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 § 201a StGB - Unerlaubte Bildaufnahmen

 

   Urheber/ Bearbeiter: Alexander Schultz

   Erstveröffentlichung: 01. Januar 2004

   Zitierweise: mediendelikte.de / Schultz, § 201a StGB, Rdnr. – Suchbegriff: BT-201a

   Link: http://www.mediendelikte.de/bt201a.htm

 

 

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§ 201a StGB - Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen

 

  

 (1) Wer von einer anderen Person, die sich in einer Wohnung oder einem gegen Einblick besonders geschützten Raum befindet, unbefugt Bildaufnahmen herstellt oder überträgt und dadurch deren höchstpersönlichen Lebensbereich verletzt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

 

(2) Ebenso wird bestraft, wer eine durch eine Tat nach Absatz 1 hergestellte Bildaufnahme gebraucht oder einem Dritten zugänglich macht.

 

(3) Wer eine befugt hergestellte Bildaufnahme von einer anderen Person, die sich in einer Wohnung oder einem gegen Einblick besonders geschützten Raum befindet, wissentlich unbefugt einem Dritten zugänglich macht und dadurch deren höchstpersönlichen Lebensbereich verletzt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

 

(4) Die Bildträger sowie Bildaufnahmegeräte oder andere technische Mittel, die der Täter oder Teilnehmer verwendet hat, können eingezogen werden. § 74a ist anzuwenden.

                                                               

Einleitung

 

In unserem Zeitalter der Teleobjektive, Spy-Cams, Richtmikrofone, Handyfotografie und globalen Kommunikationsmöglichkeiten ist es ein leichtes, Bildaufnahmen bei jeder Gelegenheit anzufertigen und in die Welt hinauszutragen. Prominente wie auch normale Bürger werden zu Opfern einer sensationshungrigen Gesellschaft, die nur zu gerne jede Möglichkeit wahrnimmt, um Einblicke in fremde Privatleben zu erhaschen. Die neue technische Vielfalt an kompakten Aufzeichnungsmöglichkeiten hat in jüngster Zeit dazu geführt, dass im Internet regelmäßig Videoaufnahmen aus Umkleidekabinen, Sonnenstudios oder fremden Schlafzimmern kursieren. Aufgrund der stetig steigenden Zahl sog. Paparazzi und Stalker, sah sich der Gesetzgeber dazu gezwungen, eine neue strafrechtliche Vorschrift zu schaffen, welche dem Umstand Rechnung trägt, dass zwischen den Tatbeständen § 201 StGB und § 33 KUG eine Strafbarkeitslücke besteht. Die Vorschrift des § 201 StGB schützt die Vertraulichkeit des nicht-öffentlich gesprochenen Wortes. § 33 KUG stellt lediglich die unerlaubte Verbreitung von Bildmaterial mit persönlichen Bezügen unter Strafe. Aus diesem Grund war es bis zur Einführung des § 201a StGB am 6. August 2004 so gut wie unmöglich, das ungewollte Anfertigen von Bild- oder Videoauf-nahmen aus Wohnungen oder sonstigen Privatbereichen strafrechtlich zu verfolgen. Der Akt des Eindringens in den privaten Lebensraum mit tech-nischen Mitteln (§ 123 StGB erfasst nur das „körperliche Eindringen“) löst bei den Opfern häufig ein Gefühl von Hilflosigkeit und Ausgeliefertsein aus. Das Individuum wird durch die heimliche Aufnahme zu einem Objekt des Beobachtenden (Volksmund: „Spanner“) degradiert.

 

Insbesondere die private Wohnung, welche als Ort der persönlichen Entfaltung in unserer Verfassung gem. Art. 13 GG einen hohen Stellenwert einnimmt, soll dem Individuum jederzeit eine gesicherte Rückzugsmöglichkeit vor der Öffentlichkeit bieten. Im Übrigen garantieren das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) und das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG) dem Einzelnen die Möglichkeit frei bestimmten zu können, welche persönliche Abbildungen angefertigt werden dürfen und welche nicht.[1] Ob die neu geschaffene Regelung ausreicht, um dies zu gewährleisten, wird mit Recht in der Literatur bezweifelt. Die Medienindustrie drängte während des Gesetzgebungsverfahrens stark darauf, das Verbot des § 201a StGB sehr restriktiv zu fassen. Man befürchtete eine nicht hinnehmbare Einschränkung der Pressefreiheit. Als Folge davon beschränkte der Gesetzgeber das Verbot auf Aufnahmen und Übertragungen, die den „höchstpersönlichen“ Lebensbereich betreffen. Das hat dazu geführt, dass eine große Unsicherheit darüber besteht, wieweit dieser Bereich genau zu fassen ist. Wie in einem solchen Fall üblich wird die Rechtsprechung voraussichtlich eine umfangreiche Einzelfallkasuistik entwickeln, die sich je nach Zeitgeist und Sittengefühl ändern mag. 

 

I. § 201 Abs. 1 StGB

 

1. Objektiver Tatbestand

 

a) Tatobjekt: Bildaufnahme

 

Die Vorschrift des § 201a StGB ist mit dem Begriff der „Bildaufnahme“ enger gefasst als § 22 KUG, der allgemein von „Bildnissen“ spricht. Bei Aufnahmen i.S.v. § 201a StGB muss es sich um analoge oder digitale Einzel- (Fotos) / Laufbilder (Filme) handeln, die perpetuierbar das reale Abbild einer fremden Person wiedergeben.[2] Eine Veränderung der Erscheinung mittels Bildbearbeitung lässt den Tatbestand erst entfallen, wenn das Bild soweit verändert wurde, dass die aufgenommene Person nicht mehr zu erkennen ist. Die Totalverfremdung muss jedoch bereits vor oder während der Bildübertragung erfolgen, da § 201a Abs. 1 StGB bereits die Übertragung entsprechender Bilder (Bsp.: Live-Übertragung per Funkkamera) unter Strafe stellt.

 

b) Schutzbereich: Wohnung oder ein gegen Einblick besonders geschützten Raum

 

Die von der Bildaufnahme betroffene Person muss sich in einer Wohnung oder in einer gegen Einblicke besonders geschützten Räumlichkeit befinden, damit sie vom Schutzbereich des § 201a StGB erfasst wird.

 

(aa) 1. Schutzbereich: Wohnung

 

Unter einer Wohnung versteht man einen Raum, der Personen zum Aufenthalt dient oder zur Benutzung freisteht.[3]  Darunter fallen beispielsweise auch Hotelzimmer, Zelte, Schiffskabinen oder Wohnwagen.[4] Da § 201a StGB jedoch nur den höchstpersönlichen Lebensbereich schützen will, fallen im Unterschied zu § 123 StGB Bereiche, die lediglich im weiteren Sinne Bestandteil einer Wohnung sind (Bsp.: Treppenhäuser, Balkone, etc.), nicht mehr unter den Begriff der Wohnung. Ob Teile einer Wohnung von außen frei einsehbar sind oder nicht (Bsp.: freier Blick in das Wohnzimmer durch eine große Fensterfront) spielt keine Rolle, da das Gesetz bei „Wohnungen“ keine Anforderungen an einen speziellen Sichtschutz stellt (im Gegensatz zur zweiten Alternative – „gegen Einblick besonders geschützter Raum“).[5]

 

(bb) 2. Schutzbereich: gegen Einblick besonders geschützter Raum

 

Für den zweiten Schutzbereich des § 201a Abs. 1 StGB („gegen Einblick besonders geschützter Raum“) ist es erforderlich, dass unter normalen Umständen ein Einblick von außen aufgrund eines Sichtschutzes nicht möglich ist. Der Sichtschutz muss objektiv und unabhängig von Lichtverhältnissen dazu geeignet sein, Einblicke in einen räumlich abgegrenzten Bereich zu verwehren (Bsp.: Umkleidekabinen, öffentliche Toiletten, Büros, etc.). Ergänzend sind die Zweckbestimmung des Verwenders und die Verkehrsauffassung zu berücksichtigen (gemischt objektive – subjektive Theorie).[6]

 

Beispiel für die gemischte objektive – subjektive Theroie:

 

Auf einem Balkon im 3. Stockwerk ist ein Sichtschutz angebracht. Von der Straße aus (d.h. von unten) kann in den Balkon nicht eingesehen werden. Installiert man jedoch in einer gegenüberliegenden Baumkrone eine SpyCam, so können aufgrund des Winkels ohne weiteres Einblicke in den Balkon gewonnen werden. Hier ist entscheidend, dass der Sichtschutznutzer Einblicke von außen verhindern will, und dass er nach der Verkehrsauffassung erwarten kann, dass niemand in der gegenüberliegenden Baumkrone eine Kamera installiert. Anders hingegen, wenn der Balkon von einem gegenüberliegenden Haus bei entsprechender Bauhöhe jederzeit frei einsehbar ist.

 

Zusätzlich ist immer zu berücksichtigen, dass § 201a StGB lediglich Personen vor unerlaubten Bildaufnahmen schützen will, deren Bezug zu der Räumlichkeit einen höchstpersönlichen Charakter aufweist. Als Daumenregel dürfte darauf abzustellen sein, dass die Räumlichkeit dazu geeignet sein muss, dem Betroffenen als Rückzugspunkt aus der Öffentlichkeit zu dienen. Es muss sich bei dem Nutzer des Raumes ein Gefühl von Ungestörtsein und persönlicher Intimität einstellen.

 

Einem Lehrer, der heimlich von einem Schüler im Klassenzimmer gefilmt wird, kommt der Schutzbereich des § 201a Abs. 1 StGB nicht zu gute, denn seine lehrende Tätigkeit vor der Klasse hat keinen höchstpersönlichen Bezug. Anders hingegen, wenn sich der Lehrer in ein leeres Zimmer zurückzieht, um dort ungestört seine Frustration herauszulassen (so werden beispielsweise Selbstgespräche vom BVerfG als höchstpersönlich eingestuft; die sog. innere Gefühls- und Gedankenwelt).

 

c) Tathandlungen: Herstellen oder Übertragen von Bildaufnahmen

 

Als Tathandlungen des § 201a Abs. 1 StGB kommen das unbefugte Herstellen oder das Übertragen von Bildaufnahmen in Frage. Teile der Literatur[7] messen eine Verwirklichung des Tatbestandes ausschließlich am Handlungserfolg, d.h. sie fordern eine perpetuierte Bildaufnahme oder eine von einer geeigneten Stelle empfangene Übertragung (= vollzogene Übertragung). Letzteres macht nicht unbedingt Sinn, da auch die bloße Möglichkeit des jederzeitigen Empfangs ausreichen muss (sprich: das Senden des Bildes). Andernfalls stünde man in der Praxis vor einem großen Beweisproblem: Einem Spanner, der nicht auf frischer Tat beim Betrachten der übertragenen Bilder erwischt wird, kann im Zweifelsfall nicht nachgewiesen werden, dass er bereits Bildübertragungen empfangen hat. Entscheidend ist daher, wem die sendende Übertragungseinheit zuzurechnen ist.

 

(aa) Variante 1: Herstellen einer Bildaufnahme

 

Unter dem Herstellen einer Bildaufnahme versteht man den Vorgang der Perpetuierung eines Bildes. Dabei spielt es keine Rolle, in welcher Weise die Aufzeichnung erfolgt, solange sie von einer gewissen Dauerhaftigkeit ist. Ebenso spielt es keine Rolle, ob das Bild analog oder digital festgehalten wird, solange es sichtbar gemacht werden kann. Der Begriff der Herstellung impliziert eine originäre Perpetuierung des Bildes. Das Anfertigen einer Kopie von einer bestehenden Bildaufnahme fällt somit nicht unter § 201a Abs. 1 StGB.[8]

 

(bb) Variante 2: Übertragen einer Bildaufnahme

 

Die 2. Tathandlungsvariante des § 201a Abs. 1 StGB, die Übertragung einer Bildaufnahme, ist im technischen Sinne zu verstehen, d.h. das bloße Beobachten mit einem Hilfsmittel (z.B. mit einem Fernglas) wird nach der Gesetzesbegründung nicht erfasst. Das Merkmal des Übertragens ist bereits verwirklicht, wenn ein Sendevorgang vom Täter eingeleitet wurde (s.o. - streitig). Der Gesetzgeber wollte mit der zweiten Handlungsvariante Live-Streams erfassen, bei denen nicht zwangsläufig eine dauerhafte Aufzeichnung des Bildes erfolgt. Die Regelung wirkt auf den ersten Blick etwas widersprüchlich, wenn man bedenkt, dass das bloße Beobachten nach dem Willen des Gesetzgebers gerade nicht strafrechtlich erfasst werden soll. Der tiefere Sinn besteht wohl darin, dass technischen Mitteln nicht Vorschub geleistet werden soll, wo sich im Nachhinein nur schwerlich eine Aufzeichnung nachweisen lässt.[9] Ein Betroffener, der das bloße „Spannen“ in den seltensten Fällen als einen geringeren Eingriff in seine Intimsphäre werten dürfte als eine Aufzeichnung oder Übertragung im technischen Sinne, hat verständlicherweise Probleme damit die Grenzziehung des Gesetzgebers nachzuvollziehen. Hier zeigt sich, dass der Gesetzgeber dem Druck der Presse- und Medienvertreter, die sich zumindest nach außen hin um die Pressefreiheit sorgten, nachgeben musste.

 

d) Merkmal: „höchstpersönlicher Lebensbereich“

 

Der höchstpersönliche Lebensbereich des Abgebildeten muss als Folge der hergestellten oder übertragenen Bildaufnahme verletzt sein. Der Gesetzgeber hat sich in seiner Begründung um eine genaue Beschreibung des Merkmals gedrückt und letztlich offen gelassen, wie weit der höchstpersönliche Bereich zu fassen ist. Sinnvoll kann es nur sein, den Bereich der Wohnung grundsätzlich als „höchstpersönlichen Lebensbereich“ einzuordnen und nicht einzelne Handlungen in der Wohnung (Bsp.: Mittagessen oder Fernsehschauen) von dem Merkmal auszunehmen (streitig). Ein Großteil der Literatur[10] sieht den höchstpersönlichen Lebensbereich auch in Wohnungen auf die Bereiche Sexualität, Tod und Krankheit beschränkt. Dem ist zu widersprechen, denn das Eindringen in den engeren Wohnungsbereich stellt per se eine Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs dar. Es erscheint wenig praxistauglich, bei Aufzeichnungen aus Wohnungen unterscheiden zu wollen. Will man etwa einem Beschuldigten glauben, er habe die Übertragung bei sexuellen Handlungen abgebrochen? Eine Einzelfallbeurteilung macht nur bei sonstigen gegen Einblick geschützten Räumen Sinn, denn in solchen Räumen muss ein Aufenthalt nicht zwangsläufig der persönlichen Selbstverwirklichung oder dem Rückzug vor der Öffentlichkeit dienen (Bsp.: einem Aufenthalt im Raucherzimmer fehlt im Gegensatz zum Umziehen in einer Umkleidekabine der höchstpersönliche Charakter).

 

2. Subjektiver Tatbestand

 

Der Täter muss  zumindest bedingten Vorsatz (dolus eventualis) bzgl. aller objektiven Tatbestandsmerkmale aufweisen. Stellt sich der Täter irrigerweise vor, dass er befugt handelt, liegt ein Erlaubnistatbestandsirrtum (§ 16 Abs. 1 StGB analog) und kein Tatbestandsirrtum i.S.v. § 16 Abs. 1 StGB vor.[11]

 

3. Rechtswidrigkeit: Unbefugtheit der Aufnahme oder Übertragung

 

Nach dem Willen des Gesetzgebers handelt unbefugt i.S.d. § 201a Abs. 1 StGB, wer nicht durch eine Einwilligung des Abgebildeten gerechtfertigt ist.[12] Somit handelt es sich bei dem Merkmal der Unbefugtheit um ein Element der Rechtswidrigkeit.[13] Da es sich bei einer Bildaufnahme primär um einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen handelt, kann auch ein nicht voll geschäftsfähiger Minderjähriger ab dem 12. Lebensjahr wirksam in eine Aufnahme einwilligen (gegen den Willen des Sorgeberechtigten), sofern er aufgrund seiner geistigen Reife die Tragweite seiner Entscheidung überblicken kann. Besteht eine Einsichtsfähigkeit, so muss der Wille des Rechtsträgers entscheidend sein (streitig; a.A.: Die volle Geschäftsfähigkeit ist erforderlich, d.h. eine Einwilligung des Sorgeberechtigten muss bei Minderjährigen vorliegen).

 

II. § 201a Abs. 2 StGB

 

1. Objektiver Tatbestand

 

Der Absatz 2 des § 201a StGB ergänzt den Tatbestand des Abs. 1 um das Gebrauchen und Zugänglichmachen von Aufnahmen, die unbefugt i.S.d. Abs. 1 hergestellt worden sind.


Ein Zugänglichmachen liegt vor, wenn einem anderen die Möglichkeit zur Kenntnisnahme verschafft wird (Bsp.: Bild auf einer Internet-Webpage).[14] Unter Gebrauchen ist jedwedes Nutzen der Bildaufnahme zum Zwecke der weiteren Verwertung zu verstehen (Bsp.: Kopieren, Archivieren, Modifizieren, etc.).[15] Im Fall des Kopierens liegt regelmäßig Tateinheit mit § 33 Abs. 1 KUG vor (streitig; a.A.: Tatmehrheit).

 

2. Subjektiver Tatbestand

 

Der Täter muss  zumindest bedingten Vorsatz (dolus eventualis) bzgl. aller objektiven Tatbestandsmerkmale aufweisen (s.o.; I, 2.)

 

3. Rechtswidrigkeit

 

(s.o.; I. 3.)

 

III. § 201a Abs. 3 StGB

 

Oft wird es peinlich, wenn Ex-Freunde oder verschmähte Liebhaber „Heimfilme“ aus vergangenen Tagen im Internet veröffentlichen oder im Freundeskreis herumreichen. Der Tatbestand des § 201a Abs. 3 StGB will vor allem jene Fälle erfassen, in denen Aufnahmen, die ursprünglich mit Einverständnis des Betroffenen in den eigenen vier Wänden angefertigt wurden, nachträglich dazu verwendet werden, um den Abgebildeten vor anderen zu verunglimpfen. Mit welch heißer Nadel der gesamte Tatbestand des § 201a StGB gestrickt wurde, zeigt alleine der Umstand, dass die Zeitform in Abs. 3 völlig verunglückt ist. Logischerweise muss sich der Betroffene nicht mehr in einer Wohnung oder in einem gegen Einblick besonders geschützten Raum befinden, wenn die Bildaufnahme einem Dritten zugänglich gemacht wird. Gemeint ist der Zeitpunkt der Bildaufzeichnung.

 

Größtenteils überschneidet sich der Anwendungsbereich des § 201a Abs. 3 StGB mit dem des § 33 KUG. Während der Schwerpunkt des Unwertgehalts bei § 33 Abs. 1 i.V.m. § 22 Abs. 1 KUG auf der Verletzung des exklusiven Verbreitungsrechts einer existierenden Abbildung liegt, sanktioniert § 201a Abs. 3 StGB den Vertrauensmissbrauch. Daher stehen die Vorschriften in Realkonkurrenz zueinander, § 53 StGB.

 

1. Objektiver Tatbestand

 

a) Befugt hergestellte Bildaufnahme

 

Zunächst ist Voraussetzung für eine Strafbarkeit nach § 201a Abs. 3 StGB, dass die Aufnahme ursprünglich mit Einverständnis des Betroffenen oder aufgrund einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage hergestellt wurde.

 

b) Tathandlung: unbefugtes Zugänglichmachen

 

Ein Zugänglichmachen liegt vor, wenn einem anderen die Möglichkeit zur Kenntnisnahme verschafft wird (Bsp.: Bild auf einer Internet-Webpage).[16] Ein konkreter Taterfolg ist nicht erforderlich.

 

Im Gegensatz zu den Absätzen 1 – 2 ist das Merkmal der Unbefugtheit in Absatz 3 ein Tatbestandsmerkmal und nicht bloß ein Rechtfertigungselement. Das ergibt sich schon aus dem Gesetzeswortlaut („wissentlich unbefugt“).

 

c) Merkmal: „höchstpersönlicher Lebensbereich“

 

Ferner setzt der objektive Tatbestand  eine Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch die potentielle Kenntnisnahme eines Dritten voraus. Entscheidend ist, dass die betreffende Aufnahme anhand objektiver Kriterien, ohne Berücksichtigung des persönlichen Werdegangs, dem höchstpersönlichen Lebensbereich zugeordnet werden kann. Aktuelle wirtschaftliche, gesellschaftliche oder soziale Komponenten dürfen bei der Beurteilung der angefertigten Aufnahme grundsätzlich keine Rolle spielen. So stolpern regelmäßig aufstrebende Politiker und gesellschaftliche „Sternchen“ über peinliche Aufnahmen aus vergangenen Tagen. Würde ein möglicher Schaden für das aktuelle Ansehen des Betroffenen bei der Beurteilung berücksichtigt werden, so hätte dies eine unangemessene Beschneidung der Informations- und Pressefreiheit zur Folge. Im Übrigen bestimmt sich der höchstpersönliche Lebensbereich nach den gleichen Kriterien wie im ersten Absatz (s.o.).[17]

 

2. Subjektiver Tatbestand

 

Der Täter muss zum Zeitpunkt des Zugänglichmachens wissen (= dolus directus 2. Grades), dass er unbefugt handelt („wissentlich unbefugt“). Bzgl. der weiteren objektiven Tatbestandsmerkmale muss er zumindest bedingten Vorsatz (dolus eventualis) aufweisen.

 

IV. Sonstiges zu § 201a StGB


Gem. § 205 Abs. 1 StGB handelt es sich bei § 201a Abs. 1 – 3 um ein Antragsdelikt. Eine Einziehung der Aufzeichnungsgeräte und Datenträger, die zur Herstellung der unerlaubten Aufzeichnung verwendet wurden (z.B. Kamera und Videokassette), ist gem. § 201a Abs. 4 i.V.m. §§ 74 Abs. 1, 74a StGB (erweiterte Einziehung) möglich.

 



[1] Vgl. Lackner/ Kühl, § 201a, Rdnr. 1.

[2] vgl. Tröndle/ Fischer, § 201a, Rdnr. 4.

[3] RGSt. 12, 132.

[4] vgl. Sch/ Sch – Lenckner, § 123, Rdnr. 4.

[5] vgl. Lackner/ Kühl, § 201a, Rdnr. 2; Tröndle/ Fischer, § 201a, Rdnr. 7.

[6] ähnlich Tröndle/ Fischer, § 201a, Rdnr. 9: stellt im Ergebnis auf die Funktion des Sichtschutzes ab.

[7] Tröndle/ Fischer, § 201a, Rdnr. 11.

[8] vgl. Tröndle/ Fischer, § 201a, Rdnr. 12.

[9] vgl. Tröndle/ Fischer, § 201a, Rdnr. 13.

[10] so verstehen wohl Lackner/ Kühl, § 201a, Rdnr. 1, Tröndle/ Fischer, § 201a, Rdnr. 14 und Borgmann NJW 2004, 2133 den Gesetzgeber.

[11] Tröndle/ Fischer, § 201a, Rdnr. 20 ist insoweit widersprüchlich, da einerseits das Merkmal der Unbefugtheit als Rechtfertigungselement gewertet

       wird, andererseits aber offensichtlich ein normaler Tatbestandsirrtum (§ 16 Abs. 1 StGB) bei einer falschen Vorstellung des Täters über

       eine rechtfertigende Einwilligung angenommen wird.

[12] vgl. Lackner/ Kühl, § 201a, Rdnr. 9.

[13] Tröndle/ Fischer, § 201a, Rdnr. 16; Lackner/ Kühl, § 201a, Rdnr. 9.

[14] vgl. Lackner/ Kühl, § 184, Rdnr. 5

[15] vgl. Tröndle/ Fischer, § 201a, Rdnr. 18.

[16] vgl. Lackner/ Kühl, § 184, Rdnr. 5

[17] vgl. Tröndle/ Fischer, § 201a, Rdnr. 25.

                                                    

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