Atommüll aus Jülich Atomkugeln: Transport in die USA rechtswidrig?

Die fast 300.000 Atomkugeln sollen weg aus Jülich. Das hat die Atomaufsicht des Landes vergangene Woche angeordnet. Die Betreiber wollen die Brennelemente in die USA verschiffen. Doch ist das legal? Und wollen die Amerikaner den strahlenden Müll überhaupt?


Mitarbeiter zeigt Modell Graphitkugel
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Ein Mitarbeiter zeigt in Jülich ein Modell einer Atomkugel

Seit Jahren wird um die Entsorgung der 288.161 tennisballgroßen Atomkugeln aus dem Forschungsreaktor Jülich gestritten. Am 2. Juli hat die nordrhein-westfälische Atomaufsicht verfügt, dass die Kugeln nicht mehr im Zwischenlager bleiben dürfen. Die Genehmigung für das Lager ist abgelaufen, und der geplante Neubau verzögert sich auf unbestimmte Zeit, weil die Betreiber nicht nachweisen können, dass der Bau einem sehr starken Erdbeben standhalten kann. So gehe es nicht weiter, hat das NRW-Wirtschaftsministerium als Atomaufsicht entschieden und angeordnet: Die 152 Castor-Behälter müssen weg. Und zwar am liebsten in die USA, South Carolina. Denn bereits vor einem Jahr hatte die US-amerikanische Regierung angeboten, die Graphitkugeln zurückzunehmen - von dort stammen sie ursprünglich. Das US-Energieministerium hatte im April eine Absichtserklärung zur Rücknahme der radioaktiven Brennelemente unterzeichnet.

Grüne fordern Klarheit

Nun wächst hierzulande allerdings die Protestfront gegen eine mögliche Atommüll-Fracht per Schiff aus Deutschland. Die Grünen fordern von der Bundesregierung Klarheit über die mögliche Entsorgung der 152 Castor-Behälter mit Atommüll in den USA. "Für Grüne ist die Lagerung in einem sicheren Zwischenlager in Jülich immer noch die sinnvollste Option gegenüber risikoreichen und hoch komplizierten Transporten in die USA oder sonst wo hin", sagt Bundestags-Fraktionsvize Oliver Krischer. Die Bundesregierung müsse möglichst schnell die Überprüfung der Erdbebensicherheit in Jülich abschließen.

Greenpeace sieht hohe Risiken


Die Umweltorganisation Greenpeace sieht einen drohenden Bruch des deutschen Atomgesetzes und viel zu große Risiken bei einer Verschiffung. "Die Anordnung zur Räumung des Zwischenlagers ist ein rechtswidriger Versuch, sich der Verantwortung für in Deutschland erzeugten Atommüll zu entledigen", sagt der Greenpeace-Atomexperte Heinz Smital. Die Abgabe von Atommüll aus kommerziellen Leistungsreaktoren zur Aufarbeitung von bestrahlten Kernbrennstoffen sei verboten. Die Anlagen in Jülich seien von der Internationalen Atomenergiebehörde "als Leistungsreaktoren und nicht als Forschungsreaktoren benannt". Dem widerspricht das zuständige Bundesforschungszentrum auf seiner Homepage: "Bei den abgebrannten Brennelementen handelt es sich nicht um radioaktiven Abfall aus einem kommerziellen Kernkraftwerk, sondern um verwertbare Reststoffe aus einem Forschungsreaktor", heißt es in einer Pressemitteilung.

Atommüll-Export nach Russland wurde gestoppt

Es ist das zweite Mal, das erwogen wird, in Nordrhein-Westfalen gelagerten Atommüll im Ausland zu entsorgen: Der damalige Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) stoppte Ende 2010 einen Transport aus dem Zwischenlager Ahaus in das russische Majak. Die 951 Brennelemente, die ursprünglich aus einem DDR-Forschungsreaktor stammen, bleiben vorerst in Ahaus.

Widerstand auch in den USA

Findige Beamte führen als Grundlage für den möglichen Transport in die USA nun den internationalen Atomwaffensperrvertrag an. Danach nehmen die Produzentenstaaten spaltbares, waffenfähiges Material zurück, damit Terroristen keine schmutzige Bombe damit basteln können. In den USA regt sich mittlerweile aber auch der Widerstand. "Wir wollen keinen ausländischen Atommüll in South Carolina, wenn das deutsche Atomgesetz eine Entsorgung im Inland vorsieht", sagt Tom Clements, Direktor der Organisation Savannah River Site Watch, die das Nuklearzentrum kritisch begleitet. In dem amerikanischen Zwischenlager lagern 140 Millionen Liter radioaktiver Abfall und Giftmüll in alten Tanks. Eine dauerhaft sichere Lagerung tief unter der Erde ist nicht in Sicht.

Die US-Energiebehörde betont: "Die USA sind nicht verpflichtet, das Material zurückzunehmen." Im Sinne der Non-Proliferations-Politik gebe es zwar ein Interesse daran, hoch angereichertes Material weltweit zu reduzieren. Man nehme aber kein Material aus kommerziellem Anlagen zurück. Ob der Forschungsreaktor in Jülich kommerziellen Zwecken diente, ist umstritten. Widerstand kommt auch aus der Politik. "Wir werden alle tot sein, und diese radioaktiven deutschen Hinterlassenschaften werden immer noch hier sein", warnt Senator Vincent Sheehen, der demokratische Kandidat für das Amt des Gouverneurs im Bundesstaat South Carolina.


Stand: 08.07.2014, 16.37 Uhr


Kommentare zum Thema (11)

letzter Kommentar: 09.07.2014, 10.39 Uhr

Malte schrieb am 09.07.2014, 10.39 Uhr:
Dass die Grünen gegen Atomkraft sind und die Verantwortlichkeit für die Entstehung dieses Mülls bei anderen Parteien liegt, sollte jedem klar sein. Dafür bin ich der Partei auch sehr (!!!) dankbar. Warum die Grünen sich aber gegen jede Art von Transport sperren, wird wohl ihr Geheimnis bleiben. Natürlich ist ein solcher Transport sehr aufwändig und muss entsprechend geschützt werden, aber danach hätten wir wenigstens in einem Erdbebengebiet keinen Atommüll mehr lagern. Die Lösung mit den USA wäre doch für uns mehr als wünschenswert. Aus meiner Sicht stemmen sich die Grünen hier aus nicht ganz zuende gedachten Gründen gegen die Interessen der Bürger aus Jülich und NRW. Besser ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende.
Paul schrieb am 09.07.2014, 09.22 Uhr:
Kugeln und Grüne müssen weg, sie schaden dem Land.
@anton schrieb am 09.07.2014, 09.13 Uhr:
Hrrmm?Wer hat denn den Unfug mit den Atomkraftwerken angeleiert-die Gruenen,oder nicht doch Schwarz\Geld?Wer hat denn die Asse und andere Salzstoecke fuer"dicht"und geeignet fuer die Einlagerung von Atommuelle erklaert?Hat da nicht Mutti als damals zustaendige Ministrin Machtworte gesprochen-oder waren das etwa "Grune Boesewichte"?Mittlerweile ist laengst klar das Gorleben praktisch genauso undicht ist wie die Asse und andere Salzstoecke(sieh auch das Oelleck im Muensterland).Wer ist den heiss auf Fracking-obwohl das das Grundwasser verseucht auf Generationen hinaus und zudem Erdbeben verursacht-siehe die Meldungen aus Oklahoma!Wer hat sich denn gegen Katalysatoren gestemmt-als die schon laengst in Kalifornien Pflicht waren?Wer hat sich denn gegen erneuerbare Energien gewehrt,als schon laengst abzusehen war das "peak oil"schon war?usw...
Wassertrinker schrieb am 08.07.2014, 23.26 Uhr:
Wie wird sichergestellt, dass am Ende bei über 300.000 Kugeln tatsächlich alle sicher gelagert werden? Dieses unsägliche, inkompetente Verfahren der Landesregierung in NRW fördert den Kugel-Verlusten für den Bau schmutziger Bomben. Die Brisanz politischer Inkompetenz in NRW ist einfach nur erschreckend.
Hansgert schrieb am 08.07.2014, 15.37 Uhr:
USA ist gut. Das sind die uns schuldig.

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