9. November: Gedenken an die faschistische Reichspogromnacht

Auch in Gießen brannten am 9. November 1938 die Synagogen am Berliner Platz und in der Steinstrasse, wurden jüdische Geschäfte geplündert und Menschen mißhandelt.

Insgesamt wurden in Deutschland 91 Menschen ermordet, rund 20.000 in Konzentrationslager verschleppt, 281 Synagogen und 200 weitere Gebäude zerstört sowie rund 7500 Geschäfte demoliert und ausgeraubt.

Die Juden mußten die von den Nazibanden angerichteten Schäden selbst bezahlen und dem Staat eine "Buße" von 1,25 Milliarden Mark entrichten. Von dieser Zeit an durften Juden keine Betriebe mehr führen. Die deutschen Banken und Monopole bereicherten sich skrupellos an jüdischem Eigentum.

Der Nazimob hatte ungehindert wüten können, oft noch unter Applaus und Beihilfe der Zuschauer.

Die Nazi-Gegner saßen in den KZs und Gefängnissen.

    Befehl des Oberführer Röhmpagel in der Nacht zum 10.11.38
    "Sämtliche jüdischen Geschäfte sind sofort von SA-Männern in Uniform zu zerstören... Jüdische Synagogen sind sofort in Brand zu stecken, jüdische Symbole sind sicherzustellen. Die Feuerwehr darf nicht eingreifen... Polizei darf nicht eingreifen... Sämtliche Juden sind zu entwaffnen. Bei Widerstand sofort über den Haufen schießen..."

Nazi-Programm: Verbot der Arbeiterbewegung

Schon 1933 war die KPD - später auch die SPD - verboten, die Gewerkschaften zerschlagen worden.

Mit dem Gesetz zur "Ordnung der nationalen Arbeit" (1934) wurden Arbeiterrechte außer Kraft gesetzt, Tarifverträge und Mitbestimmung abgeschafft: "... Der Führer des Betriebes entscheidet ... in allen betrieblichen Angelegenheiten..."

Jeder, der es wagte, den Faschisten entgegenzutreten, wurde eingesperrt. Die Gefängnisse und KZs waren voll...

Die Gießener Kommunistin und Widerstandskämpferin Ria Deeg war 1938 - nach 3 Jahren Haft - gerade aus dem Gefängnis entlassen worden, weil sie mit anderen Flugblätter gegen die Nazis hergestellt und verbreitet hatte; sie mußte sich täglich bei der Gestapo melden, durfte nach 22 Uhr das Haus nicht mehr verlassen und keinen Kontakt zu Gleichgesinnten aufnehmen und andere Schikanen mehr.

Dennoch arbeitete die KPD im Untergrund weiter. Der Parteivorstand verfaßte eine Erklärung zur faschistischen Reichspogromnacht.

Nazi-Programm: Vernichtung der Juden

Die Judenverfolgung durch die Nazis hatte schon vor 1938 begonnen mit u.a. dem Boykott der Geschäfte und dem Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums, das "nichtarische Beamte" sowie politische Gegner aus dem öffentlichen Dienst entließ.

1935 wurden die "Nürnberger Gesetze" verabschiedet, die den jüdischen Bürgern sämtliche politischen Rechte entzog und die Heirat von Bürgern jüdischen Glaubens u.a. deutschen Staatsbürgern untersagten.

Es gab weiteren Terror, die Brutalisierung der Gesellschaft wurde vorangetrieben - bis hin zur Deportation, zum Massenmord, zu Auschwitz, zur "Vernichtung der jüdischen Rasse in Europa" (von Hitler im Januar 1939 im Reichstag verkündet).

Nazi-Programm: "Generalplan Ost"

Der Rassenwahn der Nazis richtete sich auch gegen Sinti und Roma, gegen alle, die nicht "arisch" waren, alle "Untermenschen" sollten ausgerottet werden. Der "Generalplan Ost" sah die "Dezimierung der slawischen Bevölkerung um 30 Millionen" vor; weitere 45 bis 50 Millionen Menschen aus Osteuropasollten nach Sibirien "umgesiedelt" werden - alles entsprechend den Plänen des Großkapitals, das Hitler 1933 zur Macht verholfen hatte: zur "Neuordnung Europas" als Voraussetzung für die Erringung der Weltherrschaft.

Faschismus und Krieg haben ihren Ursprung im kapitalistischen System - dem Streben des Kapitals nach immer größeren Profiten und Einflußzonen - und dazu ist jedes Mittel, jedes Verbrechen recht.

Nach dem Krieg war daher die einhellige Hauptlosung aller antifaschistischen Kräfte:

Nie wieder Faschismus - nie wieder Krieg!

    Nachfolger des 3. Reiches

    Im Kabinett von Bundeskanzlers Adenauer saßen mehr Nazis als im ersten Kabinett Hitlers.

    H. Filbinger, Ministerpräsident von Baden-Württemberg (1966 - 1978), war Blutrichter am Reichsgerichtshof und hat noch in den letzten Kriegstagen Deserteure zum Tode verurteilt.

    Dr. H.-M. Globke, Staatssekretär im Bundeskanzleramt bis 1963, war Mitautor der Nürnberger Rassegesetze und aktiv an der "Endlösung der Judenfrage" beteiligt.

    K.G. Kiesinger, Bundeskanzler (1967 - 1971), Verantwortlicher für die Auslands-Rundfunkpropaganda und enger Vertrauter von Goebbels.

    H. Lübke, Bundespräsident (1959 - 1969), entwarf die KZ-Baupläne.


KPD: Gegen die Schmach der Judenpogrome (November 1938)

Es ist eine elende Lüge, daß die Pogrome ein "Ausbruch des Volkszorns" gewesen seien. Sie wurden von langer Hand vorbereitet, befohlen und organisiert allein von den nationalsozialistischen Führern...

Es sind nicht die Juden, die durch eine fortgesetzte Politik der Gewalt und der erpresserischen Drohungen gegenüber den anderen Ländern den Frieden gefährden und Deutschland in einen neuen Weltkrieg treiben. Es sind die Krupp, Thyssen, Mannesmann, Flick usw., die alten imperialistischen Verderber Deutschlands, die Kriegsgewinnler vom letzten Weltkrieg, die Inflationsgewinnler der Republik, die Rüstungsgewinnler von heute, in deren Auftrag Hitler bereit ist, das deutsche Volk wieder in einem Krieg hinzuopfern.

Immer in der Vergangenheit hat die Reaktion, wenn sie ein Volk aufs Schlimmste ausplünderte und die Erbitterung des Volkes fürchtete, sich der schmutzigen Mittel der Judenhetze und der Pogrome zum Zwecke der Ablenkung von den wahren Schuldigen bedient...

Die Kommunistische Partei wendet sich an alle Kommunisten, Sozialisten, Demokraten, Katholiken und Protestanten, an alle anständigen und ehrbewußten Deutschen mit dem Appell: Helft unseren gequälten jüdischen Mitbürgern mit allen Mitteln! Isoliert mit einem Wall der eisigen Verachtung das Pogromgesindel von unserem Volk! Klärt die Rückständigen und Irregeführten, besonders die mißbrauchten Jugendlichen, die durch die nationalsozialistischen Methoden zur Bestialität erzogen werden sollen, über den wahren Sinn der Judenhetzte auf!

Die deutsche Arbeiterklasse steht an erster Stelle im Kampf gegen die Judenverfolgung. Gegen die mittelalterliche barbarische Rassenhetze bekennt sie sich mit allen aufrechten Deutschen zum Worte Johann Gottlieb Fichtes von "der Gleichheit alles dessen, was Menschenantlitz trägt".

Die Befreiung Deutschlands von der Schande der Judenpogrome wird zusammenfallen mit der Stunde der Befreiung des deutschen Volkes von der braunen Tyrannei...