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Hintergrund / SH-Exkursion der Uni-Lüneburg



Susanne Schubert

Kapitel II:

Entwicklung der Halligen im nordfriesischen Wattenmeer und dortige Lebensbedingungen


1. Allgemeines

1.1. Was ist eine Hallig?

Definition: Halligen sind uneingedeichte Marschlandinseln im Wattenmeer vor Schleswig-Holstein, die Reste größerer und eingeschlossener Marschgebiete darstellen und durch Sturmfluten sowie Brandung permanent in ihrer Substanz verringert werden. Die Halligen gelten als quasi-natürlicher Küstenschutz für das im Hinterland des Wattenmeeres befindliche Festland. Sie werden zunehmend mit Deichbauten gesichert (nach: DIERCKE - Wörterbuch Allgemeine Geographie Bd.1 1992).

Im zweiten Teil der Definition wird der neueren Entwicklung - nämlich dem Halligschutz - Rechnung getragen. Denn heute wird bei den meisten Halligen künstlich verhindert, daß die natürlichen Prozesse in vollem Umfang ablaufen können. Dies geschieht zum einen zum Schutz der Bevölkerung auf den Halligen und zum anderen zu deren Erhalt überhaupt. Denn seit der Entstehung der Marscheninseln sind sie kontinuierlich geschrumpft (siehe Abb. 17 und 18).

1.2. Lage der Halligen

Heute gibt es vor der Westküste Schleswig-Holsteins noch zehn Halligen:

Olad, Langeneß, Gröde, Habel, Hamburger-Hallig, Hooge, Norderoog, Nordstrandisch-Moor, Süderoog und Südfall (siehe Abb.16). Dabei ist Langeneß mit 984 ha die größte und Habel mit lediglich 3,5 ha die kleinste der Marscheninseln. Um 1565 zählte man noch 29 Halligen, wobei 13 von ihnen nicht bewohnt waren, was darauf schließen läßt, daß sie zu der damaligen Zeit nur geringfügig über dem Meeresspiegel lagen und nur wenig Schutz vor den immer wiederkehrenden Fluten boten.

1.3. Entstehungsgeschichte

Die heute noch vorhandenen Halligen entstanden im Holozän - vermutlich zwischen der 1. und 2. großen "Manndränke" (1362/1634). Sie sind nicht als unmittelbare Reste der Marschlandschaft, die sich nach der letzten Eiszeit entwickelt hat, anzusehen (außer Nordstrandisch-Moor und die Hamburger Hallig, die beide Reste des 1634 untergegangenen Alt-Nordstrand darstellen). Sondern die Halligen entwickelten sich auf den durch Schmelz- und Niederschlagwasser nach der Eiszeit abgelagerten Talsanden und den später durch erneute Ablagerung von Meeressedimenten entstandenen Moor- und Marschlandschaften. Somit sorgte einst das Meer für das Entstehen der Marscheninseln und wurde zugleich ihr "größter Feind". Denn in schweren Sturmfluten verloren die Halligen immer einen Teil ihrer Fläche an die Nordsee zurück (siehe Abb. 17 und Abb. 18). Diese Entwicklung läßt sich deutlich an der folgenden Karte ablesen, wo alle Halligen im Vergleich zu früher erheblich an Land verloren haben

Abb. 17: Flächengröße der nordfriesischen Hallig Hooge (1642 - 1970)

Quelle: QUEDENS 1980


 Jahr 1642    Größe 1440 ha       Warften ?       BewohnerInnen ?        

 Jahr 1758    Größe 1050 ha       Warften 16      BewohnerInnen ca. 700  

 Jahr 1794    Größe 860  ha       Warften 14      BewohnerInnen ca 480   

 Jahr 1825    Größe 730  ha       Warften 10      BewohnerInnen ca. 251  

 Jahr 1900    Größe 582  ha       Warften 9       BewohnerInnen ca. 149  

 Jahr 1970    Größe 591  ha       Warften 10      BewohnerInnen ca. 191  



1.4. Aufbau einer Hallig

Die Halligen liegen etwa ein bis zwei Meter über dem Meeresspiegel, weshalb dort die Häuser auf sogenannten Warften (Kleihügel, die oben abgeflacht sind) gebaut werden, um zumindest etwas vor den Fluten geschützt zu sein. Regelmäßig werden die Marscheninseln auch heute noch überflutet (Zahl der Landunter siehe auch Abb. 21). Und diese Überflutungen sind von besonderer Bedeutung, da sich bei Landunter weiter Meeressedimente ablagern können. Diese Aufschlickung der Halligen bedeutet auf der einen Seite immer wieder einen neuen Nährstoffeintrag und zum anderen ein Höhenwachstum der Halligen. Und das ist von großer Bedeutung, da zum einen der Meeresspiegel steigt und zum anderen die Marsch- und Moorhorizonte unter den Halligen zusammensacken. Ist eine Aufschlickung der Halligfläche nur noch sehr selten möglich - wie auf Hooge - ist damit zu rechnen, daß die Halligfläche im Vergleich zum Meeresspiegel sinkt.

Da auf den Halligen mehrmals im Jahr Landunter herrscht, ist die typische Vegetationsform die Salzwiese. Denn bei den immer wiederkehrenden Überflutungen gelangt immer aufsNeue Salz auf das Land, was zur Folge hat, daß nur salztolerante Pflanzen auf den Halligen wachsen und überleben können. Das bedeutet für die Bewohner der Halligen, daß kein Ackerbau möglich ist. Aber Viehwirtschaft kann betrieben werden, da Rinder und Schafe auf dem Salzrasen grasen können.

2. Einblick in das Halligleben früher

Das Leben auf einer Hallig war und ist natürlich vor allem von dem Element Wasser geprägt. Man mußte mit Landunter und ständigen Landverlusten leben und versuchen, sich dabei eine Existenz aufzubauen. Dabei spielte die Landwirtschaft eine große Rolle. Vieh (Schafe und Rinder) konnten ja auf den Salzwiesen weiden und waren somit ein wichtiger Faktor im Leben der Halligbewohner. Denn Rinder und Schafe lieferten zum Beispiel Fleisch, Milch, Käse, Butter und Wolle als Grundlage der Selbstversorgung und des Handels. Zur Futtersicherung für das Vieh im Winter wurde während des Sommers auch Heu eingebracht. Natürlich bestand immer die Gefahr, daß ein Teil der Ernte oder des Viehbestandes während einer Sturmflut verloren ging.

Interessant ist das Phänomen, daß jedes Jahr aufs Neue das Mahd- und Weideland auf den Halligen nach einem bestimmten Schlüssel verteilt wurde (Besitzform = Allmende). Denn ein Teil der Flächen lag direkt an der Abbruchkante, oder es kam vor, daß Land, das schon verschwunden war, noch alljährlich mitverteilt wurde. Somit ging es bei der jährlich neuen Vergabe der Mahd- und Weiderechte um eine gerechte Verteilung der Anteile an Wiesen und Weiden, so daß allen Halligbewohnern die Existenz sicher war und jeder mal die schlechteren und mal die besseren Flächen erhielt. Und um einen Überblick zu behalten, wurden diese Dinge immer in das Mahdschiftbuch und den Fennebrief eingetragen.

Neben der Landwirtschaft spielten aber auch noch andere Erwerbszweige auf den Halligen eine Rolle, um die eigene Existenz zu sichern. So war in der anfänglichen Geschichte (zumindest bei den nördlichen Halligen) die Salztorfgewinnung von Bedeutung. Diese wurde Mitte des 16. Jahrhunderts von Karl V. verboten, um die Konkurrenz für die Salzgewinnung in der Lüneburger Saline zu verringern. Im 16./17. Jahrhundert gewann die Seefahrt an Bedeutung, wobei in den genannten Jahrhunderten vor allem der Walfang eine Rolle spielte. Später im 17./18. Jahrhundert, als der Walfang an Bedeutung verlor, sattelten viele Halligmänner auf die Handelsschiffahrt um. Ab dem 15. Lebensjahr konnten die jungen Männer zur See fahren, was für die Halligen bedeutete, daß oft nur Frauen, Kinder und Greise zurückblieben, um das Halligleben zu meistern.

Eine wichtige Rolle im Leben der Halligbewohner spielte die Trinkwasserversorgung. Es gab und gibt keine Grundwasserversorgung, da das Salzwasser in die tieferen Bodenhorizonte eindringen kann. Deshalb fing man zur Trinkwasserversorgung das Regenwasser von den Dächern auf und speicherte es in Zisternen (Sod). Zur Tränkwasserversorgung des Viehs wurde das Regenwasser in den sogenannten Fethingen (künstlich angelegte tiefe Teiche in der Mitte der Warften) gesammelt.

Diese Art der Trinkwasserversorgung war durchaus problematisch, da es bei längerer Trockenheit schnell zum Wassermangel kommen konnte, weil die Wasservorräte ja nur begrenzt waren. Eine weitere Bedrohung waren die großen Sturmfluten, da während dieser die Trinkwasservorräte versalzten. In beiden Fällen mußten die Menschen entweder verdursten oder versuchen, in Wasserschuten Wasser vom Festland zu holen.

Zum Heizen und für das Herdfeuer wurden sogenannte Ditten verwendet. Diese wurden im Frühjahr/Sommer aus dem Kuhmist, der im Winter gesammelt wurde, hergestellt. Der Mist wurde auf den Warftböschungen ausgebracht, festgetreten und mehrere Wochen lang getrocknet. Dann wurde er gestochen und in der Nähe der Häuser dachziegelartig aufgestapelt. In Krisenzeiten, wo Heiz-/Brennmaterial knapp war, konnten die Halligbewohner sogar mit den Ditten handeln.

Der Fischfang wurde auf den Halligen im allgemeinen nicht zum Handel betrieben, sondern für die eigene Versorgung. Der Speiseplan wurde zum Beispiel mit Aalen und Krabben angereichert. Außerdem sammelten die Halligbewohner Möweneier und gingen auf Robbenjagd.

3. Sturmfluten und Halligschutz

Das Leben auf den Halligen wurde und wird von den Sturmfluten geprägt. Im Laufe der Zeit starben viele Menschen, Häuser wurden zerstört, Vieh ertrank und Land ging verloren. Lange Zeit war von der Situation der Halligbewohner auf dem Festland nicht viel bekannt. Erst nach der Großen "Halligflut" 1825 ändert sich diese Situation langsam. So schreibt zum Beispiel ein Herr Masius 1868 in seinen Naturstudien über die Halligen: "Man fragt sich bewundernd, woher dem Menschen der Mut kam, auf dieser Spanne Land ein Dasein zu gründen? Wie er vermochte, sein Geschlecht Jahrhunderte hindurch fortzuerhalten auf einem Boden, wo ihm alles fehlt, was sonst die Erde gewährt? Wie es möglich ist, eine Heimat zu lieben und mit allen Fasern seines Herzens an ihr zu haften, die den Mensche überall nur mit Not und Gefahr umgibt? Denn hier lohnt kein Acker die Mühe des Sähmannes ... Freilich, wider die Übermacht des Elementes vermag die Menschenkraft den ungleichen Kampf immer nur bis zu einem gewissen Punkte fortzusetzen, um ihr dann zu erliegen; und wie einzelne der Halligen schon von früheren Sturmfluten spurlos hinabgerissen wurden, so drohet dasselbe Schicksal auch allen noch übrigen ... und unter ihrem Eindrucke wendet man sich mit Grausen von diesen halbverschollenen Schauplätzen eines ohnmächtigen Ringens..." (Masius zitiert in: PETERSEN 1981, S.11).

In dem Zitat und in den Ausführungen über das Halligleben im vorherigen Kapitel wird deutlich, daß die Halligbewohner keiner einfachen Lebenssituation gegenüberstanden. Die nun folgende Auflistung soll dies weiter unterstreichen und einen kleinen Überblick über einige der schwereren Sturmfluten der vergangenen Jahrhunderte geben. Dabei fällt auf, daß die Wasserstände (alle angegebenen Wasserstände wurden am Pegel Husum gemessen) bis heute stark gestiegen sind:

1717 Weihnachtsflut (höher als 1634)

1718/20 weitere große Sturmfluten

1825 große "Halligflut", höchste Sturmflut mit 4,43m über NN

1891-1894 Sturmflutserie mit schweren Schäden und Landverlusten

1911 schwere Flut ( 4,65m über NN)

1936 zwei schwere Fluten (4,75m über NN)

1953 "Hollandflut" (3,02m über NN)

1962 sehr schwere Flut (5,21m über NN)

1976 neuer Höchststand mit 5,66m über NN

Während des 18. Jahrhunderts rücken die Probleme der Halligbewohner langsam in das Bewußtsein der Festlandbevölkerung, doch bis erste konkrete Maßnahmen zur Halligsicherung ergriffen werden, vergeht noch einige Zeit. Es scheint fast schon so, als ob immer wieder eine schwere Sturmflut auflaufen muß, um die Notwendigkeit des Handelns ins Gedächtnis zurückzurufen. 1825 nach der großen "Halligflut" besucht der dänische König Friedrich VI. die Hallig Hooge und überbringt sogar gesammelte Spenden, um die Halligbewohner zu unterstützen. Doch bis zum Ende des 19. Jahrhundert bleibt es weitgehend die Aufgabe der Halligbewohner, selbst für ihre Sicherheit und den Erhalt der Halligen zu sorgen. Natürlich hatten die Halligleute gar nicht die Möglichkeiten, richtigen Halligschutz zu betreiben, denn dazu fehlten die finanziellen Mittel. So blieb es zumeist bei der Erhöhung der Warften oder dem Versuch, Häuser sicherer zu bauen.

Ende des 19. Jahrhunderts setzt sich die Notwendigkeit des Halligschutzes endlich durch, weil man erkannte, wie wichtig die Halligen zum Schutz der Festlanddeiche und zur Landbildung sind. Gleichzeitig sollte durch einen gezielten Halligschutz die Umsiedlung der Halligbewohner verhindert werden. Denn nur wenn die Marscheninseln auch bewohnt bleiben, können sie nachhaltig geschützt werden. Das bedeutete, daß der Bevölkerungsrückgang auf den Halligen, 1768 lebten noch 2000 Menschen auf den Halligen, während es 1890 noch lediglich 512 - also nur noch gut ein Viertel - waren, gestoppt werden mußte. Bei der Abnahme der Bevölkerung spielte nämlich neben den Opfern der Sturmfluten auch die Abwanderung von Halligbewohner eine Rolle. So siedelten zum Beispiel einige Halligbewohner nach der "Halligflut" (1825) nach Föhr oder auf das Festland um.

In der folgenden Übersicht sind die wichtigsten Eckdaten in der Geschichte des Halligschutzes zusammen mit den Daten einiger konkreter Maßnahmen aufgelistet:

1894 Halligschutz geht in den Aufgabenbereich des preußischen Staats über, Gelder werden bereit gestellt

1896 Bau einer Steindecke und eines Verbindungsdammes zum Festland auf Oland

1899 Fertigstellung des Verbindungsdammes Langeneß-Oland

1899-1902 Gröde und Apelland werden durch eine Steindecke verbunden und wachsen zusammen

1911-14 Bau eines Sommerdeichs (2,2m) auf Hooge

1953 Programm Nord wird ins Leben gerufen

1956 Gutachten des Küstenausschusses Nord-/Ostsee: Maßnahmen zur Halligsicherung werden vorgeschlagen (Warfterhöhung, Bau von Sicherheitsräumen, Abflachung der Warftböschungen, Bau von Teilringdeichen)

1959/60 Aufnahme der Halligen in das Programm Nord

1961 1. Halligsanierungsprogramm beginnt (z. B. mit Neubauten und Warfterhöhungen auf Nordstrandisch- Moor), Ziel: Sicherung der Halligen und Verbesserung der Lebensbedingungen.

1962 Beschleunigung des Programms nach der großen Flut

1977 2. Halligsanierungsprogramm wird ins Leben gerufen, um z. B. Keller abzudichten, Türen und Fenster mit Schotten zu versehen und die elektrischen Installationen zu überprüfen

In der Geschichte des Halligschutzes zeigte sich immer sehr schnell, welche Maßnahmen gut waren und welche einer Verbesserung bedurften, da neue Sturmfluten nicht lange auf sich warten ließen. Als das erste Halligsanierungsprogramm zum Beispiel gerade unter anderem mit Neubauten und Warfterhöhungen auf Nordstrandisch-Moor begonnen hatte, zeigte sich schon im Folgejahr, daß es allerhöchste Eisenbahn gewesen war. Hätten die Sanierungsmaßnahmen nicht stattgefunden, wären vermutlich alle Bewohner Opfer der großen Flut von 1962 geworden. So blieben Menschenleben verschont.

Nach 1962 wurden 34 Warften erhöht, 94 Häuser mit Schutzräumen versehen und auf 40 Warften wurden 74 Wohn- und Wirtschaftsgebäude saniert. 1976 bei der nächsten großen Flut wurden Schwachpunkte der Sanierung deutlich, so daß man das zweite Halligsanierungsprogramm ins Leben rief. Ziele waren unter anderem: Keller abzudichten und elektrische Installationen zu überprüfen.

Letztendlich kann man nach Abschluß der aufgeführten Maßnahmen sagen, daß heute kaum noch Landverluste auf den Halligen zu beklagen sind. Außerdem ist das Leben dort sicherer geworden, wenngleich es niemals eine vollkommene Sicherheitsgarantie geben wird.

4. Das Halligleben in der heutigen Zeit

In den 60er Jahren hat sich auf den Halligen mehr geändert als in den Jahrhunderten zuvor:

Das heutige Halligleben hat natürlich auch noch einiges an Besonderheiten zu bieten. Noch immer gibt es mehrmals im Jahr Landunter und auch mit Sturmfluten muß jederzeit gerechnet werden. Auch wenn im Zuge der Halligsanierungsprogramme die Sicherheitsvorkehrungen auf den Marscheninseln verbessert worden sind, so gibt es natürlich keine absoluten Schutzmaßnahmen vor dem Meer.

Regelmäßige Postzustellungen gibt es seit dem Ende des 19.Jahrhunderts. Dabei kommt die Post zum Teil über die Landverbindungsdämme oder per Schiff. Nach Süderoog gelangte die Post lange Zeit "übers Watt". Im Sommer wanderte der Postbote bei gutem Wetter täglich durch das Watt, im Winter immerhin noch etwa drei mal pro Woche. Dabei legte der erste Postbote in seinen Dienstjahren etwa 100.000 km zurück, was ja immerhin bedeutet, daß er 2,5 mal um die Welt gelaufen ist.

Drei Schüler in der ganzen Schule, wo gibt es das heute noch in Deutschland? Natürlich auf den Halligen, und zwar auf Gröde. Zwischenzeitlich blieb die Schule ganz geschlossen, da es keinen Nachwuchs im schulpflichtigen Alter gab. Doch seit einigen Jahren hat die Halligschule wieder ihre Pforten geöffnet und mittlerweile drücken schon wieder drei Kinder die Schulbank. Eigentlich ist das Land nicht verpflichtet, die Zwergenschulen auf den Halligen zu erhalten. Doch es geschieht trotzdem, und so können die Kinder etwas länger ihre Zeit bei den Eltern verbringen. Denn wenn es für die Kinder heißt, weiterführende Schulen zu besuchen, müssen sie die heimatlichen Marscheninseln verlassen und unter der Woche auf dem Festland leben oder auf Föhr den Unterricht besuchen (auch auf Hooge, Langeneß und Nordstrandisch-Moor gibt es noch eigene Grundschulen).

Was außerdem bleibt, ist ein altes Problem: nämlich das der Abwanderung. Die Zahl der Halligbewohner nimmt weiter ab und die Zahl der Rentner steigt, so daß eine Überalterung einsetzt. Aber um die Halligen wirklich zu schützen, ist es wichtig, daß sie auf Dauer bewohnt bleiben.

4.1. Landwirtschaft

Ursprüngliches Ziel des Halligschutzprogrammes war es, die Landwirtschaft auf den Halligen zu fördern. Doch im Laufe der Zeit hat genau dieser Erwerbszweig an Bedeutung verloren, obwohl im Zuge der Sanierung die Bedingungen verbessert (z.B. Wegebau) und Maschinen modernisiert wurden (z.B. Melkmaschinen). Die Erträge eines Halligbauern liegen im Vergleich zu einem Festlandbauern, der etwa über eine ähnlich große Fläche verfügt, wesentlich niedriger: nämlich bei lediglich einem Drittel dessen, was der Kollege auf dem Festland verdient.

Mehr und mehr gerät die Landwirtschaft ins Abseits und wird nur noch als Zuerwerb oder Nebenerwerb betrieben oder ganz aufgegeben. Doch die Viehwirtschaft (Beweidung und Mahd) ist für die Erhaltung der Halligen von großer Bedeutung, da der Boden vor den Sturmfluten besser geschützt ist, wenn das Gras kurzgehalten wird und der Boden durch Schafe und Rinder festgetrampelt wird. Diese wichtige Funktion übernimmt heute oftmals Pensionsvieh. Damit sind Tiere gemeint, die vom Festland zu den Halligen verschifft werden, um dort den Sommer zu verbringen und das gesunde Gras der Salzwiesen zu fressen.

Seit Mitte der 70er Jahre erhalten die Landwirte auf den Halligen Direkteinkommensbeihilfen und Zinsverbilligungen bei Krediten, um sie zu unterstützen. Doch trotzdem nimmt die Zahl der Betriebe weiter ab. Gab es auf Hooge 1970 noch 24 Betriebe, waren es 1980 nur noch 15. Ein weiteres Problem stellt sich durch den Naturschutz, vgl. 4.3.

4.2. Fremdenverkehr

Der Fremdenverkehr sollte das zweite Standbein für die Halligbewohner werden, das war eine der Ideen des 1. Halligschutzplanes. Mittlerweile ist dieser Zweig von großer Bedeutung, da die meisten Halligbewohner einen Teil ihres Einkommens durch Vermietungen an Feriengäste verdienen. "Urlaub auf dem Lande - mitten im Meer" lautete ein Werbeslogan, der Besucher anlocken sollte. Die besonderen Reize der Halligen liegen in dem Heilklima der Marscheninseln genau wie in der Ruhe, die dort weitab von der restlichen Welt genossen werden kann. Voraussetzung für den wachsenden Besucherstrom war sicherlich die besseren Verkehrsanbindungen sowie die Strom- und Trinkwasserversorgung vom Festland.

Bei den Halligbesuchern kann man zwei Gruppen unterscheiden. Zum einen die Dauergäste, die eine längere Zeit auf den Marscheninseln verbringen und zum anderen die Tagesausflügler. Und genau die letztgenannte Gruppe sorgt heute auch schon wieder für Probleme. Waren es 1931 etwa 7.500 Besucher, so kamen allein vom Hafen Schlüttsiel 1978 bereits 120.000 Ausflugsgäste zu den Halligen. Parallel gab es aber auch noch Fahrten, die von Dagebüll und Nordstrand losgingen, so daß die Gesamtzahl noch höher lag. Bei diesen Besucherdimensionen muß schon von Massentourismus gesprochen werden. Dazu seien zwei Beispiele genannt:

1980 besuchten 20.000 Ausflügler Nordstrandisch-Moor, daß lediglich 179 ha groß ist. An Spitzentagen waren es etwa 500 Personen, die sich auf der Insel tummelten.

Lag die Zahl der Tagesausflügler auf Hooge 1951 noch bei 20.000 betrug sie 1979 schon 100.000. Diese Zahlen verdeutlichen, daß durch die riesige Zahl der Tagesausflügler, die die Zahl der Einwohner bei weitem übersteigt, eine immense Belastung entsteht. Und die heutigen Besucherzahlen dürften die genannten Zahlen sicherlich noch um einiges übersteigen. Probleme treten zum Beispiel bei der Entsorgung des anfallenden Mülls oder den sanitären sowie sonstigen Abwässern auf. Und für die Halligbewohner bedeuten die hohen Besucherzahlen auch einen beträchtlichen Eingriff in das Privatleben.

Verträglicher ist da schon die Gruppe der Dauergäste. Sie überschwemmen die Inseln nicht nur für einen kleinen Augenblick, sondern tauchen für eine längere Zeit in das dortige Leben ein. Und von dieser Gruppe profitieren die Halligbewohner, was die finanziellen Einnahmen angeht, sicherlich mehr.

4.3. Naturschutz

Der Naturschutz spielt schon seit längerer Zeit eine Rolle für die Halligen, was in der folgenden Auflistung deutlich wird:

1909 kaufte der Vogelschutzverein Jordsand die Hallig Norderoog, die seit der großen Halligflut 1825 unbewohnt war. Auf der Marscheninsel brüten und rasten sehr viele Seevögel, weshalb Norderoog 1939 auch zum Naturschutzgebiet erklärt wurde. Im Sommer überwacht ein Vogelwart die Insel und sorgt dafür, daß die Vögel ungestört bleiben. Die Hamburger Hallig (mittlerweile mit dem Festland verbunden) wurde 1930, Südfall 1959 und Süderoog 1977 zum Naturschutzgebiet erklärt.

Besonders in den letzten Jahrzehnten hat also der Naturschutz erheblich an Bedeutung gewonnen. Und dabei kam es zu verstärkten Konflikten mit den Halligbewohnern, deren alte Rechte durch Naturschutzinteressen eingeschränkt wurden. So zum Beispiel die Jagd auf Robben, Enten und Gänse, die Fischerei und das Seevogeleiersammeln.

Die Probleme macht besonders der Fall der Ringelgänse, die im Frühjahr und Sommer unter anderem auf den Halligen rasten, deutlich: Die Gänse landen zu Tausenden auf den Marscheninseln und grasen dort. Früher wurden sie gescheucht oder geschossen, doch das ist heute verboten. Und das bedeutet, daß die Gänse in Konkurrenz zu der Landwirtschaft treten, da sie weite Flächen kahl fressen, so daß für das Vieh geschweige denn zur Mahd wenig übrig bleib. Auf Gröde wurden 1979 an einem Tag schätzungsweise 9.500 Ringelgänse gezählt. Wenn man berücksichtigt, daß Gröde 230 ha mißt und eine Gans etwa 1kg Gras pro Tag frißt und alle drei Minuten einen Köttel fallen läßt, wird das Ausmaß der Belastung deutlich. Die Landwirte erhalten Entschädigungszahlungen aus Steuergeldern, aber trotzdem zeigt dieser weitere Aspekt, mit was für erschwerten Bedingungen die Halligbauern zu kämpfen haben.


Literaturverzeichnis

Leser, Hartmut et al.: DIERCKE - Wörterbuch Allgemeine Geographie Bd.1. Braunschweig. 1992

Harth, U.: Vom Zauber der Halligen. Hamburg. 1993.

Petersen, M.: Die Halligen: Küstenschutz - Sanierung - Naturschutz. Neumünster. 1981.

Quedens, G.: Die Halligen. 1980.

Quedens, G.: Die Halligen: Inseln unter Wind und Wolken. Hamburg. 1988.

Riecken, G.: Die Halligen im Wandel. 1982.



erstellt von Mathias Lintl, Lüneburg 1996, 11108@stud.uni-lueneburg.de
aufgenommen in das FORUM ERDKUNDE 1999