Das Philadelphia Experiment
Jacques F. Valle Beim so genannten "Philadelphia-Experiment" handelt es sich um das angeblich paranormale Verschwinden eines Zerstörers der US-Marine aus der Werft des Marinestützpunktes von Philadelphia im Spätsommer 1943, mit darauf folgenden Hinweisen, dass es zu offiziellen Kontakten mit außerirdischen Mächten gekommen sei. Behauptungen eines ange- blichen Zeugen dieses Vorfalls, der ein von Albert Einstein über- wachter, geheimer Test der US-Marine gewesen sein soll, sind mehr- mals als Betrug entlarvt worden. Der Verfasser hat jetzt einen Mann interviewt, der damals auf einem Schwesterschiff des fraglichen Zerstörers diente, in der Nacht des angeblichen Verschwindens an Ort und Stelle war und für die Vorgänge des angeblichen Verschwindens eine bis ins kleinste Detail gehende Erklärung hat. Doch die Besonderheiten dieses Falles haben sich als zählebiger Be- standteil der UFO-Literatur erwiesen und werden nun für eine neue Generation von Lesern in neuer Fassung aufbereitet. Anhand dieses Vorfalls, ein Musterbeispiel erfolgreicher Irreführung, wird der folgende Artikel dreizehn Parameter aufzeigen, die ausschlaggebend waren für die verblüffende Zählebigkeit während der letzten fünfzig Jahre. Der Artikel vergleicht Besonderheiten dieser Machenschaften mit anderen fragwürdigen Episoden in UFO-Überlieferungen; ab- schließend folgen Vorschläge für geeignete Maßnahmen, um derartige Machenschaften zu erkennen, ihnen entgegenzutreten und als solche zu entlarven. Die Häufigkeit gezielter Irreführungen Auffallend bei der Erforschung paranormaler Phänomene ist der damit einhergehende, schädliche Einfluss bewusster Irreführungen. Es geht dabei nicht nur um unauthentische Berichte, wie sie in jedem Forschungsbereich vorkommen, sondern darum, dass diese Berichte mit Übereifer sofort - ohne viele Bemühungen um Verifizierung - zum Gegen- stand von Betrachtungen gemacht werden, auch von ausgewiesenen Forschern. Offene Kritik an derartigem Verhalten bleibt nicht aus, wird jedoch meist fehl gedeutet als ein Angriff auf die Integrität oder Intelligenz der Befürworter des jeweils diskutierten Falles, die daraufhin natürlich defensiv reagieren, mit einer Verhärtung ihrer Position. Wer die vor- liegenden "Beweise" weiterhin in Frage stellt, wird dann zumeist als Skeptiker abgestempelt und seine Einwände werden nicht selten falsch dargestellt. Die Medien tragen dazu bei, dieser Art von Berichten den Anschein von Seriosität zu verleihen, so dass aufgebauschte Dar- stellungen im Endeffekt zum einzigen "Wissen" über paranormale Phänomene wird, das in der Öffentlichkeit diskutiert wird. Noch bemerkenswerter ist es, dass gezielte Irreführungen eine Art Eigen- leben entfalten. In der Öffentlichkeit schenkt man ihnen auch dann noch Glauben, wenn aufgrund überwältigender Daten sämtliche Fachleute über- einstimmend zu der Überzeugung gelangen, dass die ursprünglichen Argumente jeder Grundlage entbehren. Für die Arbeit der Forscher ist dies ein erhebliches Erschwernis, nicht nur, weil die Unzuverlässigkeit der Berichterstattung stark auf den Forschungsbereich abfärbt, sondern auch, weil viel Aufwand vonnöten ist, Außenseitern den wahren Sach- verhalt zu vermitteln und falsche Darstellungen zu korrigieren. Aus soziologischer Sicht sind Irreführungen allerdings von be- trächtlichem Interesse. Sie ermöglichen tiefe Einblicke in die vorge- fassten Meinungen von Anhängern und Skeptikern gleichermaßen. Sie er- hellen Beweggründe der Urheber von Machenschaften und die Aufnahme- bereitschaft der Zielgruppe. Wenn Irreführungen erfolgreich sein sollen, müssen sie glaubwürdig und relevant sein. Diejenigen, die Bestand haben, trotz klarer Gegenbeweise und trotz eindeutiger Entlarvung der Urheber und ihrer Methoden, weisen besondere Merkmale auf. Mit tief ver- wurzelten Bildnissen wird in der Köpfen der Massen und der gebildeten Schichten Resonanz erzeugt. Fernsehsendungen darüber erzielen dann stets hohe Einschaltquoten zu den besten Sendezeiten. Wir alle werden davon berührt, ob wir das nun zugeben wollen oder nicht. Zu den Opfern gehören Menschen mit höherer Bildung, sogar mit wissenschaftlicher Aus- bildung, ebenso wie die breite Masse. Norman Mailer brachte es auf die Formel: Wenn das Lügen eine Kunst ist, dann ist die raffinierte Lüge hohe Kunst. (Mailer, 1991) In der heutigen Ufologie wimmelt es von erwiesenen oder mutmaßlichen Irreführungen Die dramatischen Schilderungen von UMMO in Spanien sind typisch für die Art von Berichten, die einfach überwältigend sind, mit Implikationen, die so tiefgründig erscheinen, dass Anhänger durch keiner- lei vernünftige Argumente davon abzuhalten sind, an sie zu glauben. Eindeutigen Beweisen, dass Betrug im Spiel war, wird erfolgreich ent- gegengehalten, dass eine wahrhaft überlegene fremde Zivilisation ge- fälschte Fotos oder falsche Vorhersagen selbst in Umlauf gebracht haben könnte, um die Glaubensfestigkeit ihrer irdischen Gefolgschaft zu testen. Dieses Argument findet sich tatsächlich in einigen UMMO- Dokumenten, angeblich vorgebracht von den fremden Wesen selbst. Soziologen haben seit längerem festgestellt, dass eine Entlarvung in solchen Fällen sogar bewirken kann, den Kern eines Glaubenssystems zu stärken, auch wenn es der Vernunft Hohn spricht. Nur die äußere Anhängerschicht wird dadurch in der Regel abgesprengt. (Festinger, 1956) In dieser Hinsicht sind bewusste Irreführungen im paranormalen Bereich nichts anders als jene, die religiöse und politische Fragen betreffen. Die angeblichen Protokolle der Weisen von Zion, zurückgehend auf ein 1905 gefälschtes Dokument der gefürchteten russischen Ochrana und in den dreißiger Jahren mit schrecklichem Erfolg von den Nazis zur Propagandawaffe gegen die Juden umgewandelt (Cohn, 1967), wurde zwar als üble Machenschaft entlarvt, ihre Wirkung aber hat sie dadurch nicht dauerhaft eingebüßt. Die Protokolle sind jetzt sogar als an- geblich durch "Channeling" von außerirdischen Wesen empfangenes Informationsmaterial neu aufgetaucht, nunmehr versehen mit dem Glanz einer allerhöchsten Autorität, die von vielen Anhängern der New-Age- Bewegung nicht so leicht angezweifelt wird wie ein Dokument, das sich "lediglich" auf historische Fakten berufen kann, wobei dem menschlichen Medium unbequeme Schuldgefühle erspart bleiben (Ecker, 1992). Falls es eines Anreizes bedarf, die Mechanismen bewusster Irreführung zu studieren, dann sollte dieses schreckliche Beispiel aus der jüngsten Geschichte ausreichender Anlass sein, in unserem eigenen Forschungsbereich große Anstrengungen zu unternehmen, derartigen Machenschaften auf den Grund zu gehen und sie zu entlarven. Im Mittelpunkt dieses Artikels steht ein besonders widerstandsfähiges Lügengespinst, das sämtliche wichtigen Merkmale einer erfolgreichen Irreführung aufweist, so dass wir alle Details analysieren können. Im Zuge dieser Untersuchung werden wir bestrebt sein, eventuelle Parallelen zu anderen UFO-Berichten bzw. zu Gerüchten mit ähnlichen Merkmalen aufzuzeigen. Wer in geselligem Beisammensein beiläufig UFOs ins Gespräch bringt, wird meist von anderen zu hören bekommen, welche "tatsächlichen Vor- kommnisse" im Fernsehen erörtert wurden, zum Beispiel in der Sendung 'Sightings' oder in 'Unsolved Mysteries'. Der angebliche UFO-Absturz bei Roswell, die MJ-12-Dokumente (die von einer Behörde der US-Regierung stammen sollen, wo man alles über die Beschaffenheit sowie die Zielsetzung der UFOs und ihrer fremdartigen Insassen wisse), werden dabei vermutlich Erwähnung finden, außerdem diverse sensationelle Berichte über Entführungen. Dann, gewissermaßen als Nach- trag, kommt vielleicht die Frage: "Übrigens, gab es nicht mal, in der vierziger Jahren, einen geheimen Test der US-Marine, bei dem ein ganzer Zerstörer völlig verschwand?" Ein anderer mag ergänzend mitteilen, dass Einstein dabei seine Hand im Spiel gehabt habe, und dass viele seriöse Forscher dieses Ereignis für den Schlüssel zur Erklärung von UFOs hielten. So wird man einmal mehr mit der haarsträubenden Geschichte des "Philadelphia-Experiments" konfrontiert. Diese Geschichte, die gerade ihren 50. Geburtstag feiert, ist ein gutes Beispiel für gezielte Irreführung, die mittlerweile völlig aufgedeckt wurde, dank der sich über viele Jahre erstreckenden, unermüdlichen Nachforschungen jener Menschen, die zwar anfänglich von der Geschichte fasziniert waren, dann jedoch auf die außergewöhnlichen Behauptungen mit zunehmender Skepsis reagierten. Während der 50 Jahre, die seit dem vergangen sind, hatte die Geschichte enorme Auswirkungen in der Öffentlichkeit: Ein fest gebundenes Buch des viel gelesenen Autors Charles Berlitz und des altgedienten UFO-Forschers William L. Moore ist zum Standardwerk geworden (Berlitz und Moore, 1979). Gewidmet ist das Buch "Jenen Wegbereitern der Wissenschaft, deren Suche nach neuen Erkenntnissen sie zu den entferntesten Sternen und zu den innersten Welten führt". Ein Spielfilm des Regisseurs Stewart Raffill kam 1984 in die Kinos, mit Michael Pare in der Rolle des verschwundenen Matrosen. Der dramatische Inhalt der Handlung wurde noch gesteigert durch die Wirkung auf mehrere UFO-Forscher, darunter auch Morris K. Jessup. Zu- sätzliche Glaubwürdigkeit erhielt die Geschichte durch das offen- kundige anfängliche Interesse des "Office of Naval Research" (Büro für Marineforschung) und durch den Schleier der Geheimhaltung. Die Geheim- haltung von offizieller Seite, oft nur das Resultat bürokratischer Verfahrensweise, wird von Anhängern gern als Beweis dafür bewertet, dass etwas vertuscht werden soll, was wiederum die ins Kraut schießenden Spekulationen berechtigt erscheinen lässt. Vertieft wurde das Mysterium auch durch die rätselhafte Persönlichkeit des Mannes, der sich als Hauptzeuge ausgab, mit direktem Zugang zu außerirdischen Intelligenzen: Carl M. Allen alias Carlos Allende. Wir wollen hier nicht noch einmal den Betrug aufdecken, sondern ihn in seine wesentlichen Bestandteile zerlegen, durch die es über einen so langen Zeitraum gelang, den Betrug am Leben zu erhalten und die Gemüter so vieler Menschen zu bewegen. Wir wollen versuchen, den allerletzten Sargnagel einzuschlagen, indem wir die bisher unveröffentlichten Aus- sagen jenes Mannes zur Kenntnis geben, der im Juli und August 1943 an Ort und Stelle war und mit dem Verfasser Kontakt aufnahm, um die Sache richtig zu stellen. Wir werden aufzeigen, wie das "Philadelphia- Experiment", das von Ufologen heute als "Schnee von gestern" abgehakt wird, in aller Stille seine Wiederauferstehung feiert, und zwar als "Montauk-Projekt". Abschließend wollen wir untersuchen, welche Lehren sich aus der Tatsache ziehen lassen, dass sich dieser krasse Betrug ein halbes Jahrhundert lang am Leben erhalten konnte. Wir haben 13 Merkmale herausgearbeitet, die diese Geschichte glaubhaft erscheinen ließen. Wir hoffen, dass die aus dieser Studie abzuleitenden Warnsignale auf das Strickmuster dieser durch triebenen Machenschaft und anderer Phantasiegeschichten aufmerksam macht, die heute die mit paranormalen Fragen beschäftigten Forscher in ihren Bann schlagen. Merkmal Nr. 1: Eine sehr präzise und erstaunliche "Tatsache" Wage Geschichten über Ereignisse, die lediglich seltsam oder außerge- wöhnlich waren, sind verständlicherweise nicht von lang anhaltendem Interesse. Folklore-Experten, Spezialisten für psychologische Kriegs- führung und Geheimagenten wissen, dass solche vagen Geschichten oft konkrete Hinweise auf wichtige Tatsachen enthalten, aber sie wissen dann auch, wonach zu suchen ist. Die allgemeine Bevölkerung weiß das nicht. Soll eine bewusste Irre- führung also mythologische Ausmaße annehmen, wie im Falle des "Philadelphia-Experiments", muß der behauptete, unfassbare "Tatbestand" wahrhaftig umwerfend sein und außerdem räumlich sowie zeitlich klar definiert. In dieser Hinsicht war die Situation eindeutig: Der Hauptzeuge berichtete, ein großes Schiff, der Zerstörer DE-173, die "USS Eldridge", habe das scheinbare Unmögliche vollbracht und sei Ende Juli oder Anfang August 1943 aus dem Marinestützpunkt von Philadelphia verschwunden. Ein geheimes Experiment sei durchgeführt worden mit dem "Ergebnis, dass ein auf See befindliches Schiff, Typ Zerstörer, mitsamt seiner Besatzung völlig unsichtbar wurde" (Steiger und Bielek, 1990). In einem mir 1967 übersandten Brief schrieb der angebliche Haupt- zeuge: Ich war Zuschauer, ich sah es, ich beobachtete das Entstehen, das Anwachsen, die Aktion und die Reaktion des Vehikels, das dem Superfeld ausgesetzt war (Allende, 1967). Matrosen sollen durch das Feld in Mitleidenschaft gezogen worden sein, sodass einige wahnsinnig wurden, andere mysteriöse Krankheiten entwickelten. Zwei der Matrosen verschwanden sogar aus einer örtlichen Bar unter Begleitumständen, die die Serviererinnen zutiefst erschreckten und verwirrten. Das Schiff wurde nicht nur unsichtbar, es wurde außerdem räumlich nach Norfolk versetzt und fand sich dann in unmöglich kurzer Zeit wieder in Philadelphia ein. Während der Zeitspanne der Unsichtbarkeit, so behaupten manche Ufologen, gelang es dem US-Militär, fremde Wesen zu kontaktieren, und es sei zu einer Zusammenarbeit gekommen. (Berlitz und Moore 1979, Seite 159) Merkmal Nr. 2: Interessante Zeugen Die ersten Informationen über den verblüffenden "Test der Marine" in Philadelphia waren in einer Reihe von Briefen enthalten, die dem Schriftsteller Morris K. Jessup von einem Mann namens Carl M. Allen zugesandt wurden. Dieser Mr. Allen, der auch als Carlos Miguel Allende unterschrieb, verschickte seine Schreiben aus Gainesville, Texas, als seine Adresse aber gab er RD Nr. 1, Box 223, New Kensington, Pennsylvania, an. Er behauptete, über das fragliche Experiment aus erster Hand informiert zu sein. Von Jessup darüber in Kenntnis gesetzt, sollen Ermittler der US-Marine die angegebene Adresse aufgesucht haben, dort jedoch nur ein leer stehendes Farmgebäude vorgefunden haben. Wenn es keine Aufsehen erregende Hauptzeugen gibt, können Berichte über paranormale Ereignisse noch so sensationell sein, in der Öffentlichkeit und in den Medien werden sie kaum Beachtung finden. Aus diesem Grund werden zuverlässige UFO-Beobachtungen von der Presse oft nicht be- rücksichtigt. Der Hauptzeuge des bedeutsamen Vorfalls in Trans-en- Provence (Vallesco 1990) ist ein stiller, pensionierter Arbeiter, der Publizität meidet und Französisch mit einem derart starken italienischen Akzent spricht, dass er nur schwer zu verstehen ist. Er ist gastfreundlich und stellt sich seriösen Forschern (UFO-Anhängern ebenso wie Skeptikern) nach wie vor zur Verfügung, weigert sich jedoch, an Fernsehsendungen teilzunehmen. Presseinterviews lehnt er meist ab. Derartiger Stoff gibt für die Medien nicht viel her. Ganz anders sieht es aus, wenn ein Georg Adamski sich als Kontaktler hervortut, oder der Schweizer Abenteurer Billy Meier mit einer außergewöhnlichen Karriere als Gelegenheitsdieb, Rennfahrer und Söldner aufwartet. Hier zeigt sich der wesentliche Unterschied. Zeugen müssen eine interessante, schillernde Persönlichkeit haben, sie müssen uns begierig machen, mehr über sie zu erfahren. Entsprechend wirkungsvoll sind Andeutungen, dass ein Zeuge sich abgesetzt hat, vielleicht, weil er um sein Leben fürchtet oder wichtige Geheimnisse hütet. Der Reiz des Erzählstoffs wird dadurch beträchtlich erhöht. Carlos Allende hielt sich die meiste Zeit seines Lebens verborgen. Er korrespondierte zwar mit mehreren auf diesem Gebiet tätigen Personen, sein genauer Aufenthaltsort konnte jedoch nie ermittelt werden. Im Jahr 1967 schrieb er mir aus Dallas, Texas, als Absender gab er jedoch eine Adresse in Minneapolis an. Andere Briefe wurden in Mexiko aufgegeben. Allende blieb bis zum Sommer 1969 eine schwer fassbare Persönlichkeit, doch dann erschien er in Tucson im Büro der "Aerial Phenomena Research Organisation" (APRO, Organisation zur Erforschung von Luftphänomenen) und gestand, dass alles eine gezielte Irreführung gewesen sei. Später widerrief er sein Geständnis. Bill Moore vertiefte die geheimnisum- witterte Angelegenheit, indem er einen großen Teil seines gemeinsam mit Berlitz verfassten Buches dem mysteriösen Allende widmete. Es ist noch immer so gut wie unmöglich, etwas Substantielles über ihn mit auch nur annähernder Gewissheit zu sagen schrieb er und deutete an, dass der Mann vielleicht unter die Zigeuner gegangen sei. Steiger und Whritenour gingen einen Schritt weiter und fragten unverblümt: Waren Carlos Allende und jene, mit denen er korrespondierte, Abgesandte einer außerirdischen Macht, die sich vor Jahr- hunderten auf der Erde niederließen und hier schon vor langer Zeit eine fortgeschrittene Untergrundkultur etablierten? (Steiger und Whritenour, op.cit.) Das ganze Geheimnis wurde schließlich mit ausgesprochen irdischen Mitteln gelüftet. Im Juli 1979 entdeckte der Regisseur Robert A. Goerman, der zufällig aus New Kensington, Pennsylvania, stammte, dass einer seiner Nachbarn, der 70 Jahre alte Harold Allen, der Vater von Carl war. Allende, am 31. Mai 1925 in Springdale, Pennsylvania, geboren, hatte keinerlei Zigeunerblut. Er hatte drei Brüder, Frank, Donald und Randolph, sowie eine Schwester, Sarah. Goermans Nach- forschungen werfen kein gutes Licht auf das Leben von Carl Allen. Obwohl er ein herausragender Schüler war, hat er seinen Verstand nie richtig genutzt und bei keiner Arbeit Ausdauer gezeigt, nur - so seine Brüder - wenn es darum ging, andere "reinzulegen". Goermans Bilanz: Carl Meredeth Allen wurde aus eigenem Antrieb zum Außenseiter. Er hat nichts vorzuweisen außer seiner famosen Geschichte von einem ver- schwindenden Schiff und dem "legendären Buch", von dem er sagt, dass er daran als Co-Autor beteiligt gewesen sei. Was das leer stehende Farmgebäude mit der Adresse RD Nr. 1, Box 223, New Kensigton, betrifft: Es war nicht leer und die Familie Allen besitzt das Grund- stück noch heute. Die "Ermittler", die angeblich dort waren, haben vielleicht eine eigene kleine Lüge in die Welt gesetzt. Etwa im Jahr 1983 zeigte sich Carlos Allende in Denver, wo ihn die mit mir befreundete Wissenschaftsautorin Linda Strand interviewte und fotografierte. Sie beschreibt ihn als einen merkwürdigen Typen, der aus der Luft Gegriffenes von sich gab, einige Randnotizen in ihr Exemplar des Buchs von Berlitz-Moore kritzelte und sich dann aus dem Staub machte. Eine Erklärung für das, was er seinerzeit gesehen haben wollte, bot er nicht an. Merkmal Nr. 3: Angeblich nachprüfbare Beweise Der Anschein nachprüfbarer Beweise ist unabdingbar, wenn eine gezielte Irreführung glaubhaft wirken soll. Ich sage "Anschein", weil - merkwürdigerweise - das tatsächliche Vorhandensein von stofflichem Beweismaterial bei UFO-Anhängern nicht immer zur Erhärtung eines Berichts beiträgt, vielleicht, weil es den Reiz des Geheimnisvollen mindert. Niemand hat bisher Überreste des angeblich gewaltigen UFO- Absturzes bei Roswell vorweisen können, dennoch ist dies der am intensivsten untersuchte Einzelfall in der Geschichte der UFO- Forschung. Er wird heute am häufigsten im Fernsehen erwähnt, während andere Fälle, bei denen physikalische Beweise für Laboranalysen zur Verfügung stehen, bei den Medien und bei UFO-Gruppen nur flüchtiges Interesse wecken. Ähnlich ist es mit Robert Lazar, der noch immer keine Proben von "Element 115" vorgelegt hat, von dem er behauptet, es sei von zentraler Bedeutung für das Antriebssystem der erbeuteten fliegenden Untertassen, die - so Lazar - in einer geheim gehaltenen Halle des US - Luftwaffenstützpunktes Nellis untergebracht sind. Das Ausbleiben dieses Beweismaterials hat jedoch das Interesse in UFO-Kreisen eher gesteigert, während andere, mehr Erfolg versprechende Nachforschungen unterblieben. Nicht anders sieht es bei der Erforschung von Entführungen aus. Von angeblich abgebrochenen Schwangerschaften ist da viel die Rede, doch obwohl es dafür bis heute keinerlei physiologische Beweise gibt, werden diese angeblichen Vorfälle vom Gros der Ufologen nicht in Zweifel gezogen. Eine heute gängige Erklärung besagt, das Fehlen je- glicher physiologischer Spuren beweise einmal mehr die absolute technologische Überlegenheit der fremden Wesen. Im Fall von Carlos Allende sind es seine Briefe, die immer wieder verführerisch vor- gaukeln, dass Beweismaterial vorhanden sei, in Form von Eintragungen im Logbuch, Geheimberichten und Zeugenaussagen. Doch in der Praxis entzogen sich diese angeblichen Beweise dann immer wieder dem Zugriff unabhängiger Rechercheure. Merkmal Nr. 4: Dramatische Wendungen Die drei bereits erwähnten Merkmale - eine präzise ungewöhnliche Behauptung, ein interessanter Zeuge und die Verlockung nachprüfbarer Beweise - genügen für das Grundgerüst einer erfundenen Geschichte, aber wenn die Phantasie einer breiten Öffentlichkeit angeregt werden soll, sind weitere Zutaten vonnöten. Ohne sie bliebe die Geschichte eine von vielen, die in der Boulevard- presse und der Fachliteratur kurz auftauchen und wieder verschwinden. Das Publikum will aber wissen: "Und was geschah dann?" In dieser Hin- sicht ist die Philadelphia-Geschichte exemplarisch, denn sie bietet tragische Verwicklungen, merkwürdige Wendungen des Geschehens und Hinweise auf Einmischung von offizieller Seite. Es begann damit, dass Morris Jessup involviert wurde, ein Verkäufer von Auto-Ersatzteilen, der an der Universität von Michigan Astronomie studierte, sein Studium vor der Promotion jedoch abbrach. Jessup, ein engagierter und ehrlicher Rechercheur, veröffentlichte 1955 ein Buch mit dem Titel "The case for the UFO - (etwa: Argumente für die Existenz von UFOs). Am 13. Januar 1956 erhielt er von Carlos Allende den ersten von über 50 Briefen mit Kritik an Jessup wegen dessen Spekulationen über die einheitliche Feldtheorie. In den Briefen wurden Einsteins physikalische Thesen als Grundlage für das Experiment der US-Marine interpretiert, einen Zerstörer unsichtbar zu machen. Jessup war beunruhigt, konnte aber keine konkreten Einzelheiten in Erfahrung bringen, so dass er die Angelegenheit schließlich auf sich beruhen ließ. Der einzige "Beweis", mit dem Allende aufwarten konnte, war eine Liste der Namen einiger Personen, die mit ihm an Bord des Liberty-Schiffs der Matson-Reederei, der "SS Andrew Furnseth", gewesen seien. An genaue Daten könne er sich nicht erinnern. Im Frühjahr 1957 aber wurde Jessup offiziell vom "Office of Naval research" (ONR Büro für Marineforschung) in Washington D.C., kontaktiert. Dort hatte man ein Exemplar seines Buches in Händen, das postalisch aus Seminole, Texas, versandt worden war und offenbar von drei verschiedenen Personen mit vielen Anmerkungen versehen worden war. Verwendet wurden dabei unterschiedliche Farbstifte. Aus den Anmerkungen schien hervorzugehen, dass diese Personen über UFOs völlig im Bilde waren, einschließlich ihrer Herkunft und ihres geheimnis- vollen Antriebs. Major Darrell Ritter unterbreitete das mit Anmerkungen versehene Buch Captain Sidney Sherby und Commander George Hoover. Letzterer war der für Sonderprojekte zuständige Offizier. Diese Personen hatten daraufhin Jessup angerufen, der sein Erstaunen über die wissen- schaftlich anmutenden Formulierungen der Anmerkungen im Buch zum Aus- druck brachte. Sie erinnerten ihn an die Briefe von Allende. Er informierte die US-Marine über seine Korrespondenz mit dem Zeugen, der sich stets im Hintergrund hielt. Auf Anregung von Hoover und Sherby machte eine Vertragsfirma des Militärs, Varo Manufacturing in Garland, Texas, private Abdrucke des Jessup-Buches mitsamt der Anmerkungen. Angeblich wurden 127 Exemplare gedruckt, die rasch als Sammlerobjekte vergriffen waren. In den 60er und 70er Jahren spielte diese "Varo-Edition" für UFO-Enthusiasten dieselbe Rolle wie heute die MJ-12-Dokumente und die Dulce-Papiere: Sie enthalten angeblich die entscheidenden Erkenntnisse über fliegende Untertassen und das von der Regierung geheim gehaltene Wissen darüber. Die Allende-Offenbarungen beschäftigten Jessup bis zur Besessenheit. Vermischt mit den Auswirkungen eines Autounfalls und Eheproblemen trieben die dubiosen Anmerkungen, von der ONR offenbar sehr ernst ge- nommen, den seelisch angespannten Rechercheur immer tiefer in den inneren Aufruhr. Am 20. April 1959 beging Jessup Selbstmord. Der Beweis, dass alle Anmerkungen der vermeintlichen drei Personen von Carl Allen selbst stammen, gelang erst 1980, als Goerman die Ergebnisse seiner Interviews mit der Allen-Familie veröffentlichte. Merkmal Nr. 5: High-Tech-Glaubwürdigkeit Um den technisch interessierten Teil der Öffentlichkeit an sich zu binden, muß eine UFO-Fabel mit einer Aura hochgestochener Wissen- schaftlichkeit ausgestattet sein. Dementsprechend wird vom "Bereich 51" des US-Luftwaffenstützpunktes Nellis behauptet, dort seien Anti-Schwerkraft-Aggregate gelagert, die eindeutig jede irdische Technologie überträfen und ein Trans-Uran-Element ver- wendeten, das in der wissenschaftlichen Fachliteratur bisher keine Erwähnung fand. Die fremde Zivilisation auf UMMO verfügt angeblich über noch weitaus erstaunlicheres Wissen. Für die Ummiten mit ihrem überlegenen Zahlensystem, dem die 12 zu- grunde liege, seien sich selbst reparierende Raumschiffe ebenso selbstverständlich wie "Universen, die mit ihren eigenen Abbildern im Spiegel der Zeit in Wechselbeziehung treten" (Petit, 1991). In einem bemerkenswerten Brief mit 15 eng bekritzelten Seiten schilderte mir Allende ähnliche Auffassungen von Begriffen der modernen Physik: Eines Tages wird die Magnetodynamik sich derart umfassend weiter- entwickelt haben, dass notgedrungen die Erkenntnis um sich greift, hier nicht nur - wie heute - eine in der Entstehung begriffene Disziplin vor sich zu haben, sondern eine tatsächliche, totale Wissenschaft... wir werden dann, in ferner Zukunft, Dr. Einstein und seine "Kraftfeldphysik" eingeholt haben. Das Versuchsobjekt, wieder- holter Aktivierung des Apparates ausgesetzt, der ein großes Kraftfeld sowie damit einhergehendes UV-Licht ausstrahlte, (...) reagierte äußerst aufschlußreich: Es kehrte an seinen Ursprungsort zurück. Dabei bildete es ein super-dichtes Kraftfeld um sich herum (eine Hülle) und durch- querte -zeitlos- eine Entfernung von fast 225 Meilen. Ein der von Allende vorgebrachten Mutmaßungen lief darauf hinaus, dass auch das Universum eines Tages wieder schrumpfen und an seinen Ur- sprungsort zurückkehren werde, so wie die DE 173 vor seinen Augen. Nachdem Einstein die Varo-Ausgabe von Jessups Buch und die Offen- barungen in Allendes Briefen gelesen habe, habe seine Gesundheit Schaden genommen, so dass er kurz darauf starb. Andere Autoren haben durchblicken lassen, dass es an Bord der "Eldridge" komplizierte Geräte gegeben habe. In einem unlängst er- schienenen Buch heißt es, mehrere große Generatoren seien im Laderaum gewesen und ein vorne gelegener Geschützturm sei abmontiert worden. An Deck habe es vier Sendeanlagen gegeben, außerdem einen speziellen Sender und eine Antenne (Steiger und Bielek, op.cit.) Merkmal Nr. 6: Inanspruchnahme namhafter Wissenschaftler Die Inanspruchnahme von Wissenschaftlern mit hohem Bekanntheitsgrad oder von Persönlichkeiten wie Albert Einstein ist ein herausragendes Merkmal der gezielten Irreführung in der Ufologie. Die angeblichen Beziehungen zwischen Robert Lazar und Dr. Edward Teller auf dem Luft- waffenstützpunkt Nellis, zum Beispiel, werden immer wieder lautstark ins Feld geführt, obwohl Dr. Teller abstreitet, je mehr als nur bei- läufige Kontakte mit dem Betreffenden gehabt zu haben. Die Verbreiter der UMMO-Geschichte haben Kapital aus der Beteiligung von Dr. Jean- Pierre Petit geschlagen, einem französischen Astrophysiker, der zu einem standfesten Anhänger der Geschichte geworden ist (Petit,1991). Die Verbreiter der Geschichte vom Philadelphia-Experiment begnügten sich nicht damit, die Namen von Albert Einstein und John von Neumann für ihre Zwecke zu vereinnahmen. Das Buch von Berlitz-Moore zieht Dr. Townsend T. Brown mit hinein, von dem es heißt, er sei der akademische Zögling eines "Dr. Biefield", der angeblich mit ihm Anti- Schwerkraft-Experimente durchgeführt habe. Der mit mir korrespondierende Robert Mauser hat jedoch darauf hingewiesen, dass in der amerikanischen Ausgabe von "Who's Who in Science" nur zwei "Biefields" vorkommen. Einer von ihnen erhielt 1930 sein Abschluss- diplom in Chemie von der Denison Universität, der andere 1948 in physikalischer Chemie, ebenfalls von der Denison Universität. Dr. Brown studierte dort 1924-25, konnte also kein "Zögling" des einen oder des anderen sein (Mauser, 1987). Die Liste der angeblich am Philadelphia-Experiment beteiligten großen Wissenschaftler ist noch länger. John von Neumann nimmt in Bill Moores Darstellung einen heraus- gehobenen Platz ein. Später meldete sich ein Al Bielek mit Aufsehen erregenden Behauptungen: Er sei einer der Matrosen bei dem von Allende beschriebenen Experiment gewesen. Die maßgeblichen wissenschaftlichen Prinzipien seien von Nicolas Tesla, John Mutchinson, Rektor an der Universität von Chicago, und einem Österreicher, Dr. Emil Kurtenhauer, erarbeitet worden. Bielek hatte, nach eigenem Bekunden bei Vorträgen und Interviews, lange Zeit keine bewusste Erinnerung daran, da er einer Gehirnwäsche unter- zogen worden sei, um seine Beteiligung an dem Geheimprojekt aus seinem Gedächtnis zu löschen. Erst nachdem er 1988 den Spielfilm darüber gesehen habe, sei seine Erinnerung allmählich zurückgekehrt. Merkmal Nr. 7: Offizielle Geheimhaltung Das Aufdecken von Vorkommnissen, die uns die Obrigkeit vorenthalten will - seien es Eltern, Filmstars, das Militär, große Unternehmen oder Regierungen - ist zweifelsohne ein Nervenkitzel. Der Enthüllungs- journalismus, der in den siebziger Jahren, nach der Offenlegung des Watergate-Skandals, engagierte Reporter zu heroischen Figuren hoch- stiliserte, ist zum Vorbild für die eifrigen Rechercheure des UFO- Phänomens geworden, eines Bereichs, in dem Lügen der militärischen Obrigkeit besonders auffällig sind. Eingaben, gemäß dem Gesetz zur Informationsfreiheit geduldig vorangetrieben, haben in vielen Fällen Interessantes an Licht gebracht. Wer die Öffentlichkeit gekonnt irreführen will, kann sich diesen Sach- verhalt zunutze machen, indem er amtliche Stellen in seine Machen- schaften mit einbezieht. Die Urheber der UMMO-Fabel brachten sogar die CIA-Station in Madrid ins Spiel. In einem Schreiben an den Geheimdienst behaupteten sie, den Ermittlern des Dienstes beibringen zu können, woran man fremde Wesen, die unter uns auf der Erde weilen, erkennen könne. Dadurch ließen sie ihre eigene Tätigkeit sowohl bedeutungsvoll als auch gefährlich erscheinen und versorgten gleichzeitig ihre Anhänger mit nahezu unwiderstehlichem Nervenkitzel. Einer meiner Korrespondenten, der einst für die US-Marine (Naval Sea Systems Command) in der Forschungsabteilung für Sprengstoffe arbeitete, hatte Einblick in eine als geheim eingestufte Akte mit Schreiben der US-Marine an Albert Einstein über dessen Tätigkeit für sie während des Zweiten Weltkrieges. Als der Abteilungsleiter den Inhalt der Akte von der Geheimhaltung befreien wollte, um einen Artikel für die betriebs- interne Zeitschrift zu verfassen, wurde sein Antrag abgelehnt. Solche Vorkommnisse leisten denjenigen Vorschub, die ihre Fabeln mit der Feststellung untermauern, die Regierung wisse "mehr als sie uns sagt", was in der Tat zutrifft, und sie kennen auch die Antwort auf die UFO- Frage, was daraus nicht gefolgert werden darf. In einer Abfolge von Ereignissen, bei denen einige der Geheimhaltung unterliegen, können "Leerstellen" unter Hinweis darauf, dass die Regierung der Öffentlichkeit Informationen vorenthalte, beliebig ausge- füllt werden. Auf diese Weise erhält jede an den Haaren herbeigezogene Geschichte ein Maß an Glaubwürdigkeit. Durch die Einschaltung des ONR in die Jessup-Geschichte wurde der Anschein erweckt, die Behauptungen von Allende seien auch von Amts wegen auf Interesse gestoßen. Das be- reitete den Boden für Mutmaßungen über tiefer liegende, dunkle Beweg- gründe bei militärischen Ermittlungen auf höchster Ebene. Merkmal Nr 8: Bedeutung für die breite Öffentlichkeit Viele echte Aktivitäten im paranormalen Bereich sind so komplex und vielschichtig, dass sie beim allgemeinen Publikum keinen Widerhall finden. Dem interessierten Laien ist es kaum möglich, an derartigen Forschungsarbeiten teilzuhaben. Um beispielsweise die PK-Experimente an der Princeton-Universität auch nur annähernd zu verstehen, sind gründliche Kenntnisse von Statistik unabdingbar, von physikalischen Theorien ganz zu schweigen. Ähnlich sieht es bei Versuchen mit der Fernwahrnehmung aus. Dabei sind komplizierte Kontrollverfahren im Spiel, die nur selten in der Presse erwähnt werden, wenn von "paranormalen psychischen Leistungen" die Rede ist. Ganz anders steht es um die Behauptung von Carlos Allende, er habe miterlebt, wie ein großes Schiff von der Bildfläche verschwand. So etwas kann eine breite Öffentlichkeit auf Anhieb nachvollziehen. Die von ihm geschilderte Situation konnte jedermann leicht visualisieren: Ein Zerstörer befand sich im Hafen von Philadelphia und war im nächsten Moment spurlos verschwunden. Matrosen wurden einem un- glaublich starken "Kraftfeld" ausgesetzt. Einige erkrankten, andere wurden wahnsinnig. Mit einer solchen Geschichte konnten die meisten etwas anfangen: Teenager ebenso wie Science-Fiction-Enthusiasten, Militärangehörige ebenso wie Durchschnittsbürger am Stammtisch. Wichtiger noch: Eine solche Geschichte ließ sich leicht verfilmen, sie war faszinierend, dramatisch und optisch reizvoll, ganz anders also als die meisten wissenschaftlichen Untersuchungen, die entweder langweilig und kompliziert sind oder zu abstrakt für die breite Öffentlichkeit. Merkmal Nr. 9: Erhärtung durch glaubwürdige Forscher Viele tatkräftige UFO-Forscher nahmen sich nach Jessups Tod des Philadelphia-Themas an. Ivan T. Sanderson, ein bekannter Naturalist, Autor und Erforscher des Paranormalen, hatte sich aufgrund seiner Freundschaft zu Jessup schon seit langem für den Fall interessiert. Seine Korrespondenz mit anderen Autoren trug dazu bei, dass die Story weiterlebte. Forscher wie Stanton Friedman und Gray Barker kommentierten den Fall. Letzterer mutmaßte sogar, man habe Morris Jessup ermordet und sein Tod sei als Selbstmord getarnt worden. Der UFO-Autor Jerome Clark, heute Vizepräsident des Center for UFO- Studies (CUFOS), verfasste einen Artikel für eine Sammlung mit dem Titel "The Allende Letters"- die Allende-Briefe- (Steiger 1968). Er meinte, "wir können nicht länger die sich aufdrängende Vermutung von der Hand weisen, dass UFO-Wesen sich regelmäßig in unserer Mitte auf- halten, oft in Formen, die für das menschliche Auge unsichtbar sind" und er erwähnte die Allende-Briefe als Untermauerung seiner These. "Das besondere Interesse der US-Marine an den Briefen und das spätere Varo-Dokument", so stellte er fest, "sprechen für einen gewissen Wahr- heitsgehalt seiner Darlegungen." Clark spekulierte, "die Erzeugung von Unsichtbarkeitsstrahlen ist für die irdische Wissenschaft in greifbare Nähe gerückt." Und für die außerirdische Wissenschaft? Noch im Juni 1993 organisierte ein Gruppe hoch spezialisierter Para- psychologen aus der Gegend von San Francisco einen Vortrag von J.Randolph Winters, in dem das Philidelphia-Experiment herausragende Erwähnung fand. In einem Bericht ihres Mitteilungsblatts über den Vortrag hieß es, der Redner habe "Bereiche weit jenseits der üblichen Vorstellungswelten angesprochen: die Rolle reptilienförmiger fremder Wesen, Zeitreisen und die Vertuschung des berühmten Philadelphia- Experiments durch die Regierung, eines Anti-Radar-Unsichtbarkeits- projekts während des Zweiten Weltkriegs, in dessen Verlauf ein Kriegs- schiff der USA von der Bildfläche verschwand, an einen anderen Ort versetzt wurde und dann wieder an den Ausgangsort zurückkehrte" (Klimo, 1993). Sogar Carlos Allende hätte Schwierigkeiten, die von ihm selbst fabrizierte Geschichte wieder zu erkennen, derart verworren ist mittler- weile die bunte Mischung aus reptilien-förmigen Eindringlingen und fehlerhaften Radartests geworden, die unverhofft zu Unsichtbarkeit und Ortsversetzung geführt haben sollen. Mit Sicherheit ist dies eines der spektakulärsten Beispiele für Fehlkalkulationen in der Geschichte der Physik. Merkmal Nr. 10: Resonanz in den Medien Die meisten der wichtigen technologischen Entwicklungen bleiben geheim und werden aufdringlichen Reportern vorenthalten. Computer-Unternehmen sprechen nur selten vorzeitig über die Eigenschaften ihrer künftigen Produkte. Sie warten fast bis zur Vermarktung, und sei es nur, um den laufenden Verkauf ihrer etablierten Produkte nicht zu beeinträchtigen oder um Erschwernisse bei Patentanträgen zu vermeiden. Zentralbanken treffen strengste Vorkehrungen im Vorfeld von Zinsänderungen, und die beachtlichen Summen, die viele Prominente an PR-Firmen zahlen, dienen eher dazu, ihren Namen und Angelegenheiten aus den Schlagzeilen heraus- zuhalten, als dazu, ihre Aktivitäten an die große Glocke zu hängen, denn Vertrauen und Beständigkeit sind im Geschäftsleben wichtiger als Publicity und Selbstbeweihräucherung. Erst wenn das Geschäft abge- schlossen ist, kommt es zumeist routinemäßig zur öffentlichen Bekanntgabe. Anders sieht es bei den meisten UFO-Stories aus. Die einschlägigen Forscher nehmen sich kaum genügend Zeit, um einige grundlegende Fakten zu sammeln, ehe sie eiligst vor die Kameras treten und ihre atem- beraubende Botschaft verkünden. Ihre Informationen sind offenbar so gewichtig, dass die Welt unverzüglich unterrichtet werden muss. Merk- würdigerweise werden dabei meist jene Elemente der Story verschwiegen, die es anerkannten Wissenschaftlern ermöglichen würde, ihre Stich- haltigkeit zu überprüfen. Unabhängige Forscher sehen sich mit sensationellen Behauptungen konfrontiert, ohne eigene Nachforschungen anstellen zu können. Dies war der Fall bei den Fotos von Billy Meier in der Schweiz (Negative standen nie zur Verfügung, obwohl angeblich tausende von UFO-Aufnahmen gemacht wurden), und ebenso bei der nicht minder sensationellen Abduction von Linda Napolitano in New York. Namhafte Ufologen hatten diese Abduction als "Fall des Jahrhunderts" tituliert. Ein derartiger Umgang mit Informationen ist wie Gaukelei: Vor unseren Augen wird ein Vorgang präsentiert, den wir nicht hinterfragen können. Wir dürfen Zeugen nicht ins Kreuzverhör nehmen, können ihre Aussagen nicht überprüfen. Der amerikanischen Öffentlichkeit wurden im Fernsehen sogar angebliche Geheimagenten vorgeführt, die - verborgen hinter einer Abschirmung - mit verfremdeter Stimme über schockierende Geheimnisse plauderten, über die Echtheit der MJ-12-Dokumente, z.B., oder über die Physiologie von Außer- irdischen. Nur wenigen Menschen kam offenbar der Gedanke (die meisten wollten sicherlich gar nicht erst darüber nachdenken), dass für die Geheim- dienste die Identifizierung der Informanten, die angeblich bei ihnen beschäftigt waren, ein Kinderspiel gewesen wäre. Die auf der Hand liegende Schlussfolgerung, dass es sich auch hier wieder um eine bewusste Irreführung handelte, unterblieb. Ähnliche Resonanz erhielt das Philadelphia-Experiment durch ein Buch und durch einen Spielfilm, lange bevor die Fakten geprüft werden konnten und zu einer Zeit, als Carlos Allende noch behauptete, eine vollständige Offenlegung seiner Erlebnisse würde ihn in höchste Gefahr bringen. Die Beweggründe der Medien, derartigen Schilderungen breiten Raum zu geben, haben mit der Verpflichtung, die Öffentlichkeit über wichtige wissenschaftliche Entwicklungen zu unterrichten, nur wenig zu tun. Es geht dabei lediglich um die Erhöhung von Einschaltquoten mittels ständig erneuerter Darbietungen schillernder, umstrittener Persönlichkeiten für ein kapriziöses Publikum. Um eine Story an den Mann zu bringen, scheuen die Medien sich nicht, diese entsprechend den Erfordernissen eines dramatischen Drehbuchs oder einer eindrucksvollen Kameraeinstellung umzufrisieren. Wie mir einige meiner Leser mitteilten, begnügten sich manche publikums- wirksame Sendungen nicht damit, die "Eldridge" unsichtbar zu machen, sondern ließen das Schiff physikalisch ganz und gar verschwinden. Zwar hätte eine derartiges Verschwinden verhängnisvolle Folgen haben müssen, weil dann nämlich 1900 Tonnen Wasser in das so entstandene Nichts eingeströmt wären, was wiederum riesige Wellen im Marine- hafen verursacht hätte, aber diese unausweichliche Konsequenz des "Experiments" wird nirgends erörtert. Die Resonanz in den Medien bewirkt zweierlei: Zum einen wird die Story einer breiten Öffentlichkeit bekannt, zum andern wird sie zu einer dauerhaft zugänglichen Quelle. Wie Curtis-MacDougall feststellte, kommt eine gefälschte Story, "die in Buchform erscheint, in die Bibliotheken und bleibt dort unverändert, um Ahnungslose in ihren Bann zu schlagen, auch wenn noch so viele später erschienene Bücher die Fälschung entlarven" (MacDougall, 1958). Das gleiche gilt für Videokassetten und Computerbriefe, die zunehmend für die Verbreitung von unfundiertem, nicht überprüfbaren Gerüchten bevorzugt werden. Merkmal Nr. 11: Bedeutung für UFO-Gläubige Gläubige zu animieren, sich mit einem Thema zu beschäftigen, ist für den Erfolg einer bewussten Irreführung sehr wichtig, denn wir neigen eher dazu, einem Ereignis Glaubwürdigkeit zuzubilligen, wenn es sich mit unserem eigenen Aufwand an Zeit, Energie und Geld zur Deckung bringen lässt. "Wie kann ich mich einbringen?" ist eine von Möchtegern-Erforschern des Paranormalen oft gestellte Frage. Die auf der Hand liegende Antwort lautet, ein Wissenschaftsdiplom zu erwerben, und bereit zu sein, sich mit langwierigen, vielleicht mühevollen Analysen abzugeben, Aufzeichnungen zu studieren und Statistiken zu erstellen. Dies ist allerdings nicht die von den meisten UFO-Enthusiasten erhoffte Antwort. Sie wollen "Action", den Nervenkitzel der Jagd nach schnellen, sensationellen Entdeckungen. Aus diesem Grund fuhren hunderte von Neugierigen zu Orten wie Gulf Breeze oder zum US- Luftwaffenstützpunkt Nellis, in der Hoffnung, dort seltsame Lichter am Himmel zu erspähen. Doch nur sehr wenige Menschen leisteten die elementare Forschungsarbeit, die erforderlich ist, um die betreffenden Lichterscheinungen zu ergründen. Das Interesse an UFO-Stories erlischt sehr bald, wenn keine Seelen- gemeinschaft von Interessierten zustande kommt. Eine erfolgreiche Irreführung muß besondere Aufgaben oder Missionen verheißen, in die eine Schar von Gläubigen geistige Energie, körperliche Aktivität und Freizeit investieren kann. In einigen Fällen von angeblichen Begegnungen mit Außerirdischen, so zum Beispiel im "Pleijaden-Fall", gibt es sogar eine Kultbewegung, der man beitreten kann. Auch ohne so weit zu gehen, kann ein guter Fälscher von UFO-Stories für Aufregung sorgen, indem er konkrete Materialien in Umlauf bringt (Fotos, Briefe, Dokumente mit offiziellem Anstrich, Tonband- aufzeichnungen, Bruchstücke von Gegenständen), die allesamt zur zeitaufwendigen und mühevollen Analyse herausfordern. In dieser Hinsicht ist die UMMO-Fälschung ein Meisterwerk, denn es beinhaltet jedes der oben erwähnten Elemente, bizarre metallische Zylinder ebenso wie angebliche Landespuren, sowie Fotos und tausende von Blättern aus wissenschaftlich aussehenden Dokumenten. Viele Gläubige sind nach wie vor damit beschäftigt, diese überwältigende Fülle von "Beweismaterial" zu analysieren. Unentwegt reisen sie zu Tagungen, interviewen einander und führen wechselseitige Unter- suchungen durch, suchen die in den Dokumenten erwähnten Orte auf, um die Story zu erhärten. Das Philadelphia-Experiment kann in dieser Hinsicht fast genauso viel vorweisen. Viele Unterlagen bieten sich zur Prüfung an und viele schwer greifbare Zeugen sind dingfest zu machen. Wissenschaftlich klingende Feststellungen harren der Klärung und die offiziellen Archive der amerikanischen Kriegs- und Handelsmarine müssen durchstöbert werden, um die von Carlos Allende erwähnten Schiffe ausfindig zu machen. Von zu- sätzlichen Zeugen war die Rede und wilde Spekulationen schossen ins Kraut. Hunderte von Rechercheuren gingen an die Arbeit, kontaktierten das Nationalarchiv und andere Behörden auf der Suche nach Namenslisten und weiteren Dokumenten, um damit das offizielle Schicksal der Eldridge zu rekonstruieren. Viele neue Informationen kamen dabei zu Tage. Andere Rechercheure ergatterten Kopien der Varo-Edition, analysierten den Inhalt und tauschten Argumente aus über das Für und Wider eines extraterrestrischen Ursprungs der Autoren. Wieder andere versuchten, Carlos Allende einzufangen, ohne Erfolg. Nach- forschungen über das Philadelphia-Experiment wurden zu einem veritablen Industriezweig Marke Eigenbau. Merkmal Nr. 12: Günstige sozioökonomische Rahmenbedingungen Als gejagtes Opfer von Machenschaften erlangte Carlos Allende ein Maß an Glaubwürdigkeit, das man ihm nicht zugebilligt hätte, wäre er - beispielsweise - ein Drogeriebesitzer in Toledo oder Manager eines Supermarkts in Tucson gewesen. In den späten 50er und insbesondere in den 60er-Jahren begann die amerikanische Öffentlichkeit zu erkennen, dass Matrosen und andere Militärangehörige zuweilen als ahnungslose Testpersonen benutzt worden waren. Bei den breit gefächerten Experimenten ging es um Epidemiologie und die Erarbeitung bakteriologischer Modelle, sowie um die bewusst in Kauf genommenen Auswirkungen radioaktiver Strahlung und die Möglichkeiten geistiger Fernsteuerung. Der Vietnamkrieg, bei dem Entlaubungsmittel, Napalm und andere Chemikalien Verwendung fanden, warf ein Schlaglicht auf derartige Methoden. Als angebliches Opfer eines geheimen Experiments der US-Marine konnte Allende der Sympathie seiner Zuhörer gewiss sein. Jemand, der von sich behauptet, er sei mit knapper Not davon gekommen, während andere zu- grunde gingen, kann im Zweifelsfall darauf bauen, dass man eher ihm als seinen Kritikern Glauben schenkt. Die Beteiligung von Morris Jessup verlieh der Situation zusätzliche Glaubwürdigkeit. Auch Jessup war, wie Allende, ein Mann fernab der Obrigkeit, als Forscher zwar nur von marginaler Bedeutung, aber offen- kundig grundehrlich und zutiefst engagiert in einem schwierigen Forschungsgebiet. Zu einer Zeit, als der großzügige Verteidigungsetat von einem wachsenden Teil der Bevölkerung in Zweifel gezogen wurde, erschien es angebracht, danach zu fragen, wie das Verteidigungsministerium das Geld der Steuerzahler ausgab. Das Interesse am Philadelphia-Experiment erreichte seinen Höhepunkt, als die Regierung in den USA die "Great Society" anstrebte und Wohlfahrtsprogramme ins Gespräch brachte. Gleichzeitig wurde der schwarze (nicht-öffentliche) Etat gewaltig auf- gebläht, um damit die Entwicklung streng geheimer Überwachungs- satelliten zu finanzieren. Die Ahnung, dass Gelder in großen Mengen irgendwohin flossen, und dass Washington über den Verwendungszweck die Unwahrheit sagte, war weit verbreitet. Von dieser Ahnung war es kein sehr großer Gedankensprung zur Mutmaßung, Allende könnte mit seiner These von einer radikalen, geheimen Neuentwicklung in der Physik recht haben. Heute herrschen ähnliche Bedingungen wie damals, denn riesige, nicht näher aufgelistete Summen fließen in die Entwicklung und geheime Tests neuartiger Waffensysteme, schwebende Plattformen für nicht-tödliche Waffen, zum Beispiel, oder schwer zu ortende Trägersysteme. Das offizielle Washington spricht unterdessen von der Notwendigkeit, das Haushaltsdefizit zu verringern, von Geldknappheit, Verbesserungen des sozialen Netzes und niedrigeren Verteidigungsausgaben. Diese Wider- sprüchlichkeit erzeugt ideale Rahmenbedingungen für das Gedeihen glaubwürdiger neuer Täuschungsaktionen nach dem Vorbild des Philadelphia-Experiments. Merkmal Nr. 13: Hinweise auf geheime Kontakte UFO-Stories mit der stärksten Anziehungskraft auf breite Bevölkerungs- kreise beschränken sich nicht auf die Dokumentation eines einzelnen Phänomens, und sei es noch so bemerkenswert. Sie deuten an, dass es größere Zusammenhänge gibt und nennen als Anhaltspunkte dafür mysteriöse Telefonanrufe, Besuche von schwarz gekleideten Männern, das Auftauchen von Hubschraubern ohne Kennzeichen oder merkwürdige Autos, die Zeugen verfolgen. Auch von anonymen Briefen oder Päckchen ist in diesem Zusammenhang die Rede. Wir haben diese Methode bei der UMMO-Täuschungsaktion bereits kennen- gelernt. Manchmal findet der Rechercheur die Information in seinem Briefkasten, z.B. einen noch nicht entwickelten Film in einem unbe- schrifteten Behälter. Letzteres soll Bill Moore und dessen Freund Jaime Shandera auf die Spur der Majestic-12 Gruppe gebracht haben, auch dies eine Täuschung, die jahrelang in der amerikanischen Ufologie für Aufregung sorgte. Auf ähnliche Weise gelangte auch das "Beweismaterial" über das Philadelphia-Experiment in Bill Moores Briefkasten. Endlich ist es möglich, von einem Durchbruch der rätselhaften Angelegenheit zu sprechen, schrieb Moore in dem von ihm gemeinsam mit Berlitz verfassten Buch und fügte hinzu: In einem sicheren Schließfach befindet sich die Fotokopie eines Zeitungsausschnitts, die mir anonym zugesandt wurde. (Berlitz und Moore, 1979) Der Ausschnitt, undatiert und ohne Nennung der betreffenden Zeitung, trägt die Überschrift: "Merkwürdige Begleitumstände bei Kneipen- schlägereien". Wie es scheint, ist 1943, als in einer Kneipe in Philadelphia eine Schlägerei ausbrach, die Polizei von einer Hafen- patrouille der US-Marine zu Hilfe gerufen worden, doch die Beamten fanden in der Kneipe keinerlei Gäste. Zwei sehr nervöse Kellnerinnen sagten aus, die Hafenpatrouille sei zuerst eingetroffen und habe die Kneipe geräumt, doch zwei der beteiligten Matrosen hätten sich zuvor in Luft aufgelöst. "Sie sind einfach verschwunden... genau hier", berichtete eine der verängstigten Frauen, "und ich habe weiß Gott nichts getrunken!" Der in der Kneipe angerichtete Schaden wurde auf etwa 600 Dollar geschätzt. Hier wird ein größeres, nicht nachprüfbares, rätselhaftes Geschehen (ein Zerstörer wird unsichtbar) mit einem kleineren, merk- würdigen Zwischenfall in Verbindung gebracht, der zwar verifizierbar ist, dem Rechercheur jedoch anonym zugespielt wurde. Der ahnungslose Leser gewinnt den Eindruck, dass an der gesamten Geschichte etwas dran sein muss. Aber warum will der Übersender des Zeitungsausschnittes anonym bleiben? Soll man glauben, dass jedes Bekannt werden einer Ver- bindung mit dieser Episode für ihn so ungemein gefährlich ist, dass er um sein Leben bangen muß? Wenn ja, dann müssen alle Mitwisser unerkannt bleiben und können mutigen Rechercheuren nur helfen, indem sie ihnen Andeutungen und Beweisstücke zukommen lassen. Ich danke Mr. William Banks für die Hinweise auf die unübersehbaren Parallelen zur MJ-12 Legende, zum angeblichen UFO-Absturz bei Roswell und zur Entführung von Linda Napolitano. Weitere Nachforschungen sind geboten. Den willkürlichen Ausschmückungen einer Täuschung auf den Grund zu gehen, kann viel Zeit erfordern... Glück ist dabei so wichtig wie Ausdauer. Glück war im Spiel, als es mir gelang, einen Matrosen ausfindig zu machen, der im Herbst 1943 in der Kneipe dabei war und mir die ganze Geschichte erzählte. Was tatsächlich in Philadelphia geschah In einer früheren Analyse der vorliegenden Informationen über das Philadelphia-Experiment kam der Autor zu dem vorläufigen Schluss, dass die Geschichte zum Teil auf Tatsachen beruht. Die US-Marine könnte im Herbst 1943 geheim gehaltene Tests mit damals hochmodernem Gerät durch- geführt haben. Diese Erprobung könnte von Menschen wie Allende entweder falsch gedeutet oder vorsätzlich verbrämt worden sein, so wie heute die am US- Luftwaffenstützpunkt Nellis durchgeführten Tests mit neu entwickelten schwebenden Plattformen von UFO-Gläubigen fehl gedeutet werden. Außerdem, so seinerzeit meine Hypothese, galten die Experimente möglicherweise der Suche nach Methoden, das Aufspüren durch Radar zu vereiteln. Eine vor 13 Jahren veröffentlichte Raytheon-Werbung ließ in der Tat den Schluss zu, dass eine entsprechende Technologie nun der Allgemeinheit zugänglich war (Raytheon, 1980). Mit dieser Hypothese ließen sich allerdings einige wesentliche Aspekte der Angelegenheit nicht erklären. Dazu gehörten insbesondere das Verschwinden des Zerstörers aus dem Hafen, die geheimnisvollen Apparaturen, die unter strenger Geheimhaltung an Bord gebracht wurden, und das angebliche Verschwinden von zwei Matrosen aus einer nahe ge- legenen Kneipe. Ich rief meine Leser dazu auf, sich bei mir zu melden, falls sie zu- sätzliche Informationen hätten. So kam es zu einem Briefwechsel mit Mr. Edward Dudgeon und später zu einem persönlichen Treffen. "Ich bin ein 67 Jahre alter ehemaliger leitender Angestellter und lebe jetzt im Ruhestand. In der Marine habe ich von 1942 bis 1945 gedient." So begann Mr. Dudgeon seinen Brief an mich (Dudgeon, 1992), in dem er darlegte, warum er mich kontaktiert hatte. Er bestätigte, dass meine Vermutung, es habe sich in Philadelphia um eine geheime technische Neuentwicklung gehandelt, korrekt sei, dass es sich jedoch nicht um einen Radartest gehandelt habe. Die Wahrheit, so erläuterte er mir geduldig, sei einfacher. "Ich war auf einem Zerstörer, der zur gleichen Zeit wie die Eldrige DE 173 da war... Ich kann alle merkwürdigen Vorkommnisse erklären, denn wir hatten die gleichen geheimen Geräte an Bord. Wir waren mit zwei weiteren DEs und der Eldridge zur Umschulung auf die neuen Geräte in Bermuda und dann auf der Rückfahrt nach Philadelphia." Der Briefschreiber schlug ein Treffen vor und fügte hinzu: "Ich will nur, dass jemand erfährt, was ich weiß, ehe es zu spät ist." Einige Wochen später traf ich Mr. Dudgeon. Er zeigte mir seinen Ausweis und seine von der US-Marine ausgestellten Entlassungspapiere. Während der darauf folgenden zwei Stunden erzählte er mir die Einzelheiten seiner Geschichte und beantwortete meine Fragen. "Sie müssen wissen, dass im Jahr '43 die Deutschen unsere Schiffe ver- senkten, sobald sie aus den Häfen kamen und in den Atlantik vordrangen, der deshalb bei uns 'Friedhof' hieß. Ich war damals noch ein sehr junger Bursche. Ich fälschte meine Geburtsurkunde, um 1942 in die Marine aufgenommen zu werden. Ich war erst 16, wurde 17 im Dezember 1942." "Wie war Ihre Ausbildung?" , fragte ich. "Ich hatte an der Staatsuniversität von Iowa Elektronik studiert. Nach der Grundausbildung schickte mich die Marine auf eine Elektronikschule. Ich erhielt meinen Abschluß als Electrician's Mate Third Class im Februar '43 und ging im Juni '43 an Bord." "Können Sie den Namen des Schiffes nennen?" "Ja, natürlich. Es war die DE 50, die USS Engstrom. Ihr Antrieb war Diesel-elektrisch, im Gegensatz zur DE 173, der Eldridge, die war Dampf-elektrisch. Unser Schiff wurde ins Trockendock gebracht, um Schiffschrauben mit hohem Drehmoment zu installieren." "Warum diese besondere Ausrüstung?" "Die neuen Schrauben machten andere Geräusche, so dass es für die U-Boote schwieriger war, uns zu hören. Außerdem wurde ein neues Sonargerät für Unterwasserortung eingebaut, und eine Apparatur, die wir "hedgehog" (Igel) nannten. Das Ding befand sich vor dem vorderen Geschütz am Bug und feuerte Breitseiten von je 24 - 30 Wasserbomben. Es konnte bis zu 180 Grad abdecken, in einer Entfernung von etwa einer Meile. Das war eine der geheimen Entwicklungen. Es stimmt nicht, dass - wie Sie in Ihrem Buch "Revelations" schreiben - das Schiff für Radar unsichtbar gemacht wurde. Die Deutschen hatten damals keinen Radar im Einsatz. Wir wollten unser Schiff für magnetische Torpedos unsichtbar machen, durch Reduzierung der magnetischen Induktion. Wir verfügten über die üblichen Radargeräte und außerdem "Mikro-Radar" von niedriger Frequenz. Damit konnten wir U-Boote orten, sobald sie ihre Periskope ausfuhren oder für Frischluft auftauchten. Das funktionierte auch im Dunkeln und im Nebel in ein bis zwei Meilen Entfernung. Danach begannen für die Deutschen die hohen U-Boot-Verluste." "Was hat das mit der Eldridge zu tun?" , fragte ich Mr. Dudgeon. "Die Eldrige und die Engstrom waren gleichzeitig im Hafen. Vier Schiffe wurden gleichzeitig ausgerüstet, die 48, die 49, die 50 und die Eldridge, im Juni und Juli 1943. Im Trockendock ließ die Marine bei allen Schiffen die magnetische Induktion verringern, auch bei Handels- schiffen, denn sonst hätten die Schiffe wie Magnetstäbe die Torpedos auf sich gezogen." "Wie lief die Umschulung auf die neue Ausrüstung ab?" "Alle vier Schiffe fuhren nach Bermuda, einer Zwischenstation für Konvois nach Nordafrika. Dort waren mehrere andere Zerstörer. Wir wurden auf See beordert, um das Fahren im Konvoi zu üben. Außerdem hatten wir einen Stützpunkt in den Azoren. Die Zerstörer kamen sich auf halbem Wege entgegen und kehrten dann in ihre jeweiligen Stütz- punkte zurück. Für die Ausbildung waren bis zu acht Wochen vorgesehen, aber wir waren schon nach fünf Wochen mit der Ausrüstung vertraut." "Was genau war Ihre Aufgabe an Bord?" "Mein Dienstgrad war Petty Officer, Electrician's Mate Third Class. Unsere Aufgabe war es, die Geschwindigkeit des Schiffes zu erhöhen bzw. zu verringern, oder auf Rückwärtsfahrt zu schalten, je nach den Signalen von der Brücke. Nach acht Monaten wurde ich zum Electrician's Mate Second Class befördert. Später wurden wir in den Pazifik beordert. Ich habe auf dem Schiff anderthalb Jahre gedient, vom Juni 1943 bis zum November 1944. Dann wurde ich zur Sonderausbildung nach Camp Perry in Virginia abkommandiert." "Was geschah mit der Eldridge?" "Wir haben uns von ihr nach den gemeinsamen Ausbildungswochen ge- trennt. Die DE 48 und die Eldridge blieben im Altantik, mit Stützpunkt in Bermuda, bis Anfang 1944, dann wurden auch sie zum Kriegsschauplatz im Pazifik beordert. Die DE 49, unser Schwesterschiff und die DE 50 durchfuhren Mitte September 1943 den Panama-Kanal und operierten danach im Pazifik. An der Eldridge war absolut nichts Ungewöhnliches. Als wir 1944 Landgang hatten, trafen wir uns mit ihren Besatzungs- mitgliedern und feierten Parties zusammen. Nie war von irgendeinem außergewöhnlichen Vorgang die Rede. Allende hat das alles nur erfunden." "Was ist mit den Leuchtprozessen, die er beschrieben hat?" "Das sind typische Erscheinungen bei elektrischen Gewitterentladungen, sehr spektakulär. Auf See kommt es des öfteren zu diesem so genannten "St.-Elms-Feuer". Ich erinnere mich, dass während der Rückreise von Bermuda in einem Konvoi sämtliche Schiffe in ein Licht getaucht schienen, das wie grünes Feuer aussah. Als es zu regnen begann, ver- schwand das grüne Feuer." "Wie wurden die geheimen Geräte installiert?" "Nachdem die Marine die Schiffe in Dienst gestellt hatte und wir bereit waren, auszulaufen, ließ das National Bureau of Standards einen auf Genauigkeit geprüften Kompass in einer Kiste anliefern, die einem Überseekoffer glich. Wir sind mehrmals auf See in verschiedene Richtungen gefahren, um unseren Kompass anhand des angelieferten Kompasses zu kalibrieren. Das ist die geheimnisvolle "Box", die in verschiedenen Berichten auftaucht." "Wer war Allende? Sind Sie ihm begegnet?", fragte ich und zeigte Mr. Dudgeon verschiedene Briefe, die ich von Allende erhalten hatte. "Ich bin ihm nie begegnet. Aus seinen Texten schließe ich, dass er nicht in der Kriegsmarine war. Aber er könnte durchaus zu jener Zeit in Philadelphia gewesen sein, vielleicht in der Handelsmarine. Möglicher- weise war er an Bord des Handelsschiffes, das wir während eines Sturms in Richtung Philadelphia-Norfolk eskortierten." "Was ist mit der Behauptung, dass Generatoren im Laderaum verstaut wurden?" "Alle Zerstörer mit Diesel-elektrischem oder Dampfelektrischem Antrieb hatten zwei Maschinen, mit denen die Backbord- und Steuerbord-Schrauben angetrieben wurden, und jede Maschine brauchte einen Generator". "Wie war die Prozedur bei der Reduzierung der magnetischen Induktion durch die Marine?" "Die Mannschaft wurde an Land geschickt und das Schiff mit gewaltigen Kabeln umwickelt, durch die dann Hochspannungsstrom geleitet wurde, um die magnetische Struktur des Schiffs durcheinander zu wirbeln. Dafür wurden Vertragsarbeiter gebraucht und natürlich lagen auch Handels- schiffe in der Nähe. Es könnte also durchaus vorgekommen sein, dass zivile Matrosen Äußerungen von Militärs der US-Marine zu hören bekamen, die so etwas sagten wie: "Jetzt machen die uns unsichtbar!" Damit war natürlich die Unsichtbarkeit für magnetische Torpedos gemeint, ohne dass dies so konkret ausgesprochen wurde." "Wie erklärt sich der Ozongeruch?" "Das ist nichts Außergewöhnliches. Bei der Reduzierung der magnetischen Induktion konnte man das dabei entstehende Ozon riechen, sehr deutlich sogar." "Welche Sicherheitsvorkehrungen wurden getroffen?" "Unser Kapitän schärfte uns ein, über den Radar, das neue Sonargerät, den 'hedgehog' und die besonderen Schiffsschrauben Stillschweigen zu bewahren. Aber Sie wissen ja, wie das ist. Irgendetwas sickert immer durch. Ein weiteres geheimes Gerät, das wir an Bord hatten, war der 'foxer'. Das Gerät wurde am Heck zu Wasser gelassen und in einer Entfernung von einer halben bis zu einer Meile hinter dem Zerstörer hergeschleppt. Es gab Geräusche wie von der Schraube eines Handels- schiffes von sich. Dies veranlasste deutsche U-Boote, auf Geräusch reagierende Torpedos abzuschießen, womit die U-Boote ihre Position preisgaben und außerdem Munition vergeudeten." "Wie lange gab es damals schon diese geheimen Geräte?" "Seit etwas sechs bis acht Monaten, soweit ich weiß. Als wir ausliefen, hatte sich beim U-Boot-Krieg an der Ostküste das Blatt zu unseren Gunsten gewendet." "All dies erklärt noch nicht, wie sich die Eldridge in Luft auflösen konnte oder was Anfang August 1943 in der Kneipe passierte." "Das ist der einfachste Teil der ganzen Geschichte", antwortete Mr. Dudgeon. "Ich war an jenem Abend in der Kneipe. Wir hatten zwei oder drei Bier getrunken und ich war einer der beiden Matrosen, von denen es heißt, sie seien auf mysteriöse Weise verschwunden. Der andere hieß Dave. Seinen Nachnamen habe ich vergessen, aber er war auf der DE 49. Die Schlägerei begann, als einige der Matrosen mit den geheimen Geräten prahlten und ihnen gesagt wurde, sie sollten den Mund halten. Zwei von uns waren noch minderjährig. Ich habe Ihnen ja schon erzählt, dass ich für meine Rekrutierungspapiere gemogelt habe. Die Kellnerinnen bugsierten uns daher durch die Hintertür ins Freie, sobald die Schlägerei losging und sie leugneten später, uns je gesehen zu haben. Wir brachen um zwei Uhr nachts auf. Die Eldridge hatte den Hafen schon um 23 Uhr verlassen. Wer in jener Nacht auf den Hafen blickte, konnte sehen, dass die Eldridge nicht mehr da war. In Norfolk wurde sie dann aber gesehen. Schon am nächsten Morgen war sie wieder im Hafen von Philadelphia, eine scheinbar unmögliche Sache. Wenn Sie die Landkarte betrachten, dann verstehen Sie, warum bei Handelsschiffen für eine derartige Reise zwei Tage vonnöten gewesen wären. Sie hätten Lotsen gebraucht, um den U-Boot-Netzen, den Minen usw. vor den Hafeneingängen am Atlantik auszuweichen. Die Kriegsmarine aber benutzte eine besondere Fahrrinne im Inland, und zwar den Chesapeake-Delaware-Kanal, der das alles umging. Wir brauchten für die Fahrt etwa sechs Stunden." "Warum mussten die Schiffe nach Norfolk?" "In Norfolk nahmen wir die Explosivkörper an Bord. Diese Docks, die Sie auf den Luftaufnahmen sehen, sind für Munitionsverladung ausgelegt. Die Marine hat hier rund um die Uhr Schiffe beladen. Einen Zerstörer konnte sie in vier Stunden oder weniger abfertigen. Ich weiß, dass die Eldridge dorthin gefahren ist, und dass sie keineswegs unsichtbar war, denn wir sind ihr in der Chesapeake-Bucht begegnet, als sie von Virginia kommend auf der Rückfahrt war." "Mit anderen Worten, das Ganze lief folgendermaßen ab: Nach Verlassen des Trockendocks Fahrt durch den Kanal, Munitionsbeladung in Norfolk, zurück nach Philadelphia und von dort Auslaufen für die Kompass- kalibrierung sowie die Radar- und Sonartests?" "Genau. Die Eldridge ist nie verschwunden. Alle vier Schiffe steuerten im Juli '43 Bermuda an und kamen Anfang August gemeinsam zurück. Während dieser Zeit gerieten wir in das Gewitter mit dem grünen Feuer, und der Ozongeruch kam dann hinzu. Das grüne Leuchten verblasste, als es zu regnen begann." Das Montauk-Projekt Diejenigen, die sich dem Studium der Ufologie gewidmet haben (ein- schließlich der anfänglichen Fürsprecher der Allende-Briefe, wie Jerome Clark) sind sich heute weitgehend einig, dass die als Philadelphia-Experiment bekannt gewordene Täuschungsaktion, die sich von Anfang an auf äußerst dürftige Materialien stützte, längst hätte zu Grabe getragen werden müssen. Zudem gab es keinerlei Hinweise darauf, dass die Angelegenheit für die Ufologie überhaupt Relevanz hatte, denn keiner der Zeugen erwähnte außergewöhnliche Objekte am Himmel oder ungewöhnliche Wesen. Der Fall hätte eigentlich schon in den 60er Jahren eines friedlichen Todes sterben müssen. Dennoch hat die Story überlebt. Bis zum heutigen Tag gedeiht sie in einer kuriosen Nische des Paranormalen. Nach einem UFO-Vortrag oder in einer Talkshow kommt es immer wieder vor, dass jemand aus dem Publikum die Frage herausstößt: "Und was ist mit dem Philadelphia-Experiment?" Die ganze "rätselhafte Angelegenheit" kommt nun in neuer Form wieder hoch, und zwar als Montauk-Projekt, angeblich ein Experiment mit Reisen durch die Zeit. Auch hier gibt es wieder einen geheimen Ort der Handlung (diesmal ist es ein Stützpunkt der US-Luftwaffe in New York anstelle des Marine-Stützpunktes in Pennsylvania), und es gibt ein Buch, angebliche Zeugen und eine Video-Kassette. Geboten wird sogar ein Workshop über "Zeitreisen und die Präsenz fremder Wesen - ein Bericht über das Philadelphia-Experiment und das Montauk-Projekt von Al Bielek, Preston Nichols und Duncan Cameron" für eine Teilnehmer- gebühr von 150 Dollar, zuzüglich 100 Dollar für Mahlzeiten und Gemeinschaftsquartier, oder 70 Dollar für Camping. Im Katalog des Rim-Instituts ist zwischen den für 1993 geplanten Veranstaltungen auch eine Anzeige zu finden, die folgendes behauptet: Man nennt das Montauk - Projekt eines der größten Rätsel im heutigen Amerika. Die Story begann mit der Pionierarbeit von Wilhelm Reich und Nicola Tesla und konkretisierte sich dann durch die Anfang der 40er Jahre von der Regierung finanzierten Versuche, das Wetter unter Kontrolle zu bringen. Zum Kristallisationspunkt wurde das unglück- seelige Philadelphia-Experiment mit der Unsichtbarkeit während des Zweiten Weltkrieges. Die Akte des Philadelphia-Experiments ist abge- schlossen, aber langfristig angelegte Forschungsarbeit wurde auch danach fortgesetzt. Das Montauk - Projekt, das während der 70er und frühen 80er Jahre im US-Luftwaffenstützpunkt Montauk in New York durchgeführt wurde, war ein Versuch, den Fluss der Zeit zu erforschen mit dem Ziel, die Zeit zu manipulieren. Kronzeuge für diese neuen Offenbarungen ist Preston Nichols, der "erst nach jahrelangen Bemühungen in der Lage war, die ausgelöschten Erinnerungen an seine Rolle als Cheftechniker des Projekts wiederzuerlangen. Alfred Bielek, Mitautor des Philadelphia-Experiments (im Buch von Brad Steiger) behauptet, einer der zwei Matrosen zu sein, die "durch ein Zeitloch fielen", von den 40er Jahren ins Jahr 1983. Er sei später Berater für Montauk geworden. Duncan Cameron, "der renommierteste Seher, den das Projekt beschäftigte", sei ebenfalls durch ein Zeitloch gefallen. In einer sehr verworrenen Geschichte behauptet Al Bielek, er sei als Edward Cameron zur Welt gekommen, als Duncan Camerons Bruder. Mit Hilfe außerirdischer Technologie hätten geheime Regierungsstellen ihn dann aus seiner eigenen Zeitspur gelöscht und ihm den Körper und die Biographie von Alfred Bielek gegeben, geboren 1927. Als Werbung für das von Bielek und dessen Mitreisende durch die Zeit durchgeführte Seminar ist in der Broschüre des Rim-Instituts abschließend zu lesen: "Ihre Story, ob man sie nun glauben mag oder nicht, wird für Sie mit Sicherheit den Wirklichkeitsbegriff ausweiten." Diese Feststellung, das wenigstens lässt sich sagen, hat einen gewissen Wahrheitsgehalt. Gegenmaßnahmen Was kann der einzelne Wissenschaftler tun, um vernünftiger Forschungs- arbeit Vorschub zu leisten in einem Gebiet, in dem die Literatur voll- gestopft ist mit Stories über das Philadelphia-Experiment und der- gleichen mehr, und in dem Entlarvungen nicht willkommen sind? Eine gesunde Skepsis ist zunächst einmal angebracht, aber wesentlich ist es auch, unvoreingenommen zu bleiben. Schließlich gehen manche Schilderungen auf Tatsachen zurück, auch wenn diese im Einzelnen nicht gesichert sind. Wie bereits geschildert, hatten die Ereignisse, um die es bei der Eldridge ging, mit hoch- moderner Technik zu tun, waren streng geheim und beinhalteten Entscheidungen über Leben und Tod, eine Mischung, die für Außenseiter, nur bruchstückhaft darüber informiert, sehr wohl faszinierende Anreize boten, sich Gedanken zu machen. Zusätzlich zur grundsätzlichen Unvoreingenommenheit und einer vernunft- betonten Grundhaltung möchte ich sechs Gesichtspunkte nennen, die für mich selbst hilfreich waren beim Umgang mit derartigen Stories. 1. Mißtrauen gegenüber selbsternannten Experten Viele derjenigen, die in der UFOlogie das große Wort führen, nähren ihren fragwürdigen Ruf, indem sie sich gegenseitig Stichworte liefern und dem eingeschworenen Kreis einiger hundert Leser ihrer Zeitschriften nach dem Mund reden, sodass ein kleiner "harter Kern" entsteht. In solchen Gruppen, geprägt von wechselseitiger Bewunderung, gibt es nur sehr wenige wissenschaftlich ausgebildete Mitglieder, und die Soziologie dieser Szene stärkt die dort vorherrschende extra- terrestrische Hypothese, weil entsprechenden Diskussionsbeiträgen mehr Anerkennung gezollt wird, als Entlarvungen oder Hinweise auf neue Erkenntnisse und aufschlussreiche Widersprüche. 2. Mißtrauen gegenüber den Medien Für Fernsehberichte über UFOs (in Sendungen wie Sighting, Hard Copy, Geraldo, Unsolved Mysteries) ist die Einschaltquote maßgeblich, nicht die Verbreitung von Wissen. Ausgewählt werden rätselhafte Vor- kommnisse, die beim Zuschauer Erstaunen wecken sollen. Die in Frage kommenden nüchternen Erklärungen werden heruntergespielt. Die vorge- tragenen Informationen sind so einseitig, dass sie wertlos sind, auch wenn es dabei um tatsächliche Ereignisse geht. 3. Auf logische Fehlschlüsse achten Herausragendes Kennzeichen ist das gefährliche und oft missbrauchte Wörtchen "deswegen". Die meisten Irrtümer, die in der UFOlogie während der letzten 50 Jahre vorgekommen sind, beruhen auf Fehlschlüssen, die mit diesem einfachen Wort verknüpft sind. Es gibt viele Beispiele dafür: a) Bei Roswell ist etwas abgestürzt (richtig), und der Vorfall wurde ganz offensichtlich von der US-Luftwaffe vertuscht (richtig), des- wegen muss es eine fliegende Untertasse gewesen sein (falsche Schluss- folgerung). b) UFOs verhalten sich nicht so, wie wir es von irdischen Flugkörpern erwarten (richtig), deswegen müssen sie außerirdischen Ursprungs sein (falsche Schlussfolgerung). c) Der vorliegende Fall: Ein Zerstörer verlässt seinen Hafen unter geheimnisumwitterten Begleitumständen (richtig) und befindet sich nach einer "unmöglich" kurzen Zeitspanne an einem anderen Ort (richtig, in Anbetracht der begrenzten Kenntnisse der Zeugen), des- wegen muss das Schiff unsichtbar gemacht, bzw. entmaterialisiert worden sein oder eine Reise durch die Zeit gemacht haben (falsche Schlussfolgerung). Die Liste derartiger logischer Grundirrtümer ist endlos. 4. Irrelevante Dramatik herausfiltern Das Bemerkenswerte an der hier erörterten Irreführung ist die Tatsache, dass die Hauptperson, Carl Allen, bei den Vorkommnissen, die er zur Sensation erhob, nur eine Randfigur war und von den Geräten, die er beschrieb, keine Kenntnisse aus erster Hand besaß. Dennoch gelang es ihm fast allein, die gesamte Legende ins Leben zu rufen. Er gab den Anstoß für Jessups Beteiligung und für die ONR-Untersuchung, er entfachte Faszination durch das Schattenhafte seiner eigenen Existenz. Der Tod Einsteins stand in keiner Beziehung zu den Briefen Allendes. Nicht eine dieser "Tatsachen" hatte etwas mit den tatsächlichen Vor- kommnissen in Philadelphia zu tun. Ähnlich war es bei Bill Moore, der für zusätzliche Dramatik sorgte, indem er einen Zeitungsausschnitt über die "Kneipenschlägerei" ins Gespräch brachte, der auf geheimnis- volle Weise in seinen Briefkasten gelangt sei und "sicher in einem Schließfach" verwahrt wäre - alles irrelevante Details, die mit dem zu untersuchenden Phänomen nichts zu tun hatten. Ein undatierter Zeitungsausschnitt, durch dunkle Kanäle zugespielt und an einem sicheren Ort aufbewahrt, ist um keinen Deut zuverlässiger oder bedeutungsschwerer als ein Zeitungsausschnitt gleichen Inhalte, den man an einer Pin-Wand vorfindet. Trotzdem lassen sich Viele ins Bockshorn jagen, wenn ihnen derartige Anhaltspunkte für ein sich entfaltendes Mysterium vorgegaukelt werden. 5. Unabhängige Informationsquellen erschließen und auf Zuverlässigkeit abklopfenGibt es Zeugen? In einem Hafen arbeiten hunderte von Menschen. Einige von ihnen müssten sich doch an die Ereignisse erinnern. Historische Unterlagen sind verfügbar und setzen Rahmenbedingungen für spätere Nachforschungen. 6. Von Geheimhaltungsgerede nicht beirren lassen Einige der mit UFO-Forschung zusammenhängenden Tatsachen unterliegen der Geheimhaltung, nicht zuletzt, weil die mutmaßlichen Objekte in Wahrheit fehl gedeutete Signale sind, die von geheimen Sensoren aufge- spührt werden. Es mag durchaus sein, dass es eine breit angelegte Vertuschung relevanter Daten gibt, wie UFOlogen behaupten. Aber größtenteils ist die vermeintliche Geheimhaltung, wie im vorliegenden Fall, nur in den Köpfen derjenigen verankert, die wie bei einer Jagd den Nervenkitzel steigern wollen oder sich selbst romantisch als un- erschrockene Erforscher des Unbekannten erleben. Falls man auf tatsächliche Geheimhaltungsbarrieren stößt, findet sich immer genügend Zeit, Zweck und Ausmaß zu erkunden. In Philadelphia gab es wegen der auf dem Zerstörer installierten Geräte in der Tat geheim gehaltene Vorgänge, und nicht anders ist es heute in "Area 51" des US-Luftwaffenstützpunktes Nellis. Es fällt nicht schwer, sich die Situation dort und die sich daraus ergebenden Antworten auszumahlen, auch wenn konkrete technische Details im Dunkeln bleiben. Im vorliegenden Fall hat Vizeadmiral William D. Houser, ehemaliger Stellvertretender Flottenchef der US- Marine, die von Mr. Dudgeon beschriebene Prozedur der Umschulung auf neues Gerät und der Schiffsbeladung sowie die Benutzung des Kanals für uns bestätigt. Im Gespräch mit dem Autor verwies er darauf, dass keine der damals auf dem Zerstörer installierten elektronischen Systeme High-Tech-Geräte waren. Die US-Marine erprobte einfach alles, was geeignet erschien, sich gegenüber deutschen U-Booten Vorteile zu verschaffen. Der Grund für die ganze Geheimhaltung war lediglich, dass der Feind nicht er- fahren sollte, welche Versuche unternommen wurden, und nicht etwa, dass die erprobten Geräte etwas absolut Neuartiges waren. Bei der Erforschung echter UFO-Vorkommnisse sieht das Vorgehen gänzlich anders aus. Nach den Erfahrungen des Autors spielen sich viele der aussichts- reichsten Fälle auf offenem Gelände ab und es gibt keine Sicherheits- absperrungen, die zu überwinden wären. Der Ort des Geschehens, obwohl entlegen, ist allgemein zugänglich und Zeugen lassen sich ohne heroische Großtaten auftreiben. Schlussbetrachtung Bei der Erforschung des Paranormalen sind nur wenige Aufgaben so wichtig wie das Aufdecken und die Eliminierung von bewussten Irre- führungen und Täuschungsaktionen. Wenn in einem Forschungsgebiet die freiwillige Selbstkontrolle fehlt, übernehmen Andere die Kontrolle mit verheerenden Konsequenzen, wie die jüngsten Beispiele von Betrug in der akademischen Forschung gezeigt haben. Nährboden für die populäre UFOlogie sind Gerüchte, schlecht recherchierte Berichte, dürftiger Wissensstand und regelrechte Betrügereien zum Nachteil echter Erkenntnisse, die für die Wissenschaft von Bedeutung sein könnten. Die bunte Folge nicht enden wollender Fälschungen ist in den Augen der breiten Masse kennzeichnend für die UFOlogie, und Wissenschaftler sowie gebildete Laien gewinnen dadurch ein negatives Bild von diesem Forschungsbereich. Problematisch sind derartige Fälschungen, weil sie sich ins Gemüt einschleichen, weil sie kribbelnd und unterhaltsam sind, und weil sie nicht selten etwas bieten, von dem wir wünschten, es wäre wahr, obwohl es eben nicht der Wahrheit entspricht. Wie geschildert, hatte das Philadelphia-Experiment alle diese Merkmale. Diese Irreführung, die aufgrund gemeinsamer Anstrengungen mehrerer Foscher längst tot und begraben sein sollte, ist beispielhaft für eine Story, die einfach nicht tot zu kriegen ist. Sie ist derart geheimnisumwittert, dass man aus ihr auch weiterhin Honig saugen kann. Ebenso wie einige völlig leer geräumte Goldminen in den Bergen von Colorado, aus denen schon im vorigen Jahrhundert das letzte Gold abtransportiert wurde, von Zeit zu Zeit in den Billig- angeboten skrupelloser Aktienhändler unter neuen, klangvollen Namen wieder angepriesen werden, finden sich für gewisse UFO-Stories immer wieder leichtgläubige Investoren. Auch im Jahr 1996 hat die Mär von der verschwundenen DE-173 nichts von ihrem originären Charme eingebüßt. Für das englische Wort "hoax", mit dem die Fälschungen, bewusste Irre- führungen und Täuschungsaktionen in der UFOlogie treffend gekenn- zeichenet sind, ist folgende Definition gegeben worden: "Eine absichtlich konstruierte Unwahrheit, durch die einer Tatsache ein anderes Aussehen verliehen werden soll" (MacDougall, 1958). In einem unlängst erschienenen theoretischen Artikel über dieses Phänomen schreibt Marcello Truzzi, "in den Geisteswissenschaften wurden bisher nur wenig deduktive Anstrengungen unternommen, einen "hoax" zu beschreiben und zu erklären" (Truzzi 1993). Er stellt fest, dass laut Curtis MacDougall der Erfolg einer der- artigen Irreführung aus zwei in den Opfern wirkenden psychologischen Kräften resultiert: In die Rubrik "warum wir nicht ungläubig sein wollen" gehört laut MacDougall Unwissen, Aberglauben, Suggestion und Prestige. Für die Rubrik "Anreize zu Glauben" nennt MacDougall finanzielle Vorteile, Eitelkeit, Chauvinismus, Vorurteile, Vorliebe für gewisse Theorien, Verlangen nach Nervenkitzel und kulturelles Klima. Wir haben gesehen, dass diese Faktoren in der Tat für die Infrastruktur des hier geschilderten Falles maßgeblich waren. Von MacDougall stammt auch der Satz: "Wenn ein 'hoax' so langlebig wird, dass er als Mythos oder Legende gelten kann, sollte man die Hoffnung auf Entlarvung vielleicht aufgeben." Nach 50 Jahren haben wir im Fall des Philadelphia-Experiments diesen Punkt möglicherweise erreicht. Danksagung Der Autor dankt Mr. Edward Dudgeon für dessen unschätzbare Hilfe bei der Klärung des Geschehens in Philadelphia. Die Bereitschaft von Vizeadmiral William D. Houser, das Manuskript dieses Artikels gegenzu- lesen war ebenfalls von großem Wert. Zahlreiche Personen haben durch Korrespondenz mit uns wertvolle Unterstützung bei den Nachforschungen über verschiedenen Aspekte dieses Berichts geleistet, insbesondere William Banks, Gary Edwards, Allen Hovey, M. Troy, Heidi Streetman, David Edwards, Marshall Philyaw und Keith Sjosten. Wir bedanken uns recht herzlich für die Übersetzung dieses Artikels ins Deutsche bei Roderich H. Boes. Literatur- und Quellenverzeichnis Allende, Carlos (1967): Briefe an den Autor, persönliche Mitteilung. Berlitz, Charles und Moore, William L. (1979): The Philadelphia- Experiment: Project Invisibility. New York: Grosset & Dunlap 1979. Clark, Jerome (1968): The Invisible Visitors from Outer Space, in Steiger, Brad and Whritenour, Joan (1968): The Allende Letters. New York: Award Special. Cohn Norman (1967): Histoire d'un Mythe: La "Conspiration" Juive et les Protocoles des Sages de Sion. Paris: Gallimard. French translation by Leon Poliakov of Warrant for Genocide. Dudgeon, Edward (1992): Brief vom 29.12.92. Private Mitteilung an den Autor. Festinger, Leon, Riecker, H.W. and Schachter, S. (1956): When Prophecy Fails: A social and psychological Study of a modern group that predicted the destruction of the world. University of Minnesota Press. Ecker, Don (1992): Hatonn's World: a neo-NAZI E.T.? UFO Magazine Vol. 7, No. 4, Seiten 30 - 31. Klimo, Jon (1993): UFO's: Billy Meier and the Pleiadian Contact. IRIDIS Vol. 31 Nr. 10, S. 2, Juni. Berkeley: California Society for Psychical Study. MacDougall, Curtis D. (1958): Hoaxes. New York: Dover. (erste Veröffentlichung 1940). Rim Institute (1993): Catalog of Events, Phoenix, Arizona: The Rim Institute. Steiger, Brad and Sherry, and Bielek, Alfred (1990): The Philadelphia-Experiment and other UFO-Conspiracies. New Brunswick, NJ: Inner Light Publications. Truzzi, Macello(1993): The sociology and Psychology of Hoaxes. In Gordon Stein, Encyclopedia of Hoaxes. Detroit, MI: Gale Research, S. 291-297. VallÚe, Jacques F. (1991): Revelations: Alien Contact and Human Deception. New York: Ballantine Velasco, Jean-Jacques (1990): Report on the analysis of anomalous physical traces: the 1981 Trans-en-Provence UFO-case. JSE 4,1, Seiten 27-48. Weitere interessante Texte Kommentar zum Text im Forum abgeben Diese Seite drucken