»Musizieren mit einem Molekül«

 

Das Faraday Orchestra sieht sich in der Tradition musikalischen Ausdruck, Musikinstrumente und wissenschaftliche Erkenntnis durch Synergien zwischen Physik und Musik voranzutreiben. Das Faraday Orchestra verwendet zum ersten Mal in Echtzeit ablaufende molekulare Vorgänge in Musik. Der verwendete Versuchsansatz kann ein einzelnes biologisches Molekül in seiner Funktion beobachten und die entstehenden Messwerte werden akustisch ausgegeben.

 

Das Projekt basiert auf der ästhetischen Kraft eines biophysikalischen Experiments: In der Form eines neuartigen Sequencers, werden als Tonfolge die Schaltvorgänge einzelner Biomoleküle hörbar gemacht Die Tonfolgen entziehen sich einer konventionellen musikästhetischen Charakterisierung, sie offenbaren vielmehr einen faszinierenden Einblick in die Dynamik realer molekularer Prozesse in Echtzeit.

 

Die Beteiligten stellten sich dabei als Glücksgriff heraus. Vor allem Wolfgang Schlögl mit seiner Neugier und umfangreichen Erfahrung hat einen wesentlichen Beitrag am Gelingen dieses Projektes. Außerdem bringt Gerhard Schütz neben seiner wissenschaftlichen Expertise und dem technischen Sachverstand seines Teams auch noch eine herausragende Fähigkeit an der Gitarre mit. So entsteht nicht nur ein spannendes Projekt in der Wissenschaftskommunikation, sondern auch hörbare Musik mit eingängigen Rhythmen, die der harten Arbeit und der guten Zusammenarbeit aller Beteiligten geschuldet ist: Einfach mal reinhören in die Samples.

»Beteiligte Personen«

 

Idee: Carmen Schmid
Konzept: Stefan Grünert, Wolfgang Schlögl, Carmen Schmid, Gerhard Schütz Technik: Clemens Hesch, Gerhard Schütz
Instrumente: Willi Rosner (Percussion), Wolfgang Schlögl (Electronics), Gerhard Schütz (Gitarre), Florian Zocher (Ionen Kanäle)
Unterstützt durch: BMUKK, biolution, NANION

Das Orchester

Florian Zocher schafft mit dem ION-Sequencer Signal die musikalische Grundlage, die durch das improvisierte Spiel von Gerhard Schütz (Gitarre) und Willi Rosner (Percussion) komplementiert wird. Der Musiker Wolfgang Schlögl ergänzt die Komposition mit Rhythmuselementen und interpretiert die eingehenden Tonsignale als Hauptelemente in seinem Mischpult (Ion-Sequencer, Gitarre, Percussion, Rhythmus). Die Klänge werden live im Stereobild und mit Lautstärke arrangiert und weitere musikalische Ebenen (Effekte wie delay, resampling) improvisatorisch hinzugefügt und somit entsprechend einer vereinbarten Komposition zu einer musikalischen Präsentation verarbeitet. Erste musikalische Realisierungen mit dem ION-Sequencer stehen zur Verfügun (Faraday Doodle, Pure Ion, Ion Funk).

»Das Experiment«

BIOLOGIE

Jede Zelle ist von einer Zellmembran umgeben, die einen elektrisch nicht leitenden Abschluss von der Umgebung bildet. Innerhalb dieser aus Lipiden aufgebauten Membran befinden sich Eiweissstoffe (Proteine), die diesen bestimmte Funktionalitäten geben, wie zum Beispiel die selektive Durchlässigkeit für Ionen. Bereits in den 1970er Jahren wurden künstliche Lipidmembranen als Modellsysteme für Zellmembranen etabliert. Solche Modellsysteme ermöglichen die gezielte Untersuchung von Ionenkanal-Molekülen. Dazu wird zunächst die Lipidschicht hergestellt, in welche im Nachhinein die löslichen Proteine eingeführt werden, um deren Verhalten in der Membran zu untersuchen. Im Fall unseres Sequencer-Prototyps verwenden wir Gramicidin in einer von der Firma NANION zur Verfügung gestellten Versuchsanordnung.

Zellmembran

 

Die Zellmembran aus Phospholipiden und Proteinen ist 5 nm dick.

 

Zelle: link
Zellmembran: link
Lipid: linke
Ionenkanal: link
Sequencer: link
Gramicidin: link
Protein: link

EXPERIMENT

Im Experiment wird mittels zweier Elektroden Spannung über eine Membran angelegt, und der resultierende Stromfluss gemessen. Das Primärsignal wird nach Verstärkung über Oszilloskop oder Audio ausgegeben. Befindet sich kein funktionaler Kanal in der Membran wird ein Basiston ausgegeben, bei jeder Bildung einer Membranpore reduziert sich der Membranwiderstand schlagartig und es entsteht abrupt ein Stromfluss, welcher mit geeigneten Verstärkern leicht messbar ist. Wenn sich die Pore schließt, wird auch der Stromfluss beendet und das detektierte Signal geht auf den Ausgangswert zurück. Bei hohen Konzentrationen von Gramicidin können durchaus mehrere Poren gleichzeitig entstehen; in diesem Fall addieren sich die Signale auf. Wichtig ist, dass es sich sowohl beim Öffnen als auch beim Schließen der Poren um rein stochastische Prozesse handelt, welche zwar beeinflusst, aber nicht gesteuert werden können. Insofern ergibt das Audiosignal des ION-Sequencers ein natürliches Muster, das nicht zufällig ist und tatsächlich aufgrund seiner Gesetzmäßigkeiten als ästhetisch empfunden wird.

Kammer Schema

 

Schema der Kammer für eine künstliche Membran

 

 

Oszilloskop link
Elektrischer Strom link
Elektrode link
Elektrischer Widerstand link

GRAMICIDIN

In die künstliche Membran der Versuchsanordnung werden Gramicidin-Moleküle eingebracht, die sich in der Membran frei bewegen. Ein einzelnes Gramicidin-Molekül bildet einen kurzen Kanal, der nicht die ganze Membran durchspannt. Nur wenn sich zwei gegenüberliegende Moleküle treffen und aneinander binden, bildet sich ein funktionaler Ionenkanal, welcher einen elektrischen Strom über die Membran ermöglicht. In der Regel bricht die Bindung nach kurzer Zeit auf (Sekunden oder darunter), wodurch der Ionenfluss beendet wird. Im hier beschriebenen Experiment wird ein zufälliges Öffnen und Schließen des Ionenkanals Gramicidin zugrunde gelegt, aber Variationen sind bei späteren Ausbaustufen denkbar. Das zufällige Signal kann einerseits in einem Videosignal beobachtet werden; in dieser Form werden solche Experimente in der Regel in wissenschaftlichen Veröffentlichungen publiziert. Der Strom kann aber ohne Verlust von Daten mittels Frequenzwandler in ein Audio-Signal überführt werden, das die Grundlage des biologischen Sequencers bilden.

Gramicidin in der Membran

 

Gramicidin in der Membran

 

»Ziele«

 

Die Inspiration des Projektes FARADAY ORCHESTRA ist in der Tradition der Wissenschaftspräsentationen des 19. Jahrhundert zu suchen. Naturwissenschaftliche Phänomene wurden einem staunenden Publikum von ForscherInnen selbst präsentiert und erklärt. Dabei besteht die Faszination vor allem darin, einem echten Experiment beizuwohnen und ein unerwartetes Ergebnis beobachten zu können.

 

Eine Bühnenshow, die mit visuellen Elementen wissenschaftliche Darstellungen aufgreift, soll dem Publikum die verblüffende Tatsache vermitteln, dass tatsächlich das Verhalten eines einzigen Moleküls messbare Auswirkungen hat und somit in Echtzeit beobachtet werden kann. Dass neben der Faszination für diese technische Lösung das Signal selbst eine ästhetische Qualität hat, die dem Publikum über die musikalische Komposition emotional vermittelt wird, soll ein tieferes Interesse für die wissenschaftlichen Hintergründe wecken.

 

Insofern soll im Projekt FARADAY ORCHESTRA:
a. die Ausdruckskraft der Musik über den Zugang zur modernen Biophysik erweitert werden,
b. komplexe Daten der Biophysik mit musikalischen Mitteln kommuniziert werden
c. stereotype Vorstellungen über Wissenschaft und ForscherInnen herausgefordert werden.

Faraday

 

Michael Faraday gründete die populären Weihnachtsvorträge der Londoner Royal Institution

»Das Instrument«

 

Faraday Orchestra Faraday Orchestra

 

Zur künstlerischen Umsetzung wird das verstärkte Signal in einen Videomonitor und einen Spannungs-Frequenzwandler geleitet. Ersterer dient als Basis für die Visualisierung, zweiterer für die musikalische Weiterverarbeitung. Der Spannungs-Frequenzwandler generiert aus den Stromspuren der einzelnen Ionenkanal-Moleküle eine Abfolge von Tönen, welche sich manipulieren lassen: die Grundtonhöhe – also das Signal einer Membran ohne geöffneter Poren – ist einstellbar; das Grundintervall – also der Frequenzsprung bei einer Kanalöffnung – ist über die angelegte Spannung bzw. Verstärkung einstellbar; die Häufigkeit von Öffnungen ist über die Konzentration an Proteinen einstellbar; um die musikalische Variabilität dieses einfachen Sequencers zu steigern ist das Signal zusätzlich über eine Klaviatur manipulierbar. Dieses Sequencersignal wird von dem Wissenschaftler Florian Zocher wie ein Musikinstrument bedient oder gespielt.

»Reinhören«

»Galerie«

 

Impressionen von FARADAY ORCHESTRA im Labor der Biophysik an der Johannes Kepler Universität

 

The Faraday OrchestraThe Faraday Orchestra The Faraday Orchestra The Faraday Orchestra The Faraday Orchestra The Faraday Orchestra