Vietnam

Veröffentlicht: Samstag, 31. Dezember 2005 Geschrieben von Erich Sczepanski

BIP 2006: 60,9 Mrd. $ bei einem Wachstum von 7 %
davon 21 % Landwirtschaft,  41 % verarbeitendes Gewerbe, 38 % Dienstleistungen

BIP/pro Kopf: 440,- $ (2002), 489,- $ (2003), 555,- $ (2004), 637,- $ (2005), 724,- $ (2006), 1.000,- $ (2011)

Direktinvestitionen 2006: 10,2 Mrd. $ (Quelle: Südd.Zeitung 02.04.2007) 


Vietnam
Krieg und Frieden - ein_Tiger im Sprung

Geschichtliche Ursprünge
Vietnamesisch gehört wie die Sprache der Laoten und Thai zur sino-tibetanischen Sprachfamilie mit Wurzeln im Süden des heutigen China.
Das Volk der Viet lässt sich unmittelbar auf vorgeschichtliche, bronzezeitliche Kulturen in Südchina zurückführen.
Bereits im 3. Jahrhundert vor Christus wurde im Delta des Roten Flusses (Tonkin) ein Reich „Viet nam“ (= südliche Viet) gegründet. 
In seiner ganzen historischen Entwicklung war die Geschichte des Volkes einerseits von Abwehrkämpfen gegen das übermächtige China geprägt, dem Vietnam als Vasallenstaat immer wieder untergeordnet war, und andererseits vom erfolgreichen Versuch bestimmt, das eigene Siedlungsgebiet am Meer entlang nach Süden auszudehnen.
Heute besiedelt das Volk der Viet einen schmalen Landstreifen zwischen den Grenzgebirgen im Westen und dem südchinesischen Meer im Osten. In der Mitte ist das Land auf eine schmal, ca. 60 km messende „Taille“ verengt, während im Norden und im Süden eine Verbreiterung auf jeweils mehrere Hundert Kilometer besteht.
Die Stadt Hanoi im Norden und Ho Chi Minh Stadt (ehemals Saigon) im Süden bilden für diese Regionen jeweils eigene Kumulationszentren für Bevölkerung und Industrie, während mit Da-Nang etwa in der Mitte des Landes am 16. Breitengrad die einigende „Zentralmacht“ eine symbolträchtige Kaiserstadt in der Landschaft Annam schuf. Diese geographische Lage hat in der Vergangenheit immer wieder zu Trennungen der beiden Landesteile geführt, 

Kolonie und Unabhängigkeitskämpfe
Die Kolonisierung Vietnams durch Frankreich in der Mitte des 19. Jahrhunderts nutzte einerseits die Schwäche verschiedener, rivalisierender Staaten Vietnams und andererseits die Schwäche der historischen Hegemonialmacht China aus.

Im zweiten Weltkrieg wurde Vietnam von japanischen Truppen besetzt, die französische Kolonialverwaltung wurde nach anfänglicher Kooperation schrittweise entmachtet.
In diese Zeit fällt die Bildung der kommunistischen Partei Vietnams - bereits kurz nach der Gründung in kommunistische Partei Indochinas umbenannt - die im Wesentlichen auch als Unabhängigkeitsbewegung Vietnams verstanden werden kann.
Obwohl Frankreich im März 1948 die Unabhängigkeit Vietnams anerkannte, erfolgte im Dezember 1946 ein Angriff französischer Truppen auf Hanoi. Die Folge war ein mehrjähriger Unabhängigkeitskrieg, der erst im Sommer 1954 in Folge der verheerenden Niederlage der französischen Truppen in Dien Bien Puh beendet wurde. 

Die praktische Folge war die Teilung Vietnams in zwei Staaten, der Versuch Nordvietnams, durch eine Befreiungsbewegung (Viet Cong) diese Teilung zu überwinden und daraufhin im Sommer 1964 das massive Eingreifen der USA zugunsten der südvietnamesischen Regierung. 
Aus westlicher Sicht - insbesondere der Auffassung der USA - stand der Bürgerkrieg in Vietnam im Kontext zum „Kalten Krieg“ - eine Machtübernahme kommunistischer Einheiten sollten mit aller Gewalt verhindert werden (Domino-Theorie). Tatsächlich konnte Nordvietnams kommunistische Partei sowohl auf die Unterstützung der Sowjetunion wie auch die des kommunistischen China zurückgreifen.

Die „vietnamesische Befreiungsfront“ sah dagegen in diesem Krieg eine Weiterführung des Kolonialkrieges, in der eine südvietnamesische „Marionettenregierung“ unter Führung einer anderen - neuen Kolonialmacht weiterhin die Einheit und Unabhängigkeit des geteilten Landes verhinderte.

Im Verlauf dieses Krieges wurden durch die USA mehr Bomben geworfen als im II. Weltkrieg in Deutschland; mit Napalm und chemischen Kampfmitteln (44 Millionen Liter „Agent Orange“ mit giftigsten Dioxinen) wurde auch die Zivilbevölkerung erheblich belastet.
Der Vietnam-Krieg führte zu einer tiefen Spaltung nicht nur der US-Gesellschaft. Auch in vielen westlichen Staaten - wie im damaligen West-Deutschland - waren die sechziger Jahre geprägt von Protesten, die sich mit dem Ruf „Ho - Ho - Ho-tschi-minh“ gegen den Vietnamkrieg richteten. Die Kosten des Krieges und der notwendigen Hilfslieferungen nach Vietnam belasteten auch den US-Staatshaushalt erheblich - die USA entschlossen sich, das eigene Engagement nicht mehr fortzusetzen. Vielmehr sollten nach Unterzeichnung des Pariser Abkommens über die Beendigung des Krieges die innervietnamesischen Probleme mit friedlichen Mitteln bereinigt werden,
Nach dem Rückzug der USA (1973) wurde der Bürgerkrieg zwischen den beiden vietnamesischen Staaten dennoch fortgesetzt, und es dauerte noch zwei lange Jahre bis zur Kapitulation der südvietnamesischen Regierung. Als am 30. April 1975 der letzte US-Hubschrauber vom Dach der US-Botschaft in Saigon abhob, war die Niederlage der USA besiegelt.

Konflikte mit China
In den Folgejahren wurde Vietnam von den westlichen Staaten mit einem Wirtschaftsboykott belegt, gleichzeitig entfremdeten sich Vietnam und seine Schutzmacht China zusehends.
1974 besetzte Vietnam - gegen den wütenden Protest Chinas - einige der Spratley-Inseln, worauf China in einer spektakulären Aktion die von vietnamesischen Truppen besetzten Paracel-Inseln an sich brachte.
Als Vietnams Streitkräfte dann im Januar 1979 in Kambodscha einmarschierten - um die Terrorherrschaft der von China unterstützten „Roten Khmer“ zu beenden - entschloss sich China sogar zu einer „Strafexpedition“, worauf im Februar d.J. chinesische Truppen von Giangzhi aus über den „Freundschaftspass“ nach Nordvietnam einmarschierten. 
Obwohl Vietnams Eliteeinheiten im Kambodscha gebunden waren gelang den örtlichen Verteidigungskräften Vietnams ein hinhaltender Widerstand. Das chinesische Kriegsziel - die Bedrohung Hanois durch die Überwindung des chinesisch-vietnamesischen Grenzgebirges - konnte erst nach langen, mühseligen und verlustreichen Kämpfen erreicht werden. 
1988 wurden dann in einer gewaltsamen blutigen Aktion von China sieben vietnamesisch beanspruchte Inseln der Spratley-Gruppe besetzt.

Weitere innere Konflikte:
Während sich Chinas Truppen nach der „Strafexpedition“ von 1979 zurückzogen, stürzte Vietnam in den Folgejahren in eine immer tiefere politische, soziale und wirtschaftliche Krise. Mit Methoden der Planwirtschaft war in dem zerstörten Land die Ernährung der Bevölkerung nicht mehr sicher zu stellen - die Flucht von Hunderttausenden war die Folge (boat people).
Obwohl Vietnam nominell geeint war und sogar Truppeneinheiten in Laos und Kambodscha unterhielt, gelang es zunächst nicht, das Land zu befrieden.
Im unwegsamen Grenzgebiet hielten Angehörige der ehemaligen südvietnamesischen Armee (ARVN) mit Bergstämmen (Montagnards) einen hinhaltenden Widerstand gegen die kommunistischen Herrscher aufrecht. 

Vietnam war ausgeblutet und zerschunden, Infrastruktur und Industrie zerstört, die Landwirtschaft vergiftet. „Wir mussten unser Land aus Bombenkratern aufbauen“ sagte Hanois Premier Phan Van Khai in einem Interview mit einer deutschen Wochenzeitschrift (SPIEGEL 47/2002)




Vietnam




"Nach langen Kriegen hat sich Vietnam zu einer der offensten Wirtschaften der Welt gemausert. Es glänzt mit Wachstumsraten, die an China und Indien erinnern. Doch Mängel in der Infrastruktur bremsen."

(Aus der FTD vom 22.01.2008)

"Steigende Kosten, Probleme mit Plagiaten und zunehmender Protektionismus lässt manches ausländische Unternehmen über einen Umzug von China nach Vietnam nachdenken."

(Wirtschaftswoche vom

"China war gestern, Asiens neue Boomregion heißt Vietnam. Hier wächst die Wirtschaft schneller als in den meisten anderen Staaten, Billiglöhne locken Investoren aus aller Welt. Auch die deutsche Firma Bosch engagiert sich in dem kommunistischen Land - Indien wird ihr zu teuer."

(SPIEGEL vom 15.08.2010)


 

Wiederaufbau - Probleme und Erfolge
Noch heute fehlt eine ausgewogenen, moderne Infrastruktur. Die beiden vor Vitalität strotzenden „Ballungszentren“ - das Mekong-Mündungsdelta um Ho Chi Minh Stadt mit etwa 18 Millionen Einwohnern und das politische Zentrum Hanoi sind über eine einzige Straße - die „Nationalstraße Nummer Eins“ - und eine aus der Kolonialzeit stammende Bahnlinie miteinander verbunden. 
Für ein Land, das sowohl von der Fläche wie auch der Bevölkerungszahl her mit Deutschland vergleichbar ist (und im Zuge seiner Wiedervereinigung vielfach auch ähnliche Probleme bewältigen muss) ist das eine denkbar schlechte Ausgangslage. 70 % der über 80 Mio. Vietnamesen sind zudem unter 35 Jahre alt, bis 2015 werden rund 100 Millionen Einwohner ernährt und mit Arbeit versorgt werden müssen. Ein guter Teil der Jugend sucht sein Fortkommen in den beiden Ballungszentren des Landes.
Vietnams KP erkannte, dass sich das Land nur entwickeln lässt, wenn auch Ausländer dabei „Geld machen“ können. Daher wurde seit 1986 (Beginn der „Doi-Moi-Politik“ der wirtschaftlichen Reform und Erneuerung, schon 1988 Gesetz über ausländische Investitionen) zunehmend eine Öffnung vollzogen, die 1995 mit der Aufnahme Vietnams als Vollmitglied in das ASEAN-Bündnis einen Höhepunkt erreichte. Seit November 2006 gehört Vietnam als 150. Mitglied der Welthandelsorganisation (WTO) an. 

Ein weiterer Motor für Vietnams Entwicklung ist die Umstrukturierung in Chinas Küstenprovinzen. China möchte dort zunehmend "High tech" produzieren. Die Textil- und Lederindustrie soll - so das Kalkül der chinesischen Regierung - in die Binnenprovinzen Chinas ziehen, in das Hinterland, und dort erneut den Aufbau der Wirtschaft voran bringen. Die Arbeitskräfte in den Küstenprovinzen werden rar und damit auch selbstbewusster und konfliktfähiger. Erste Streiks - aber auch Selbstmorde unter den Arbeitern - haben vor allem die ausländischen Firmen zu teilweise deutlichen Lohnerhöhungen gezwungen. Chinas Küstenprovinzen sind nicht mehr das "Billiglohngebiet" der Welt. Die Unternehmen der "ersten Generation" ziehen ab - auch nach Vietnam. Puma koordiniert die Aktivitäten seiner rund 40 Lieferanten in Vietnam  von Ho-Chi-Minh-Stadt (Saigon) aus und hat dort ein eigenes Entwicklungszentrum eröffnet. Mehr als 30 Prozent seiner Sportschuhe bezog Adidas im Jahr 2009 aus Vietnam. 2006 lag der Anteil noch bei 25 Prozent.

Südostasien hat seither ein „neues Wirtschaftswunder“. Das Land ist für ausländische Investoren geöffnet, und um das ehemalige Saigon sowie die Haupstadt Hanoi entwickelt sich eine boomende Wirtschaftsregion, die den Vergleich mit der Entwicklung in den Sonderwirtschaftszonen Chinas nicht zu scheuen braucht. Ho Chi Minh Stadt und die umliegenden Provinzen erwirtschaften etwa ein Drittel des Bruttosozialprodukts. Vietnam profitiert darüber hinaus von der Geschäftstüchtigkeit und Zuverlässigkeit seiner Bewohner - und den im weltweiten Vergleich niedrigen Löhnen.

Vietnam gilt als Musterschüler der Region. Es ist inzwischen der zweitgrößte Reis- und Kaffeeexporteur der Welt, die Städte - nicht nur des Südens sondern auch des Nordens - sind wie zu Zeiten des US-Engagements mit Moped-Armeen verstopft.
Vietnam ist 2002 mit 7 % Wirtschaftswachstum gegenüber dem Vorjahr nach China auf einem Spitzenplatz der Entwicklung in Asien. Zum Vergleich: das Wirtschaftswachstum der anderen ASEAN-Staaten war im Schnitt zwischen 5 und 6 % anzusetzen.
Die Exporte Vietnams stiegen von 1995 (5,2 Mrd. US-Dollar) bis 2002 auf über 16.4 Mrd. US-Dollar und hat 2006 bereits di 40 Mrd. $-Grenze erreicht. Das Bruttosozialprodukt wuchs im gleichen Zeitraum von 280 US-Dollar auf 440 US-Dollar (2002) pro Kopf der Bevölkerung, was bei 78,5 Mio. Einwohnern einem BSP von insgesamt rd. 33 Mio. US-Dollar entspricht - und hat 2005 eine Größenordnung von 724,- $ pro Kopf erreicht. Der Dollar ist auch die heimliche Zweitwährung des Landes geblieben. Vietnams größter europäischer Handelspartner ist Deutschland. Im Wesentlichen exportiert werden Pfeffer, Kaffee, und Textilien.

Noch 1991 lebten 51 Prozent der damaligen 80 Millionen-Bevölkerung von einem Einkommen von weniger als 1 US-Dollar täglich, im Jahr 2003 lebten fast 15 Prozent der Bevölkerung in Armut, 2006 ist diese Marge auf 8 % der Beölkerung gesunken. Die Mehrheit der Stadtbevölkerung Saigons, der Wirtschafsmetropole des Lands, lebte auch im Jahre 2005 noch von durchschnittlich 50 Dollar im Monat.

Bis zum Jahr 2011 ist das BIP pro Kopf allerdings schon auf 1.000,- $ angestiegen - eine Verdoppelung, die innerhalb weniger Jahre erreicht wurde. Damit hat Vietnam zu den asiatischen Tigerstaaten aufgeholt - es folgt seinem großen Nachbarn China mit wenigen Jahren Abstand. Dabei hat Vietnam den Vorteil der "Kleinheit". Der Staat mit der Größe der Bundesrepublik kann den Stand der chinesischen Küstenprovinzen erreichen, ohne mit dem Ballast eines riesigen, verarmten Hinterlandes belastet zu sein.

Vietnam braucht Investitionen, um jährlich 750.000 Jugendlichen eine berufliche und wirtschaftliche Zukunft bieten zu können. Und die Investoren stehen "Schlange". Alleine 2004 und 2005 wurden fast 50.000 neue Privatfirmen gegründet. Vor allem die Flüchtlinge aus den Kriegszeiten und die späteren Elendsflüchtlinge (Boatpeople) engagieren sich heute als Investoren. Sie alleine haben von 2002 bi2 2005 rund 12 Mrd. $ in Vietnam investiert. Aber auch die Weltkonzerne haben den heranwachsenden _Tiger entdeckt. Der Chiphersteller Intel hat 2006 Gesamtinvestitionen von 1 Mrd. $ angekündigt.

Rohstoffe sind ein Teil des neuen Aufschwungs. In der Provinz Ha Tinh wartet ein Lager von etwa eine Milliarde Tonnen Eisenerz darauf, abgebaut zu werden. Der taiwanische Konzern Formosa-Steel erschließt das Gebiet bereits.

Die Kraftfahrzeugindustrie hat enorme Umsatzsteigerungen, Automobilschauen auch unter Beteiligung US-amerikanischer Firmen (Ford Vietnam, Daimler-Chrysler) sind selbst im Norden keine Seltenheit mehr. Im Jahre 2005 wurden täglich 450 neue Mopeds und 100 neue Autos in Saigon zugelassen - die zusätzliche Verkehrsbelastung, so errechnet die FAZ (10.11.2005) würde täglich genau 1.723 Quadratmeter neuer Straßen erfordern. Der Verkehrsinfarkt sei nur noch eine Frage der Zeit. Über 15 Mio. Mopeds und Motorroller verstopfen im Jahr 2006 - 20 Jahre nach Beginn der Öffnungspolitik - die Straßen der Städte. Dazu kommen bereits 500.000 private PKWs, bereits, denn namhafte Autohersteller wie Mercedes produzieren inzwischen im Land, und die KFZ-Händler nehmen bei einer ständig wohlhabender werdenden Mittel- und Oberschicht enorm zu. Einkaufszentren für die breite Bevölkerung und Luxusvillen für die "oberen Zehntausen" schießen gleichermaßen aus dem Boden. 

Auch Touristen werden inzwischen nach Vietnam eingeladen - das Internet ist voll von Berichten und Reiseangeboten zu den schönsten Küsten und Inseln des seit 1995 geöffneten Landes. Die Hotels, die in Saigon zum Teil seit der französischen Kolonialzeit an der "Straße der Volkserhebung" (Dong Khoi, in US-Zeiten "To Do" und davor unter französischer Kolonialherrschaft "Rue Catinat" genannt) stehen, sind frisch renoviert. Über 3,5 Mio. Touristen sollen 2006 das Land besucht haben - Kulturtouristen, die Hue und Hoi An (Weltkulturerbe) besuchen, Strandurlauber bei Nha Trang oder Da Nang oder auch Erlebnis- (und Erinngerungs-) Touristen, die sich mit schaudern in die Tunnelanlagen des Vietcong zwängen. Großinvestoren wollen an der Küste für 4 Mrd. $ ein  touristisches Vergnügungszentrum  mit einem 1200 Zimmer Luxushotel und Spielcasino errichten - "zocken" ist nicht nur eine Leidenschaft der Chinesen. Die internationalen Hotel-Ketten bauen in Saigon und Hanoi, nicht nur für Touristen, sondern auch für international tätige Geschäftsleute.

Aber auch die vielen "Ich-AGs" in Vietnam profitieren von der Öffnung. An den Ständen der Buchhändler an der Oper und der Kathedrale werden Raubkopien der westlichen Vietnam-Publizistik und Reiseführer für Asiens Länder angeboten. Von den Reiseführern (5 $) über in Massen nachgemachte "Kriegsdevotionalien" wie Benzinfeuerzeuge, Schlüsselanhänger aus Patronenhülsen und US-Erkennungsmarken bis hin zu den Armbanduhren in den exklusiven Boutiqen an der Dong Khoi (selbstverständlich mitsamt gefälschtem Echtheitszertifikat) - das Angebot lässt auf die vielfältige Nachfrage durch eine steigende Zahl von Touristen schließen. Eines der Höhepunkte der Touristen ist ein Besuch von Cu Chi, eine Autostunde nordöstlich der "Boom-Town" gelegen. Soldaten aus dem Norden hatten dort gemeinsam mit Einheimischen ein bis zu 20 Meter tief führendes, mehrstöckiges Labyrinth von Tunnelanlagen mit getarnten und versteckten Eingängen gegraben, aus dem die Angriffe auf Saigon erfolgten. Den Amerikanern gelang es - trotz massiver Bombardierungen - nie, diese Anlagen zu zerstören. Die Region vermarktet die Ereignisse des vor 20 Jahren beendeten Vietnamkrieges, von der mehr als 1/3 der Bevölkerung nur noch aus Erzählungen Kenntnis hat.

Die KP Vietnams - die an ihrem Machtmonopol ebenso wenig rütteln lässt wie die KP Chinas - erlaubt die freie wirtschaftliche Betätigung, freilich ohne eine Ausbeutung zuzulassen, wie sie in der Frühzeit der Industrialisierung vieler Staaten aufgetreten ist (Kapitalismus). Die über 80 Millionen Vietnamesen scheinen sich vielmehr alle selbst als Unternehmer zu verstehen. 70 % der Vietnamesen sind jünger als 35 Jahre, und heiß darauf, sich aus dem Elend der Nachkriegsjahre herauszuarbeiten. Unabhängige Gewerkschaften - zur Jahreswende 2005/2006 demonstrierten mehrere Belegschaften der neu privatisierten Betriebe gegen die damit einhergehenden Arbeitsbedingungen - sind allerdings langsam im Entstehen.

In Vietnam spiegelt sich damit eine ostasiatische Tradition wieder, die auf chinesischen Wurzeln fußt.
Verlässlichkeit und Zuverlässigkeit sind elementare Grundlagen einer wirtschaftlichen Prosperität. Im Westen ist - historisch gesehen erst seit kurzer Zeit - die Demokratie die Grundlage für diese Eigenschaften. In China und Vietnam sieht man dagegen die Personalität - also Kontinuität in der Person der Führungskräfte - als Grundlage für eine verlässliche Gesetzgebung. Dementsprechend wird das Machtmonopol der Partei und der geordneten Nachfolgeregelung innerhalb der Partei eine große Bedeutung auch für die wirtschaftliche Prosperität zugeschrieben. Die kulturellen, historischen und politischen Werte Asiens sind anders als die des Westens.
Auch westliche Investoren sehen die Vorteile dieses Systems durchaus. Während die Philippinen und Indonesien unter lähmenden Terroranschlägen leiden wird Vietnam als sicherstes Land Asiens bezeichnet - was ausländische Investitionen in Höhe von knapp 5 Milliarden US-Doller in den ersten Jahren dieses Jahrhunderts erklärt. Für Investoren wird Vietnam immer interessanter - vor allem auch als "Gegenpol" zu China, dessen bürokratischer Staatsapparat bisweilen abschreckend wirkt. Die Auslandsinvestitionen stiegen  von 4,2 Mrd. $ im Jahr 2004 über 10,2 Mrd. $ im Jahre 2006 und für das Jahr 2007 wurde die 12 Mrd. Grenze angepeilt. Tatsächlich wurden in den ersten elf Monaten 2007 bereits 15 Mrd. $ aus dem Ausland wurden investiert. Westliche Unternehmen, die sich Prodkutionsstandorte in Vietnam gesichert haben, sind durchwegs zufrieden - auch mit den Exportmöglichkeiten. Die Ausfuhren machen 67 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP - Stand 2007) aus. Zugleich haben die Devisenreserven von Vietnam im Dezember 2006 bereits den Stand zwölf Milliarden Dollar erreicht, gegenüber 8,6 Milliarden Ende 2005.

Dabei gibt es durchaus auch Widerstände: der Planwirtschaft verhaftete Kader aus den unteren und mittleren Verwaltungsebenen, und General Vo Nguyen Giap, den 95jährigen unantastbaren Nationalhelden des Befreiungskrieges gegen die Franzosen und Amerikaner, der in seiner Villa residiert und sich regelmäßig grollend zu Wort meldet und etwa Vetternwirtschaft, Selbstbereichung und den Ausverkauf der Bodenschätze an Ausländer anprangert. Eine grassierende Korruption und Vetternwirtschaft führen dazu, dass rund 10 % des Bruttosozialprodukts in dunklen Kanälen landen. Erst in neueren Zeiten gibt es in den Medien Angriffe gegen einzelne korrupte Apparatschiks, die offenbar von der obersten Staatsführung nicht mehr gedeckt werden. So wurde sogar der Vizetransportminister wegen Korruption verhaftet.

Mit Staatspräsident Nguyen Minh Tret und Premierminsiter Nguyen Tan Dung - beide aus dem liberalen Süden - verfügt das Land seit 2006 über die erste Generation von "Nachkriegspolitikern", die sich nicht auf den Kampf gegen den "Antiimperialismus" als Legitimation für politisches Wirken berufen können. 

Bei einem Wachstum von 7 % ist das BIP im Jahr 2006 auf knapp 61 Mrd. $ angestiegen. In den Jahren 2007 und 2008 kann das Jahreswachstum des Bruttoinlandsproduktes in Vietnam nach Prognose der Weltbank jeweils sogar acht Prozent erreichen (Quelle: www.rian.ru). Und Vietnam hat ehrgeizige Ziele: bis 2010 möchte es zu den Schwellenländern gehören und sich schon zehn weitere Jahre später als Industriestaat im Konzert der ASEAN-Staaten präsentieren.

Vietnams Chancen, dieses Ziel zu erreichen, stehen nicht schlecht: neben der engagierten Bevölkerung, die sich mit zunehmender Freude der Marktwirtschaft widmet, finden die Prospektoren der Ölindustrie vor den vietnamesischen Küsten im südchinesischen Meer immer mehr wertvolle Lagerstätten. Vor dem südlichen Vietnam im sogenannten Cuu-Long-Becken sollen knapp 740 Mio. Barrel auf die Förderung warten - und im Song-Hong-Becken zwischen Nordvietnam und der chinesischen Insel Hainan liegen angeblich fünf Milliarden Barrel Öl.

Allerdings - China und Vietnam, das sind seit Jahrzehnten zwei erbitterte Streithähne wenn es um die Hoheitsrechte im südchinesischen Meer geht.

 

Diskutieren Sie mit: Spraley-inseln: Vietnam gießt Öl ins Feuer

Externer Link:
FTD-Dossier: Vietnam - Land der geborenen Unternehmer




Vietnam







Streitkräfte:
Die leidvolle Geschichte spiegelt sich auch in der Ausrüstung der Streitkräfte Vietnams wieder. 
Die wenigen finanziellen Mittel wurden vor allem in die Umrüstung der Luftwaffe investiert, während die Landstreitkräfte seit dem Höhepunkt des Vietnamkrieges auf rd. 412.000 Mann deutlich reduziert werden konnten. Eine Einführung neuer Waffensysteme fand im wesentlichen im Bereich der Luftwaffe statt.

Landstreitkräfte
Aus verlustreichen Landkämpfen gewachsen ist die Armee dennoch die stärkste aller Teilstreitkräfte.
Ende der 80er Jahre erreichte die vietnamesische Volksarmee (PAVN) mit wohl mehr als 1 Mio. Soldaten und weiteren ca. 3 Mio. Mann paramilitärischer Kräfte eine Stärke, die Vietnams Streitkräfte nach China und der UdSSR zur numerisch drittgrößten Armee der Welt machten.
Während des letzten Krieges von China und der UdSSR gleichermaßen unterstützt musste sich Vietnam mit zunehmender Unterkühlung der Beziehungen zu China immer mehr auf sowjetische Lieferungen verlassen. 
Andererseits gehörten Beutewaffen wie die mittleren Kampfpanzer M 48, Schützenpanzer vom Typ M 113, ja sogar Hubschrauber (Bell UH-1 D) noch über längere Zeit zum Arsenal der PAVN.
In den ersten Jahren nach 1990 verfügte Vietnams PAVN über mehr als Tausend Kampfpanzer und Schützenpanzer der Typen T-34, -54/55, - 62, Modell 50 und M 48, über leichte Planzer PT -76 und das Modell 60/3, das Sturmgeschütz SA -76 und 100, SpähPz BRDM.1/.2, SPz BMP-1, BTR-40, -50, -60, -152 sowie die Modelle 63, 531 und M 113.
Haubitzen (105 mm M 101/102, 122mm D-30, 155 mm M 114, MRW 107 mm Modell 63, 122 mm BM-21, 140 mm BM-14-16) und Flugabwehrwaffen wie die FlaPz. 23 mm ZSU .23-4 und 57 mm ZSU-57-2 vervollständigten dieses Sammelsurium aus sowjetischen, chinesischen und amerikanischen (Beute-) Beständen.
Die Armee wird seit den neunziger Jahren schrittweise demobilisiert. Die nicht benötigten Waffensysteme wurden dabei kannibalisiert (insbesondere, was Systeme westlicher Herkunft betrifft) oder eingemottet. 
Insoweit stellt der Bestand der heute im Einsatz befindlichen Systeme nur einen Teil des Waffenarsenals dar, welches den vietnamesischen Streitkräften im Ernstfall zur Verfügung stehen würde.

Luftwaffe:
Neben mindestens 20 F-5 A/E/B und RF- 5 A der südvietnamesischen Luftwaffe besaß Vietnam um 1990 noch eine ganze Reihe anderer ehemaliger US-amerikanischer Flugzeuge, die aber mangels Ersatzteilen zunehmend aus dem Einsatz genommen werden mussten.
Auch Transportflugzeuge (wie z.B. mindestens sechs C-130 A/B Hercules) mussten ausgegliedert werden.
Nach dem Bruch mit China war Vietnam ausschließlich auf sowjetische Unterstützung angewiesen. Inzwischen ist die Luftwaffe praktisch komplett auf Flugzeuge und Hubschrauber sowjetischer Herkunft umgerüstet.
Die Modernisierungsbemühungen machen - auch in Zusammenarbeit mit nordkoreanischen Beratern - gute Fortschritte. 
Die MiG-19 Jäger überwiegend chinesischer Provinz sind inzwischen durch MiG-23 Flogger ersetzt, und inzwischen wurde auch die SU 27 eingeführt. Vietnam hat von  1994-1997 mehrere SU-27SK und -UB (9 u. 3 Stk.) und bemüht sich (zusätzlich) auch entsprechende Upgrades. Im Dezember 2003 wurde zudem die erste 110 Mill. $ Tranche eines 10-Jahre-Rahmenvertrages über die Lieferung von 24 zweisitzigen SU-30MKV Strikern zum Gesamtpreis von ca. 1 Mrd. $ unterschrieben. Dennoch ist die MiG-21 immer noch das „Standardflugzeug“ in der Abfangjagd, während die SU-22 immer mehr die MiG-17 in der Erdkampfrolle ablösen.

Seestreitkräfte:
Vietnam besitzt nicht nur eine fast 3.300 km lange Küste, sondern im Bereich der (inzwischen chinesisch besetzten) Paracel- und Spratley-Inseln auch einen ausgeprägten Territorialstreit mit China.
Dennoch gehören die auf See einsetzbaren Streitkräfte zur schwächsten Teilstreitkraft Vietnams.
Zur Seezielbekämpfung sind jeweils rund ein Dutzend Hubschrauber vom Typ Ka-25 Hormone und Flugboote Be-12 Mail im Dienst, letztere auch für Patrouillenaufgaben und zur Seeraumüberwachung eingesetzt.
Vietnam besitzt nur 6 hochseefähige, schwach bewaffnete Fregatten und Zerstörer sowie über 40 Patrouillen - und Küstenwachboote. Dazu kommen 2 U-Boote älterer Bauart und eine Reihe von Landungsbooten und Amphibienschiffen, vorwiegend aus südvietnamesischen Beutebeständen.

Linkhinweise:
Vietnam allgemein
Auswärtiges Amt

Friedenspolitischer Ratschlag

Botschaft der Sozialistischen Republik Vietnam, www.vietnambotschaft.org
Elsenstraße 3, 12435 Berlin

Quellenliste des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main (pdf-Datei)

Diskutieren Sie mit: www.defence-forum.net

Indien - Asean - China und Vietnam

Vietnam Marine und 24 Su-30mkv für Vietnam

Vietnamkrieg und China vs Vietnam vor 25jahren und China says Vietnam shot at boats, detained crew

sowie Bücher über den Vietnamkrieg