Vietnam

Veröffentlicht: Samstag, 31. Dezember 2005 Geschrieben von Erich Sczepanski

BIP 2006: 60,9 Mrd. $ bei einem Wachstum von 7 %
davon 21 % Landwirtschaft,  41 % verarbeitendes Gewerbe, 38 % Dienstleistungen

BIP/pro Kopf: 440,- $ (2002), 489,- $ (2003), 555,- $ (2004), 637,- $ (2005), 724,- $ (2006), 1.000,- $ (2011)

Direktinvestitionen 2006: 10,2 Mrd. $ (Quelle: Südd.Zeitung 02.04.2007) 


Vietnam
Krieg und Frieden - ein_Tiger im Sprung

Geschichtliche Ursprünge
Vietnamesisch gehört wie die Sprache der Laoten und Thai zur sino-tibetanischen Sprachfamilie mit Wurzeln im Süden des heutigen China.
Das Volk der Viet lässt sich unmittelbar auf vorgeschichtliche, bronzezeitliche Kulturen in Südchina zurückführen.
Bereits im 3. Jahrhundert vor Christus wurde im Delta des Roten Flusses (Tonkin) ein Reich „Viet nam“ (= südliche Viet) gegründet. 
In seiner ganzen historischen Entwicklung war die Geschichte des Volkes einerseits von Abwehrkämpfen gegen das übermächtige China geprägt, dem Vietnam als Vasallenstaat immer wieder untergeordnet war, und andererseits vom erfolgreichen Versuch bestimmt, das eigene Siedlungsgebiet am Meer entlang nach Süden auszudehnen.
Heute besiedelt das Volk der Viet einen schmalen Landstreifen zwischen den Grenzgebirgen im Westen und dem südchinesischen Meer im Osten. In der Mitte ist das Land auf eine schmal, ca. 60 km messende „Taille“ verengt, während im Norden und im Süden eine Verbreiterung auf jeweils mehrere Hundert Kilometer besteht.
Die Stadt Hanoi im Norden und Ho Chi Minh Stadt (ehemals Saigon) im Süden bilden für diese Regionen jeweils eigene Kumulationszentren für Bevölkerung und Industrie, während mit Da-Nang etwa in der Mitte des Landes am 16. Breitengrad die einigende „Zentralmacht“ eine symbolträchtige Kaiserstadt in der Landschaft Annam schuf. Diese geographische Lage hat in der Vergangenheit immer wieder zu Trennungen der beiden Landesteile geführt, 

Kolonie und Unabhängigkeitskämpfe
Die Kolonisierung Vietnams durch Frankreich in der Mitte des 19. Jahrhunderts nutzte einerseits die Schwäche verschiedener, rivalisierender Staaten Vietnams und andererseits die Schwäche der historischen Hegemonialmacht China aus.

Im zweiten Weltkrieg wurde Vietnam von japanischen Truppen besetzt, die französische Kolonialverwaltung wurde nach anfänglicher Kooperation schrittweise entmachtet.
In diese Zeit fällt die Bildung der kommunistischen Partei Vietnams - bereits kurz nach der Gründung in kommunistische Partei Indochinas umbenannt - die im Wesentlichen auch als Unabhängigkeitsbewegung Vietnams verstanden werden kann.
Obwohl Frankreich im März 1948 die Unabhängigkeit Vietnams anerkannte, erfolgte im Dezember 1946 ein Angriff französischer Truppen auf Hanoi. Die Folge war ein mehrjähriger Unabhängigkeitskrieg, der erst im Sommer 1954 in Folge der verheerenden Niederlage der französischen Truppen in Dien Bien Puh beendet wurde. 

Die praktische Folge war die Teilung Vietnams in zwei Staaten, der Versuch Nordvietnams, durch eine Befreiungsbewegung (Viet Cong) diese Teilung zu überwinden und daraufhin im Sommer 1964 das massive Eingreifen der USA zugunsten der südvietnamesischen Regierung. 
Aus westlicher Sicht - insbesondere der Auffassung der USA - stand der Bürgerkrieg in Vietnam im Kontext zum „Kalten Krieg“ - eine Machtübernahme kommunistischer Einheiten sollten mit aller Gewalt verhindert werden (Domino-Theorie). Tatsächlich konnte Nordvietnams kommunistische Partei sowohl auf die Unterstützung der Sowjetunion wie auch die des kommunistischen China zurückgreifen.

Die „vietnamesische Befreiungsfront“ sah dagegen in diesem Krieg eine Weiterführung des Kolonialkrieges, in der eine südvietnamesische „Marionettenregierung“ unter Führung einer anderen - neuen Kolonialmacht weiterhin die Einheit und Unabhängigkeit des geteilten Landes verhinderte.

Im Verlauf dieses Krieges wurden durch die USA mehr Bomben geworfen als im II. Weltkrieg in Deutschland; mit Napalm und chemischen Kampfmitteln (44 Millionen Liter „Agent Orange“ mit giftigsten Dioxinen) wurde auch die Zivilbevölkerung erheblich belastet.
Der Vietnam-Krieg führte zu einer tiefen Spaltung nicht nur der US-Gesellschaft. Auch in vielen westlichen Staaten - wie im damaligen West-Deutschland - waren die sechziger Jahre geprägt von Protesten, die sich mit dem Ruf „Ho - Ho - Ho-tschi-minh“ gegen den Vietnamkrieg richteten. Die Kosten des Krieges und der notwendigen Hilfslieferungen nach Vietnam belasteten auch den US-Staatshaushalt erheblich - die USA entschlossen sich, das eigene Engagement nicht mehr fortzusetzen. Vielmehr sollten nach Unterzeichnung des Pariser Abkommens über die Beendigung des Krieges die innervietnamesischen Probleme mit friedlichen Mitteln bereinigt werden,
Nach dem Rückzug der USA (1973) wurde der Bürgerkrieg zwischen den beiden vietnamesischen Staaten dennoch fortgesetzt, und es dauerte noch zwei lange Jahre bis zur Kapitulation der südvietnamesischen Regierung. Als am 30. April 1975 der letzte US-Hubschrauber vom Dach der US-Botschaft in Saigon abhob, war die Niederlage der USA besiegelt.

Konflikte mit China
In den Folgejahren wurde Vietnam von den westlichen Staaten mit einem Wirtschaftsboykott belegt, gleichzeitig entfremdeten sich Vietnam und seine Schutzmacht China zusehends.
1974 besetzte Vietnam - gegen den wütenden Protest Chinas - einige der Spratley-Inseln, worauf China in einer spektakulären Aktion die von vietnamesischen Truppen besetzten Paracel-Inseln an sich brachte.
Als Vietnams Streitkräfte dann im Januar 1979 in Kambodscha einmarschierten - um die Terrorherrschaft der von China unterstützten „Roten Khmer“ zu beenden - entschloss sich China sogar zu einer „Strafexpedition“, worauf im Februar d.J. chinesische Truppen von Giangzhi aus über den „Freundschaftspass“ nach Nordvietnam einmarschierten. 
Obwohl Vietnams Eliteeinheiten im Kambodscha gebunden waren gelang den örtlichen Verteidigungskräften Vietnams ein hinhaltender Widerstand. Das chinesische Kriegsziel - die Bedrohung Hanois durch die Überwindung des chinesisch-vietnamesischen Grenzgebirges - konnte erst nach langen, mühseligen und verlustreichen Kämpfen erreicht werden. 
1988 wurden dann in einer gewaltsamen blutigen Aktion von China sieben vietnamesisch beanspruchte Inseln der Spratley-Gruppe besetzt.

Weitere innere Konflikte:
Während sich Chinas Truppen nach der „Strafexpedition“ von 1979 zurückzogen, stürzte Vietnam in den Folgejahren in eine immer tiefere politische, soziale und wirtschaftliche Krise. Mit Methoden der Planwirtschaft war in dem zerstörten Land die Ernährung der Bevölkerung nicht mehr sicher zu stellen - die Flucht von Hunderttausenden war die Folge (boat people).
Obwohl Vietnam nominell geeint war und sogar Truppeneinheiten in Laos und Kambodscha unterhielt, gelang es zunächst nicht, das Land zu befrieden.
Im unwegsamen Grenzgebiet hielten Angehörige der ehemaligen südvietnamesischen Armee (ARVN) mit Bergstämmen (Montagnards) einen hinhaltenden Widerstand gegen die kommunistischen Herrscher aufrecht. 

Vietnam war ausgeblutet und zerschunden, Infrastruktur und Industrie zerstört, die Landwirtschaft vergiftet. „Wir mussten unser Land aus Bombenkratern aufbauen“ sagte Hanois Premier Phan Van Khai in einem Interview mit einer deutschen Wochenzeitschrift (SPIEGEL 47/2002)