Wenn man mit Vornamen Victor-Hugo heißt und dazu noch eine ganze Menge Talent besitzt, ist man in Frankreich geradezu prädestiniert, erfolgreich zu sein. Das hat auch Victor-Hugo Montaño längst begriffen. Nach sechs Jahren Erfahrung im französischen Fussball ist es dem 26-jährigen Angreifer aus Kolumbien gelungen, endlich auch durch Tore und Torvorlagen von sich reden zu machen.

Kurioserweise geht dieser Vorname aber nicht auf den französischen Dichter zurück, sondern auf seinen Onkel! Und er wurde von seinem Vater ausgewählt, der von Beruf Mathematiklehrer und nicht etwa Französischlehrer ist.

Trotzdem tauchte sein Name bisher nicht im Kader des kolumbianischen Nationaltrainers Hernán Darío Gómez auf. "Ich bin mit unserer Nationalmannschaft und ihrem Trainerstab im Gespräch, und ich weiß, dass man meine Leistungen in Frankreich aufmerksam verfolgt. Ich muss also nicht verzweifeln. Eines Tages wird es soweit sein", versicherte die Nummer 21 von Stade Rennes im Gespräch mit FIFA.com. "Ich hoffe nur, dass ich dann auch in Bestform sein werde und der Mannschaft behilflich sein kann. Im Nationaltrikot zu spielen ist immer ein Traum!" Und sein Wunsch wurde erhört. Hernán Darío Gómez nominierte ihn am Mittwochmorgen für die Spiele gegen Ecuador (26. März) und Chile (29. März).

"Träumen ist eine Glückseligkeit. Auf die Erfüllung warten ist das wirkliche Leben", sagte einst der berühmte Dichter der Franzosen. Davon könnte sicher auch Victor-Hugo Montaño ein Lied singen. Tatsächlich ließ der Durchbruch des Kolumbianers seit seinem vielsprechenden Auftritt bei der FIFA U‑20‑Weltmeisterschaft VAE 2003 noch ein paar Jahre auf sich warten. Bei diesem Turnier stieß er mit der U‑20‑Auswahl seines Landes bis ins Halbfinale vor und unterlag dort nur knapp mit 0:1 – der Schütze des Siegtreffers war übrigens ein gewisser Andrés Iniesta – gegen den späteren Vizeweltmeister Spanien. Ein Jahr später wechselte Montaño dann von CD Los Millonarios Bogotá zum FC Istres, der damals in Frankreichs Ligue 1 spielte.

Mühsame Jahre
"Für einen südamerikanischen Fussballer ist der Wechsel nach Europa in eine völlig neue Liga nicht leicht, auch wenn ich sagen muss, dass ich hier sehr herzlich aufgenommen wurde", so der aus Cali stammende Stürmer zu Beginn des Gesprächs. Dies spiegelt sich auch in der Statistik wider. Nachdem er in seiner ersten Saison in Istres in 33 Pflichtspielen auf gerade einmal zwei Treffer kam, brachte auch sein Wechsel im Jahr darauf zu HSC Montpellier nicht den erhofften Durchbruch. Bis Montaño richtig Fahrt aufnehmen konnte, dauerte es in der Tat noch bis zur Saison 2008/09, als er für den Zweitligisten 15 Mal traf und so wesentlich zum Wiederaufstieg seines Klubs in die Ligue 1 beitrug.

Doch damit nicht genug: In der Spielzeit 2009/10 sorgte das Team aus dem Département Hérault für eine Überraschung nach der anderen. Nachdem sie sich über längere Zeit an der Tabellenspitze gehalten hatte, beendete die Mannschaft von Trainer René Girard die Saison auf Platz fünf. Großen Anteil an diesem Erfolg hatte zweifellos Montaño, der dank seiner Schnelligkeit und seines Torinstinkts elf Treffer beisteuerte. Fortan war der Name des kolumbianischen Angreifers in ganz Frankreich bekannt. Als erste schlugen die Klubverantwortlichen von Stade Rennes zu, die den Kolumbianer noch vor Beginn der Saison 2010/11 in die Bretagne holten.

"Als ich in Rennes unterschrieben habe, verspürte ich das unbändige Bedürfnis, noch weiter voranzukommen. Ich wollte es nach ganz oben schaffen", so Montaño. Den gleichen Drang nach mehr Erfolg schien man offensichtlich auch bei Stade Rennes, dem aktuellen Tabellenzweiten der Ligue 1, gespürt zu haben. Tatsache ist, dass der nach dem Wechsel des Ghanaers Asamoah Gyan zum AFC Sunderland plötzlich als alleinige Sturmspitze agierende Montaño inzwischen immer "dann Effizienz zeigt, wenn dies erforderlich ist", so seine eigenen Worte. Und auch wenn es eine ganze Weile gedauert hat, bis er sich in Frankreich durchsetzen konnte, aktuell ist Montaño mit bislang sieben Saisontreffern der erfolgreichste Torschütze seiner Mannschaft.

Lyon wartet schon
"Ich spiele in einer Mannschaft, die mir die Möglichkeit bietet, im oberen Tabellenbereich mitzumischen. Und ich will mich immer noch weiterentwickeln. Mein Ziel ist es, wieder so viele Tore zu schießen wie in Montpellier, oder sogar noch mehr", so die Ansage des Kolumbianers in einem nahezu perfekten Französisch. "Aber ich weiß auch, dass ich noch an mir arbeiten muss. Ich darf jetzt nicht nachlassen, sondern muss weiter effizient spielen und mich in den Dienst der Mannschaft stellen."

Einer Mannschaft, der er durchweg Positives bescheinigt: "Das ist eine eingeschworene Truppe, die alles gemeinsam lebt. Wir verfügen über eine solide Abwehr und wir kämpfen gemeinsam, indem sich jeder für den anderen einsetzt und sein Bestes gibt. Und wenn wir dafür am Ende auch belohnt werden würden, wäre das einfach super. Nach all dem, was wir bisher geleistet haben, wäre es nicht einmal unverdient." Für Euphorie ist dennoch kein Platz. "Doch reden wir hier nicht vom Titelgewinn! Dazu fehlen noch viele Punkte, die es zudem gegen Mannschaften zu holen gilt, die im Titelkampf vielleicht mehr Erfahrung besitzen als wir."

Olympique Marseille hat dies gerade erst auf schmerzliche Weise bestätigt, als Stade Rennes dem amtierenden Meister am letzten Wochenende im eigenen Stadion mit 0:2 unterlag. Damit ging eine beeindruckende Serie der Bretonen zu Ende, die zuvor fünf Siege in Folge eingefahren hatten. "Sicher haben uns nur wenige eine Spitzenposition in der Tabelle zugetraut. Jetzt ist es an uns, den Beweis dafür zu erbringen, dass wir diesen Tabellenrang sehr wohl verdient haben. Wir müssen nur weiter dran bleiben, zumal wir die schwersten Brocken noch vor uns haben." Gemeint ist vor allem die Auswärtspartie am kommenden Samstag bei Olympique Lyon, das zuletzt ebenfalls fünf Mal in Folge triumphierte

"Ich hoffe, dass mir mein Vorname auch weiterhin Glück bringen wird und mir vielleicht sogar den Meistertitel bescheren kann. Jedenfalls werde ich versuchen, ihm auch in Zukunft alle Ehre zu machen. Es macht einfach Spaß, diesen Vornamen zu tragen", so Montaño, bevor er uns zum Schluss noch verriet: "Ich bin glücklich, in Frankreich zu sein." Ein Eingeständnis, das sofort an ein Zitat seines berühmten Namensvetters Victor Hugo erinnert, der einst in seinem Gedichtband "Herbstblätter" schrieb: "Zum Mahl des Glücks geh'n wenige Gäste hier…" was auf die heutige Zeit übertragen wohl bedeuten würde, dass so viel Glück bei Weitem nicht allen hold sein kann.