Apr 14

Mainstream DJ's sind Vollpfosten und Deppen

Es ist schon erstaunlich, wie unterschiedlich man eine Sache betrachten kann. Ich war gestern auf Facebook beim “Freunde sammeln” und habe einfach alles angeklickt, was mehr als 20 gemeinsame Freunde hat. Dabei habe ich auch einen jungen Mann aus Niederstetten angeklickt, mit dem sich dann eine Diskussion entwickelt hat, die ich hier gerne in Auszügen wiedergeben möchte. Dieser junge Mann, 20 Jahre alt, macht in seiner Freizeit das, was ich seit 30 Jahren mache, er arbeitet als DJ. Gibt man seinen Namen in Google ein, um sich über seine Arbeit zu informieren (die er so vehement hochgehoben hat), bekommt man 27 Ergebnisse, wobei nur vier oder fünf davon wirklich etwas mit ihm zu tun haben, denn es gibt einen weiteren DJ, der unter dem gleichen Namen wie der fungiert. Nun, das will nichts heißen, er ist noch jung.

In der Diskussion ging es tatsächlich erst mal um mich als Person und darum, das ich mich DJ nenne und er der Meinung ist, dass mir dieses Attribut in keinster Weise zusteht. Nur die Arbeit, die er verrichtet, also in “großen Clubs” auflegen oder in einer Halle mit mehr als 1.000 Leuten, und vor allem seine Musik, nämlich House, Techno, Electro, nur das macht einen DJ aus.

Mein Werdegang als DJ Hadley

Ich habe 1982 zum ersten Mal als DJ Hadley aufgelegt, da war ich 17 Jahre alt. In der Diskothek “Watussi” in Sinsheim bin ich für den DJ eingesprungen, der an dem Abend krank war. Da ich mich so gut wie jedes komplette Wochenende in dieser Disko aufgehalten habe, kannte ich den Chef und die Leute, die dort arbeiteten. Ich hatte keine Ahnung von dem, was ich da tat und auch die Platten, die in der Disko lagen, waren nicht gerade das Gelbe vom Ei. Trotzdem schaffte ich es und schmiss den Laden. In den 80ern arbeitete ich dann nicht nur im Watussi, sondern auch noch in der “Scala” und im “Tanzcafe Bogart” in Sinsheim, sowie in der Disko “Tropicana” in Waibstadt. Alles kleine Läden, denn Großraumdiskos, in die mehr als 500 Leute passen, gab es damals nicht. Von der Musik her war in diesen Läden immer der “Mainstream” angesagt, also das, was auch im Radio lief. Eine Musik-Szene, wie es sie heute gibt, gab es damals nämlich auch noch nicht. Die angesagten DJ’s hatten Bootlegs von bekannten Songs, meist während Konzerten aufgenommen und dann als Vinyl gepresst, die eine lausige Soundqualität hatten. Aber das war damals eben so.

Anfang der 90er arbeitete ich nur noch in Tanzcafes als DJ Hadley, z.B. im "Boogie Woogie" in Lauda, im "La Fiesta" in Würzburg und in diversen anderen Tanzcafes im Umkreis. Allen voran war ich DJ im “Tanzcafe Baccara” in Bad Mergentheim, in Würzburg und ab und zu auch in Mannheim. In dieser Zeit stand ich zu Beginn jeden Abend hinter dem DJ-Pult und habe dort in 10 Jahren mehr als 3.000 mal aufgelegt. Die Arbeit in einem Tanzcafe ist etwas Besonderes, denn die Leute dort wollen vor allem Fox tanzen. Ich war der erste DJ im Baccara, der neben dem üblichen deutschen Schlager, englischer Foxmusik und den gängigen Discotiteln auch HipHop und House gespielt hat. Den Gästen hat das gefallen, den Chefs nicht immer.

Nachdem die Zeit der Tanzcafes, zumindest hier bei uns, vorbei war, habe ich mich als DJ Hadley und mit einer eigenen Anlage selbständig gemacht, das war auch schon vor 12 Jahren. In diesen 12 Jahren hatte ich über 500 Aufträge als "DJ Hadley" bei Hochzeiten, Geburtstagen, Firmenfeiern, Kegelabende, Karaoke-Shows, Grillabenden und diversen Sportfesten absolviert, sowie als Musiker "Hadley B. Jones" mit Gitarre und Gesang. Heute bekomme ich 90% meiner Auftritte durch Mundpropaganda und ein Ende ist nicht in Sicht.

Ich bin kein DJ, sondern Unterhalter

Bis gestern war ich der Meinung, dass ich ein Disc-Jockey bin. Ein 20-jähriger, junger Mann aus meinem Ort, der in seiner Freizeit als DJ arbeitet, war da aber mal ganz anderer Meinung. Dies hat er mir in einem Chat auch kundgetan. Er tat dies in einer Weise, die beleidigend, respektlos, herablassend und eigentlich völlig inakzeptabel war. Er tat dies mit einer Aggressivität, die mich sehr erschreckt und verwundert hat, denn ich hatte mit diesem jungen Mann bis zu diesem Zeitpunkt kein einziges Wort gewechselt. Trotzdem hatte er bereits eine vorgefertigte Meinung über mich, die er sich aus Pinnwandeinträgen bei Facebook gebildet hatte.

Nachdem ich ihm eine Freundschaftsanfrage in FB geschickt hatte, gab es erst ein kurzes, harmloses Geplänkel, doch dann legte er los:


In dem Eintrag, den er da ansprach, ging es um die Musikplattform "Spotify", die ich empfohlen hatte. Da ging es gar nicht um das Downloaden von Musik, sondern um das Streamen von Musik. Bei Spotify stammt das gesammte Portfolio von Musik, das sind mehr als 16 Millionen Songs, nämlich von den Plattenfirmen selbst. In einem Kommentar dazu hatte er mich schon beleidigt und persönlich angegriffen. Diesen Beitrag hatte ich sofort gelöscht, das muss ja nicht sein.

Ich bin also nur ein DJ, wenn ich auch "große Gigs" hatte? Wer bestimmt das? Wer sagt das? Alle DJ's, die sich jeden Tag in irgendwelchen kleinen Clubs oder auf Privatfeiern hinstellen und das Publikum unterhalten, sind demnach keine DJ's. Zudem sind sie, alle miteinander, Vollpfosten. Wie ich bereits oben beschrieben habe, habe ich mehr als 3.000 Abende als DJ hinter mir. Das dürfte es durchaus wett machen, das nicht ein einziger Abend dabei war, in dem ich vor mehr als 400 Leuten stand (das war eine rumänische Hochzeit). Zudem, als DJ aufzulegen, egal wie viele Leute vor der Bühne stehen, wird nicht als Gig bezeichnet. Ein Gig ist ein Konzert mit Musikern. Die wenigsten DJ's spielen wohl ein Instrument auf der Bühne.

Erst jetzt erkannte ich, wen ich da angeschrieben hatte! Da er in Facebook ein anderes Pseudo benutzt hatte. Ich sagte ihm dies und erhielt als Antwort das hier:

Das war mir dann doch etwas suspekt und ich fragte ihn, ob er mit allen Leuten in diesem, doch sehr überheblichen Ton reden würde.


Das sind dann so Tage, wo man dasteht und denkt: Hat der was an der Waffel? Ein "Dummschwätzer und Taugenichts"? Schon erstaunlich, dass er das letzte Wort überhaupt kennt. Aber der Typ kennt mich doch gar nicht! Ein Dummschwätzer, okey, das ist nun wirklich ein subjektiver Eindruck, der jedem selbst überlassen bleibt. Aber der "Taugenichts", der tat schon weh. :-) Ich fragte ihn, woher er denn diese Meinung über mich habe und aus welchen Quellen er sich diese gebildet hatte:

Ich bin da jetzt mal ganz ehrlich, ab diesem Zeitpunkt begann ich mich zu amüsieren. Was meint er denn, was ein DJ ist? Hier mal die genaue Definition des Begriffs DJ:

Als DJ (englisch disc jockey) wird jemand bezeichnet, der auf Tonträgern gespeicherte Musik in einer individuellen Auswahl vor Publikum abspielt.

Also was bin ich dann seit 30 Jahren? Ein Depp und Vollpfosten! Seiner Meinung nach. Zumindest gab er zu, dass es auch "Mainstream-DJs" gibt, die "sollten aber auch etwas drauf haben". Was er mir mit diesem Satz dann schon wieder abgesprochen hat.


Ich spiele jeden Abend, an dem ich vor Publikum spiele, sechs Stunden und mehr. In den Diskotheken und Tanzcafes, in denen ich gearbeitet habe, ging um 20:00 Uhr die Musik an und um 3:00 Uhr nachts wieder aus. Das sind auch mehr als sechs Stunden. Das ist nicht so wie heute, wo der DJ erst um 22 Uhr auftauchen muss. Ich habe die ersten 25 Jahre meiner DJ-Tätigkeit ausschließlich mit Vinyl gearbeitet, erst Anfang der 90er kamen auch CDs in die Diskotheken. In der Übergangszeit wurde dann mit Vinyl und CD gearbeitet. Ich war Ende der 90er einer der ersten DJs hier in der Gegend, die mit einem Laptop zur Arbeit gekommen sind! In so gut wie allen Läden, in denen ich gearbeitet hatte, wurde mit Pioneer Plattenspielern  gearbeitet. Was denkt der, wo ich herkomme? Aus dem Urwald?

Zudem macht es keinen DJ aus, dass er sechs Stunden mit Vinyl Housemusik abspulen kann, ich verstehe diese Denkweise nicht. Dem Publikum, das ich bediene, sind Übergänge, für die sich die House-DJs so toll finden, völlig schnurzepiep. Die Musikauswahl muss stimmen. Zudem kann man "Beast of burden" und gleich danach "Wheels of fortune" gar nicht miteinander mischen. Nur mal so nebenbei. 95% der Gäste merken nicht einmal, wenn gemixt wird oder nicht, denen ist das schlicht egal. Woher ich das weiß? Ich mache das seit 30 Jahren! Und ja, mein Laptop hat einen SYNC-Button (der gleicht die Geschwindigkeit zweier Lieder an) und den benutze ich auch. Den Mix muss man bei meinem Programm aber trotzdem selbst machen, das macht der Laptop nicht von alleine.

Wichtig für die Arbeit, die ich und Hunderte meiner Kollegen machen, die auch zum Teil schon 20 Jahre und mehr unterwegs sind, ist das Zusammenspiel mit dem Publikum und ein ausgezeichnetes Musikrepertoire im Kopf! Es nutzt gar nichts, eine Million MP3s auf dem Laptop zu haben, die man gar nicht kennt. Als DJ auf den Veranstaltungen, die wir bedienen, muss man sich ausgezeichnet mit Musik auskennen, anders geht das gar nicht. Für uns ist es wichtig, das alle im Saal, egal ob 12 oder 90 Jahre, zufrieden nach Hause gehen. Klar, das geht nicht immer, ein paar Leutchen fallen immer durch's Raster, aber es wird zumindest angestrebt. Zudem: Es ist wesentlich schwieriger, ein gemischtes Publikum von vielleicht 50 Leuten zufrieden zu stellen als 500 Leute in einer Diskothek, in der der DJ den ganzen Abend nur Techno und House spielt. Die 500 Leute, die da reinkommen, wollen sicher keine Flippers oder irgendwelche Oldies hören.


Klasse, oder? Er hat mit Hochzeiten angefangen. Wann hat er das gemacht? Mit 17? Und wie viele Hochzeiten hat er gemacht? Über 300, wie ich in den letzten 12 Jahren? Da sind die 200 Geburtstage gar nicht mit dabei. Oder die anderen Feten und Gelegenheiten, die ich als DJ begleitet habe. Oder die Tausenden von Hochzeiten anderer DJ's, denen er hier das Recht abspricht, sich DJ zu nennen? Wobei ich gegen das Wort "Unterhalter" nichts einzuwenden habe, denn das sind wir natürlich auch. Wir sind dazu da, als DJ die Leute zu unterhalten. Am Besten fand ich ja den Satz: "Deine Auftritte kennt keine Sau!" Was ist mit den durchschnittlich 50 Gästen, vor denen ich gespielt habe? Die kennen mich doch! Ist man nur ein DJ, wenn man in der BRAVO steht? Aber das steht er doch auch nicht drin. Nur weil er einmal vor 800 Leuten gespielt hat, macht ihn das auch nicht zum DJ.


Klar kann sich jeder Depp an den Laptop stellen und auf einem Geburtstag Musik machen. Das macht er dann aber nur einmal und wird danach nie wieder gebucht. Ich dagegen muss dieses Jahr schon wieder Aufträge absagen und weitergeben, weil meine Wochenenden bis September verplant sind. Alleine diesen Monat waren es fünf Auftritte. Auftritte, für die man mich als DJ oder Musiker (Gitarre & Gesang) engagiert hatte. Fünf verschiedene Locations, nicht immer der gleiche Club, das zählt nicht. Dabei eine Firma aus Bad Mergentheim und eine Kurklinik, die mich bereits seit Jahren als DJ und Musiker buchen. Das machen die sicher nicht, weil ich so schlecht bin.

Mein Fazit

Ja, was soll man denn dazu sagen. Ich gebe es zu, mich hat das echt aufgeregt. Es geht dabei gar nicht so sehr darum, wie mich der junge Mann sieht oder welche Meinung er von mir hat. Das ist mir egal. Es geht eher darum, das die "jungen Wilden", wie sich selbst bezeichnen, einen ganzen Berufszweig für sich deklarieren und uns "altgedienten" Leuten, die wir eigentlich die Straße geteert haben, auf der sie sich jetzt bewegen, nun so von oben herab betrachten und unsere Arbeit so niedermachen. Ja klar, das ist nur eine Meinung, aber das ist schon ein starkes Stück. Die Respektlosigkeit, die der junge Mann mir gegenüber angeschlagen hat, die sucht schon ihresgleichen.

Aber genau diese Respektlosigkeit ist der Grund, warum ich nur noch Ü40 oder eben auf privaten Feiern auflege. Dort wird meiner Arbeit noch der Respekt entgegen gebracht, wegen dem wir jeden Freitag und Samstag unsere Anlage ins Auto packen. Ich finde es schlimm, wenn man z.B. auf Sportfesten bedroht wird, nur weil man ein bestimmtes Lied nicht spielt. Wir hätten uns früher nie gewagt, den DJ zu bedrohen, was soll das?

Den gesamten Chat kann man hier als PNG in anonymisierter Form nachlesen.

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Zuletzt bearbeitet am 15.04.2012 18:52
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1 Kommentare

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  1. Ein Leser meint:

    Hallo Hadley,

    es wäre deutlich fairer nicht nur zu paraphrasieren, was du geschrieben hast, sondern auch deine Nachrichten per Screenshot zu zeigen (oder das ganze Gepräch). Du reißt die Nachrichten hier aus dem Kontext und es lässt sich nicht klar nachvollziehen, was genau du geschrieben hast und wie du es geschrieben hast! Du hättest prinzipiell genau den gleichen Ton an den Tag legen und hier das Unschuldslamm spielen können.

    Gruß

    ein Leser

    Anmerkung: Da gebe ich Dir natürlich recht, aber das hätte den Rahmen des Artikels gesprengt. Ich kann Dir und allen anderen Lesern versichern, dass ich sehr um Aufklärung seiner Agressivität bemüht war (was das Ganze nur noch schlimmer gemacht hat) und ihm streckenweise im Verlauf der Konversation sogar entgegen gekommen bin (was z. B. den Unterhalter angeht). Ich hätte dies auch getan, also meine Zeilen eingefügt, wenn ich den Namen des jungen Mannes genannt hätte. Da dies aber ein privater Chat war, fand ich dies nicht angemessen. Trotz allem, ich habe das anonymisierte Chat-Protokoll in den Artikel eingefügt.

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