DREI SCHWESTERNPRESSESTIMMEN

Kriegenburg zerstört - vor allem durch die Masken - das engmaschige Beziehungsgeflecht, das Tschechow in sein Stück gewoben hat, er befreit die Figuren aus den Fängen des Psychologismus und schickt sie in den offenen Raum, der da heißt: die Bühne. (...) Es gab viele Schwestern und viele Tschechows in den vergangenen Jahren, konventionelle und überraschende, aber so einen gab es noch nie. Es ist das erste Mal, dass Kriegenburg es mit Tschechow versucht hat, manchmal lohnt es sich also doch zu warten
Frankfurter Rundschau
Mit starken Bildern, großen Effekten, mit poetischer Strahlkraft, Musikalität und gänzlich unabhängig von alten Traditionen und Rezeptionen hat Andreas Kriegenburg dieses 1901 uraufgeführte Tschechow-Stück auf die Bühne gebracht. Mit dieser sehr theatralischen, vielfach überzogenen Inszenierung ist er vermutlich dem Dichter näher als die meisten anderen Tschechow-Aufführungen. Die monströsen Puppenköpfe, fantastisch angefertigt, geben den Figuren eine ganz besondere Aura. Jeder Kopf - ein eigener Charakter. Die weißen Gesichter mit den großen dunkel gemalten Augen zaubern die Seele nach außen und treffen ins Herz. An diesen Physiognomien uralter Kinder kann sich das Mitleid der Zuschauer entzünden.
Münchner Merkur
In seiner poetischen Kraft gehört dieser erste Akt der "Drei Schwestern", die hier in der angerauten statt angegrauten Übersetzung von Andrea Clemen gespielt werden, zum vielleicht zwingendsten, auf jeden Fall betörendsten Auftakt, den man einem Stück nur wünschen kann. Bei Kriegenburg enthält der Anfang bereits das ganze Drama, und so fasst er größere Dialogpartien in einem einzigen Solo der Olga zusammen. Wie aufgezogen rattert sie die immergleichen Konversationen und Tiraden herunter, die sich Tag für Tag wiederholen und ohnehin nur so etwas sind wie Stimmfühlungslaute des sozialen Rudels - eine Tour de force in der Zeitschleife. (...) Moskau bleibt unerreichbar, sie schmachten weiter in ihrem Lebensgefängnis, Masken und Lieder sind ihnen Wasser und Brot. Und in Andreas Kriegenburg haben sie ihren zärtlichsten Kerkermeister gefunden.
Süddeutsche Zeitung
Wenn sie ihre unerfüllten Sehnsüchte nach Liebe und nach Sinn und einem aufregenden Leben nicht mehr aushalten, spätestens dann setzen sich die Figuren in der Münchner Inszenierung von Andreas Kriegenburg große Pappmachéeköpfe auf. Bis dahin haben sie noch gespielt, daß sie es ertragen, das immer gleiche zu tun und das immer gleiche zu reden, nun zeigen diese Monstermasken plötzlich ihre wahre unendlich empfindsame Traurigkeit. Bis hinein in die Feinheiten des Gestus wechselt ds wunderbare Kammerspielensemble zwischen den realen Figuren und diesen monströsen Puppen hin und her, hier wird nicht im realistischen Sinne psychologisiert, sondern hier geht es um unendlich empfindsame Zustandsbeschreibungen und ihre poetisch-theatrale Umsetzung.
Norddeutscher Rundfunk