Report München


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Die EU und der Wundermais Die zweifelhaften Versprechen der Genlobby

Gentechnisch veränderte Pflanzen sollen helfen, das Hungerproblem in der Welt zu bekämpfen. Doch Recherchen von report München in Brasilien zeigen: Statt mehr Ertrag und weniger Pestizideinsatz erlitten Bauern Umsatzeinbrüche und müssen zudem mehr Spritzmittel einsetzen.

Von: Astrid Halder, Hendrik Loven, Niklas Nau

Stand: 18.03.2014

Eigentlich sollte dieser Wurm hier gar nicht da sein. Denn dieser gentechnisch veränderte BT-Mais 1507 bildet ein Gift, das ihn töten sollte.

Dabei wirbt der amerikanische Hersteller DuPont/Pioneer: 1507 - oder wie ihn die Firma nennt „Herculex“ - produziere dank Gentechnik selbst ein Gift gegen die Schädlinge. Das Versprechen: höhere Erträge und weniger Spritzmittel.

Brasilien. Wir  treffen Professor Antonio Andrioli. Der Agrarwissenschaftler berät die Regierung in Gentechnikfragen. Er zeigt uns Genmaisfelder. In Brasilien werden nach den USA die meisten gentechnisch veränderten Pflanzen angebaut. Für den Professor, der in Deutschland studiert hat, haben sich die Versprechen der Gentechnikfirmen nicht erfüllt.

Prof. Antonio Andrioli, Universität Fronteira Sul: „Ich würde hier davon ausgehen, dass es fast alle Bauern sind, die diesen Mais angebaut haben, die diese Probleme jetzt haben. Also es ist ein Problem des BT-Maises, aber es ist am schlimmsten bei Herculex, also bei dieser Sorte von Pioneer, 1507.“

Bei diesem Bauern im südbrasilianischen Bundesstaat Santa Catarina haben die Raupen den 1507-Genmais zerstört. Obwohl er die eigentlich selber töten sollte.

Fritz Wehekind, Bauer: „Wir werden den Mais jetzt als Silage für die Kühe benutzen, Aber wenn wir das verkaufen würden, müssten wir nochmal mit dem Preis runtergehen. Ich habe so 30 Prozent Ernteverlust und 30 Prozent Einnahmeverlust.“

Der Nachbar hat dieselben Probleme.  Er ist wütend, denn für Herculex hat er weitaus mehr als für konventionelles Mais-Saatgut bezahlt. Der Landwirt hat sich beim Hersteller Pioneer beschwert.

Soule Ernesto Zanluchi: „Ich fühle mich benachteiligt von dieser Firma, denn sie haben uns diese Technologie verkauft und versprochen, dass es funktioniert. Und ich weiß jetzt nicht, was ich machen soll.“

Pioneer hat sich bei ihm nicht gemeldet. Regierungsberater und Gentechnik-Kritiker Andrioli ist überzeugt, der Schaden wird noch größer:

Prof. Antonio Andrioli, Brasilianische Biosicherheitskommission: „Die Raupe hat das nur begonnen. Nach der Arbeit der Raupe sozusagen entwickeln sich jetzt eine Reihe von anderen Mikroorganismen, die jetzt diese Pflanze fressen. Das heißt, die Natur reagiert gegen den Eingriff in die Natur.“

Studien bestätigen Andriolis Vermutung: Je mehr Gentechnikpflanzen angebaut werden, desto resistenter werden Insekten und Unkräuter. Die Schädlinge passen sich an, werden noch widerstandfähiger. Inzwischen sind wir im Bundesstaat Parana. Der Mais ist hier noch ganz jung, aber schon jetzt ein Fest für die Raupen. Hier sind die Bauern gezwungen, immer mehr Insektizide einzusetzen, die der Genmais eigentlich überflüssig machen sollte.  Das berichtet uns ein Saat- und Pflanzenschutzmittelhändler.

Marcionei Crocetta Coelha, Pflanzenschutzmittelhändler: „Dieses Jahr hat unsere technische Abteilung zu Pestizideinsatz gegen die Raupenplage geraten.“

Werbeversprechen gebrochen? Tatsache ist: Brasilianische Bauern kaufen nun mehr Spritzmittel für den Genmais 1507. Und zwar: Produkte von Bayer und DuPont Pioneer. Pioneer verdient hier doppelt, erst mit Saatgut, dann mit Spritzmitteln.

Auf unsere Anfrage räumt Pioneer das Problem mit der Raupenplage ein – sie bilden Resistenzen.

Prof. Antonio Andrioli, Brasilianische Biosicherheitskommission:Nach zwei Jahren Erfolg, beim dritten Jahr jetzt schon die Katastrophe. Also die Bauern wissen gar nicht mehr, was sie machen sollen. Die Agrarberater sagen, ja, ja, wir haben wieder Giftstoffe auf dem Markt, das ist aber dann ein Rückschritt. Man könnte sagen, die Gentechnik ist ein Rückschritt. Ein Rückschritt zu mehr Chemieeinsatz.“

An genau diesem Chemieeinsatz auf den Gentechnik-Feldern verdienen deutsche Firmen wie Bayer. Das Interesse der deutschen Wirtschaft an einem gentechnik-freundlichen Klima ist daher groß. Und so auch für die Kanzlerin, die sich hier bei der 150-Jahrfeier des Chemieriesen zeigt.

Diese Haltung kritisieren sogar Abgeordnete der Union.

Josef Göppel, Bundestagsabgeordneter, CSU: „Letztlich kommt es schon von Frau Merkel. Die hat zur grünen Gentechnik eine eher positive Haltung. Und sie und auch andere glauben, dass man den Hunger in der Welt mit Gentechnik bekämpfen kann.“

Die Folge: Deutschland wehrte sich nicht gegen die Zulassung von 1507 in Europa. Seit letzter Woche ist klar: Die EU-Kommission wird den Genmais zum Anbau zulassen.

Die Opposition vermutet in der deutschen Haltung noch einen größeren Zusammenhang: Man wolle schlichtweg die USA nicht vor den Kopf stoßen.

Harald Ebner, Bundestagsabgeordneter, Bündnis 90/Grüne: „Da kann ich ihnen sagen, da ist es mir klar, dass das negative Folgen hätte auf die derzeit laufenden Verhandlungen zum Freihandelsabkommen EU-USA. Und da wissen wir, dass die Firmen aus den USA entsprechende Interessen angemeldet haben.“

Das Kanzleramt bestreitet einen Zusammenhang mit dem Abkommen. Der Pioneer-Lobbyist in Brüssel kündigt aber schon an:

Macy Merriman, DuPont Pioneer: „Da gibt es noch interessante Entwicklungen bei uns. Wir haben auch im Bereich Gentechnik noch viel vor. Ohne zu viel verraten zu wollen, was alles noch kommen wird: Wir wollen die Produkte von uns, die von Bauern auf der ganzen Welt angebaut werden, auch gerne auf den europäischen Markt bringen.“

Zurück in Brasilien: Hier haben die Gentechnik-Unternehmen den Markt bereits fest im Griff. Sie sind überall präsent, täglich gibt es Werbeveranstaltungen für Bauern. Der Pioneer-Vertreter versucht sogar uns vom Genmais zu überzeugen.

Prof. Antonio Andrioli, Brasilianische Biosicherheitskommission: „Man versucht so, es schmackhaft zu machen, so es den Bauern beibringen, hier wird nicht über Probleme gesprochen.“

Konventionellen Mais gibt es in Brasilien kaum noch. Das wollte man in Deutschland eigentlich verhindern, und schrieb in den Koalitionsvertrag:

„Wir erkennen die Vorbehalte des Großteils der Bevölkerung gegenüber der grünen Gentechnik an.“

Diese Passage sieht der umweltpolitische Sprecher der SPD von der eigenen Koalition als gebrochen an. Er kündigt Konsequenzen an:

Matthias Miersch, Bundestagsabgeordneter, SPD: „So kann man nicht miteinander umgehen und deswegen muss diese Frage geklärt werden. Und wir werden das auch als SPD-Bundestagsfraktion intern noch beraten, wie wir damit umgehen. So geht es jedenfalls nicht.“

Ob auf diese Worte auch Taten folgen? In Puerto Rico wurde der Genmais 1507 bereits vom Markt genommen. Und hier in Brasilien bereuen viele schon den Anbau. Denn außer Abhängigkeit von den Gentech-Riesen hat es ihnen nicht viel gebracht.

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