Testdokument / Innovationen in der Innovationspolitik

Community-based innovation als Ausweg aus konventionellen Sackgassen

1

Im August 2009 hat der Rat für Forschung und Technologieentwicklung die Strategie 2020 mit Vorschlägen und Empfehlungen für die Entwicklung des österreichischen Innovationssystems an die österreichische Bundesregierung übergeben. Ziel der Strategie ist es, Österreich bis zum Jahr 2020 in den Bereichen Forschung, Technologie und Innovation (FTI) zu den international erfolgreichen Playern zu machen. Die Strategie 2020 ist einer von drei Eckpfeilern für die noch immer in Ausarbeitung befindliche FTI-Strategie des Bundes.

(1) - Original
Anhänge
Kommentare
2

Der ursprünglich geplante Strategieprozess des Rates war konventionell aufgesetzt und in mehrere Phasen gegliedert. Basis bildete eine grundlegende Analyse des österreichischen FTI-Systems. Im Anschluss daran war eine Arbeitsgruppenphase vorgesehen. Allerdings stellte sich bald heraus, dass sich die Ministerien an dieser nicht beteiligen wollten. Damit brach ein zentraler Baustein für die Erarbeitung der Strategie weg und der Prozess drohte in einer Sackgasse zu landen.

(1) - Original
Anhänge
Kommentare

Unkonventionelle Alternativen

Der Rat stand nun vor zwei Alternativen:

3

1. eine Strategie auszuarbeiten, die – unabhängig von ihrer Qualität– von den Ministerien nicht akzeptiert werden würde. Dafür wäre nicht zuletzt das Argument ins Treffen geführt worden, dass die Ministerien am Prozess nicht beteiligt gewesen und daher auch nicht an die Ergebnisse gebunden seien.

(1) - Original
Anhänge
Kommentare
4

2. einen alternativen Weg zu finden, um den Strategieentwurf einer Diskussion zu unterziehen und die gemachten Vorschläge auf ihre Tauglichkeit zu überprüfen bzw. weitere, neue Vorschläge einzuholen.

(1) - Original
Anhänge
Kommentare
5

Es wurde beschlossen, einen zumindest in der österreichischen FTI-Politik eher unkonventionellen Weg zu gehen und den Diskussionsprozess „aufzumachen“: nicht nur die (unwilligen) Ministerien sollten miteinbezogen werden, sondern auch ExpertInnen und vor allem die FTI-Community bzw. die interessierte Öffentlichkeit. Mit dieser Intention wurde eine Webplattform gebastelt, die sich von community-based innovation-Ansätzen inspirieren ließ und auf Entwicklungen setzte, die unter Schlagwörtern wie open innovation, community based innovation, user innovation, crowd sourcing oder the wisdom of the crowds diskutiert werden.

(1) - Original
Anhänge
Kommentare
6

Die Umsetzung erfolgte durch das österreichische Start-up-Unternehmen Cbase(www.cbase.at) – das community-basierte Innovationsprozesse designt und managt – in enger Kooperation mit dem Rat. Die Webplattform ermöglichte die Diskussion des Strategiedokuments und schuf durch gezieltes Prozessmanagement in kurzer Zeit eine sehr lebhafte Community. Im Vergleich zu einem auf physischen Treffen oder email-Verkehr aufgebauten Strategieprozess, konnte durch den Einsatz von Votings, Kommentaren, Blogs und Diskussionsforen der Informationsstand verbessert und die Partizipation erleichtert werden. Auch die Formulierung und Redaktion des Endberichts wurde dadurch effizienter gestaltet.

Keine Ergebnisse verfügbar.
(1) - Original
Anhänge
Kommentare
7

Die öffentliche Diskussionsplattform erfüllte nicht zuletzt eine Forderung des Rates, die sich im Strategieentwurf fand: Diskussionsprozesse sollten geöffnet werden und zu einer stärkeren Partizipation von BürgerInnen führen.

Keine Ergebnisse verfügbar.
(1) - Original
Anhänge
Kommentare
8

Im Mai 2009 wurde schließlich der Entwurf der Strategie 2020 präsentiert und auf der Webplattform www.forschungsstrategie.at einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Vier Wochen lang konnten alle an der österreichischen FTI-Politik Interessierten die einzelnen Kapitel der Strategie kommentieren und diskutieren und über die vorgeschlagenen Empfehlungen abstimmen.

(1) - Original
Anhänge
Kommentare
9

Die Beteiligung der Community an der Diskussion war sehr intensiv: Rund 50.000 Zugriffe mit einer durchschnittlichen Verweildauer auf der Seite von mehr als 16 Minuten wurden verzeichnet. Mehr als 400 UserInnen haben sich registriert und an der Diskussion teilgenommen. Dabei gab es sowohl konstruktive Kritik als auch eine Vielzahl innovativer Vorschläge. Zusätzlich haben zentrale Institutionen des FTI-Systems wie das Austrian Institute of Technology (AIT), der Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF), die österreichische Forschungsförderungsgesellschaft (FFG), die Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) oder die Universitätenkonferenz (UNIKO) inhaltliche Stellungnahmen zum Strategieentwurf abgegeben. Darüberhinaus haben 22 prominente Persönlichkeiten aus der FTI-Community mit eigenen VIP-Blogs ihren Beitrag geleistet.

(1) - Original
Anhänge
Kommentare

Warum werden Diskussionen nicht öfters „aufgemacht“?

10

Die durchwegs positiven Reaktionen auf die öffentliche Diskussion der Strategie legen natürlich die Frage nahe, warum man diesem Beispiel nicht öfter folgt. Ein Grund mag darin liegen, dass die Abstimmungsprozesse zwischen den traditionellen Akteuren in der FTI-Politik eher konfliktbeladen sind. Ein Indiz dafür sind die erheblichen Verzögerungen bei der Ausarbeitung der aktuellen FTI-Strategie des Bundes, die auch nach mehr als einjähriger Vorbereitungszeit noch nicht das Licht der Welt erblickt hat. Wahrscheinlich besteht die Annahme, dass eine öffentliche Diskussion - und damit weitere Vorschläge, die man diskutieren müsste - den Prozess nur noch weiter erschweren würden. Vielleicht ist man aber auch der Meinung, dass sich das Wissen in den Ministerien und bei den eingebundenen ExpertInnen konzentriert und keine weiteren zweckdienlichen Vorschläge von außen kommen können. Oder man bleibt einfach auf den ausgetretenen Pfaden und kann sich nicht mit neuen Prozessen oder Medien anfreunden, oder....

Keine Ergebnisse verfügbar.
(1) - Original
Anhänge
Kommentare

Wie auch immer, es gibt jedenfalls ein paar Gründe warum man die Innovation des Rates nicht sofort wieder vergessen sollte:

11

 Das Verständnis von Innovationsprozessen hat sich über die Jahre deutlich verändert: Nicht mehr allein auf dem genialen Erfinder oder auf der Forschergruppe innerhalb eines Unternehmens ruhen alle Hoffnungen. Vielmehr hat sich die Einsicht durchgesetzt, dass sich Wissen über alle Gesellschaftsbereiche verteilt und dass die Anzahl der ExpertInnen außerhalb einer Organisation immer größer ist als jene der intern verfügbaren.

Keine Ergebnisse verfügbar.
(1) - Original
Anhänge
Kommentare
12

 Community based innovation-Ansätze haben in Österreich eigentlich eine lange Tradition. Bei nüchterner Betrachtung fallen darunter Kommissionen, Versammlungen, Arbeitsgruppen, der Begutachtungsprozess bei Gesetzen etc., die Entscheidungen auf eine breitere Wissensbasis stellen und gleichzeitig Konsens produzieren sollen. Wenn man will kann man auch die Sozialpartnerschaft in diese Tradition einreihen. Auch die als Toyotism bezeichnete Organisationsform eines japanischen Automobilproduzenten, die auf der Einbeziehung des Wissen und der Kreativität aller am Produktionsprozess beteiligten Gruppen beruht, fällt in diese Kategorie. Was sich geändert hat, sind die Kosten für die Einbeziehung des extern und intern verfügbaren Wissens. Diese sind durch die Verwendung des Internets stark gesunken.

Keine Ergebnisse verfügbar.
(1) - Original
Anhänge
Kommentare

Die Logik von Entscheidungsprozessen

13

Internetbasierte Ansätze zur Entscheidungsfindung werfen die grundsätzliche Frage auf, wie man gesellschaftliche Entscheidungsprozesse organsiert. Grundsätzlich stehen dafür drei Organisationsprinzipien zur Verfügung: Hierarchie, Markt oder Man kann dafür entweder auf die administrative Rationalität von Ministerien (hierarchisches Prinzip), auf die Logik des Marktes oder auf demokratische/egalitäre Prozesse setzen (siehe dazu Thompson, 2008, Prichard – Sanderson, 2002). Wichtig ist die Einsicht, dass eine Gesellschaft zwischen verschiedenen Prinzipien entscheiden kann und bewusst entscheiden sollte, welche Entscheidungen über welche Mechanismen getroffen werden.

Keine Ergebnisse verfügbar.
(1) - Original
Anhänge
Kommentare
14

Es geht bei dieser Frage aber nicht darum, die verschiedenen Entscheidungsprozesse gegeneinander auszuspielen, sondern darum, sie miteinander in Einklang zu bringen. Entscheidungsprozesse laufen über mehr Stufen und können auf jeder Stufe unterschiedlich organisiert werden. Erst eine Kombination von verschiedenen Organisationsprinzipien – Markt, Hierarchie , egalitäre Ansätze – führt zu tragfähigen Lösungen (siehe dazu Thomspson, 2008).

Keine Ergebnisse verfügbar.
(1) - Original
Anhänge
Kommentare
15

Man kann argumentieren, dass die vom Rat initiierte Diskussionsplattform gleich mehrere dieser Kriterien erfüllt hat. Zum einen war es allen möglich an diesem Prozess mit gleichem Gewicht teilzunehmen. In der Logik der Cultural Theory ist damit das egalitäre und, wenn man die Diskussion als Informationsmarkt sieht, das Marktprinzip erfüllt. Das hierarchische Prinzip kommt einerseits durch den Rat selbst, der in letzter Instanz Entscheidungen treffen muss, und die Stellungnahmen verschiedener Institutionen zum Tragen.

Keine Ergebnisse verfügbar.
(1) - Original
Anhänge
Kommentare

Erweiterung der Wissensbasis

16

Community-based innovation-Ansätze im Allgemeinen und der skizzierte Prozess im Besonderen sind aber aus einem anderen Grund von Interesse. Durch die Öffnung der Diskussion hat der Rat gezeigt, dass Initiativen ordentliches Momentum aufnehmen können – auch wenn sie von wesentlichen Entscheidungsträgern nicht gewünscht werden. Nimmt man an, dass der Rat nicht auf das Internet bzw. eine funktionierende Diskussionsplattform zurückgreifen hätte können, hätte die Diskussionsverweigerung der Ministerien wahrscheinlich schon das Ende der Strategie bedeutet. In diesem Fall hat die Abkehr vom exklusiven Diskurs mit den Ministerien die Wissensbasis deutlich erweitert, weil die VertreterInnen der Ministerien nicht ausgeschlossen, aber neue Personen und Gruppen eingebunden wurden. Dadurch konnten völlig unerwartete Beiträge die Diskussion bereichern, was in einigen Fällen auch zu substanziellen Ergänzungen der Strategie geführt hat.

Keine Ergebnisse verfügbar.
(1) - Original
Anhänge
Kommentare
17

Unter den neuen Rahmenbedingungen des Internets sind heute viele Akteure in der Lage einen vergleichbaren Prozess aufzusetzen, wenn sie ein fundiertes Dokument für die Diskussion erarbeiten und den Prozess gestalten können. Da beide Fähigkeiten zunehmend vorhanden sind, die anstehenden Probleme aber nicht weniger werden, kann man davon ausgehen, dass Entscheidungsprozesse in Zukunft deutlich öfter „von unten“ initiiert werden. Den Entscheidungsträgern bleibt hier letztlich nur die Option, selbst initiativ zu werden, wenn sie nicht von verschiedenen Initiativen getrieben werden wollen. Positiv formuliert ergreifen sie damit allerdings die Chance, sich innovativen Lösungsansätzen zu öffnen.

Keine Ergebnisse verfügbar.
(1) - Original
Anhänge
Kommentare

Verwendete Literatur:

18

Lowell Prichard Jr and Stenven E. Sanderson, The Dynamics of Political Discourse in Seeking Sustainability, in: Lance H. Gundersson and C. S. Holling, Panarchy, Understanding Transformations in Human and Natural Systems, Island Press, 2002.

Keine Ergebnisse verfügbar.
(1) - Original
Anhänge
Kommentare
19

Michael Thompson, Organising and Disorganising. A Dynamic and Non-Linear Theory of Institutional

(1) - Original
Anhänge
Kommentare