassung; Salzburger Landeskorrespondenz 26.9.07

 

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Interview

Donauausbau - Schifffahrt

Fische und Wellenschlag

Die Donau soll zwischen Wien und der Staatsgrenze ausgebaut bzw. umgestaltet werden - zum einen für die Schifffahrt, zum zweiten für die Sohlstabilisierung. Die Folgen für den Fluss, die Donau-Auen und die darin lebenden Tiere sind nicht absehbar. Derzeit ist das "Flussbauliche Gesamtprojekt" zur UVP eingereicht, zu dem auch der NATURSCHUTZBUND Eingaben gemacht hat. Das Konzept konzentriert sich auf eine verstärkte Vertiefung und Einengung der Schifffahrtsrinne, vernachlässigt aber wichtige ökologische Aspekte.

Wir führten mit dem Fischexperten Dr. Peter Nuschei diesbezüglich ein Gespräch. Obwohl gelernter Wirtschaftswissenschafter und Betriebswirt, gilt sein besonderes Interesse der Ökologie an Fließgewässern, insbesondere der Donau. 1963 verfasste er eine Diplomarbeit über "Die Fische und die Fischerei Österreichs", seit Jahrzehnten geht er seinem Hobby, der Angelfischerei, nach.

Was versteht man unter Wellenschlag?

Nuschei: Gemeint ist der schifffahrtsbedingte Wellenschlag. Im weiteren Sinne ist nicht nur die Welle selbst zu verstehen, sondern der Druck, die Wellenhöhe, der Sog, die Wellengeschwindigkeit, die zeitweise erhöhte Strömungsgeschwindigkeit und der Eintrübungsgrad, der Schwebstoffgehalt. Laut einer Studie beträgt die Klärzeit der aufgewirbelten Schwebstoffe 20-40 Minuten!

Welche Auswirkungen hat er auf die Fischbestände?

Nuschei: Wenn man bedenkt, dass es z. B. 2006 unterhalb von Wien 24.000 Schiffsbewegungen gab, mit täglich 64 Schiffen, bekommt man einen Eindruck von den Auswirkungen. Diese betreffen adulte Groß- und Kleinfische, deren Brut, Laichplätze und Eier. Fische ab einer mittleren Größe zwischen 0,3 und 3 kg sind widerstandsfähig gegenüber Wellen, Strömungen und Trübungen, kleinere nicht. Ist der Schwebstoffgehalt hoch, kommen zu wenige Fischnährtiere auf, die Gefahr von Hautkrankheiten, wie Verpilzungen steigt. Seichte Schotterbänke als Laichplätze für die strömungsliebenden Nasen, Nerflinge und Barben werden negativ beeinflusst: Die Eier, die 2-4 Wochen zur Entwicklung brauchen, werden häufig weggespült oder verpilzen. Schlüpfen doch noch Jungfische, finden sie laut wissenschaftlicher Studien zwischen Wien und Marchmündung nur mehr zehn Bereiche mit Flachwasserzonen für ihre Entwicklung.

Nennen Sie bitte einige Auswirkungen des geplanten Donauausbaus

Nuschei: Mein Hauptkritikpunkt ist: Wird die geplante Grobkornzugabe (40-70 mm) zur Stabilisierung der Flusssohle und Verhinderung der weiteren Eintiefung einem großen Hochwasser standhalten oder weggespült werden? Die dazu nötigen Mio. Tonnen von Schotter könnten dann zu einer Zerstörung aller Uferzonen führen. Es gibt keine Versuche vor Ort, sondern nur kleine Modellversuche und die Hoffnung, dass es nicht so sein wird.

Wichtig ist jedenfalls, dass die Donau wieder mit Altarmen und der Au vernetzt wird, denn das garantiert einen strukturreichen Fischlebensraum und auch eine Zunahme der Fischmenge. Zu wenige Durchflusstage und geringe Wassermengen bringen hingegen weitere Verlandungen. Auch Buhnen sind weiterhin als Wellenbrecher wichtig. Dass tiefe, alte Wasserkolke (5-10 m) eingeebnet werden, ist abzulehnen. Auch, dass in der Diskussion die Tiefe der Schifffahrtsrinne (2,50 m oder 2,90 m) die zentrale Bedeutung einnimmt, scheint mir nicht der richtige Zugang zum Problem zu sein.

Was wären sinnvolle Beschränkungen des Schiffsverkehrs?

Nuschei: Der Schiffsverkehr hat sich von 1996-2006 mehr als verdoppelt und steigt weiter an. Die übergeordnete Verkehrspolitik scheint zu lauten: von der Straße auf die Schiene und den Fluss. Dabei hat Österreich nur ein geringes Schiffstransport-Potenzial. Der Ausbau der Häfen mit Bahn- und Autozubringern zerstört die Umwelt und kostet Geld, wie der neue Hafen Freudenau. Traditionelle Frachtschiffe in Schubverbänden machen wenig Wellenschlag, moderne Frachtkähne mit Eigenantrieb schon mehr. Passagierschiffe mit über 100 m Länge erzeugen Druck, Sog und hohe Wellen. Der Katamaran Twin City Liner macht als Ausflugsschiff doppelt so viele Wellen und das mehrmals täglich und auch noch zum Jux! Nun wurde ein zweiter um 3,7 Mio. Euro angeschafft, der sogar nachts fahren kann, da mit Nachtsichtgerät ausgestattet - und das mitten durch den Nationalpark Donauauen! Für das Durchfahren des Nationalparks ist zu fordern:
Eine maximale Geschwindigkeit von 30 km/h während der Fortpflanzungszeit der Fische von Mai bis Juli (das ist die Normalgeschwindigkeit der Frachter)
Die zeitgemäße Novellierung des Schifffahrtsgesetzes hinsichtlich Wellenschlag, Lärm und CO2-Emissionen (Umweltpickerl für Schiffe?)
Einführung einer Ökoabgabe zum Durchfahren des Nationalparks für Abgeltung von Schäden. Immerhin werden auf der Wasserstraße Donau mautfrei 11 Mio. t Güter und 265.000 Passagiere pro Jahr transportiert.
Interview: Ingrid Hagenstein

Info: Die Grundlagenuntersuchung "Donauschifffahrt und Wellenschlag" ist 2007 in "Österreichs Fischerei" erschienen und kann beim Verfasser bezogen werden.

Tipp: Über "Donauausbau - Licht und Schatten" siehe in Natur & Land 5/2007

 

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Ant´nzön

Wasservogel-Zählungen an der Donau bei Wien seit 1964

Die Schwalbe ist ein Zugvogel und der Storch auch. Im Winter sind sie Afrikaner. So lernen wir es in der Schule. Stimmt. Für einen großen Teil der Enten, Gänse, Möwen, Säger, Taucher, Seeadler, die in Skandinavien, im Ostseeraum, im nördlichen Russland brüten, ist Mitteleuropa ihr "Süden". Brütend, verstreut über weite Landschaften, sind Wasservögel schwer zu erfassen. Wieviele von jeder Art? Zählen, messen - das ist die Stärke der Naturwissenschaft - und Zahlen brauchen wir immer und überall.

So begann 1964, von England ausgehend, ein Zählprogramm in Europa mit freiwilligen Mitarbeitern. Inzwischen hat sich die Zahl der Ornithologen (meist ausgezeichnete Laien-Kenner), "Bird-Watcher", "Birder", sagt man jetzt, etwa verzehnfacht. Das heißt, dass heute alle Ströme, Flüsse und Seen Europas am Stichtag Mitte Jänner "begangen" werden. Je kälter der Winter, desto verlässlicher die Zahlen (Schätzzahlen, etwa zu 90 % genau): Weil dann alle, aus Nahrungsgründen ans Wasser gebundenen Vögel, die letzten eisfreien Gewässer aufsuchen - und jetzt können wir zählen!

Zählen hält fit!
An der Donau begeht ein/e zählende/r Beobachter/in ca. 8-15 km Donauufer - Vergleichszählungen vom Motorboot aus ergaben ähnliche Daten. Stromkilometer und Uhrzeit werden notiert. Der spätere Auswerter der Teilstreckenberichte kann so verhindern, dass ein fliegender Schwarm stromab oder stromauf doppelt gezählt wird.

Als Student habe ich verschiedene Donaustrecken begangen, bin aber seit 43 Jahren dem Donauabschnitt Wildungsmauer - Deutsch-Altenburg "treu" geblieben. Anfangs nahm ich in die winterliche Au - in Österreich zählen wir Mitte November, Dezember, Januar, Februar, März - Freunde mit und als Gymnasiallehrer begleitete ich jahrzehntelang sonntags "naturbegeisterte", besser: "zu begeisternde" Jugendliche meiner Schule. Es waren an den meisten Zähltagen 10-40 Leute - der Zählende vorn, die "Schlange" folgend.

Erfreulicherweise haben sich die Vogel-Populationen nicht drastisch zum Schlechteren entwickelt. Der Seeadler-Bestand hat zugenommen; viele an sich seltenere nördliche Arten sind auf Grund der wärmeren Winter auch seltener zu sehen.

Was besonders schön war?
Die riesigen Baumstamm-Massen mit 100 mal 100 Metern, zum Teil 2 bis 3 m hoch am Einströmtrichter von Altarmen - "Amazonas" in Österreich! Einmal hinterließ ein Jännerhochwasser in einem Meter Höhe zauberhafte Eiszapfenringe an den Pappelstämmen. Juwelierarbeit wie im Märchen, nur die Prinzessinnen fehlten.

An strengen Wintertagen waren es im Wasser treibende, große Eis- und Schneeschollen mit Rauhreif - feine Musik, kein Wort dafür, nur ein Rieseln, Bröseln, Klingeln.

Oder die Großstadtnähe. Dennoch bin ich in 40 Jahren vielleicht fünf Mal einem Menschen im mittleren Streckenteil begegnet. Eben kein Kitzbühel!

Text: Mag. Hans Ernst, NATURSCHUTZBUND Wien

 

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Sympathiekampagne "Lebendiger Rhein"

Entwicklungskonzept Alpenrhein im Stillstand

Fünf Umweltorganisationen aus drei Ländern, darunter der NATURSCHUTZBUND Vorarlberg, sensibilisieren mit der Sympathiekampagne 2Lebendiger Rhein" die Bevölkerung für notwendige Revitalisierungen am Fluss. Sie unterstützen damit das Entwicklungskonzept Alpenrhein, das vor über zwei Jahren von allen Anrainerländern und -kantonen beschlossen worden war. Seither ist es um das Konzept recht still geworden. Dabei wäre seine Umsetzung dringend notwendig.

Verglichen mit seiner wilden, ungezähmten Vergangenheit ist der größte Gebirgsfluss Europas heute nur mehr ein Schatten seiner selbst. Ursprünglich war der Alpenrhein ein verzweigter Fluss mit mehren Armen, sich ständig verändernden Kiesbänken und periodisch überfluteten Auwäldern. Zusammen mit den Nebenflüssen, Bächen und Giessen bildete er ein großes vielfältiges Gewässersystem. Heute fließt der Alpenrhein auf dem Großteil seiner 90 km langen Strecke als strukturarmer Kanal eingeengt zwischen Schutzdämmen. Der regulierte, schnell fließende Alpenrhein hat sich streckenweise tief in den Untergrund gegraben, so dass viele seiner Zuflüsse heute mit einem starken Gefälle in den Hauptfluss münden. Dieser Eintiefungsprozess ist flussaufwärts von Buchs noch nicht abgeschlossen und auch unterhalb der Illmündung sind weitere Sohleintiefungen zu erwarten. Die Eintiefung des Alpenrheins hat auch Folgen für das Umland. Zwischen Bad Ragaz und der Illmündung liegt der Grundwasserspiegel sehr tief, die Giessen sind ausgetrocknet und die Torfböden der Riedgebiete zersetzen sich.

Ökologisch verarmt
All diese Veränderungen blieben nicht ohne Folgen für die Lebewelt des Alpenrheins. Am Beispiel der Fische zeigt sich dies besonders deutlich. 1850 lebten noch rund 30 Fischarten im weitgehend naturbelassenen Fluss. Heute sind es noch 17, davon sind 11 Arten nur noch vereinzelt nachzuweisen. Es verschwanden Schleie, Karpfen und Bitterling, da ruhig fließende Nebenarme und vernetzte Altarme im regulierten Alpenrhein weitgehend fehlen. Durch Wanderhindernisse können Fische zudem in viele Nebengewässer nicht mehr aufsteigen. Fischarten wie Hecht, Brachse und Flussbarsch büßten einen Großteil ihrer Laichplätze und "Kinderstuben" ein. Die Seeforelle - auch Rheinlanke genannt - kann über die gebaute Fischpassanlage beim Kraftwerk Reichenau zwar wieder vom Bodensee in ihre ursprünglichen Laichgebiete im Vorder- und Hinterrhein wandern, doch ihre natürliche Fortpflanzung ist dennoch nicht gewährleistet.

Im Einzugsgebiet des Alpenrheins gibt es fast vierzig Speicherkraftwerke. Bei Spitzenbedarf an Energie werden mehrmals am Tag enorme Wassermengen abgelassen: Schwall und Sunk beeinträchtigen nicht nur die natürliche Fortpflanzung der Fische massiv, sondern schädigen auch die gesamte Kleintierwelt und damit die Nahrungsgrundlage der Fische. Da der Wasserstand sich mehrmals pro Tag um bis zu einen Meter hebt und wieder senkt, werden Fischeier, Jungfische und Kleintiere fortgeschwemmt oder sie fallen trocken. Die starken Wasserstandsschwankungen trüben zudem das Wasser. Die Ablagerungen verstopfen den Schotter-Lückenraum der Flusssohle und Fischeier, Insektenlarven und andere Kleintiere ersticken.

Ungenügender Hochwasserschutz
Auch der Schutz vor Hochwasser weist am Alpenrhein massive Defizite auf. Insbesondere zwischen Illmündung und Bodensee ist die Sicherheit ungenügend. Angesichts der dicht bewohnten Ballungsräume und der enormen Sachwerte besteht dringender Handlungsbedarf.

Gemeinsam für einen lebendigen Alpenrhein
Das Entwicklungskonzept bietet die einmalige Chance, die Hochwassersicherheit und gleichzeitig den ökologischen Zustand zu verbessern. Aussicht auf Realisierung hat das Entwicklungskonzept aber nur, wenn die Öffentlichkeit und die Entscheidungsträger hinter diesem Jahrhundertprojekt stehen. Der Naturschutzbund Vorarlberg startete deshalb gemeinsam mit Liechtensteiner und Schweizer Umweltorganisationen bereits 2003 parallel zum Entwicklungskonzept die Sympathiekampagne "Lebendiger Rhein". Mit zahlreichen Veranstaltungen und einer eigenen Homepage sensibilisieren sie die Bevölkerung für einen lebendigen Alpenrhein.

Der NATURSCHUTZBUND Vorarlberg, WWF Graubünden und St. Gallen, Pro Natura St. Gallen-Appenzell und die Liechtensteinische Gesellschaft für Umweltschutz setzen sich mit vereinten Kräften für die Umsetzung der geplanten Projekte ein. Vorrangig gilt es, mehr Raum für den Alpenrhein zu schaffen. Denn dies ist die wichtigste Voraussetzung, um die meisten Probleme der Hochwassersicherheit und der ökologischen Funktionsfähigkeit am Alpenrhein zu lösen. 18 Aufweitungen sollen mehr "Breitwasser statt Hochwasser" ermöglichen und einen strukturreichen Hauptfluss, Nebengewässer, Auwälder, Überflutungs- und Feuchtflächen entstehen lassen. Der damit erreichte geringere Geschiebetransport wirkt der Eintiefung der Sohle entgegen und beeinflusst den Grundwasserspiegel und die -neubildung positiv. An einer Pilotstrecke zwischen Lustenau und Fußach sollte, wie vorgesehen, nun endlich die Reaktion des Rheins auf eine Aufweitung innerhalb der äußeren Dämme getestet werden. Rasches Handeln ist gefragt, denn die freien Flächen für die Aufweitungen müssen zügig raumplanerisch gesichert werden.

Text: Mag. Bianca Burtscher, NATURSCHUTZBUND Vorarlberg

Weitere Infos: www.lebendigerrhein.org

 

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Hochwasservorsorge durch Rückhaltebecken

Hochwasserereignisse sind seit jeher mit unserer Siedlungsgeschichte verbunden. Zur sinnvollen Hochwasservorsorge gegen allzu dramatische Auswirkungen gehören sowohl Überschwemmungszonen wie auch der Bau von Rückhaltebecken. Im Burgenland wurde der Bestand aller natürlichen Hochwasserrückhaltebecken erhoben und ihr ökologischer Zustand untersucht.

Rückhaltebecken oder Retentionsflächen, ob natürlich entstanden oder künstlich angelegt, schützen bei Hochwasser die Gemeinden und gewährleisten, dass das Wasser langsam abfließt. Ein dichtes Netz natürlicher Flächen überzieht bereits das Burgenland. Einige Becken sind derartig groß dimensioniert, dass auch seltene hydrologische Ereignisse wie Jahrhundert-Hochwässer, aufgefangen und der Schaden für die Ortschaften begrenzt werden kann.

Von Landesrat DI Niki Berlakovich initiiert, haben sich Politik und Verwaltung des Burgenlandes zum Ziel gesetzt, diese Hochwasserschutz-Einrichtungen zu erheben, zusammenzufassen und auch erstmals unter ökologischen Gesichtspunkten zu dokumentieren. Das Augenmerk wurde nicht nur auf die technischen Voraussetzungen gerichtet, sondern auch auf die immens wichtigen Aspekte des Naturschutzes, um ökologische Verbesserungen vornehmen zu können. Den Auftrag zur Durchführung erhielt der NATURSCHUTZBUND Burgenland.

Rückhaltebecken als Lebensraum
Jedes Rückhaltebecken ist ein eigener, charakteristischer Lebensraum: Der Bewuchs, die Beckengröße und -tiefe sind unterschiedlich, ebenso die Umweltfaktoren, wie Seehöhe, Klimazone oder Untergrund. Das Spektrum reicht von Trockenrasenelementen auf exponierten Beckenrändern bis hin zum Feuchtlebensraum im Becken selbst. Sie füllen heute oftmals eine Lücke in einer ausgeräumten, eintönigen Kulturlandschaft und haben sich zu unverzichtbaren naturräumlichen Elementen entwickelt: Sie verbinden weit auseinander liegende Habitate miteinander und ermöglichen einen genetischen Austausch.

Der naturschutzfachliche Wert der etwa 140 Rückhaltebecken des Burgenlandes ist sehr unterschiedlich: Einige zeigen eine hohe Artenvielfalt an Pflanzen und Tieren, die auch in der Fauna-Flora-Habitatrichtlinie der EU angeführt sind. Andere erfüllen diese Bedingungen nicht, bieten aber ein hohes Potenzial für verbessernde Maßnahmen. Studien zeigten, dass durch eine geschickte Renaturierung von künstlichen Gewässern das ökologische Gefüge und die Artenvielfalt entscheidend verbessert und der Arbeitsaufwand für Pflege und Beckenerhaltung minimiert werden können: Mit standortgerechten Gehölzen, Verlandungszonen und einer guten Gliederung der Flächen ausgestattet, profitieren sowohl die Natur als auch der Mensch.

Erstmals wurden ökologische Parameter des "Lebensraums Rückhaltebecken" und der dort lebenden Pflanzen- und Tierwelt ermittelt, bewertet und digital verarbeitet. Mit den gewonnenen Daten und dem Bildmaterial konnten detaillierte Managementpläne erstellt werden, die die Wasserbauabteilung nach Möglichkeit umsetzen wird.

Es bietet sich weiters an, die "künstlichen Feuchtgebiete" ökologisch zu verbessern und die Retentionsflächen mit dem Umland zu vernetzen. Die Ergebnisse, die das Projektteam des NATURSCHUTZBUNDES, bestehend aus Karina Bartmann, Roland Pickl, Udo Trummer, Hans Untersberger und Thomas Zechmeister, in allen Bezirken des Nord-, Mittel- und Südburgenlandes zusammengetragen haben, sind auch als Studie (PDF-Dokument) beim Amt der Burgenländischen Landesregierung, Abteilung Wasserbau, erhältlich.

Text: Ingrid Hagenstein

 

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Gletscherwasser - stürzend und formend

Die Isel in Osttirol ist der letzte frei fließende Gletscherfluss der Alpen

Einst strömten alle Gletscherflüsse so, wie es die Isel heute noch tut: mit rauschender Fülle im Sommer und spärlichem Wasser im Winter, in einem sich ständig änderndem Flussbett. Inzwischen ist die Isel der letzte Gletscherfluss der gesamten Alpen, welcher ohne Ausleitung, Stau oder größeren Schwall frei seinen Weg zurücklegen darf. Und so soll es bleiben.

A ls Gletscherfluss zeigt die Isel in ihrer Wasserführung zwei Jahreszeiten: Eine Hochwasserzeit im Sommer, in der 3/4 der Jahreswassermenge abfließen und eine vergleichsweise lange Zeit mit Niederwasser. Dieser Wechsel im Abflussgeschehen ändert auch stark den Transport von Feststoffen. Die großen Wassermengen der Hochwasserphasen und die transportierten Geröllmassen verändern stark das Flussbett: Uferteile und Inseln können weggerissen und an anderen Stellen wieder angelagert werden. Bei hoher Wasserführung im Sommer transportiert die Isel auch große Mengen an Gletscherschliff, ihr Wasser erscheint dann trüb grüngrau. In den Niederwasserperioden ist sie klar, ohne Feinsedimente.

Verständnisvoller Flussbau
Nach den Hochwasserkatastrophen der Jahre 1965 und 1966 beließ der Flussbau der Isel zwischen Matrei und Lienz in regelmäßigen Abständen breite Bereiche als so genannte Ausschotterungsbecken. Diese sind wichtige Retentionsräume. Sie lassen auch den Geschiebetransport gleichmäßiger erfolgen und haben sehr naturnahe flussmorphologische Verhältnisse zur Folge und die Flussdynamik kann sich hier voll entwickeln. Mit dem "Gewässerbetreuungskonzept Untere Isel" erhielt diese das erste ökologisch orientierte flussbauliche Konzept Österreichs. Es sieht den Bau zusätzlicher, ökologisch wertvoller Aufweitungen vor.

Ökologisches Juwel . . .
Die Wildflussstrecken der Isel sind in diesen Aufweitungen die Grundlage für eine hohe Vielfalt charakteristischer Lebensräume mit vielen bereits seltenen Pflanzen- und Tierarten. Die hier regelmäßig umgelagerten Sand-, Kies- und Schotterbänke bieten die Voraussetzung für bestimmte Lebensformen und Lebensgemeinschaften, die sich an diese ständige Veränderung angepasst haben und sie für ihren weiteren Bestand benötigen. Daher beherbergt die Isel Lebensgemeinschaften, z. B. Alpenschwemmlingsfluren, Weiden-Tamariskengebüsche sowie Tier- und Pflanzenarten, wie Flussuferläufer, Huchen, Koppe, Gelbbauchunke, Deutsche Tamariske, die anderswo durch Verbauungen und Kraftwerkseingriffe verschwunden sind.

. . . bedroht, weil ohne Schutz
Im Herbst 2004 stellte die Tiroler Wasserkraft AG (TIWAG) - im Besitz des Landes Tirol - die Pumpspeicheranlage Raneburg mit einem Großspeicher im Tauerntal vor und begann mit deren Planung, worauf sich in Osttirol massiver Widerstand regte. Obgleich Österreich mit seinem EU-Beitritt auch die Verpflichtung übernahm, besondere Lebensräume und das Vorkommen bestimmter Tier- und Pflanzenarten als Natura-2000-Gebiete zu melden, hat das Land Tirol eine Nominierung der Isel von vornherein und bis heute abgelehnt.

Weder ein ausführlich begründeter Antrag des Landschaftsschutzvereins Osttirol von 2002 an das Land Tirol noch die folgende Beschwerde des Kuratoriums Wald, des Umweltdachverbandes, des Österreichischen Alpenvereins und des Landschaftsschutzvereins Osttirol (Mai 02) an die EU-Kommission änderten an dieser Haltung etwas. Aus diesem Grund fasste die EU-Kommission am 21. Juni 07 den Beschluss, Österreich auch in dieser Sache vor dem Europäischen Gerichtshof zu klagen. Damit sollte die Isel endlich als Europaschutzgebiet im großen europäischen Naturerbe ihre gebührende Würdigung erfahren. Derzeit untersucht die TIWAG als Alternative ein Ausleitungskraftwerk am Tauernbach mit einem späteren Pumpspeicher im Landecktal.

Speicher im Einzugsbereich der Isel bewirken eine Verringerung der Geschiebeführung. Der Fluss verliert seine formende Kraft und damit seine ökologische Qualität, da er an besonders wertvollen Lebensräumen verarmt, die im Alpenraum schon sehr selten geworden sind. Auch die von der Isel gespeiste Drau würde durch den Geschiebemangel nachteilig beeinflusst; dort besteht ja derzeit schon - mit verursacht durch das TIWAG-Draukraftwerk Strassen-Amlach - ein ausgesprochener Geschiebemangel. Die Flusssohle tieft sich dadurch immer stärker ein, damit sinkt auch der umliegende Grundwasserspiegel, Wiesen und Auen fallen trocken.

Weitere Gefahren drohen der Isel von kleineren Projekten, wenn etwa Laufkraftwerke durch nachträgliche Errichtung von Tages- oder Wochenspeichern ergänzt werden. Hier entstünde ebenfalls eine Belastung durch Schwallbetrieb, wie dies z. B. für das gerade von der TIWAG fertig gestellte Laufkraftwerk Untere Schwarzach zu befürchten ist.

Erlebnis- und Erholungsraum
Die Isel ist als öffentliches Wassergut für jedermann/frau frei und kostenlos betretbar und im gesamten Talraum leicht zu erreichen. Sie ist durch Rad- und Wanderwege für Besucher weitgehend erschlossen und damit erlebbar für Wanderer, Spaziergänger, Rollstuhlfahrer, Radfahrer, Nordic-Walker, Inline Skater. Ihr Flussbett und ihre Ufer sind reich gegliedert und dadurch für verschiedenste Nutzungen geeignet: geselliges Beisammensein am Ufer, Kinderspiel (Sand, Wasser, Steine...), Naturbeobachtung, Fotografieren, Fischen. Auch für den Wassersport (Kajakfahren und Rafting) bietet die Isel verschiedenste Schwierigkeitsgrade und ist mit ihrer wechselnden, im Sommer besonders starken Wasserführung besonders begehrt.

Text: Dr. Wolfgang Retter, NATURSCHUTZBUND, Sprecher der Initiative Netzwerk Wasser Osttirol

www.wasser-osttirol.at

 

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Der Kranebitter Lohbach: Natur vor der Haustür

An der Westgrenze von Innsbruck, direkt neben dem Flughafen, liegt der Ortsteil Kranebitten. Dort hat der Lohbach seinen Ursprung. Da er nur zeitweise Wasser führt, ist er ein ideales Gewässer für Lurche, das von der Naturschutzjugend gepflegt wird.

Der oberirdische Lohbach ist der letzte Überrest einer großen Au, die der Besiedelung Kranebittens weichen musste. Der Lohbach zieht zuerst entlang von Feldern nach Osten, erreicht in der Nähe der technischen Universität das Siedlungsgebiet, fließt durch die Lohbachsiedlung und wird schließlich unterirdisch über einen Kanal in den Inn geleitet. Er ist aus oberirdischen Quellen entstanden, die nur zeitweise Wasser spenden - der Name "Loh" deutet darauf hin. Auf ca. drei Kilometern fließt der Lohbach oberirdisch, auf ca. zwei unterirdisch. Wasser fließt ab Anfang Mai, im Oktober verschwindet es wieder - im oberen Bereich somit ein ideales Gewässer für Amphibien. Seit der Bach im mittleren Teil künstlich bewässert wird, leben darin auch Forellen.

Wie es begann...
Im November 1996 ersuchten die Innsbrucker önj-Gruppen den damaligen Innsbrucker Bürgermeister, ihnen den oberen Teil des Kranebitter Lohbaches kostenlos zu überlassen. Sie wollten diesen mit Hecken und Hartaugehölzen umgebenen Lebensraum für bedrohte Pflanzen- und Tierarten erhalten und pflegen.

Am Ursprung des Baches gab es eine verschilfte Mulde, die noch in den 1950iger Jahren von Kindern als Badeteich genutzt worden war. Von dort führte das Bachbett oder vielmehr das was davon noch zu sehen war, am Fuß eines bewaldeten Hanges entlang. Mulde und Graben waren in früheren Jahrhunderten errichtet worden, um das Hangwasser aufzunehmen und abzuleiten. Da beide relativ rasch zuwachsen, wurden sie von den Bauern bis 1970 regelmäßig ausgeschaufelt ("ausgewaalt"). Danach verlandeten sie und die Wiesen begannen wieder zu versumpfen. Die Besitzer versuchten dies zu verhindern, indem sie Schotter und zum Teil auch Bauschutt auf die Wiesen aufbrachten, um das Niveau höher zu legen. Damit drohte der Lohbach ganz zu verschwinden, während die Versumpfung nicht aufgehalten wurde. Dies erkannte Erwin Kögl, ein engagierter Amphibienschützer aus Innsbruck, dem es ein großes Anliegen war, dass die Tiroler Naturschutzjugend die Pflege dieses Baches übernehmen durfte.

Geduldsprobe
Im März 1997 begannen die Gruppen im oberen Bachbereich ihre Pflegearbeiten. Erwin befreite das Bachbett von Gestrüpp, Inge Brandl - obwohl schon hochschwanger - kam mit ihrer Kindergruppe vom Reithmanngymnasium, die das im März noch trockene Bachbett samt dem Böschungswald vom herumliegenden Müll befreiten. Die größeren Kinder und die Jugendlichen arbeiteten in wöchentlichen Einsätzen das ganze Frühjahr hindurch und legten allmählich das alte Bachbett wieder frei. Doch es kam kein Wasser. Erst im Mai, als Geduld und Ausdauer bereits am Ende waren, begann Wasser aus der Uferböschung zu rieseln. Es sammelte sich und auf einmal war aus unserem Graben ein idyllisches Bächlein geworden. Das Wasser zog in zarten Schleifen durch sein wieder gewonnenes Bett langsam dahin - für alle Beteiligten ein beglückender Anblick. Wir sichteten den ersten Laichballen und eine fette Erdkröte, die sich unter einem modrigen Baumstumpf direkt neben dem Bach versteckte. Das Leben am tot geglaubten Bach begann wieder zu pulsieren.

Erfolg auf der ganzen Linie
Seit damals hat sich viel getan. önj und NATURSCHUTZBUND haben sich mit der Arbeitsgemeinschaft "Dein Nachbar Lohbach" zusammen geschlossen und bilden mit den anderen ARGE-Mitgliedern, der Tiroler Wasserwacht und der Universität Innsbruck, eine tatkräftige Gruppe, die mit zahlreichen Exkursionen, Vorträgen und Arbeitseinsätzen den ökologischen und sozialen Wert des Lohbaches im Bewusstsein der Wohnbevölkerung verankert. Mit großer Umsicht plant und betreut die Leiterin der ARGE, Erika Haimeyer, seit vielen Jahren diese gut besuchten Veranstaltungen. Kurt Mayer von der Tiroler Wasserwacht betreut seit ca. 30 Jahren den mittleren Teil des Lohbaches. Er hat mit viel Einsatz dafür gesorgt, dass der Bach nicht verschmutzt und nicht kanalisiert wurde, daher noch immer als Fischgewässer attraktiv ist. Mit einem ebenso großen Engagement setzt sich Univ. Prof. Dr. Rudi Hofer dafür ein, dass die Amphibienpopulationen entlang des Lohbaches erhalten bleiben: Er errichtete im Universitätsgelände einen Amphibienteich und sicherte die Wanderstrecken von Fröschen und Kröten mit Zäunen und einer Straßenunterführung. Jahr für Jahr führt er genaue Aufzeichnungen, wie viele Individuen zum Ablaichen kommen und wie viele Jungtiere den Teich verlassen. Weil entlang des Lohbaches immer mehr neue Wohnblöcke errichtet werden, ist es höchste Zeit, dass wir ein Gesamtkonzept für den Lohbachschutz ausarbeiten. Die Kinder sollen auch in Zukunft am Bach spielen und dabei Fische und Amphibien beobachten, ihre ersten Erdkröten entdecken und somit von klein auf den für uns Menschen so wichtigen Kontakt zur Wildnis um uns finden und entwickeln können.

Text: Prof. Dr. Hans Hofer, önj und NATURSCHUTZBUND Tirol

Infos:
www.oenj.at
www.naturschutzbundtirol.at http://de.wikipedia.org/wiki/Kranebitter_Lohbach

 

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Kamp: Dynamik schafft Lebensraum

Die Bilder, wie im August 2002 tosende Fluten das Kamptal verwüsteten, sind noch vielen von uns in Erinnerung. Durch die Kraft des Wassers entstand eine in ihrer Naturnähe und Ausdehnung bereits selten gewordene Flusslandschaft mit neuen Lebensräumen für die Tiere und Pflanzen.

Nach dem Hochwasser wurden von der Republik Österreich viele flussnahe Grundstücke angekauft. Sie stehen jetzt unter der Verwaltung des Landes NÖ. Der NATURSCHUTZBUND NÖ hat die angekauften Flächen gemeinsam mit der Österreichischen Gesellschaft für Herpetologie (ÖGH) und mit finanzieller Unterstützung vom NÖ Landschaftsfonds auf ihren Wert als Lebensraum für Amphibien und Reptilien näher unter die Lupe genommen. Inwieweit kommen die vom Hochwasser neu geschaffenen Strukturen den Amphibien und Reptilien zugute? Welche Arten kommen überhaupt vor und was kann getan werden, um die Situation für die allesamt gefährdeten Amphibien- und Reptilienarten zu verbessern?

Amphibien: Nach dem Hochwasser schlägt die Stunde der Pioniere
Bei der Erhebung des Artenspektrums an insgesamt 22 Standorten im Uferbereich des Kamp zwischen Steinegg und Zöbing konnten die Herpetologen Johannes Hill und Christoph Riegler insgesamt acht Amphibienarten nachweisen: Feuersalamander, Rotbauchunke, Erd- und Wechselkröte, Laub-, Spring-, Gras- und Wasserfrosch. Während Pionierarten wie Laubfrosch, Springfrosch und Grasfrosch bereits an mehreren Standorten gefunden wurden, fehlten im Untersuchungsjahr noch Arten, die Gewässer mit größerer Strukturvielfalt brauchen, wie Teichmolch, Kammmolch und Knoblauchkröte. Wasserfrösche und Rotbauchunken wurden nur in Einzelindividuen gefunden.

Aufgrund der topografischen Lage des Kamptales war das ursprüngliche Angebot an Laichhabitaten für Amphibien immer schon sehr beschränkt. Im Laufe der Kampregulierung wurden die wenigen Laichbiotope praktisch vollständig zerstört. Nach dem Hochwasser konnten sich Amphibienpopulationen wieder ansiedeln, wobei die einzelnen Laichgemeinschaften durchwegs klein sind. Schuld an der unbefriedigenden Situation ist neben der nicht optimalen Gewässerausstattung auch die Distanz zu den großen Populationen auf der Hochebene des Waldviertels westlich des Kamptales. Besonders Lurche leiden unter zahlreichen Beeinträchtigungen: Die Ufer sind ausgeschachtet und verwachsen, die wenigen Laichgewässer sind teilweise verfüllt. Pufferzonen fehlen, wodurch es zu einem hohen Dünger- und Pestizideintrag in die Gewässer kommt, Schutt- und Müllablagerung verlegen den Weg, der Austausch zwischen den Populationen fehlt. Der Straßenverkehr ist ein weiteres Problem.

Um die Situation der Amphibien zu verbessern, müssen zu allererst Amphibienlaichgewässer angelegt werden. Damit der Kamp ein besserer Lebensraum für Amphibien wird, ist es nötig, die Ufer zu entbuschen bzw. zu beweiden. Auch Pufferzonen rund um die Laichgewässer könnten maßgeblich dazu beitragen. Die vom Hochwasser betroffenen, von öffentlicher Hand angekauften Flächen, liefern gute Voraussetzungen dafür.

Reptilien: Manche mögen´s nass
Die Situation der Reptilien im Untersuchungsgebiet erwies sich als um einiges besser als jene der Amphibien. Das klimatisch begünstigte Kamptal ist für Kriechtiere von überregionaler Bedeutung. Auf 20 der 22 untersuchten Standorte am mittleren und unteren Kamp wiesen die Herpetologen insgesamt 6 Reptilienarten nach. Weit verbreitet sind Smaragdeidechsen, Äskulap- und Würfelnattern, etwas seltener Zauneidechsen und Ringelnattern. Blindschleichen wurden nur an 2 Standorten gefunden. Die in der Roten Liste Österreichs als "stark gefährdet" eingestufte Würfelnatter hat am Kamp ihre bedeutendsten Bestände in NÖ: Der gesamte Flusslauf von Steinegg bis Zöbing wird in teils hohen Populationsdichten besiedelt. Das Hochwasser 2002 schaffte eine Vielzahl an Kleinstrukturen: Flachwasserzonen, Schwemmgutansammlungen, strömungsberuhigte Stellen und offene Sonnplätze. Sie haben die Bedingungen für die Würfelnatter entscheidend verbessert.

Text: NATURSCHUTZBUND NÖ

www.noe.naturschutzbund.at
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Neue Arme für die Raab

Der NATURSCHUTZBUND erwirbt seit drei Jahrzehnten mit Unterstützung der Naturschutzabteilung des Landes Steiermark zahlreiche, durch übertriebene Regulierung von Flüssen abgetrennte Mäander. Ziel ist es, diese Altarme wieder ins Fließgeschehen einzubinden. Zwei aktuelle Beispiele an der begradigten Raab bei Rohr und Kirchberg geben Hoffnung, dass der Fluss durch Anbindung an seine Mäander wieder einen Teil seiner natürlichen Unregelmäßigkeit zurückbekommen hat.

Durch Begradigung der Raab in der Nachkriegszeit entstanden in der Oststeiermark zwischen Gniebing und Studenzen einige Altarme, die infolge der Tiefenerosion bald verlandeten. Eine dieser ehemaligen Altarmflächen hat der NATURSCHUTZBUND unter dem Obmann Hofrat Curt Fossel und dem Bezirksstellenleiter Ing. Leo Krausnecker vorausschauend schon vor 25 Jahren angekauft. Aber erst am 26. April 2006 konnte der trocken gefallene Altarm in Rohr wieder an das Raabflusssystem angeschlossen werden. Mit EU-Geldern gefördert, wurde das Projekt von der Bezirkbauleitung Feldbach/Abteilung Wasserbau vorbildlich umgesetzt. Die Raab durchströmt jetzt wieder ihr altes Flussbett.

Neuer Lebensraum für seltene Fische und Eisvögel
Eine vom Lebensministerium in Auftrag gegebene fischökologische Untersuchung an der gesamten Raab erbrachte jetzt Ergebnisse, die staunen und hoffen lassen. Im nun durchflossenen Raab-Altarm konnte sich eine sehr hohe Nasen- und Barbenpopulation mit allen Altersklassen sowie Aitel, Gründling, Schneider, Hecht und Bachforelle etablieren. Besonders erfreulich ist auch der Nachweis an seltenen Fischarten, wie dem stark gefährdeten Goldsteinbeißer (einziger Fund in der steirischen Raab) und dem Hasel. Mit einer Populationsdichte von über 530 kg pro Hektar gehört dieser Abschnitt zu den fischökologisch wertvollsten Abschnitten der Raab und liegt damit im Spitzenfeld aller bisher untersuchten steirischen Flachland-Flüssen. In anderen, regulierten Raababschnitten konnten übrigens nur Populationsdichten um 250 bis 100 kg festgestellt werden. Mit der Altarmanbindung entstanden auch wieder Steilwände, die sofort vom Eisvogel zum Brüten angenommen wurden (Brutröhren).

Es ist sehr erfreulich, dass die Gemeinde Kirchberg der ökologischen Bedeutung des Altarmes Rechnung getragen und diesen zum Fischschongebiet erklärt hat. Bemerkenswert ist hier auch die Tatsache, dass in unmittelbarer Nähe zu diesem Altarm seit Jahren ein Kormoranschlafplatz mit ca. 50 Individuen besteht.

In seinem vor über 20 Jahren herausgegebenen Buch "Auengewässer als Ökozellen" hat der amtierende ÖNB-Obmann Dr. Johannes Gepp damals Visionen angesprochen, die heute verwirklicht werden: "Langfristig stellte sich heraus, dass es günstig ist, isolierte Altarme wieder vom Hauptgerinne durchströmen zu lassen. Dadurch erhalten vor Jahrzehnten regulierte Flüsse zumindest streckenweise ihre alten Mäanderläufe, die nur im Hochwasserfall geradlinig umflossen werden".

Weitere Altarmanbindungen sind geplant
Eine weitere Altarmrevitalisierung ist in den Gemeinden Hohenbrugg-Schiefer geplant. Hier haben die Interessengemeinschaft "Mein Quadratmeter Raabtal", der NATURSCHUTZBUND, die Naturschutzjugend und die Wasserwirtschaft für den Erwerb von 18 ha Grundflächen die nötigen finanziellen Mittel aufgebracht und so die Grundlagen für eine weitere Altarmanbindung geschaffen. Es liegt nun an der Wasserwirtschaft die weitere Laufverlängerung von 1,2 km im Detail zu planen und die notwendigen Mittel für die Durchführung bereitzustellen.

Um den guten ökologischen Zustand der gesamten Raab wiederherzustellen und die Selbstreinigungskraft zu verbessern, bedarf es großer Anstrengungen aller: Von den 95 Flusskilometern der Raab in Österreich gelten nur 20 km als natürlich oder wenig beeinträchtigt, 38 sind stark, 32 km wesentlich beeinträchtigt und 5 km naturfern.

 

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Fischzwerge haben es schwer

Artenschutzprojekt für Kleinfische und Neunaugen

Neben den bekannten Fischen Hecht, Bachforelle, Huchen oder Äsche tummeln sich in intakten Gewässersystemen zahlreiche kleine, unscheinbare und damit oft unbekannte Schuppenträger. Das Artenschutzprojekt hat zum Ziel, die Datenbasis für einige ausgewählte Arten in Oberösterreich zu verbessern - frei nach dem Motto: "Nur was man kennt, kann man schützen".

Zu den Kleinfischen zählen Fischarten mit einer Körperlänge bis zu 25 cm. Ca. ein Drittel von den mehr als 70 in Österreich heimischen Fischarten gehören dieser Gruppe an. Dazu kommen noch zwei Neunaugenarten im selben Größenbereich. Neben den, zumindest den Angelfischern bekannten Arten Koppe, Gründling und Bachschmerle finden sich in dieser Liste auch die seltenen und versteckt lebenden, aber auch stark angepasste Arten, wie Strömer, Bachneunauge, Bitterling und Schlammpeitzger. Fischereilich werden all diese Arten nicht genutzt, weil die Fischzwerge mit herkömmlichen Methoden kaum zu fangen sind.

Schwere Zeiten
Die Fischbestände leiden stark unter der intensiven Nutzung unserer Gewässer. Vor allem Regulierungen, Uferverbauungen, Querbauwerke als Wanderhindernisse, Feinsedimentablagerungen und zu geringe Wasserführung durch Ausleitungen degradieren den Lebensraum Wasser. Während die Bestände der "klassischen" Wirtschaftsfische Bachforelle, Äsche oder Hecht durch Besatz gefördert bzw. wieder angesiedelt werden, ist das bei den Kleinfisch- und Neunaugenarten zumeist nicht der Fall. Ohne unterstützende Maßnahmen gelingt es den kleinen Fischen aber nicht, Gewässer neu oder wieder zu besiedeln, weil diese meist isoliert voneinander liegen. Andererseits bleiben durch den starken Rückgang der Kleinfischpopulationen in weiten Teilen des Landes oft keine ausreichend großen Bestände für eine eigenständige Ausbreitung übrig. Viele, nur zeitweilig an Fluss-Systeme angebundene Kleingewässer wurden in den letzten Jahrzehnten zugeschüttet, der Lebensraum damit zerstört. Hier liegt auch eine der Hauptursachen für den hohen Gefährdungsstatus vieler Kleinfischarten, die zudem wirtschaftlich wenig interessant sind. Auch weiß man zum Teil noch sehr wenig über ihre Ökologie, Verbreitung und Bestandssituation.

Spezialisten
Viele dieser eher unscheinbaren Fisch- und Neunaugenarten zeigen sehr spezielle Anpassungen an ihren bevorzugten Lebensraum. Die augenlosen Larven der Neunaugenarten leben bis zu sechs Jahre im sandig-schlammigen Sediment vergraben, dessen Oberfläche sie nachts nach Nahrung absuchen. Nach der Umwandlung zum erwachsenen Tier nehmen sie keine Nahrung mehr auf und sterben kurz nach der Fortpflanzung. Der Schlammpeitzger kann in sauerstoffarmen Gewässern überleben, indem er Luft schluckt und über den Darm atmet. Um Trockenperioden und den Winter zu überdauern vergräbt er sich tief im Schlamm. Ähnlich extreme Lebensräume kann nur noch die Karausche besiedeln, die als sehr genügsamer Fisch geringe Sauerstoffverhältnisse ebenso wie sehr hohe und tiefe Temperaturen (bis zum Durchfrieren des Gewässers) überlebt.

Das Moderlieschen-Männchen betreibt Brutpflege, indem es den vom Weibchen an Schilfhalme oder Wasserpflanzen geklebten Eiern Frischwasser zufächelt und sie durch Aufbringen von Hautschleim vor Pilzbefall schützt.

Der heimische Bitterling kann sich nur fortpflanzen, wenn geeignete Großmuscheln (Fluss- und Teichmuschelarten) in den Gewässern vorhanden sind. Das Weibchen legt seine Eier mittels einer bis zu sechs Zentimeter langen Legeröhre in den Kiemenraum der Muscheln ab, wo sich die Larven, von der Muschel geschützt, entwickeln.

Aber nicht alle Kleinfische in unseren Gewässern sind heimisch. Auch hier sind Einwanderer bzw. eingeschleppte Arten sehr häufig. In den letzten Jahren verbreiten sich Kessler Grundel, Nackthals- und Schwarzmundgrundel rasant flussaufwärts über das Donausystem. Auch Sonnenbarsch, drei- und neunstacheliger Stichling, Zwergwels und Blaubandbärbling waren nicht seit jeher in Österreichs Gewässern zu finden. Diese optisch oft sehr ansprechenden Arten vermehren sich in manchen Gewässern stark und treten mit den heimischen Arten in Lebensraum- oder Nahrungskonkurrenz oder fressen deren Eier und Brut.

Artenschutzprojekt
Derzeit wird erhoben, welche Kleinfischarten noch vorkommen. Danach folgt eine Analyse, um die Gründe für den Rückgang herauszufinden. Darauf aufbauend werden Sanierungskonzepte für bestimmte Gewässer erarbeitet. In einem weiteren Schritt wird die gezielte Nachzucht, der Besatz geeigneter Gewässern bzw. der Wiederbesatz erloschener Bestände organisiert. Parallel dazu ist geplant, neuen Lebensraum zu schaffen bzw. den vorhandenen zu verbessern. Ob die gesetzten Maßnahmen Erfolg haben, wird die abschließende Evaluierung zeigen - und hoffentlich viele Erkenntnisse für weitere Schutzmaßnahmen bringen.

Projektträger sind das Amt der OÖ. Landesregierung, der OÖ. Landesfischereiverband und der NATURSCHUTZBUND OÖ. Durchgeführt wird das Projekt gemeinsam von den Technischen Büros TB für Gewässerökologie (Blattfisch), TB Zauner GmbH (ezb) und TB für Biologie (Alpenfisch).

Text: DI Clemens Gumpinger & Michael Schauer
Technisches Büro für Gewässerökologie, Wels
www.blattfisch.at

 

 

Kleines Feuchtparadies am Feistritzbach

Am Fuße des Kömmels, eines Bergrückens ungefähr auf halbem Weg zwischen Bleiburg und Einersdorf, liegt dieses kleine Paradies aus Laubwald, Hochstaudenflur, Grünland und Feuchtwiesen mit einem Bächlein. 2006 und 2007 hat der NATURSCHUTZBUND Kärnten in diesem Bereich drei große Grundstücke mit über 15.000 m² Gesamtfläche gekauft, um sie für die Zukunft zu erhalten. Mittlerweile werten bereits vier neu angelegte Teiche das Gebiet auf.

Die Grundstücke sind deshalb so wertvoll, weil sich hier - in unmittelbarer Nähe zum Feistritzbach - die einzigen Feuchtflächen der Umgebung befinden. Durch die Regulierung des Flusses gibt es keine Anbindung an diesen Bereich mehr - diese könnte allerdings in einem Folgeprojekt durchaus realisiert werden. Die Flächen, die sich beiderseits einer Landesstraße erstrecken, lassen sich grob in vier Bereiche gliedern: einen, von einem Bächlein durchflossenen Erlen-Eschen-Hangwald, eine extensiv genutzte, vom selben Bach durchflossene artenreiche, feuchte Magerwiese, eine Feuchtfläche mit Gehölzen im Randbereich und eine sehr interessante, reich gegliederte trockene Magerwiese.

Erlen-Eschenhangwald
Dieser Lebensraum besteht aus jungen Schwarz- und Grau-Erlen sowie Eschen, dazu mischen sich Traubenkirschen, Salweiden, Bergahorn, Gewöhnlicher Schneeball und Schwarzer Holler. Sogar einzelne Fichten und kleine Eichen kommen hier auf. Im Unterwuchs dominieren Taubnessel, Brennnessel, Himbeere, dazwischen wachsen Bärenklau, Seggen und Hopfen.

Hochstaudenflur
Diese Fläche steht zeitweise auch unter Wasser. In der nördlichen Hälfte dominieren Rohrglanzgras und bittersüßer Nachtschatten, dazu kommen vereinzelt Blutweiderich, Simse und Beinwell. In der südlichen Hälfte sind es bevorzugt Brennnessel und Mädesüß, zu welchen sich Großseggen, im Bereich der Bachmündung auch Wasserschwertlilien mischen.

Die Arge NATURSCHUTZ erarbeitete im Auftrag des Naturschutzbundes ein Maßnahmenkonzept für diese Flächen. Die Hochstaudenflur ist z. B. ein hochwertiger Lebensraumtyp, der der Fauna-Flora-Habitatrichtlinie der EU entspricht. Für ihr Weiterbestehen ist es lediglich notwendig, aufkommende Gehölze zu entfernen. Um die Wertigkeit noch zu erhöhen, wurden im heurigen Februar zwei Wasserflächen mit je 100 m² im Randbereich angelegt. Der Zeitpunkt war gut gewählt, konnte doch durch den gefrorenen Boden eine großflächige Zerstörung des Geländes vermieden werden.

Feuchter Gehölzbestand
Auf einer weiteren Fläche, die eine zweite Hochstaudenflur umgibt, finden sich Eschen, Bruchweiden, Traubenkirschen, Gewöhnlicher Schneeball, Haseln, Pfaffenhütchen, Schwarzer Holler, Wilder Wein und Hopfen. Ein Krautsaum aus Brennnesseln und Kratzbeeren schließt sich an zwei Seiten an.

Hier wurden zwei weitere Wasserflächen von ca. 50 m² und 80 m² angelegt. Dadurch wird der Lebensraum deutlich verbessert - was besonders für Amphibien von großer Bedeutung ist, da Feuchtgebiete und Tümpel bereits selten geworden sind. Damit neu angelegte Feuchtflächen auch erfolgreich besiedelt werden, braucht es entsprechende Land- und Laichhabitate. In den ersten Jahren finden sich die so genannten Pionierarten, die vegetationsarme bzw. vegetationslose Stehgewässer als Laichplätze bevorzugen. Laichplatztreue Amphibienarten und jene, die zum Laichen spezielle Vegetationsstrukturen benötigen, nehmen das Gewässer erst in den Folgejahren in Anspruch, wenn solche bereits vorhanden sind. Um diesen Arten die neuen Biotope schmackhaft zu machen, wurden bereits Äste und Strauchwerk eingebracht.

Weitere Pläne
Mittlerweile hat sich in den Teichen bereits Wasser gesammelt, aber erst ein Starkregen wird sie zur Gänze füllen. Auch für das Bächlein, das die Teiche zusätzlich speist, gibt es Verbesserungspläne: Es wird mit Hilfe von Mäandern auf rund 70 m verlängert. Zu einer benachbarten landwirtschaftlichen Fläche wurde ein Grenzdamm errichtet: Er soll verhindern, dass Dünger und Spritzmittel auf die Feuchtflächen gelangen. Zusätzlich ist eine Trockensteinmauer als Refugium für Reptilien, Insekten und Spinnen im Entstehen.

Text: Ingrid Hagenstein

 

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Wasserflechten: klares Wasser und sonst nichts

Unscheinbar, spezialisiert, selten - so könnte man diese Organismen beschreiben. Damit wird man ihnen aber nicht gerecht. Was sie so besonders macht? Sie sind wahre Lebenskünstler, die eines nicht vertragen: belastetes Wasser.

Genau das ist einer der Hauptgründe für ihre Seltenheit: Natürliche Wasserläufe, Rinnsale und Quellen sind in unserer "zivilisierten" Kulturlandschaft rar geworden. Eingezwängt in die Geradlinigkeit kanalartig strukturierter Betten und verrohrt, sind die von Natur aus ablaufenden Wasserstandsschwankungen und die damit verbundene Bach- und Flussdynamik nur mehr in äußerst seltenen Fällen gegeben. Organismen, deren Aufkommen und Überleben an diese natürlich ablaufenden Prozesse gebunden sind, wurden entsprechend zurückgedrängt und ihr Lebensraum auf Bereiche beschränkt, die für die intensive Nutzung durch den Menschen von geringem Interesse sind.

Wasserflechten sind eine Organismengruppe, die äußerst empfindlich auf menschliche Eingriffe in aquatische Ökosysteme reagiert: Sie leben entweder völlig untergetaucht auf Steinen und Felsen (aquatische Arten) oder an Gesteinsoberflächen mit langen Perioden von Durchnässung und Austrocknung (amphibische Arten). Die meisten Vorkommen dieser ökologischen Gruppe der "Wasserflechten" sind nur mehr in abgelegenen Tälern der Alpen, der Böhmischen Masse (Mühl- und Waldviertel) sowie im Kobernaußerwald zu finden.

Was ist nun das Besondere, das Bemerkenswerte an den Wasserflechten?
Im Allgemeinen sind Flechten, diese Doppelwesen aus Pilz und Alge, bevorzugt in Landökosystemen zu finden, wo sie einem Wechsel von Einquellung - Tau, Regen, Nebel, hohe Luftfeuchtigkeit in den Nachstunden - und von Austrocknung unterliegen. Würde man sie künstlich bewässern, dann würde das schon nach kurzer Zeit zu einer völligen Zerstörung der Symbiose zwischen Pilz- und Algenpartner führen. Im Laufe der Evolution haben es jedoch einige Flechten gelernt, auch ständig mit Wasser bedeckte Oberflächen von Steinen und Felsen bzw. amphibische Standorte zu besiedeln. Dazu gehören Arten der Gattung Verrucaria (Warzenflechten). Diese bilden braun bis fast schwarz gefärbte, krustige Überzüge (Fotos nächste Seite Mitte) auf ständig untergetauchten Oberflächen von silikatischen Gesteinen in Quellaustritten und Bächen. Dieses ständige Untergetauchtsein des Flechtenlagers stellt eine besondere Herausforderung an den Algenpartner (= Photobiont) dar und erfordert eine ganz spezifische Anpassung an die Standortbedingungen im Wasser. Und das Wasser sollte für das Aufkommen der aquatischen Flechten sauber sein! Auch amphibische Arten, wie Lobothallia melanaspis, sind in ihrem Vorkommen nur auf reines, klares und kaltes Wasser in der hochmontanen und alpinen Stufe der Alpen beschränkt.

In Österreich wurde bisher den Wasserflechten geringe Aufmerksamkeit geschenkt. Es liegen nur wenige Ergebnisse von Untersuchungen aus Tirol und der Steiermark vor. Dazu kommt, dass diese Wasserflechten nur ein geringes Maß an Wasserverschmutzung vertragen und deshalb aus vielen Bach- und Flussläufen verschwunden sind.

Im Zuge mehrerer Exkursionen in das Tal des Mühlbachs zwischen Golzenalm und Preberalm im Lungau, Schladminger Tauern, wurde den Quellen und den Quellbächen ein verstärktes Augenmerk im Hinblick auf Wasserflechten geschenkt. Dabei zeigte sich, dass hier aquatische und amphibische Wasserflechten in relativ hoher Artenzahl (Biodiversität) und in hoher Individuenzahl (Abundanz) auftreten. Dies führte nun zu einem Gemeinschaftsprojekt der Universität Salzburg mit jener in Kaiserslautern: Wissenschafter der Salzburger Arbeitsgemeinschaft Ökologie und Diversität der Pflanzen (Fachbereich Organismische Biologie) erfassen gemeinsam mit den deutschen Kollegen Wasserflechten, Wassermoose und ökologische Faktoren wie Temperatur, Einstrahlungsverhältnisse, Fließgeschwindigkeit, pH-Wert etc.. Sie untersuchen auch die Zusammenhänge zwischen dem Auftreten von Insektengruppen (Eintagsfliegen, Köcherfliegen etc.) und den aquatischen Flechten, um eventuelle Interaktionen zwischen diesen verschiedenen Organismengruppen aufzuzeigen.

Die Ergebnisse des Projektes - vom Naturschutzzentrum des NATURSCHUTZBUNDes unterstützt - haben hohe Naturschutzrelevanz, ist doch Wasser ein begehrter Rohstoff: ob für die Energie liefernden Industriezweige (Wasserkraftwerke verschiedenster Art), ob für die Zentren des großflächigen Wintertourismus (Trinkwasser, Wasser für Schneekanonen u.v.a.m.) oder zur Abdeckung des lokalen Wasserbedarfs. In Zukunft sollte jedenfalls dem Vorkommen dieser Wasserflechten weitaus größere Beachtung geschenkt werden, bevor natürliche Quellen gefasst und Bachläufe umgeleitet werden. Der Verlust der Wasserflechten würde zu einer weiteren Verminderung der Flechtendiversität und zur Verarmung der Vielfalt der Lebensformen in Österreich beitragen.

Text und Bilder: Univ. Prof. Dr. Roman Türk, Ökologe und Ökophysiologe, mit Schwerpunkt Flechten, Vizepräsident NATURSCHUTZBUND, roman.tuerk@sbg.ac.at

 

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