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Kurt Beck: Der Steuermann

Carl-Friedrich Höck • Thu Jun 06 00:00:00 CEST 2013

Kurt Beck 2007 in Mainz
Kurt Beck 2007 in Mainz (Foto: Dirk Bleicker)

Kurt Beck führte Rheinland-Pfalz durch eine Umbruchphase und die SPD zu einem neuen Programm. Im Gespräch mit dem vorwärts blickt er auf seine politische Karriere zurück.

Als Kurt Beck 1979 zum ersten Mal als Abgeordneter in den Landtag von Rheinland-Pfalz gewählt wurde, staunte er nicht schlecht. Als „Realsatire“ bezeichnet er im Rückblick, was sich damals in der SPD-Fraktion abspielte. Bei einem ersten Treffen der Fraktion  wollte er sich auf einen freien Platz setzen und wurde prompt von einem älteren Abgeordneten zurechtgewiesen: „Du bist Pfälzer, du musst dich dort rüber setzen. Hier sitzen die Rheinland-Hessen-Nassauer.“ 

Die Abgeordneten der Fraktion waren aufgeteilt in drei Bezirksverbände. Vor wichtigen Entscheidungen berieten diese sich separat, auch die Posten wurden nach Bezirkszugehörigkeit vergeben. Beck und andere junge Abgeordnete wollten da aber nicht mitmachen und begannen, „dieses Bezirksgehupe zu durchbrechen“, wie Beck erzählt. Es waren die ersten Eindrücke einer langen politischen Karriere.

Geprägt hat Kurt Beck seine Jugend in dem kleinen Ort Steinfeld. Damals mieden viele Menschen ihn, weil eine Neurodermitis seine Haut entstellte. Gleichzeitig erlebte er, wie andere Dorfbewohner ihre Kinder vor den Nachbarn versteckten, weil die Kinder das Down-Syndrom hatten. „Das hat mein Gerechtigkeitsempfinden geschärft“, sagt Beck.

„Wer mitreden will, muss sich engagieren“

Nach der Schulzeit machte Beck eine Lehre als Funkelektroniker und engagierte sich in der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr. 1972 trat er in die SPD ein. Ein Grund dafür war die Politik Willy Brandts, ein anderer seine Empörung über Pläne, eine durch seinen Heimatort führende Bahnlinie stillzulegen. „Wer mitreden will, muss sich engagieren“, sagt Beck. 

Zwei Jahre nach seinem Eintritt in die SPD wurde er Mitglied des Kreistags Südliche Weinstraße. Damit begann sein Aufstieg in der Politik. Die Karriere führte ihn bis ins Amt des Ministerpräsidenten von Rheinland-Pfalz, das Beck 1994 von Rudolf Scharping übernahm.


Als Beck das Steuer übernahm, steckte Rheinland-Pfalz mitten in einer Umbruchphase. Nach dem Ende des Kalten Krieges zog ein großer Teil der NATO-Truppen ab. 700 Militärische Liegenschaften wurden aufgegeben, „darunter sechs militärische Großflugplätze und ganze Städte, die die Amerikaner gebaut hatten“, wie Beck schildert. Tausende Menschen verloren ihre Arbeit. Also investierte das Land in die Liegenschaften, um dort 50 000 neue, zivile Arbeitsstellen zu schaffen. Mit Erfolg: Rheinland-Pfalz hat heute die drittniedrigste Arbeitslosenquote in der Bundesrepublik. 

Schief ging es nur, als das Land die Freizeit- und Tourismusanlagen auf dem Nürburgring mit Steuergeldern förderte und hohe Bürgschaften übernahm. Die geplante Co-Finanzierung durch private Investoren scheiterte, das Land musste Kosten in dreistelliger Millionenhöhe übernehmen. „Wir sind falschen Prognosen von teuren Fachinstituten aufgesessen“, erklärt Beck. Doch er ist überzeugt, langfristig würden sich die Investitionen auszahlen.

Beck führte die SPD zu einem neuen Programm

Nach dem Rücktritt Matthias Platzecks vom SPD-Parteivorsitz 2006 übernahm Kurt Beck auch dessen Amt. Unter seiner Führung verabschiedete die SPD das bis heute geltende Hamburger Programm. Die ersten eineinhalb Jahre als SPD-Vorsitzender seien sehr gut gelaufen, resümiert Beck.

Doch er habe einen Fehler gemacht, sagt er heute: Er habe auf Vertrauen gesetzt und darauf verzichtet, sich in der Berliner Parteizentrale eine Hausmacht aufzubauen. Als die Medien 2008 vorzeitig von einem Informanten erfuhren, dass Beck Frank-Walter Steinmeier die Spitzenkandidatur für die Bundestagswahl antragen werde, trat er zurück. Er wertete es als Zeichen des Misstrauens, dass man ihm verwehrt hatte, diese Entscheidung selbst zu verkünden. „Wenn die Vertrauensbasis weg ist, kann man nicht führen“, sagt er.

In Rheinland-Pfalz dagegen verfügte er stets über diese Vertrauensbasis – in der Partei und bei den Wählern. 18 Jahre blieb er Ministerpräsident. Anfang des Jahres, kurz vor seinem 64. Geburtstag, übergab er das Amt an Malu Dreyer. „Man muss starke Leute um sich scharen. Auch solche, die die nächste politische Generation bilden können“, sagt er. Es ist ihm gelungen.

Interview: Uwe Knüpfer, Bearbeitung: Carl-Friedrich Höck