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Anstiftung zur Magersucht verbieten sinnvoll?

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Wirkt ein Gesetz, das die "Anstiftung zur Magersucht" unter Strafe stellt? Die Pro-Ana-Szene dürfte sich jedenfalls differenzieren. Frankreich verbietet Anstiftung zur Magersucht - Pro-Ana-Internetseiten zukünftig in Frankreich unter Strafe gestellt - Keine Fotos von dünnen Models mehr in Frankreich.

Das und mehr liest man seit ein paar Tagen oder sieht einen kurzen Fernsehbericht dazu. Vereinzelt meinen Betroffene gar, Essstörungen wären verboten worden. Was ist passiert?

Offenbar hat das Französische Parlament in erster Lesung ein Gesetz verabschiedet, das die "Anstiftung zur Magersucht" mit bis zu zwei Jahren Gefängnis und einer Geldstrafe von 30.000 Euro unter Strafe stellt. Eine Verabschiedung durch den Französischen Senat steht noch aus. Wenn das System der französischen Legislative ähnlich funktioniert wie das deutsche, dann ist das Gesetz noch nicht wirksam.

Den Berichten ist nicht zu entnehmen, wie die "Anstiftung zur Magersucht" genau zu definieren und als Straftatbestand abzugrenzen ist. Ob auch etwas von "Anstiftung zur Bulimie" im Gesetz steht? Zu "Anstiftung zur Adipositas" vielleicht? Der Vorwurf purer Symbolpolitik liegt da nahe. Auch muss die Frage erlaubt sein, wieviele Menschen denn unter einer Essstörung leiden, nur weil sie dazu angestiftet worden sind, und nicht, weil sie mit einer Essstörung ein tieferliegendes Problem oder Trauma ausdrücken.

Dennoch dürfte ein solches Gesetz einen positiven Effekt haben. Immerhin würde sich dann öfter die Frage stellen, inwieweit es ethisch oder zumindest legal ist, künstlich nachbearbeitete Fotos oder Bilder von kranken Menschen zu veröffentlichen und damit ein Schönheitsideal zu propagieren, das weder gesund noch erreichbar ist.

Und schon jetzt sind viele Betreiber von Servern für kostenlose Internet-Foren, auf denen die Pro-Ana-Foren kommen und gehen, nicht zimperlich, wenn es nach Verweis auf den Jugendschutz um deren Löschung geht. Wenn die Veröffentlichung des "Brief von Ana" oder der "10 Ana-Gebote" strafbar sein sollte, werden auch die bisher zögerlichen Blog- und Forenanbieter handeln - sofern sie ihren Sitz in dem Land haben, in dem die "Anstiftung zur Magersucht" unter Strafe steht.

In der Pro-Ana-Szene wird wohl eine deutlichere Differenzierung stattfinden: In Richtung "With Ana", wo die Essstörung als Ausdrucksform und Ventil tiefergreifender Probleme begriffen wird und wo Selbsthilfe stattfinden kann und ansetzen muss, und in Richtung "Ana 'til the end", wo auch ein nationales Gesetz nicht wirken wird im internationalen Internet. Hier bleibt nur, Hilfsangebote zu schaffen und bereitzuhalten, Aufklärung zu betreiben und Menschen nicht auszugrenzen. Das kostet im Zweifelsfall aber mehr Zeit und Geld, als nur ein Gesetz zu erlassen.

Update (21.04.2008):
Nach dem Gesetzentwurf sollen bis zu zwei Jahre und 30.000 € Strafe verhängt werden, bzw. bis zu 3 Jahre und 45.000 € Strafe, wenn jemand zu Tode kommt.