Abel Tasman

Ohne es zu bemerken, umrundet Abel Tasman als erster Europäer das in seiner Ausdehnung noch unbestimmte Australien. Auf seiner zweiten Reise gewinnt der Norden des Kontinents erste Konturen, auch wenn nicht alles klappt.

Immer häufiger sind die Schiffe der Ostindien-Kompanie, vom Kap der Guten Hoffnung auf dem Breitengrad segelnd, den Passat im Rücken, auf ihrem Weg nach Batavia in die Sichtweite von Küstenstreifen gestoßen, deren Zugehörigkeit sich nicht aufklären ließ. Das soll sich jetzt ändern.

Den Brief, den Abel Janszoon Tasman 1642 in Händen hält, hat der Generalgouverneur der Holländisch-Ostindischen Kompanie in Batavia, Anton van Diemen, an ihn abgeschickt. Tasman möge sich, heißt es in dem Schreiben, auf die Suche nach dem noch unbekannten Südland begeben, das an seiner Nord- und Westküste bereits berührt worden sei. Hessel Gerritzs, Hollands Kartographiekoryphäe, zu dem Zeitpunkt 14 Jahre alte Karte zeigt am genauesten den Süden dieses den Niederländern regelrecht in die Quere gekommenen Terrains. Inzwischen wird es aber nicht mehr als Störfaktor auf der Reise nach Batavia, sondern als ein weiteres ostindisches Glücksversprechen gesehen. Was die Verheißungen angeht, die Abel Tasman für den Fall einer erfolgreichen Suche erwarten, zeigt sich der Generalgouverneur nicht kleinlich. Der Kapitän, stellt er in Aussicht, werde «mit gewissen Früchten materiellen Profits und unsterblichem Ruhm belohnt werden». Unter Hollands Calvinisten gilt als ausgemacht, dass Gott die Untätigen mit Armut straft und den Tätigen ihren Einsatz mit Reichtümern lohnt. Abel Tasman, der aus Lutjegast in der Provinz Groningen stammt, ist mit diesen Prinzipien vertraut.

Mit zwei Schiffen, der „Heemskerck“ und der „Zeehaen“, bricht Abel Tasman 1642 in die südöstlichen Breiten auf. In seinen Diensten steht, als Lotse und prominentestes Besatzungsmitglied nach dem Kapitän, der mit den Verhältnissen in Südostasien bestens vertraute Franchoys Jacobszoon Visscher. Von ihm stammt ein Anfang des Jahres für den Generalgouverneur erstelltes Memorandum, das die Grundlage für dessen Instruktionen an die Expeditionsleitung bildet. Die Schiffe laufen im Oktober 1642 von Batavia vor dem Südostpassat zur Inselgruppe der Maskarenen im Indischen Ozean. Sie wenden vor Mauritius, steuern in die Westwinddrift der Roaring Fortys und halten südöstlichen Kurs. Am 17. November stehen die „Heemskerck“ und die „Zeehaen“ nach Tasmans Angaben auf 44 Grad 15 Minuten südlicher Breite und 147 Grad 3 Minuten östlicher Länge. Bezugsgröße für die Längenmessung ist zu der Zeit noch der bereits in der Antike definierte Nullmeridian, der durch die Kanareninsel Hierro verläuft. Bei klarer Sicht, von einer sanften westlichen Brise auf Ostkurs gehalten, passieren die Schiffe Seetang, der Tasman auf in der Nähe liegendes Land schließen lässt. Es könne aber, notiert er, unmöglich im Süden liegen, weil von dort eine beständige, raue Dünung auflaufe. Abel Tasman geht davon aus, dass die 1627 von Pieter Nuyts gesichtete und auf einer Länge von 1600 Kilometern aufgenommene Küste bereits hinter ihm liegt.

Nach sieben Tagen auf östlichem Kurs, bei südwestlichem Wind, vermerkt Tasman als Standort seiner Schiffe 42 Grad 25 Minuten südliche Breite und 163 Grad 31 Minuten östliche Länge. Um vier Uhr zeigt sich, 40 Meilen entfernt, im Nordosten eine zerklüftete Hügelkette. Am Abend erscheinen auch im Südosten drei markante, den Horizont überragende Berge. Der Kapitän nähert sich den Ufern mit äußerster Vorsicht, bestimmt ein ums andere Mal Position und Wassertiefe, registriert den Wechsel von auf- und ablandigen Winden. Am 25. November legt Abel Tasman sich in zwei Dingen fest: Position 163 Grad 50 Minuten östliche Länge, ein Kompromiss und Mittelwert, wie er gesteht, weil er sich, was die Beschaffenheit der von ihm gefundenen Küsten angeht, noch nicht näher festlegen will. Zu Ehren des Auftraggebers und Generalgouverneurs von Batavia wird das erste auf dieser Reise erreichte Land nach ihm benannt. Bis zu dem Tag, an dem ihr Entdecker, Abel Tasman, auf Geheiß von Matthew Flinders das Namensrecht für das jetzt noch recht obskur erscheinende Stück Erde beanspruchen darf, erscheinen die in ihrer Ausdehnung noch strittigen mutmaßlichen Inseln als Van-Diemens-Land auf den Karten.

Tasmans Auftrag ist durchwirkt vom pragmatischen Kaufmannsgeist der Ostindien-Kompanie: erst die Beweise, dann die Entscheidung darüber, wie man sich der erwarteten Schätze annehmen soll. Hollands Kartographen haben, weil sie vor alle Spekulationen unverrückbare, überprüfbare Maßstäbe setzen, Weltgeltung erlangt. Tasman ist, wie sein Begleiter Visscher, einer von ihrem Geist. Die materiellen Reichtümer, die ihm zugesagt sind, werden andere, die sich auf seine Fährte setzen, beibringen müssen. Sein Auftrag besteht nur darin, Küstenverlauf, Wassertiefen und Strömungen zu kartieren. Landpartien, die Tasman aussendet, dienen vor allem der Suche nach Frischwasser, Gemüse und für den Verzehr geeigneten Tieren. Tasmans Beobachtungen sind praktischer Natur. Sie sind aber so abgefasst, dass sie für eine Beurteilung durch solche Materialien sichtende und ordnende Fachleute taugen.

Nach seinen Untersuchungen vor Van-Diemens-Land segelt Tasman weiter nach Osten. Die Charakteristik des Südlands ist noch nicht deutlicher, aber die Wahrscheinlichkeit, dass es sich um mehr als ein weiteres pazifisches Inselreich handelt, wesentlich größer geworden. In den folgenden Wochen verdichtet sich die Erkenntnis, dass man an ein weiteres Stück des gesuchten Südlands geraten sein könnte. Es scheint sich um eine von Pieter Nuyts Land nach Süden vordringende Halbinsel zu handeln. Tatsächlich umrunden die Heemskerck“ und die „Zeehaen“ vom 30. November auf den 1. Dezember 1642 als erste europäische Schiffe das tasmanische Südostkap. Sie segeln die Küste hinauf und passieren Maria Island auf der zur See offenen Ostseite der Insel. Weiter nördlich, im Landesinnern, registriert Tasman einen alles überragenden Berg, bei dem es sich um den 1573 Meter hohen Ben Lomond oder Legge Paek gehandelt haben dürfte. Als die Küste sich nach Nordwesten wendet, lässt er seine Schiffe von ihr abfallen und steuert vor dem Westwind, gegen den er nicht aufkreuzen kann, in Richtung Pazifik. Abel Tasman gerät in die Cookstraße zwischen der Nord- und der Südinsel Neuseelands, hält nach dieser Zufallsentdeckung, deren Tragweite ihm entgeht, nordwärts auf Tonga und Fidschi, passiert die Nordküste von Neuguinea und trifft im Frühjahr 1643 wieder in Batavia ein. Ohne es zu wissen und ohne zu ahnen, dass man sich noch nach Jahrhunderten an ihn erinnern wird, hat Abel Tasman mit Visscher und seinen Gefolgsleuten als Erster Australien umrundet.

Auf den Karten der Ostindien-Kompanie wächst zunächst die Ungewissheit, die Tasman eigentlich beseitigen sollte. Der Westen des von ihm gefundenen Van-Diemens-Lands steht dort jetzt in direkter Verbindung mit der Südküste Australiens, und von der Ostküste Tasmaniens führt eine hypothetische Küstenlinie bis zur melanesischen Insel Neuirland. Die 1606 von Luis Vaez de Torres erstmals durchquerte Torresstraße zwischen Australien und Neuguinea wäre nach dieser kartographischen Lesart verschlossen.

In Batavia, wo Seefahrer aus aller Herren Länder ihre Erfahrungen austauschen, ahnt man wohl, dass dieses Bild nicht stimmig sein kann. Im Dezember 1643 geht ein Ersuchen der Kolonialverwaltung an die Ostindien-Kompanie in den Niederlanden. Tasman und Visscher erhalten von ihr nunmehr den Auftrag, Neuguinea westlich und danach südlich zu umfahren. Sollten die von Hessel Gerritzs dokumentierten Küstenabschnitte, Endragts-Land und de Witslandt, in eine Durchfahrt zwischen Neuguinea und dem Südland führen, haben sie Anweisung, diese zu erkunden und aus ihr nach Van-Diemens-Land weiterzusegeln. Mit den Schiffen „Limmen“, „Zeemeeuw“ und „Bracq“ brechen sie auf.

Am Kap York verfehlen sie die Einfahrt in die Torresstraße und laufen in den Carpentariagolf ein. Von dort nimmt Tasman die gesamte Nordküste bis Port Hedland auf, den östlichen Endpunkt von Hessel Gerritzs de Wits landt. Obwohl der kartographische Ertrag dieser zweiten Entdeckungsreise Tasmans durchaus dem der ersten entspricht, zeigen sich seine Auftraggeber nach seiner Rückkehr verhalten enttäuscht. Man verfügt jetzt zwar über Anschauungen von der Nordküste eines Kontinents, von dessen kontinentalen Eigenschaften man allerdings noch nichts weiß, aber den von Tasman vermessenen Küsten fehlt es an nahezu allem. Den Kartenzeichnern in den Niederlanden hat Tasman mit seiner Exkursion an die australische Nordküste trotz einiger Fehler bei der Aufnahme von vorgelagerten Inselgruppen zu unschätzbaren Erkenntnissen verholfen. Dass er auf seinen zwei Reisen mit der Bass-Straße im Süden und der Torresstraße im Norden gleich zwei markante Passagen verfehlte, gehört zum ironischen Anteil dieses Kapitels der Entdeckungsgeschichte. Die Gründe hierfür sind, wie sich schon aus dem Verlauf seiner ersten, über Mauritius geführten Reise ablesen lässt, auch in der Manövrierfähigkeit damaliger Schiffe zu suchen.

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