mortem parturio

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Tafelbilder von Ancz E. Kokowski
Diskurs nach Thea von Harbous und Fritz Langs Buch/ Film "Metropolis" anhand Elias

Canettis Buch "Masse und Macht"
7.9.-5.10.07, Mi-So 15-20 Uhr

Neue Galerie, 4. OG

Eröffnung 7.9.07, 19Uhr30!

(Während des Art Forums ist die Ausstellung am 28.-30.9. bis 24 Uhr geöffnet.)




Die Grundzüge sogenannter moderner, aufgeklärter und zivilisierter Gesellschaften bestehen im Prinzip aus kontrollierten archaischen Verhaltensprinzipien. Das Ausbeuten und Beherrschen von Menschen und Menschengruppen durch wenige, privilegierte Menschen und Menschengruppen ist unumstößlicher Bestandteil unserer Gesellschaft, unserer Kultur. Eine Gesellschaft, eine Kultur, in der dieses Prinzip nicht mehr existierte, ist eine Utopie.
Jedoch: Gerade das Betrachten, das gedankliche Sezieren und das Verstehen dieser Logik ist der Antrieb zur Entwicklung, lässt den Menschen auf sich selbst blicken, lässt ihn seine Verhaltens- und Organisationsstrukturen überdenken.
Vor achtzig Jahren, im Januar 1927, wurde der Film "Metropolis" von Fritz Lang in Berlin uraufgeführt, ein achtstündiges Epos, das sich in einer bis dahin nicht gekannten Material und Menschenschlacht an diesem Thema versuchte abzuarbeiten. Grundlage war der von Thea von Harbou (Lang und Harbou waren verheiratet) geschriebene gleichnamige Roman und das von ihr daraus entwickelte Drehbuch. Während der Dreharbeiten arbeiteten sie eng zusammen. Der Film ging schließlich als eine der wichtigsten Arbeiten dieser Zeit, dessen, was die Moderne schließlich unter anderem begründete und charakterisiert, in die Filmgeschichte ein. Er war Vorlage und Inspiration für ungezählte künstlerische Bearbeitungen und Auseinandersetzungen in der Folge. Erinnert sei hier z.B. an den Film "Blade Runner" (Regie: Ridley Scott).
Ancz É. Kokowskis Serie von Tafelbildern "mortem parturio", entstanden in den Jahren 2006 und 2007, nimmt sich sowohl des Buchs sowie des Films "Metropolis" an, als auch der geistigen Urheber Thea von Harbou und Fritz Lang. Grundlage für die künstlerische Betrachtung war das Buch "Masse und Macht" von Elias Canetti.



Entstanden ist so eine Serie, deren einzelne Arbeiten aus vielschichtigen Blickwinkeln den Betrachter gefangen nehmen durch ihre Fülle an Interpretationsmöglichkeiten und Anknüpfungspunkten auf einer Vielzahl verschiedenster Ebenen. Teils scheinen einige Arbeiten Ideen des Films und seiner Werdung zu visualisieren, sind aber thematisch erst einmal ganz anderen Bezügen entnommen und bekommen durch ihre Zuordnung innerhalb des thematischen Stoffs "mortem parturio" ihre eigene Bedeutung. So machen die zerschmetterten Glocken, die tatsächlich als Mahnmal "dem Gedenken aller Toten fern der Heimat", am Boden der Gedenkkappelle der Marienkirche in Lübeck (südlicher Turm), gewidmet sind, in der Arbeit "glesordes" dann nicht nur neue Konnotationen möglich, sondern bilden darüber hinaus gleich eine ganze Fülle an weiteren Bezugspunkten zu Buch, Film und Urhebern. Andere Arbeiten beschäftigen sich wiederum, für Ancz É. Kokowski typisch, mit dem, was verbal unbenannt bleiben muß. So fließen Gedanken über Hybris, Gewalt und Sexualität sowie die Unvereinbarkeit sich ausschließender Paradigmen mit in ihre Arbeit ein und werden Thema. Bild für Bild ergibt sich so ein farbgewaltiges Kaleidoskop, dessen Spiegelungen und Brechungen stets neue Ebenen und Sichtweisen eröffnen auf das unveränderliche Tatsächliche vor der Linse. Dabei sorgen die bisweilen sehr kühl temperierten Blautöne für eine nachhaltige und packende Betrachtung, die den Betrachter emotionalisiert.
Ancz É. Kokowski ist es mit der Serie "mortem parturio" gelungen, den Stoff, aus dem "Metropolis" entstanden ist, aus dem er gewoben wurde wieder in das Bewußtsein zurückzuholen, und bietet dabei eine gelungene und faszinierend ungewohnte Draufsicht auf Werk, Inhalt und Urheber. In einer Zeit, wo der Mensch zum "Humankapital" (Unwort des Jahres 2004) mutiert ist, ist die Frage nach Humanität und humanitärem Handeln neu zu stellen, und es ist darauf aufmerksam zu machen, dass daran auch ein achtstündiges Filmepos vor achtzig Jahren prinzipiell gescheitert ist.
(pm, 2007)


Kontakt:
kokowski@kunstoffice.de

tel.: 455 24 21


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