Sibel bei "Beckmann" am 08.03.2004

Sibel Kekilli

Mein nächster Gast hat gerade die schwersten Wochen seines Lebens hinter sich. Jeden Tag musste sie neue angebliche Enthüllungen über ihre Vergangenheit als Pornodarstellerin in den Zeitungen lesen. Es ist die Schauspielerin Sibel Kekilli. Ihre Rolle im Kinofilm "Gegen die Wand", gerade mit dem Goldenen Bären preisgekrönt, machte die 23-jährige Deutsch-Türkin über Nacht zum Star. Dann der Schock: 2 Tage nach der glanzvollen Preisverleihung titelt die BILD "Deutsche Film-Diva in Wahrheit Porno-Star!"  Immer mehr Details aus ihrer Vergangenheit werden danach publik gemacht. Sibel Kekilli zieht sich komplett zurück aus der Öffentlichkeit. Heute Abend spricht sie erstmals im Fernsehen darüber, was damals wirklich war, und natürlich über den Film. Ich freue mich sehr, dass sie da ist. Herzlich willkommen, Sibel Kekilli.

Dankeschön, ich freue mich auch, hier sein zu dürfen.

Schön, sagen wir erstmal herzlichen Glückwunsch. Der "Goldene Bär", nach 18 Jahren endlich mal wieder ein deutscher Film. Wie hast Du davon erfahren, dass der "Goldene Bär" für den Film rausgesprungen ist?

Eigentlich genau wie die anderen Leute auch, Punkt um 2 Uhr nachmittags am Potsdamer Platz vor dem großen Monitor am Berlinale-Palast. Ich habe vorher eine SMS gekriegt, dass ich nicht abreisen soll.

Hey, das war schon ein bisschen verdächtig.

Morgens um 10, genau, wir  hätten was gewonnen. Und dann hat man mir aber nicht gesagt, was, und ich wollte es aber auch nicht wissen.

Sibel, wir müssen den Zuschauern erstmal eben erklären, worum es geht in dem Film. Es ist auch die Geschichte eines türkischen Mädchens, das eine Sehnsucht hat, sich zu befreien, eine Sehnsucht nach wirklich wahrhaftigem Leben. Es ist eigentlich ein Underground-Film in manchen Momenten, dann ist es wieder ein Kunstfilm, und sie findet einen Typen, den sie überredet, sie zu heiraten.

Genau.

Aber in Wirklichkeit sucht sie noch ganz was anderes. Kannst Du es verraten, wie es dann weitergeht?

Also die Figur, Sibel - die heißt auch Sibel - ist erst auf der Suche nach der Freiheit. Sie hat so 'nen Freiheitsdrang. Genau das, was sie immer wollte, hat sie auch gekriegt durch die Ehe. Das hat ihr aber Unglück gebracht. Also, das ist doch nicht alles gewesen, was sie haben wollte. Das merkt sie aber später. Da passieren halt ... ich weiß nicht, ob ich das verraten darf...

Wir müssen nicht alles verraten, nein nein, so'n bisschen was...

Okay (lacht), da passiert eben ein Unfall, und zum Schluss, denke ich, dass sie nicht Freiheit, sondern Liebe gesucht hat. Also das wird ihr klar, und diese Liebe... Liebe kann ja auch Freiheit bedeuten, gleichzeitig, und ich glaube, weil viele sagen "Ooh, warum kein Happy End in dem Sinne" - ich möchte jetzt nicht ...

Nö, das müssen wir auch gar nicht verraten, das ist so die kleine wirkliche Pointe zum Schluss, die ist sehr poesievoll, also wie die beiden Menschen da aufeinander zugehen, wenn sie sich wiedersehen. Wir sollten jetzt nicht verraten, wie das ausgeht.

Das wollte ich auch nicht.

Das bleibt jetzt das kleine Geheimnis.

Ja.

Nach so einem Erfolg, wie habt Ihr da gefeiert in Berlin? Seid Ihr da "Hey, der große Erfolg!" ...

Ich habe es erst gar nicht begreifen können, es war einfach alles zu viel. Berlinale, und dann ein Preis, dann den "Goldenen Bären". Also erst haben wir den Kritikerpreis bekommen, und dann den "Goldenen Bären", das war alles einfach für mich so viel, zu viel, dass ich wirklich gar nicht so lange gefeiert habe, sondern ins Hotel wieder zurückgefahren bin und im Taxi dann zusammengebrochen, geweint, weil es einfach für mich zu viel wurde.

Das heißt, das kam so überraschend, so überwältigend für Dich, dass Du das emotional gar nicht verpacken konntest in dem Moment.

Ja.

Sibel, wir haben uns letzte Woche schonmal getroffen, ein bisschen geredet und uns kennen gelernt. Nach der Berichterstattung, die Du danach auch ertragen musstest über Deine Vergangenheit als Pornodarstellerin usw. hatte ich eigentlich gedacht "Mensch, der geht's sicherlich nicht gut." und dann habe ich Dich letzte Woche getroffen, und Du warst entspannt, gelöst. Wie hast Du das alles weggesteckt?

Eine gute Frage. Die ersten 2 Tage waren sehr hart. Es standen natürlich Reporter vor der Tür und ein Ü-Wagen, also Übertragungswagen.

Bei Dir vor der Tür direkt?

Ja.

Ein Ü-Wagen vor der Tür vor der Wohnung ...

Ja, also bei mir so ein bisschen versteckt um die Ecke. Und deswegen bin ich jetzt erstmal nicht nach Hause gegangen, ich bin sozusagen "untergetaucht", wenn man das so sagen darf, weil ich nicht, wenn ich den Müll rausbringe, fotografiert werden wollte. Jetzt lache ich drüber. Wenn ich wieder irgendwas lese, dann lache ich drüber, weil - das wissen die Leute zwar nicht, aber ich weiß es - sowieso zu 70, zu 80% nichts stimmt, was da drinsteht. Und ich finde es einfach witzig, wie viele Leute aus ihren Löchern herauskommen und meinen, sie kennen mich, weil sie mich vielleicht 2-mal gesehen haben oder so. Und sie wüssten ja sowieso, dass ich immer mal ein Star sein wollte. Da reden sogar Leute, die wissen müssten, in dem Moment müsste man schweigen. Und ich weiß nicht, das hat mich stärker gemacht. Also irgendwie bin ich jetzt befreit. Es ist irgendwie was raus, was ich sowieso nie verstecken wollte. Ich muss jetzt nicht denken "Oh Gott, jetzt recherchieren sie meine Vergangenheit" oder so, was aber zu mir gehört, und es ist raus.

Du hast auch ganz klar gesagt: "Das ist ein Stück meines Lebens, da stehe ich zu", und wenn man im Internet auch guckt, "Sibel" eingibt und Deinen Namen, dann gibt es auch ohnehin eine Verbindung zu Deiner Vergangenheit, wenn man ein bisschen nachrecherchiert. Du hast ja auch kein Geheimnis daraus gemacht. Wie bist Du dann aber trotzdem mit der Situation klargekommen, als dann die Zeitungen wirklich auf Seite 1 prallevoll waren?

Ich hab's ja nachts um 12, also in der Nacht von Sonntag auf Montag Morgen, gesehen im Internet. Das war natürlich erstmal ein Riesenschock. Auch wenn ich das jetzt vorher wusste durch ein Interview, dass es da drinstehen wird, ich wusste ja nicht, dass so klein so groß bedeutet. Und erstmal habe ich natürlich geweint und an meine Eltern gedacht, weil....ja, wie reagieren meine Eltern darauf?

Die wussten das nicht?

Nein. Wie hätte ich das denn als Türkin meinen Eltern sagen sollen? Hallo, ich habe Pornos gedreht? Das war meine größte Sorge.

Jetzt erzähle oder erkläre uns mal, warum Du damals die Pornos gemacht hast. Du kommst aus Heilbronn, Deine Eltern sind 1977 nach Deutschland gekommen, und Du bist von Heilbronn aus ein bisschen in die Welt hinausgegangen und wolltest was anderes machen. Wie bist Du auf die Idee gekommen, für Pornos zu agieren?

Geldmangel? Das heißt ja so schön: "Ich war jung und brauchte das Geld.", auch wenn ich ... also, ich bin immer noch jung (lacht)

... brauchst immer noch Geld (lacht)

Eigentlich schon, aber sowas würde ich nicht mehr machen.

Fritz Wepper: Wer braucht's nicht?

Das stimmt.

Wie lange hast Du das überhaupt gemacht?

7 Monate.

Du bist da, glaube ich, so ein bisschen langsam reingewachsen, hast vorher einfach nur für Dessous - irgendwie so Mode-Dessous - als Model gearbeitet, und dann ist so der Weg dahin gegangen, also auf die Art und Weise auch noch ein bisschen Geld zu verdienen.

Genau.

Also das wird schon besser bezahlt, deshalb hast Du es gemacht.

Nein, das wird nicht besser bezahlt. Also erstens, warum ich das gemacht habe, dazu gehört nicht nur Geldmangel, sondern auch Rebellion. Ich wollte einfach rebellieren. Das gehörte auch noch dazu. Aber zum Geldverdienen: Ich habe gedacht, man kann sehr viel Geld verdienen, aber es war doch nicht so.

Worin besteht die Rebellion?

Für die türkische Gesellschaft ist es eine Rebellion. Das Thema Sex ist tabu und Pornos und das gehört ja alles dazu. Wo ich immer gedacht habe "Okay, da reden die Türken nicht darüber, das ist ein Tabuthema.", ich wollte das einfach brechen.

... in dieser Radikalität.

Ja. Ich wollte dagegen einfach rebellieren, gegen mein Leben, gegen diese türkische Welt in mir drin, da wollte ich einfach sagen "Hey! Das ist mein Leben, egal was ich mache, es gehört zu mir."

Aber die Reaktion zum Beispiel Deines Vaters, dass der enttäuscht ist, das ...

... verstehe ich vollkommen. Ehrlich. Ich verstehe ihn vollkommen. So, wie er es auch mitgekriegt hat. Auch wenn er es nicht so mitgekriegt hätte, natürlich ist es jetzt ein Riesenschock für ihn. So, es ist wirklich mit Bildern auf der 1. Seite, die ganzen Verwandten und Bekannten und Freunde haben das gesehen, die Arbeitskollegen, wahrscheinlich hat er es noch, als er gearbeitet hat, während der Arbeit es gesehen. Dass da der Schock natürlich tief sitzt, ist verständlich. Aber er wäre auch geschockt, wenn ich es ihm nur so gesagt hätte, wenn ich ihm gesagt hätte unter 4 Augen: "Ich habe Pornos gedreht."

Sibel, weißt Du, was das Irre ist? Dass Du jetzt mit der Situation Deines Lebens eigentlich wieder in dem Film bist. Es ist genau das Thema des Films. Wo auch im Film, da heißt Du auch Sibel, die Familie sich entehrt fühlt, Dein Bruder Rache ausüben will und es auch tut zum Teil, und auch da die Hauptfigur Sibel eine Sehnsucht hat nach Leben-erfahren in aller Radikalität, und auch in aller Konsequenz, auch wenn es anderen Leuten wehtut. Siehst Du das bei anderen Mädchen auch so in Deinem Umfeld, die in einer türkischen Familie zu Hause sind, oder bist Du da ein Einzelfall, mit dieser Sehnsucht, das Leben so zu erfahren?

Ich glaube, ich bin sowieso ein Extremfall (alle lachen). Das ist wirklich so, denke ich schon. Wieviele Türkinnen gibt es denn, die Pornos gedreht haben oder drehen, also hier in Deutschland drehen? Ich weiß es nicht. Die türkischen Familien, die ich gekannt habe und die ich "kenne", die waren wirklich so, dass sie unsichtbare Ketten hatten, unsichtbare Handschellen hatten. Natürlich gibt es bestimmt auch andere türkische Familien, wo es nicht so ist. Aber ich habe sie eben gekannt. Bei manchen war es extremer, bei manchen war es doch nicht so extrem, also bei manchen war es weniger, aber ich habe immer nur Familien gekannt, wo die Mädchen zum Beispiel nicht alles durften. Und das habe ich als Freiheitsberaubung gesehen. Ich habe dann wiederum gesehen: Aber die Brüder durften alles.

Was war bei Dir so nicht erlaubt, was war bei Dir verboten? Also, ich habe es eben gesagt, Eltern 1977 aus der Türkei nach Deutschland gekommen, in Heilbronn bist Du, glaube ich, geboren, was war erlaubt, was war verboten?

Ich sage immer wieder, meine Eltern sind offen und modern, weil sie offener und moderner sind als die Familien, die ich, wie gesagt, kenne. Aber es gibt bestimmt und zu 100 % modernere und offenere türkische Eltern. Bei meinen Eltern war es so: Ich glaube, ich war immer in der Familie das schwarze Schaf.

Und wodurch? Warum?

In der Verwandtschaft war es halt nicht normal, dass man als Mädchen mit 16, was für deutsche Familien normal ist, auf's Konzert geht, und ich bin halt mit 16 auf's Konzert gegangen.

Du wolltest die Backstreet Boys sehen, z.B., oder....

Ja genau, au, muss das jetzt erwähnt werden....

Du schämst Dich heut für die Backstreet Boys....oh, da könnten Fritz und ich...

peinlich...(jammert)

... von Sünden aus früheren Tagen sprechen, also für die Backstreet Boys muss man sich nicht schämen.

oh, peinlich, und dann auch noch 3-mal...

Also das war schon was, was schwer zu vermitteln war, dass Du einfach mal in die Disco gehen wolltest oder ein Konzert sehen wolltest.

Ja genau. Also Konzert durfte ich, ich durfte ein Konzert besuchen, aber zum Beispiel Discothek nicht. Ich durfte auch nicht abends bis 9 oder so wegbleiben. Das war für mich wie ein Gefängnis, auch wenn das für manche Mädchen kein Gefängnis wäre. Sie wären froh, wenn sie auf ein Konzert durften, egal jetzt, ob von den Backstreet Boys oder jemand anderem. Oder ich hatte ein Nasenpiercing, oder ich hatte eben, nunja, einen deutschen Freund.

Und das war auch schon problematisch, der deutsche Freund?

Am Anfang ja.

Was ist das bei Dir? Woher kommt dieser Widerspruchsgeist?

Ich habe immer gesehen, dass ich zum Beispiel für irgendwas richtig betteln musste, für'n Nasenpiercing oder eben für's Konzert oder so, immer sagen musste: "Kann ich?" oder "Darf ich?", ich musste immer fragen, aber ich wollte nicht fragen. Ich wollte das machen, was ich in dem Moment machen wollte. (Beckmann nickt Wepper vielsagend zu.) Das war ja das Problem:  Ich habe die deutschen Mädchen gesehen, ich habe die türkischen Mädchen gesehen. Und die deutschen Mädchen durften immer weggehen und kommen, wann sie wollten, und ich wollte zu denen gehören.

Es gibt ja so eine Analogie zum Film. Ich weiß nicht, ob sie in diesem Fall auch wieder zutrifft. Also wolltest Du Deinen deutschen Freund auch gleich heiraten?

Ja, das war aber nur Zufall, also es war mein erster Freund überhaupt. Er war eben ein Deutscher. Und ich muss dazu nochwas sagen: Man hat so gesagt, nunja, wegen dem Film, Scheinehe, Showehe oder so. Aber wenn es eine Showehe gewesen wäre, hätte ich mir einen Türken ausgesucht.

Also Du warst nie verheiratet?

Nein. Wir haben uns kennen gelernt und wir wollten dann auch heiraten. Aus Liebe. Wir hatten das Aufgebot schon bestellt und alles war bestellt, und die Gäste waren eingeladen. Dann haben wir eine Hochzeitsfeier gemacht, in weiß, also ich im Brautkleid. 1999 hatte ich noch den türkischen Pass, das heißt, ich musste aus der Türkei ein Ehefähigkeitszeugnis beantragen.

Ein Zeugnis, um zu sagen: "Ich bin zur Ehe fähig."

Ja, "Ich bin nicht verheiratet, ich bin noch ledig."
 
Ja. Jetzt habe ich es kapiert. Ein bisschen langsam bei mir...

Ich habe aber gleichzeitig beim türkischen Konsulat meine Ausbürgerung beantragt. Ich wollte damals den deutschen Pass haben. Es war einfach mein Pech in dem Moment, dass ich meine Papiere nicht gekriegt habe.

Du hast Dich verschuldet durch diese ganzen Hochzeitsfeiern usw.

...Wohnungseinrichtung...

...hast so richtig auf Schulden gesessen, hast nach Wegen gesucht, wieder an Geld ranzukommen. Wie hast Du das gemacht?

Ich muss dazu sagen: Als das mit der Hochzeit und so war und Wohnungseinrichtigung, da war ich eben noch Auszubildende und hatte natürlich noch weniger Geld als als Festangestellte. Und dann habe ich halt versucht, mit mehreren Nebenjobs über die Runden zu kommen. Das heißt: Obst und Gemüse verkauft, gekellnert, als Promoterin, Akt-Model, alles Mögliche. Ich habe geputzt, ab und zu mal, ja und irgendwann war es mir zuviel, diese 4 - 5 Jobs nebeneinander zu haben. Mein Körper hat nicht mitgemacht, mein Magen hat rebelliert, und dann habe ich gesagt "Okay, jetzt suche ich mal nach anderen Wegen, wo ich nicht so viel arbeiten muss, aber vielleicht dafür dasselbe Geld bekomme."

Und das war der Weg in die Erotikbranche dann als nächstes.

Ja.

Hattest Du überhaupt den Wunsch, Schauspielerin zu werden?

Überhaupt nicht. Wirklich nicht. Wenn ich damals schon den Wunsch gehabt hätte, Schauspielerin zu werden, dann hätte ich auch natürlich gehofft, dass ich irgendwann bekannt werden würde, was ich jetzt heute nicht .... Schauspielerei hat nichts mit Bekanntwerden zu tun, aber damals hätte ich wahrscheinlich so gedacht. Deswegen hätte ich mein Leben besser geplant, das heißt keine Pornos gedreht und nichts im Erotikgeschäft gemacht. 

Das heißt, es beschäftigt Dich jetzt doch sehr, dass Du diesen Schritt in Deiner Biografie gemacht hast, über den alle jetzt reden.

Es beschäftigt mich nur wegen meinen Eltern, weil es mir unendlich leid tut. Ich möchte mich für mein Leben bei niemandem entschuldigen, und ich bin auch niemandem Rechenschaft schuldig. Aber es tut mir einfach leid, dass meine Eltern jetzt so darunter leiden müssen und dass sie es so erfahren haben.

Die Möglichkeit, mit Deinen Eltern Kontakt aufzunehmen, ist die da oder blockieren die jetzt in diesem Moment?

Ich möchte, glaube ich, auch im Moment keinen Kontakt zu ihnen haben. Ich weiß es nicht, ich glaube, wenn ich jetzt deren Stimme hören würde... nein, ich könnte mir das jetzt nicht antun, diese psychische Belastung.

Hast Du Kontakt zu Deinen Geschwistern?

Nein.

Sibel, was glaubst Du, ist da eine Aussöhnung möglich? Ist das eine Frage der Zeit oder ist diese Grenze, diese Mauer nicht zu überwinden?

(überlegt lange) Ich glaube, bei meinem Vater ist es nicht zu überwinden. Ich glaube es. Für einen türkischen Mann, dem seine Ehre so wichtig ist... Ich verstehe ihn. Er kann nicht anders. Er ist so aufgewachsen. Nein. Glaube ich nicht. Ich würde es mir wünschen! Aber ich glaube es nicht.

Wir sollten uns nochmal ein bisschen mit dem Film beschäftigen. Ich habe es ja zu Beginn schon angesprochen, "Gegen die Wand". Es ist ein richtig kraftvoller, entschlossener Film mit sehr poetischen Momenten drin, aber auch so richtigen Underground-Elementen. Sollen wir uns mal ein Stück angucken?

Gerne.

Fritz ist auch ganz neugierig. Hier ist "Gegen die Wand", ein kleiner Ausschnitt zumindest.

Aus Szene 14 im "Hefner"-Club

Findest Du meine Nase schön? Fass sie mal an.
Die hat mir mein Bruder gebrochen, weil er mich beim händchenhalten erwischt hat. Und jetzt fass mal meine Titten an. Hast Du schonmal so geile Titten gesehen?
Ich will leben, Cahit. Ich will leben, ich will tanzen, ich will ficken. Und nicht nur mit einem Typen. Verstehst Du mich?

Cahit: Ich bin ja nicht taub.

Einen Scheiß verstehst Du!

Ja, es ist absolut glaubwürdig.

Dankeschön.

Das Interview wird mit Fatih Akin fortgesetzt. Fatih Akin und Sibel Kekilli


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