Evonik-Börsengang wieder vertagt: Aufgeschoben, aber nicht aufgehoben
Der Essener Chemiekonzern Evonik geht vorerst nicht an die Börse. Der Hauptanteilseigner RAG-Stiftung hat dies heute am Montagnachmittag (18.06.2012) bekannt gegeben. Grund ist die Euro-Krise. Abgesagt ist der Börsengang damit aber noch nicht endgültig.
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Wann kommt der Evonik-Börsengang?
Evonik hat den für Ende Juni geplanten Börsengang abgesagt. Infolge der hohen Unsicherheit der Märkte sei der derzeit erzielbare Preis zu weit von einer angemessenen Bewertung des Unternehmens entfernt, teilte die RAG-Stiftung als Mehrheitseigentümer mit.
Spiel auf Zeit
Die RAG-Stiftung, die knapp 75 Prozent der Evonik-Anteile hält, hatte in den vergangenen Wochen mehrfach widersprüchliche Signale gesendet. Zunächst genehmigte sie am 21. Mai die für den Börsengang erforderlichen Finanzmittel. "Allerdings müssen wir die nicht unerheblichen und zunehmenden Risiken genauestens im Auge behalten", sagte Stiftungsvorstand Wilhelm Bonse-Geuking damals. "Wir werden den Zeitplan des Börsengangs gegebenenfalls überprüfen müssen." Vier Tage später sprach er von "vor der Sommerpause", nannte aber keinen genauen Termin. Am 10. Juni räumte die Stiftung ein, dass sie sich noch eine Woche Zeit gebe, um mit Investoren zu sprechen. Am Ende der Woche habe ein Treffen mit den beauftragten Banken gezeigt, dass die nötigen Voraussetzungen für den Börsengang weiter fehlten, hieß es aus Kreisen der RAG-Stiftung.
Das Problem ist, dass der geplante Verkauf von rund 30 Prozent der Unternehmensanteile derzeit nicht den erhofften Erlös an der Börse bringen würde. Die Euro-Krise verunsichert die Investoren. Sie ziehen Anlagen außerhalb des Euro-Raums vor, was sich am steigenden Dollar-Kurs ablesen lässt. Entsprechend billiger müssten die Banken die Evonik-Aktie anbieten – und entsprechend weniger käme in die Kassen der Eigentümer.
Ein paar Milliarden fehlen
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Finanzierung der Ewigkeitslasten problematisch
Die RAG-Stiftung braucht als Rechtsnachfolgerin des RAG-Konzerns das Geld aus dem Börsengang, um ab 2019 die Ewigkeitslasten zu finanzieren. Dies schreibt die Satzung der Stiftung vor. Nach Expertenmeinung müsste Evonik zum Zeitpunkt des Börsengangs mindestens 14,4 Milliarden Euro wert sein, damit die Stiftung den nötigen Kapitalstock zusammenbekommt. Im gegenwärtigen Umfeld sei aber eher von einer Bewertung um zwölf Milliarden Euro auszugehen.
Der andere Eigentümer, der britische Finanzinvestor CVC Capital Partners, will auch kein Geld verschenken, hat aber bislang stärker aufs Tempo gedrückt. Die Briten wollten ursprünglich bis 2013 ihr 25-Prozent-Paket veräußern, heißt es.
Die Krise aussitzen
Dass der Börsengang "gescheitert" oder "endgültig abgesagt" sei, wie mehrere Zeitungen am Montag schrieben, stimmt nicht. Die RAG-Stiftung kann gar nicht anders, als Evonik zu verkaufen – so steht es in ihrer Satzung: "Dazu wird sie den Weg eines Börsenganges des integrierten Beteiligungskonzerns verfolgen." Das heißt, der Schritt aufs derzeit rutschige Parkett ist aufgeschoben, aber nicht aufgehoben. Bis 2018 bleiben noch gut sechs Jahre, um die Euro-Krise auszusitzen und auf bessere Laune der Investoren zu hoffen. Nach einem Bericht des "Spiegel" von Montagvormittag reichen die jährlichen Erträge der Stiftung, um die Ewigkeitslasten vorerst zu schultern.
Überraschung ist noch möglich
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Entscheidungen vom Kuratorium abhängig
Doch auch wenn der nun für Ende Juni einst geplante Börsengang abgesagt ist, ist noch immer eine Überraschung in der nächsten Zeit möglich, etwa die Präsentation eines möglichen Großinvestors oder eine Bekräftigung der Börsenpläne nebst Termin – oder eher ein Zeitfenster – im Herbst. "Die Geduld der Investoren ist nicht unendlich", sagt aber ein Analyst. Zweimal wurde der Börsengang vorher bereits verschoben, zuletzt im Herbst 2011. "Solches Hickhack drückt letztlich auch den Preis der Aktie, und daran haben die Eigentümer kein Interesse."
Ein Hoffnungsschimmer auf bessere Stimmung an der Börse ist der Ausgang der Wahl in Griechenland, bei der sich am Sonntag die Euro-Gegner nicht durchsetzen konnten. Zwar wollen auch die siegreichen Parteien bei dem von EU und IWF auferlegten Sparmaßnahmen nachverhandeln, aber die Gefahr eines Rückzugs der Griechen aus der Währungsunion ist zumindest kleiner geworden. Das könnte den Börsenplänen von Evonik wieder Auftrieb geben.
Stichworte
- Ewigkeitslasten
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Der Steinkohlenbergbau im Ruhrgebiet hat die Landschaft stark verändert. Beispielsweise ist die Erdoberfläche um bis zu 40 Meter abgesunken. Damit sich eine Stadt wie Essen nicht in ein zweites Venedig verwandelt, muss ständig Grundwasser gepumpt werden. Diese Notwendigkeit besteht, solange das Ruhrgebiet bewohnt ist – also "auf ewig". Das gleiche gilt für die Grubenwasserhaltung unter Tage: Wasser fließt in Stollen und Schächte ehemaliger Bergwerke und drückt nach oben, wobei unter anderem Schadstoffe ausgeschwemmt werden. Die Grubenwasserhaltung kostet jährlich 200 Millionen Euro. Um dieses Geld aufzubringen, hat der RAG-Konzern 2007 im Einvernehmen mit dem Bund, den Kohleländern NRW und Saarland und der IG Bergbau, Chemie, Energie die RAG-Stiftung gegründet. Sie baut einen Kapitalstock auf, aus dem ab 2019 die Ewigkeitslasten finanziert werden. Von den Ewigkeitslasten zu unterscheiden sind Bergschäden, etwa Risse in Gebäuden, die durch akute Gebirgsbewegungen infolge des Steinkohlenbergbaus entstehen. Für Bergschäden kommt nicht die RAG-Stiftung, sondern die RAG Aktiengesellschaft auf.
Stand: 18.06.2012, 17.05 Uhr
Kommentare zum Thema (2)
letzter Kommentar: 19.06.2012, 01:54 Uhr
- Zorro schrieb am 19.06.2012, 01:54 Uhr:
- Warum muss Evonik an die Börse? An der Börse wird doch sowieso nur spekuliert. Die Kurse gehen doch ständig rauf und runter. Das kapiert der normale Mensch doch gar nicht mehr. Zumindest ich. Andere Menschen sind ja auch klüger als ich.
- Ruhrgebiet schrieb am 18.06.2012, 20:13 Uhr:
- Traurig, wie ein Unternehmen wieder gegen die Mitarbeiter arbeitet. Eine AG ist so nötig wie ein Kropf. Die Menschen dort werden noch merken was es heißt in einer AG zu arbeiten, wenn es dort Entlassungen gibt und die Gewinnbeteiligung wegfällt und nur noch Dividenden für Aktionäre überbleiben. Die Ewigkeitskosten können geschultert werden und es ist unnötig deshalb einen Börsengang zu fahren. Des Weiteren wird zusätzliches Geld der EU für die Nachfolgenutzung von Wasserpumpkraftwerken bereitgestellt. Die Hintergründe sind ganz andere. Was sagt eigentlich Frau Kraft (im RAG-Konsortium) zu der ganzen Sache? Die SPD biedert sich wieder bei den Großkapitalisten an. Unglaublich.
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