Klage vor dem Bundesverfassungsgericht Mehr Geld für Asylbewerber?

Von Nina Magoley

Das Bundesverfassungsgericht berät ab Mittwoch (20.06.2012) darüber, ob Asylbewewerbern mehr staatliche Zuwendungen zustehen. Geklagt hatten zwei Flüchtlinge aus NRW. Sie fordern eine Anhebung des Regelsatzes auf Hartz IV-Niveau.

Ein kleiner Junge schaut aus dem Flughafenbus Video: Klage vor dem Bundesverfassungsgericht (02:06) WDR aktuell
20.06.2012

Klage vor dem Bundesverfassungsgericht

Wie viel Geld braucht ein Asylbewerber in Deutschland? Reichen die zuletzt 1993 festgelegten Leistungssätze für Asylbewerber noch für ein solches Existenzminimum aus, oder nicht? Diese Fragen sollen die Richter am Bundesverfassungsgericht ab Mittwoch (20.06.2012) klären. Ein Urteil des 1. Senats Bundesverfassungsgerichts wird aber erst nach der Sommerpause erwartet.

Unterhaltssätze seit 1993 unverändert

224,97 Euro bekommt ein alleinstehender Asylsuchender in den ersten vier Jahren nach seiner Ankunft in Deutschland monatlich für seinen Lebensunterhalt. So sieht es das Asylbewerberleistungsgesetz vor. In vielen Bundesländern werden davon etwa 40 Euro als "Taschengeld" in bar ausgezahlt, der Rest ergibt sich aus Sachleistungen wie Lebensmittelpaketen, Hygieneartikeln, gebrauchter Kleidung, Strom und Kosten für die Unterkunft. Von den 40 Euro müssen Asylbewerber oder geduldete Flüchtlinge Fahrtkosten für den öffentlichen Nahverkehr bestreiten, Portokosten, Telefonate mit Behörden oder Anwaltskosten. Für Familienangehörige werden jeweils 199 Euro aufgewendet. Für Flüchtlingskinder bis zum vollendeten siebten Lebensjahr sieht der Staat rund 130 Euro monatlich vor, wovon 20,45 Euro in bar ausgezahlt werden. Festgelegt wurden diese Sätze vor 19 Jahren - und seitdem nicht mehr angepasst. Eine Arbeitsstelle dürfen Asylsuchende erst nach einem Jahr Aufenthalt antreten, allerdings nur eingeschränkt.

Richter: Gesetz ist "verfassungswidrig"

Die beiden Kläger aus NRW, ein 35-jähriger Iraker aus Eschweiler und eine 12-jährige Kosovarin aus Gelsenkirchen, verlangen eine Anhebung der Sach- und Geldleistungen auf das Niveau von Hartz IV. Beide hatten zunächst bei Sozialgerichten geklagt, waren dort aber abgewiesen worden und dann in Berufung vor das Landessozialgericht gezogen. Dort befanden die Richter das geltende Gesetz, das den Unterhalt für Asylbewerber und Flüchtlinge regelt, als verfassungswidrig. Noch gut 30 Prozent weniger als Hartz IV, das sei "evident unzureichend", sagte Bernhard Weßling-Schregel, der als Richter am Landessozialgericht die Vorlage an das Bundesverfassungsgericht mit verfasste.

Der Betrag von 224,97 Euro sei schon 1993 vollkommen "ins Blaue" bemessen worden, knapp 20 Jahre später sei die Kaufkraft dieser Geldsumme noch viel weniger wert als damals schon, sagte Weßling-Schregel. Bestätigt sahen sich die Landessozialrichter schließlich auch durch das Karlsruher Urteil im Jahr 2010, wonach die bis dato geltenden Hartz IV-Sätze als zu niedrig eingestuft wurden, um ein "menschenwürdiges Existenzminimum" zu sichern. Dass Asylsuchende mit noch einem Drittel weniger auskommen müssen, befanden die Richter als verfassungswidrig. "Jeder Mensch muss das Grundrecht auf dieses menschenwürdige Existenzminimum haben, unabhängig von Nationalität oder Lebenslage", so Richter Weßling-Schregel.

Verbände fordern Abschaffung des Gesetzes

Flüchtlingsorganisationen und Sozialverbände fordern sogar eine Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes. Das "Zweiklassensystem in der Grundsicherung" sei menschenunwürdig, meinte Caritas-Präsident Peter Neher. Die betroffenen Menschen seien vom Leben in der Gesellschaft "faktisch ausgeschlossen". Das Deutsche Kinderhilfswerk meint, dass ein Leben unter den Bedingungen dieses Gesetzes das Kinderwohl gefährde, diskriminierend sei und die UN-Kinderrechtskonvention verletze. Bernd Mesovic von Pro Asyl bezeichnete es als einen "Skandal", dass Karlsruhe nun regeln müsse, wozu sich die Bundesregierung "nicht imstande" sehe.

Kommunen fürchten höhere Belastung

Viele Kommunen sehen dem Urteil dagegen mit Sorge entgegen, denn einen Großteil der Unterhaltskosten für Asylbewerber müssen die oft klammen Städte und Gemeinde selber aufbringen. "Jede weitere Belastung wird schwierig", sagt Volker Bästlein vom Deutschen Städtetag. Gut 88 Millionen Euro wurden im Jahr 2009 in NRW für die Grundleistung an Asylbewerber und Flüchtlinge ausgegeben. Dabei ist die Zahl der Asylanträge bundesweit seit 1995 fast stetig gesunken. Waren es 2001 mehr als 118.000, so zählte die Statistik im Jahr 2011 nur noch etwa 53.000 Anträge. Im April 2012 kamen die meisten Flüchtlinge aus Afghanistan, Irak, Iran und Syrien. Bundesweit dürfen rund 80.000 Asylbewerber und Flüchtlinge auf mehr Geld hoffen, sollten die Karlsruher Richter die Klage bestätigen.


Stand: 20.06.2012, 00.00 Uhr