Sie befinden sich hier: WDR.de WDR Fernsehen Wissen Quarks & Co Sendung vom 09. September 2008 Das Geheimnis des Appetits
Egal, ob Kinder spielen, schlafen, Hausaufgaben machen oder Sport treiben: Ständig verbraucht ihr Körper dabei Energie – in Form von Kalorien. Dabei geht der größte Teil dieser Energie, wie bei Erwachsenen, schon für die grundlegenden Lebensfunktionen drauf: Atmung, Herzschlag, Entgiftung durch Leber und Niere. Dieser so genannte Grundumsatz muss immer gedeckt werden, deswegen ist der Körper auf regelmäßige Nahrungszufuhr angewiesen. Das dazugehörige Signal kennt jeder: Hunger. Das Gegenteil auch: Sich "pappsatt" fühlen. Tatsächlich ist das ständige Auf und Ab des Hungergefühls ein komplexer Prozess im Körper. Für die Regelung des Hungers gibt es zwei zentrale Organe: den Magen und das Gehirn.
Im Gehirn ist eine bestimmte Region im Zwischenhirn zuständig für die Steuerung des Appetits, der Hypothalamus. Er sendet ständig Appetitsignale in Form von Botenstoffen durch den Körper. Vor dem Essen, wenn man Hunger hat, entfachen zum Beispiel sieben verschiedene Botenstoffe im Gehirn ein wahres Appetitfeuerwerkfeuerwerk, das sich bis in die entlegensten Bereiche auswirkt. Der Körper will nun vor allem eins: schnell an neue Nahrung gelangen. Beim essen übernimmt das weitere Kommando die Zentrale Nummer zwei, der Magen.
Jeder neue Bissen füllt den mit Nerven versehenen Muskelsack und bewirkt, dass sich der Magen zunehmend dehnt. Es gibt spezielle Nerven, die nur die mechanische Dehnung ermitteln, so genannte Mechanorezeptoren. Sie sitzen an der Außenseite des Magens und senden die Impulse, die sie empfangen, direkt an den Hypothalamus. Dabei gilt: Je voller der Magen, desto höher die Frequenz an Sättigungssignalen, die die Mechanorezeptoren nach oben schicken. Sobald der Magen richtig voll ist, reagiert das Gehirn. Dann kommen so viele Sättigungsimpulse an, dass der Hypothalamus selbst die Bremse zieht: er schüttet jetzt Appetitzügler aus, mehr als zehn verschiedene Botenstoffe. So ergeht ein neues Kommando an die übrigen Gehirnregionen. Die aufgenommene Energie, also die Kalorienmenge, zählt dabei nicht, nur die Füllung des Magens ist entscheidend. Und die bewirkt: Man ist endlich satt und zufrieden.
Doch der Hypothalamus hat es nicht leicht. Sobald erste Portionen des Nahrungsbreis in den Dünndarm weiter wandern, wird der Magen schlaffer, die Sättigungsimpulse der Mechanorezeptoren lassen nach. So gewinnen die appetitstimulierenden Neurotransmitter langsam wieder die Oberhand. Das Hungergefühl nimmt wieder zu, und so beginnt der ganze Vorgang von vorne.
Doch es ist sehr leicht, das Hungergefühl durch Gerüche und Aromen zu verstärken. Das weiß auch die Lebensmittelindustrie und bietet zwischen 7000 und 8000 verschiedene Düfte und Geschmacksrichtungen zur Verfeinerung an. Aus dieser riesigen Anzahl werden alle möglichen Aromen kombiniert – egal ob Brathuhn, Joghurt, Ananas oder Gulasch, alles ist möglich. Es gibt kaum mehr Lebensmittel, die frei sind von zusätzlichen Aromastoffen. Die kurbeln den Appetit an - wie wir wissen, nicht nur bei Kindern.
Eigentlich ist der Geschmacksinn dazu da, dem Körper Informationen über den Inhalt von Speisen zu liefern. Zugesetzte Aromastoffe gaukeln aber etwas vor, was gar nicht besteht. Und das hat Konsequenzen. Der Hypothalamus hat ein Gedächtnis für Speisen und übersetzt sie in die Sprache des Appetits: in "Rinderbraten", "Currywurst" oder "Apfelkuchen". Wenn allerdings der Geschmack der Rinderbouillon von Chemie-Aromen statt vom Rind stammt, und gar noch in ganz anderen Nahrungsmitteln steckt, bekommt der Körper falsche Signale. Im Klartext: Er erwartet ein nahrhaftes Steak und bekommt stattdessen zum Beispiel dünne, fettige Kartoffelchips. Trotzdem läuft dem Hungrigen das Wasser im Mund zusammen, und der Magen bereitet sich auf die Verarbeitung des Rindersteaks vor. Aber nur etwas fettige Kartoffelkruste erreicht den Magen. Der Verdauungstrakt bekommt nicht, was er erwartet. Deswegen verlangt er weiter nach Fleisch und üppiger Kost. Die Konsequenz: Der Hypothalamus verschärft seine Appetitsignale – und die ganze Chipstüte wird leer gefuttert. Damit nimmt man aber eine riesige Menge an Kalorien zu sich, viel mehr, als das Steak gehabt hätte. Und das macht dick.
Wenn Eltern also verhindern möchten, dass ihre Kinder dick werden, sollten sie ihnen erlauben, sich satt zu essen – aber richtig: Sie sollten ihnen Nahrungsmittel anbieten, die den Magen genussvoll füllen, ohne Unmengen von Kalorien zuzuführen. Das raten jedenfalls Ernährungsexperten wie Volker Schusdziarra und seinen Kollegen vom Else Kröner-Fresenius-Zentrum für Ernährungsmedizin an der TU München. Die Mediziner haben eine praktische Energiedichte-Tabelle für den Alltag ausgetüftelt. Darin listen sie alle gängigen Lebensmittel und deren Energiemenge (in Kilokalorie: kcal/g) auf, übersichtlich geordnet in Gruppen, wie zum Beispiel "Backwaren", "Brotaufstriche", "Käse" oder "Wurstwaren". Je nach Energiegehalt haben die Lebensmittel unterschiedliche Farben: Grün für eine Energiedichte unter 1,5 kcal/g, Gelb für Werte von 1,5 bis 2,5, Rot für alles über 2,5 kcal/g. Grün markiert sind also Lebensmittel, die auch gut satt machen, aber am wenigsten Kalorien enthalten. Rot markiert sind die kalorienreichsten Nahrungsmittel. Mit dem Farbcode behält man einen guten Überblick, ohne auf komplizierte Weise Kalorien zählen zu müssen.
Der Clou: Es ist auf einen Blick zu erkennen, welche kalorienärmere Speisen in derselben Geschmacksgruppe eine Alternative sein können, weil sie schmecken und satt machen! Auf Genuss soll also nicht verzichtet werden.
Beispiele dazu gibt es im Quarks-Kalorienkarussell, das wir nach
den Empfehlungen der Münchener Ernährungsmediziner
zusammengestellt haben.
Guten Appetit!
Herbert Hackl, Thomas Kresser, Mike Schaefer
Stand: 13.07.2007, 16.15 Uhr
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