Forstwirtschaft nach Kyoto: Kohlenstoffhaushalt von Waldökosystemen
Ansprechpartner
Prof. Dr. Andreas Schulte
andreas.schulte(at)wald-zentrum.de
Laufzeit
seit 1997 / Dauervorhaben mit verschiedenen Auftraggebern
Auftraggeber
- Ministerium für Wissenschaft und Forschung NRW
- Ministerium für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz NRW
- Weltbank (Prototype Carbon Fund)
- Gesellschaft für Agrarprojekte (GFA) GmbH
Kooperationspartner
- Landesanstalt für Ökologie, Bodenordnung und Forsten NRW (LÖBF NRW)
- Universidad de Chile, Santiago de Chile
- Zentrum für Umweltforschung der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster
- PrimaKlima-weltweit- e.V.
Key-Words
Kohlenstoff, CO
2, Klimaschutz, Klimawandel, Kyoto-Protokoll, Expansionsfaktoren, Emissionsreduktionszertifikate, Holz als Kohlenstoffspeicher
Hintergründe
Der Energiekonsum - vor allem der Industrienationen - ist eine der Schlüsselfragen für die nachhaltige Entwicklung und das langfristige Überleben der Menschheit. Etwa 6 Milliarden Menschen verbrauchen derzeit rund 6 Milliarden Tonnen Kohlenstoff jährlich - zu 90 % aus so genannten fossilen Energieträgern wie Kohle, Erdöl und Erdgas - und produzieren damit pro Jahr ca. 22 Milliarden Tonnen Kohlendioxid (CO2). Der dadurch ausgelöste Anstieg der CO2-Konzentration in der Erdatmosphäre wird neben anderen Ursachen von der überwiegenden Mehrheit der wissenschaftlichen Gemeinschaft für einen bereits begonnenen globalen Klimawandel verantwortlich gemacht.
Waldökosysteme sind auf vielfältige Weise in die globalen Kohlenstoffflüsse eingebunden und stehen in einem komplexen Austauschverhältnis mit der Atmosphäre. Zum einen entziehen sie der Atmosphäre bei der Photosynthese ständig das Treibhausgas CO2 und bauen es dauerhaft in Phytomasse, v. a. in Holz, ein. Da letztere zur Hälfte aus Kohlenstoff besteht, sind die Waldökosysteme die größten Kohlenstoffspeicher der lebenden, terrestrischen Biosphäre. Zum anderen wird der in Biomasse gebundene Kohlenstoff bei der Zersetzung freigesetzt und der Atmosphäre zugeführt. Überwiegt der Abbau der Phytomasse, so stellen die Wälder eine Kohlenstoffquelle dar (‚source'). Wird hingegen mehr Pflanzenmasse aufgebaut, so wirken sie als Kohlenstoffsenke (‚sink'). Überwiegen CO2-Freisetzung oder CO2-Bindung, so wird der Treibhauseffekt verstärkt oder gemindert.
Derzeit gehen rund 20 bis 25 % der globalen durch den Menschen verursachten CO2-Emissionen auf die Rodung von Wäldern und die Nutzholzverbrennung zurück. Im Umkehrschluss bietet sich die gezielte Nutzung forst- und holzwirtschaftlicher Optionen - neben umfassenden Maßnahmen der Energieeinsparung, der Steigerung der Energieeffizienz und des Einsatzes erneuerbarer Energieträger - an, um nicht nur die enormen, im Boden gespeicherten Kohlenstoffmengen vor raschem Abbau zu schützen, sondern zusätzlich durch aufwachsende forstliche und agroforstliche Ökosysteme CO2 aus der Atmosphäre zu binden. Folgende Möglichkeiten stehen einzeln oder kombiniert zur Auswahl: (1) Aufforstungen, (2) verbesserte Bewirtschaftungsmethoden, (3) Walderhaltungsmaßnahmen, (4) die Vergrößerung der in Holzprodukten gespeicherten Kohlenstoffmenge und (5) die Substitution fossiler Brennstoffe sowie der gleichwertige Ersatz energieaufwendig herzustellender Materialien - jeweils durch nachhaltig produziertes Holz.
Bei der Konferenz für Umwelt und Entwicklung im Jahre 1992 in Rio de Janeiro reagierte die Weltgemeinschaft auf die Bedrohung des Weltklimas mit der Verabschiedung der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen. Sie ist darauf ausgerichtet, die Treibhausgaskonzentration in der Atmosphäre auf ein für den Menschen tolerables Maß zu begrenzen. Als Durchbruch bei den internationalen Klimaverhandlungen gilt das Kyoto-Protokoll, in dem sich die Industrie- und Transformationsnationen 1997 verpflichtet haben, die Emission der sechs wichtigsten Treibhausgase im Durchschnitt der Jahre 2008 bis 2012 um 5,2 % bezogen auf das Jahr 1990 zu reduzieren. Die für die Forst- und Holzwirtschaft relevanten Artikel des Kyoto-Protokolls (UNFCCC 1997) sind die Artikel 2 und 3 sowie die Artikel 6 (Joint Implementation) und 12 (Clean Development Mechanism). Das Klimaprotokoll von Kyoto erfordert auf nationaler Ebene statistisch präzise Wald-Inventuren, betrieblich dagegen praktikable Methoden zur Herleitung und Prognose der Vorräte an Kohlenstoff (C) in Waldökosystemen.
Ziel der Arbeiten des Wald-Zentrums ist es, einen wissenschaftlichen Beitrag zur Entwicklung von Modellen zu liefern, die wissenschaftlich hinreichend und betriebswirtschaftlich
akzeptable Aussagen zur Entwicklung von C-Vorräten in Waldökosystemen unter Berücksichtigung sich ändernder Umweltbedingungen und der Waldbewirtschaftung ermöglichen.
Ausgewählte Publikationen
POULAIN, M.; PEÑA, M.; SCHMIDT, A.; SCHMIDT, H.; SCHULTE, A. (2012)
Aboveground biomass estimation in intervened and non-intervened Nothofagus pumilio forests using remotely sensed data.
International Journal of Remote Sensing 33: 3816–3833
POULAIN, M.; PEÑA, M.; SCHMIDT, A.; SCHMIDT, H.; SCHULTE, A. (2009)
Relationships between forest variables and remote sensing data in a Nothofagus pumilio
forest.
Geocarta International 25: 25-43
SCHMIDT, A.; POULAIN, M.; KLEIN, D.; KRAUSE, K.; PEÑA-ROJAS, K.; SCHMIDT, H.; SCHULTE, A. (2009)
Allometric above-belowground biomass equations for Nothofagus pumilio regeneration in the
Chilean Patagonia
Annals of Forest Science 66: 513 (8 pages)
KLEIN, D.; FUENTES, J. P.; SCHMIDT, A.; SCHMIDT, H.; SCHULTE, A. (2008)
Soil organic C as affected by silvicultural and exploitative interventions in Nothofagus pumilio forests of the Chilean Patagonia
Forest Ecology and Management 255: 3549-3555
KLEIN, D.; SCHMIDT, A.; HEIM, M.; SCHULTE, A. (2008)
Das Totholzaufkommen in Lenga (Nothofagus pumilio)- Natur- und Wirtschaftswäldern sowie dessen Funktion als Kohlenstoffspeicher
Forstarchiv 79: 2, 48-54
POULAIN, M.; PRENDEZ, M.; SANHUEZA, E. (2008)
Die regionale Treibhausgasbilanzierung für den Sektor Landnutzänderung und Forstwirtschaft am Beispiel der XI. Region Aysén, Chile
Forstarchiv 79: 2, 40-47
SCHMIDT, A.; KLEIN, D.; LEUTHOLD, F.; SCHMIDT, H.; SCHULTE, A. (2008)
Anteil der Wurzelbiomasse an der Gesamtbaumbiomasse eines Lenga (Nothofagus pumilio) Naturwaldes im chilenischen Teil Patagoniens
Forstarchiv 79: 2, 55-59
SCHMIDT, A.; SCHMIDT, H.; SILVA, C.; KLEIN, D.; SCHULTE, A. (2008)
Regeneration dynamics in Nothofagus pumilio forests harvested by shelterwood cuts in south Chilean Patagonia
Forest Ecology and Management 255: 3549-3555
SCHULTE, A. (2008)
Nachhaltige Bewirtschaftung von Nothofagus-Waldökosystemen in Patagonien im Blickwinkel des Kohlenstoffhaushaltes
Forstarchiv 79: 2, 35-39
JOOSTEN, R. ; SCHUMACHER, J. ; WIRTH, C. ; SCHULTE, A. (2004)
Evaluating tree carbon predictions of beech (Fagus sylvatica L.) in western Germany
Allg. Forst- u. J.-Ztg. 174 (9): 157-168
JOOSTEN, R. ; SCHUMACHER, J. ; WIRTH, C. ; SCHULTE, A. (2004)
Evaluating tree carbon predictions of beech (Fagus sylvatica L.) in western Germany
Forest Ecology and Management 189: 87-96
JOOSTEN, R. ; SCHULTE, A. (2002)
Possible effects of altered growth behaviour of Norway spruce (Picea abies) on carbon accounting
Climatic Change 55: 115 - 129
SCHULTE, A. ; BÖSWALD, K. ; JOOSTEN, R. [eds.] (2001)
Weltforstwirtschaft nach Kyoto: Wald und Holz als Kohlenstoffspeicher und regenerativer Energieträger
Shaker Verlag Aachen, 394 Seiten
BÖSWALD, K. ; RUMBERG, M. ; SCHULTE, A. (2000)
Die Forstwirtschaft in der internationalen Klimapolitik
Forst und Holz 55 (21): 691 - 696
SCHÖNE, D. ; SCHULTE, A. (1999)
Forstwirtschaft nach Kyoto: Ansätze zur Quantifizierung und betrieblichen Nutzung von Kohlenstoffsenken
Forstarchiv 70 (5): 167 - 176