Geschichte des Instituts

Das Institut für Internationale Angelegenheiten der Universität Hamburg (im folgenden IIA) ist am 9. März 1973 durch Beschluß des Akademischen Senates der Universität gegründet worden. Es ist als interdisziplinäre Forschungseinrichtung unter dem Dach des Fachbereichs Rechtswissenschaft konzipiert. Zu diesem Zweck ist auch ein Professor des Faches "Politische Wissenschaften" aus dem Fachbereich Philosophie und Sozialwissenschaften im Wege der Doppelmitgliedschaft dem Institut zugeordnet. Die Doppelmitgliedschaft weiterer Lehrpersonen des Seminars für Sozialwissenschaften, die sich mit internationaler Politik befassen, läßt der Gründungsbeschluß ausdrücklich zu.

Das IIA entstand 1973 durch Vereinigung der Forschungsstelle für Völkerrecht und ausländisches öffentliches Recht der Universität Hamburg mit dem Institut für Auswärtige Politik, einer Hamburger Stiftung des bürgerlichen Rechts. Mit beiden Vorgängerinstitutionen verbindet das IIA eine unter wissenschaftsgeschichtlicher und wissenschaftspolitischer Fragestellung bemerkenswerte Vorgeschichte. Die bald nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges errichtete Forschungsstelle wurde 1946 aus den Resten des Instituts für Kolonialrecht gebildet, mit dem 1940 versucht worden war, die Tradition des älteren Hamburgischen Kolonialinstituts, aber nunmehr unter nationalsozialistischen Vorzeichen, wiederaufzunehmen, mit dem Ziel, den Aufstieg des Deutschen Reiches zur Weltmacht "wissenschaftlich" zu begleiten. Das alte Kolonialinstitut von 1908 war eine Ausbildungsstätte für angehende deutsche Kolonialbeamte. Es hatte nach dem Verlust der deutschen Kolonien im Ergebnis des Ersten Weltkrieges seine Existenzberechtigung verloren und wurde durch die Universität ersetzt, die die Hamburger Bürgerschaft 1919 errichtet hatte.

Kolonialwissenschaften bezeichnen also die eine Wurzel des heutigen IIA, das Institut für Auswärtige Politik die andere. Dieses verdankt seine Entstehung einer privatrechtlichen Stiftung außerhalb der Universität aufgrund eines Beschlusses der Hamburger Bürgerschaft vom 31. Januar 1923. Dem Institut war die Aufgabe gestellt, mittels interdisziplinärer und empirischer Forschung die jüngste europäische Geschichte aufzuarbeiten und Leitlinien zu entwickeln für eine friedensorientierte und demokratisch legitimierte Außenpolitik, um der Allgemeinheit einen neuen Zugang zu den aktuellen außenpolitischen Fragen zu vermitteln.

Unter der Leitung des ersten Direktors wurde das wissenschaftliche Konzept für das Institut für Auswärtige Politik entwickelt, das bald weit über die Grenzen Deutschlands hinaus an Renommé gewann. Albrecht Mendelssohn Bartholdy, Ururenkel des Philosophen, Enkel des Komponisten, Sohn des Freiburger Historikers und Verwandter zahlreicher Persönlichkeiten, die das deutsche Geistes- und Finanzleben geprägt haben, war 1917 zu der Heidelberger Vereinigung um Max Weber und den Prinzen Max von Baden gestoßen, jenem antichauvinistischen Kreis, der sich für "Völkerbund und Rechtsfrieden", wie der Titel eines Manifestes dieser Vereinigung lautete, einsetzte. Als Berater der deutschen Delegation auf der Friedenskonferenz in Versailles 1919 kam Mendelssohn Bartholdy in Kontakt mit Carl Melchior, einem der sechs Hauptdelegierten und Teilhaber des Bankhauses Max Warburg in Hamburg. Max Warburg war es dann, der maßgeblich die Berufung Mendelssohn Bartholdys von Würzburg nach Hamburg auf den Lehrstuhl für internationales Privatrecht und Auslandsrecht betrieb, vor allem mit dem Ziel, ihn bei der Errichtung einer, wie es zunächst hieß, "Forschungsstelle für die Kriegsursachen" tatkräftig zu unterstützen.

Albrecht Mendelssohn Bartholdy gelang es bald nach der Arbeitsaufnahme des Instituts für Auswärtige Politik im November 1924 enge und lebendige Wissenschaftsbeziehungen zum Ausland, vor allem zu England und zu den Vereinigten Staaten, aufzunehmen und durch sein unvoreingenommenes und engagiertes Bemühen um eine "Versöhnungsdiplomatie" die nach wie vor unter den Alliierten bestehenden Vorbehalte gegenüber deutschen Wissenschaftsvertretern abzubauen. Eine ungewöhnlich sichere Hand bewies Mendelssohn Bartholdy in der Wahl seiner Mitarbeiter. Sein Vertrauen in die Fähigkeit des einzelnen zu autonomem Denken zog ungewöhnliche und eindrucksvolle Persönlichkeiten an das Institut, wie Alfred Vagts, Hans v. Dohnániy, Theodor Haubach, Harriet Wegener und Paul Marc. Die im Hause redigierte Monatsschrift "Europäische Gespräche" wurde zu einem der führenden Periodica für internationale Fragen in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen. Sie verstärkte die Außenwirkung Mendelssohn Bartholdys und seines Instituts weit über die deutschen Grenzen hinaus. Grundlage und Zentrum der Institutsarbeit war die nach Sach- und Länderkategorien aufgebaute öffentliche Präsenzbibliothek, deren Bestände durch namhafte Spender (Carnegie-Stiftung, Rockefeller u.a.) und durch eine rege und von allen Mitarbeitern des Instituts geleistete Rezensionstätigkeit rasch vermehrt wurden.

Nach der Machtergreifung Hitlers im Januar 1933 war es dem Mendelssohn-Institut nicht mehr vergönnt, seine bisherigen Aktivitäten unter der bisherigen Zielsetzung fortzusetzen. Mendelssohn Bartholdy wurde in Hamburg aus allen Funktionen verdrängt und emigrierte 1934 nach England, wo er bereits 1936 starb. Sein Weggang aus Hamburg brachte den Überseehistoriker Adolf Rein, der sich mit Vorstellungen von der Universität als einer politischen Kaderschmiede des NS-Staates bei den neuen Machthabern zu profilieren suchte, in die Rolle eines kommissarischen Leiters des Mendelssohn-Instituts. Die ihm gestellte hochschulpolitische Aufgabe, so schnell wie möglich den Umbau der Universität zu betreiben und den Abbau der jüdischen Professoren "rücksichtslos" voranzutreiben (so Bürgermeister Krogmann), ließ Rein jedoch wenig Zeit, sich direkt in die Institutsarbeit einzumischen. 1936 wurde Friedrich (Fritz) Berber von Rein zu seinem Stellvertreter im Institut berufen. Berber war zu dieser Zeit Dozent an der "Deutschen Hochschule für Politik" in Berlin und wurde bald ein enger Vertrauter des deutschen Botschafters in London und späteren Reichsaußenministers Joachim v. Ribbentropp. Unter Berbers Leitung hielt sich das Institut für Auswärtige Politik in den Jahren des politischen Übergangs mit eigenen Veröffentlichungen noch zurück, soweit sie den Rahmen der bloßen Dokumentation überschritten.

Dies änderte sich erst 1937. Im Januar dieses Jahres unterlag Hamburg im Streit um den Standort einer Diplomatenschule, die Ribbentropp in Berlin zu errichten wünschte und für die das Hamburger Institut die notwendige personelle und materielle Ressource liefern sollte. Bereits im April 1937 wurde das Institut für Auswärtige Politik nach Berlin verlagert und mit einer im Aufbau befindlichen Ribbentropp‘schen Neugründung, dem Deutschen Institut für Außenpolitische Forschung, zusammengelegt, ohne daß dem Hamburger Institut seine rechtliche Selbständigkeit genommen wurde. Fortan dienten beide Einrichtungen der Auslandspropaganda des Dritten Reiches, von einer Diplomatenschule war nicht mehr die Rede.

Als Anhängsel des Auswärtigen Amtes wurde das Institut, nach Kriegsbeginn personell stark erweitert, führte jedoch ein Nischendasein, da Berber auf dem Felde der Auslandspropaganda keine hohe Kompetenz zugetraut wurde. Vielen Mitarbeitern, darunter auch den nach Deutschland zurückberufenen Auslandskorrespondenten namhafter Tageszeitungen, bot das Institut zeitweilig Schutz und Unterschlupf, wodurch sie vor einer Einberufung zur Wehrmacht verschont wurden.

Die in großer Zahl erschienenen Veröffentlichungen, Zeitschriftenbeiträge und Propagandabroschüren zeigen, nachdem Ribbentropp Berber 1939 definitiv zum Direktor des Hamburger Instituts für Auswärtige Politik und des Deutschen Instituts für Außenpolitische Forschung und mit dem Titel eines "Gesandten" bestellt hatte, ein widerspruchsvolles Bild von der Bereitschaft Berbers und seiner Mitarbeiter, sich politisch, geistig und wissenschaftlich für die Ziele des NS-Staates zu engagieren. Zwar haben sich nicht alle vom NS-Regime vereinnahmen lassen, wie das Beispiel Jürgen v. Kempskis beweist. Insgesamt werfen aber die von Berber und unter seiner Herausgeberschaft erschienenen Publikationen der Jahre 1937 bis 1944 kein günstiges Licht auf den Direktor, seine Mitarbeiter und viele der von ihnen redigierten Beiträge. Sie zeigen, wie weit die Selbstentmündigung, gewollt oder ungewollt, auch in einem vornehmlich der Wahrheit verpflichteten Bereich, der Wissenschaft, reichen konnte.

In der Verlagerung des Instituts für Auswärtige Politik nach Berlin und in seiner Indienstnahme für wissenschaftsfremde Zwecke des NS-Staates wird ein Widerspruch sichtbar, der schon die Vorläuferinstitute Hamburgisches Kolonialinstitut und Stiftung Institut für Auswärtige Politik vor der Machtergreifung Hitlers bestimmt hatte: Auf der einen Seite der imperialistische Machtanspruch der "verspäteten Nation" (Helmuth Plessner), der in den traditionellen Überseeinteressen der Reeder-, Werften- und Handelsmetropole Hamburg, wenn auch keinen Antreiber, so doch eine wohlwollende Unterstützung fand – ein Anspruch, der in der politischen Realität der Forderung nach "Lebensraum" und nach dem "Platz an der Sonne" die Hamburger Wissenschaftsszene nicht unbescholten ließ, und auf der anderen Seite das Interesse Hamburgs, als Welthandelsmetropole teilzuhaben an der Weltwirtschaft, in der die Regeln eines ungestörten Personen- und Güterverkehrs nicht immer ohne Irritation durch kriegerische Einwirkungen von außen waren, aber doch auf Dauer Sicherheit und Gewinn versprachen.

1943 zwangen die zunehmenden Bombenangriffe der Alliierten auf Berlin Berber, das Institut mitsamt seinen verbliebenen Mitarbeitern und der Bibliothek nach Thüringen zu evakuieren. Der Evakuierung folgten bei Kriegsende die faktische Selbstauflösung des Instituts – Berber hatte sich bereits im Sommer 1944 in die Schweiz abgesetzt – und eine Odyssee der wertvollen Buchbestände, die gerade noch rechtzeitig vor dem Einmarsch der sowjetischen Truppen in Thüringen von amerikanischen Militärdienststellen geborgen und über Hessisch-Lichtenau nach Berlin gebracht wurden. Von dort wurden sie 1947 nach Hamburg zurückgeführt und vorläufig in der Staatsbibliothek untergestellt.

Die Hamburger Stiftung Institut für Auswärtige Politik war in den Jahren der politischen Zweckentfremdung im rechtlichen Sinne nicht aufgelöst worden. So konnte der in den Wirren des Kriegsendes gerettete Bücherschatz der neuerrichteten Forschungsstelle für Völkerrecht und ausländisches öffentliches Recht und ihrem Leiter Rudolf Laun zu treuen Händen übergeben werden. An eine Reaktivierung des verwaisten Institutes selbst wurde damals nicht gedacht. Das Stiftungskuratorium, in dem der Vertreter des Hamburger Senates eine maßgebliche Stimme hatte, war nicht bereit, das Provisorium der kommissarischen Geschäftsführung des Institutes durch die Forschungsstelle zu beenden, "solange der Lehrstuhl Mendelssohn Bartholdys nicht mit einer geeigneten Persönlichkeit neu besetzt und das Institut, das weitgehend den Stempel dieser Persönlichkeit trage, nicht neu belebt sei" (zit. H. Hecker, S. 320).

Nach der Emeritierung Launs 1949 währte das Provisorium der kommissarischen Geschäftsführung des Institutes durch die Forschungsstelle noch 24 Jahre. Es überdauerte die Ära Herbert Krügers als Nachfolger auf dem Lehrstuhl Launs (1955-1971), hinderte aber eine breite wissenschaftliche Tätigkeit unter den neuen Fragestellungen der Nachkriegszeit nicht. Eine organisatorisch und konzeptionell neue Lösung konnte erst 1973 gefunden werden, als im Zuge der Berufung Ingo v. Münchs auf den Lehrstuhl Krügers und der Berufung des Politikwissenschaftlers Klaus-Jürgen Gantzels nach Hamburg die Vereinigung der Forschungsstelle mit dem Institut vollzogen wurde.

Mit dem Rechtsakt der Auflösung der Stiftung Institut für Auswärtige Politik und der Übertragung ihres Vermögens auf die Universität endete nach 50 Jahren eine wissenschaftliche Einrichtung in Hamburg, die als erstes Friedensforschungsinstitut in Deutschland gelten darf. Sie verdankt ihre Gründung der Initiative und dem Engagement eines bedeutenden Hochschullehrers und der Unterstützung zweier Hamburger Bankiers mit hohem politischen Verantwortungssinn. Das Renommé des Institutes, seines Gründers und ersten Leiters, seiner Mitarbeiter und das ganze geistige und politische Umfeld der zwanziger Jahre können in der Bilanz des Erscheinungsbildes dieses Jahrhunderts auf der Haben-Seite verbucht werden, wenn auch die nachfolgende Generation dem Anspruch Albrecht Mendelssohn Bartholdys und seines Kreises nicht mehr gerecht geworden ist.

H. Weber (Februar 1999)


Bibliographische Hinweise:

Gisela Gantzel-Kress: Zur Geschichte des Instituts für Auswärtige Politik. Von der Gründung bis zur nationalsozialistischen Machtübernahme, in: Klaus-Jürgen Gantzel (Hg.), Kolonialwissenschaft, Kriegsursachenforschung, Internationale Angelegenheiten. Veröffentlichungen aus dem Institut für Internationale Angelegenheiten Band 12, Baden-Baden 1983, S. 23-88.

Hermann Weber: Rechtswissenschaft im Dienst der NS-Propaganda. Das Institut für Auswärtige Politik und die deutsche Völkerrechtsdoktrin in den Jahren 1933 bis 1945, in: Klaus-Jürgen Gantzel (Hg.), Wissenschaftliche Verantwortung und politische Macht. Hamburger Beiträge zur Wissenschaftsgeschichte Band 2, Berlin – Hamburg 1986, S. 185-425.

Hellmuth Hecker: Die Forschungsstelle für Völkerrecht und ausländisches öffentliches Recht von 1946 (mit ihren Vorläufern), das Institut für Auswärtige Politik und die Vereinigung (1973) zum Institut für Internationale Angelegenheiten, in: Klaus-Jürgen Gantzel (Hg.), Kolonialwissenschaft (a.a.O.), S. 185-428.


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