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2007-01-14 01:21

Tomasz Bochnak

"Langmesser" in den Gräbern der Przeworsk-Kultur der jüngeren vorrömischen Eisenzeit - Waffen oder Werkzeuge?

(Zusammenfassung)

Im Fundmaterial der Przeworsk-Kultur kommen neben Fundstücken, die eindeutig als Waffen und Militärausrüstungen zu deuten sind, auch solche Gegenstände auf, die möglicherweise ebenfalls die Funktion von Waffen erfüllt haben könnten. Die Forscher, die mit der kulturgeschichtlichen Differenzierung in der jüngeren vorrömischen Eisenzeit im polnischen Gebiet beschäftigt waren, vertraten unterschiedliche Ansichten bezüglich der möglichen militärischen Nutzung von Langmessern.

Im vorliegenden Beitrag wurden die Messer ohne Griffabschlußring mit einer Gesamtlänge von über 25 cm sowie Fragmente, deren Ausmaße und Proportionen ebenfalls auf eine ursprüngliche Länge von über 25 cm schließen lassen. Der Grenzwert von 25 cm wurde selbstverständlich arbiträr angenommen. Die Messer der Przeworsk-Kultur messen vorwiegend von einigezehn bis zu ca. 33-35 cm in der Länge, wobei es zwischen den kürzeren und längeren Formen keine Stufenabgrenzung gibt, und die Veränderlichkeit hinsichtlich der Länge ist ziemlich fließend. Es dürfte allerdings anzunehmen sein, dass die Exemplare bis zu 20 cm Länge einem etwas anderen Verwendungszweck dienten, als dies bei den "Langmessern" der Fall war. Zwischen den verbreitetsten kürzeren Exemplaren und den seltener anzutreffenden längeren Stücken gibt es keine deutlich greifbare Zäsur. Nicht zu übersehen ist freilich ein Hiatus zwischen den Messern und den einschneidigen Schwertern; die letzteren übertreffen die längsten Messer um über das Zweifache. Das Bestehen einer gut lesbaren metrischen Zäsur zwischen den Messern und den einschneidigen Schwertern lässt die Annahme zu, dass sie in der Przework-Kultur verschiednene Funktionen erfüllt haben. Aus dem Gebiet, das in der jüngeren vorrömischen Eisenzeit von der Besiedlung der Przeworsk-Kultur eingenommen war, liegen uns insgesamt 21 Messer oder deren Fragmente vor, die den oben angesprochenen Kriterien entsprechen (Karte 1).

Die in den Grabkomplexen der Przeworsk-Kultur gefundenen Messer sind in der Regel deutlich kürzer als die gleichartigen Fundstücke, die für die anderen Kultureinheiten, wie etwa die Jastorff-Kultur, die damit verbundene Poieneºti-Luka¹evka-Kultur und die Kultur Padea-Panagjurski Kolonii charakteristisch sind. Die Länge der Przeworsker Langmesser liegt im unteren Längen-Bereich von Kampfmessern, wie sie im Inventar der anderen Kultureinheiten anzutreffen sind. Ein Vergleich Vergleich der Längen-Durchschnittswerte von Messern der Przeworsk-Kultur der jüngeren vorrömischen Eisenzeit und mit denen der "Kampfmesser", die von der Bevölkerung der Jastorff-, Poieneºti-Luka¹evka- und Padea-Panagjurski Kolonii-Kultur benutzt wurden, lässt die Feststellung zu, dass die diese Gegenstände offensichtlich verschiedene Funktionen erfüllt hatten.

Unter den Gräbern der Przeworsk-Kultur der jüngeren vorrömischen Eisenzeit liegen derzeit 19 Bestattungen mit "Langmessern" vor; die Länge dieser Exemplare überschreitet 23 cm. In 15 Gräbern traten sie zusammen mit Waffen auf. Eine Analyse der Vergesellschaftung von Langmessern in Waffengräbern hat ergeben, dass sie sich mit keiner Waffenkategorie ausschließen: so kommen sie dort mit ein- und zweischneidigen Schwertern vor, sind aber auch in solchen bestattungen anzutreffen, die mit einer Lanzen- bzw. Speerspitze und einrm Schildbuckel oder nur mit einer Spitze ausgestattet sind. Die behandelten Fundstücke sind auch in Grabkomplexen ohne Waffen zu finden (Tabelle 1). Das gemeinsame Vorkommen von Messern mit allen Waffenkategorien liefert einen eindeutigen Beweis dafür, dass die Messer eine andere Funktion als die sonstigen Waffen erfüllt haben müssen; mit der Vergesellschaftung einer und derselben Waffenart in einem Grabkomplex haben wir es nämlich äußerst selten zu tun.

Die betreffenden Messer sind bis auf Niederschlesien im nahezu ganzen Bereich der geschlossenen Przeworsker Besiedlung der jüngeren vorrömischen Eisenzeit verbreitet. Sie sind aus Fundkomplexen der Przeworsk-Kultur bekannt, die in alle Zeitstufen der jüngeren vorrömischen Eisenzeit zu datieren sind.

Mit Rücksicht darauf, dass die Langmesser in keltischen Gräbern ziemlich oft mit Tierresten vorkommen, wurde ein Versuch unternommen, diesen Befund mit dem Material der Przeworsk-Kultur zu vergleichen. Leider liegen uns bislang nur vereinzelte Angaben über das Auftreten von Tierknochen in den Grabkomplexen mit Langmessern vor. Die meisten Messer stammen aus den Fundstellen, für welche noch keine umfassenden archäozoologischen Analysen durchgeführt worden sind. Auf dem Gräberfeld in Ciecierzyn traten die Langmesser in den fünf Gräbern auf, die in die jüngere vorrömische Eisenzeit datiert sind, wobei der archäozoologischen Analyse lediglich zwei Bestattungen unterzogen worden sind. Im Grab 12 fanden sich die Oberschenkelknochen, Rippen und Schädelreste von Schwein, im Grab 53 Oberschenkel- und Schienbeinknochen von Schwein sowie eine Fersenknochen von Schaf. Der Erhaltungszustand von Knochen aus den Gräbern 63 und 70 ließ keine archäozoologische Analyse zu; das Grab 31 dagegen hat keine Tierknochenreste erbracht (Martyniak, Pastwiñski, Pazda 1997, 12, 15, 19, 21, 22).

Auf Grund der erwähnten Anhaltspunkte dürfte anzunehmen sein, dass die Bevölkerung der Przeworsk-Kultur in der jüngeren vorrömischen Eisenzeit die Langmesser etwa als Werkzeug zum Halbieren von Fleisch genutzt haben könnte, das sowohl im Haushalt als auch bei der Jagd dienlich war. Das Vorhandensein von Langmessern in den bestattungen der betreffenden Kultureinheit dürfte unseres Erachtens gelegentlich mit dem Auftreten von Tierknochen als Überrest von Grabbeigaben in Verbindung zu setzen sein (Wêgrzynowicz 1982, 184, 204; Lasota-Moskalewska 1997, 17). Diese Frage macht allerdings weitere eingehende Studien nötig, bei denen u.a. auf die archäozoologischen Analysen zurückgegriffen werden soll. Von besonderer Bedeutung ist dabei eine Überprüfung, ob zwischen dem Auftreten von Langmessern und dem Vorhandensein bestimmter Tierfragmente von Konsumptionscharakter eine positive Korrelation vorliegt. Das den unterschiedlichen Zwecken dienende Messer stellte wohl ein zusätzliches Ausstattungselement eines Kriegers dar, es gibt allerdings keine Anhaltspunkte für die Annahme, dass es im Kampf die gleiche Rolle wie ein Schwert oder eine Lanze erfüllte. Das Auftreten von Messern in den Grabkomplexen dürfte als ein Zeichen der gesellschaftlichen Stellung des Verstorbenen zu deuten sein.

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