Braunbuch

Die Auferstehung der Terrorjustiz

Sie fällten Bluturteile

Berthold, Wolfgang

TODESSTRAFE FÜR EIN LIEBESVERHÄLTNIS

heute:
Senatspräsident beim Finanzgericht in Hannover.

Der am 10. August 1911 geborene Paul Berkheim hatte sich jahrelang als Gelegenheitsarbeiter durchs Leben schlagen müssen. Für ihn als „Halbjuden“ „ war es unter dem Regime der globkeschen Rassengesetze sehr schwer, eine feste Arbeitsstelle zu finden. Endlich, im Jahre 1941, gelang es ihm, der nach Globkes Namensrecht den zweiten Vornamen Israel tragen mußte, als Hausdiener und Aushilfskellner eine Anstellung zu bekommen. Doch kurze Zeit darauf wurde er wieder aus dem Arbeitsverhältnis gerissen - diesmal für immer.

Paul Berkheim besaß eine „arische“ Freundin. Nach dem „Blutschutzgesetz“ Globkes war das ein Verbrechen, denn nach seinen Paragraphen 2 und 5 war der Verkehr zwischen Juden und „Ariern“ unter Zuchthausstrafe gestellt. In seinem Kommentar zu §2 des „Blutschutzgesetzes“ schrieb Globke sogar: „Sie (die Nürnberger Gesetze - d. Hrsg.) zwingen den Mischling, den Bastard, zum Aussterben.“

Laut Urteil habe Paul Berkheim „innerhalb eines Zeitraumes von weniger als 5 Jahren drei vorsätzliche Verbrechen begangen… Die Gesamtwürdigung der Tat ergibt, daß er ein gefährlicher Gewohnheitsverbrecher ist.“

Eine ursprünglich vom Sondergericht Berlin verhängte Strafe von sieben Jahren Zuchthaus war dem Reichsgericht noch nicht hoch genug. Es wurde Nichtigkeitsbeschwerde eingelegt. Die Strafsache ging zur nochmaligen Verhandlung nach Berlin.

In dieser zweiten Verhandlung, die am 9. April 1943 vor dem Sondergericht III Berlin stattfand, wirkte der damalige Staatsanwalt Dr. Wolfgang Berthold als Ankläger. Auf seinen Antrag wurde Berkheim „wegen Rassenschande in drei Fällen zum Tode… verurteilt“. (Aktenzeichen: Sond.III 1DKLs 35/42 -783/42) Die Urteilsbegründung zeigt, wie gering das Leben eines jüdischen Bürgers von den Nazi-Juristen eingeschätzt wurde. Es heißt dazu unter anderem: „Die Rassenschande ist an und für sich schon ein Verbrechen…, das sich gegen den Bestand des deutschen Volkstums richtet…, wo sich das deutsche Volk im Kampf um seine vom Weltjudentum bedrohte … Zukunft befindet… Der Unwert seiner Persönlichkeit… läßt seine weitere Duldung … als untragbar erscheinen.“

Dieses Schandurteil wurde bereits vor vier Jahren vom Ausschuß für Deutsche Einheit in der Dokumentation „Belohnte Mörder“ veröffentlicht. Inzwischen wurden noch weitere fünf Todesurteile aufgefunden, an denen Berthold mitwirkte. Dieser Mörder wurde 1966 sogar zum Senatspräsidenten beim Finanzgericht ernannt. (Siehe Tafel 25)

Dally, Karl

KONSTRUIERTE MORDVERSUCH

heute:
Landgerichtsdirektor in Duisburg.

Der heute in Duisburg lebende und zum Landgerichtsdirektor avancierte ehemalige Nazi-Richter Karl Dally verurteilte am 5. November 1941 vor dem Sondergericht in Bromberg (Bydgoszcz) den polnischen Staatsbürger Ignatz Lorenz wegen „Mordversuchs“ zum Tode. (Aktenzeichen: 6 SD KLs. 46/41)

Wenige Tage nach dem Überfall Hitlerdeutschlands auf Polen, während Teile der von den Nazis als 5. Kolonne mißbrauchten deutschen Minderheit im Hinterland der polnischen Truppen massenhaft Sabotageakte begingen, soll Lorenz angeblich auf einen verhafteten „Volksdeutschen“ geschossen haben, der von einem polnischen Bahnschutzmann begleitet wurde. Nach seinen Aussagen dagegen hatte Lorenz, der den beiden durch Zufall begegnet war, einen Schuß in die Luft abgefeuert, als der Verhaftete floh. Weder das Gericht noch die sich widersprechenden Zeugen konnten das Gegenteil beweisen. Trotzdem konstruierte der damalige Nazi-Richter Dally daraus einen Mordversuch. Er sah es als „erwiesen“ an, daß der Angeklagte aus einem „niedrigen Beweggrunde“ einen „wehrlosen Deutschen“, dessen Schandtaten in dem Urteil schamhaft verschwiegen werden, vernichten wollte. Zwei Jahre nach der angeblichen Tat verurteilte er ihn unter rückwirkender Anwendung der Nazi-Gesetze zum Tode.

Den Gnadenerweis verweigerte Dally ebenfalls. Im ablehnenden Gnadenbericht des Oberstaatsanwalts vom 26. November 1941 mußte noch zugegeben werden: „Daß Lorenz auf einen flüchtenden Deutschen geschossen hat, konnte nicht festgestellt werden. Hingegen hat das Gericht als erwiesen angesehen, daß Lorenz auf den Verhafteten einen Schuß abgegeben hat…“

Am 20. Januar 1942 wurde das Urteil durch den Scharfrichter vollstreckt.

Dally hat nach bisher unvollständigen Angaben 23 polnische Staatsbürger zum Tode verurteilt. Auf Grund dieser Verbrechen gegen die Menschlichkeit wurde Dally von der polnischen Regierung auf die Kriegsverbrecherliste gesetzt. Von der DDR wurden Dokumente von Dally seit 1959 veröffentlicht. Der Sozialistische Studentenbund Westdeutschlands erstattete schon vor mehreren Jahren Strafanzeige gegen diesen Nazi-Juristen. Trotz der vielen belastenden Beweise stellte die Staatsanwaltschaft in Duisburg das gegen Dally eingeleitete Ermittlungsverfahren am 16. August 1962 (Aktenzeichen: 14 Js 4p9/60) ein. Dally saß noch jahrelang in Amt und Würden und durfte „Recht“ sprechen.

Dreher, Eduard

SCHÄRFER ALS DAS SONDERGERICHT

heute:
Ministerialdirigent im Bundesjustizministerium Bonn.

In der Verhandlung des Sondergerichts Innsbruck am 15. April 1942 beantragte Staatsanwalt Dr. Eduard Dreher gegen die österreichische Hausiererin Karoline Hauser die Todesstrafe. Frau Hauser hatte von einem Altstoffhändler Kleiderkarten gekauft, die dieser zum Einstampfen geben sollte. Dadurch konnte sie mit Kleidern und Wäschestücken, die seit der nazistischen Okkupation in Österreich zwangsbewirtschaftet wurden, frei handeln. Das Sondergericht folgte dem Antrag Drehers nicht. Es verurteilte Frau Hauser zu 15 Jahren Zuchthaus.

Dreher genügte das nicht. Er wollte unter allen Umständen die Todesstrafe und beantragte die Nichtigkeitsbeschwerde. Das Reichsgericht hob daraufhin den Strafausspruch auf und verwies die Angelegenheit zur neuen Entscheidung nochmals an das Sondergericht Innsbruck. Am 14. August 1942 beantragte Dreher erneut die Todesstrafe. Auch diesmal entsprach das Sondergericht nicht seinem Antrag und verfügte zum zweitenmal 15 Jahre Zuchthaus. Dreher setzte jedoch die Unterbringung in einem „Arbeitshaus“, d. h. in einem Konzentrationslager durch, was meist einem Todesurteil gleichbedeutend war. (Aktenzeichen: KLs. 37/42)

Ein weiteres Opfer der „Rechtsauffassungen“ Drehers ist der Gärtner Josef Knoflach. Gegen ihn erwirkte Dreher beim Sondergericht Innsbruck das Todesurteil, weil er ein Fahrrad unbefugt benutzt hatte und einige Lebensmittel entwendete, also Mundraub beging.

Obwohl Drehers Name schon 1959 in der Dokumentation „Wir klagen an“ genannt wurde, wovon das Bundesjustizministerium und alle wichtigen Justizinstitutionen Kenntnis erhielten, wurde Dreher dennoch kein Haar gekrümmt. Im Gegenteil. Nachdem zwei Beauftragte des Generalstaatsanwalts der DDR in Westdeutschland zwei Todesurteile übergeben hatten, an denen Dreher mitwirkte, avancierte er - gleichsam als Prämiierung für seine Verbrechen - vom Ministerialrat zum Ministerialdirigenten.

Als Koordinierungsreferent und Berichterstatter der Großen Strafrechtskommission übt er maßgeblichen Einfluß auf den Strafgesetzbuchentwurf aus. So will er z.B. den Gegnern der Bonner Politik das Wahlrecht nehmen:

„Meines Erachtens geht das Grundgesetz davon aus, daß der Staatsbürger einerseits zwar abstimmen kann, wie er will, daß er andererseits jedoch so abstimmen soll, wie es nach seiner Auffassung für das Wohl des Staates am besten ist. Wenn ein Staatsbürger nun aber sozusagen einen Dolchstoß in den Rücken des Staates führt und damit zeigt, daß er gegen das Wohl der Gemeinschaft eingestellt ist, dürfte es durchaus sinnvoll sein, ihm das Wahlrecht zu nehmen.“ (Protokoll der Großen Strafrechtskommission, Bd. X, S. 253)

Bei der Beratung des „Landesverrates“ forderte Dreher, im Grundtatbestand ein Gefährdungsdelikt genügen zu lassen: „An sich hätte ich keine Bedenken, im Grundtatbestand ein Gefährdungsdelikt genügen zu lassen…“ (A. a. O., S. 210) Den Streik sieht Dreher als verbotenes „Mittel der Parlamentsnötigung“. (A. a. O., S. 261)

Der Rechtsverdreher und Feind der Demokratie Dreher ist der Typ eines „erfahrenen Nazi-Juristen, auf den die Bonner Regierung im Interesse ihrer volksfeindlichen Politik nicht verzichten will.

Felmy, Heimfried

DIE GESTAPO WAR IHM ZU MILD

heute:
Staatsanwalt in Oldenburg.

Weil er seine alte Mutter nicht verlassen wollte und außer ihr noch eine kranke Schwester ernähren mußte, bat der nicht vorbestrafte Tiefbauarbeiter Franz Koslowski, geboren am 3. September 1912, die zuständigen Okkupationsbehörden der Nazis, ihn nicht nach Deutschland zu verschleppen. Vom Arbeitsamt war ihm versprochen worden, seine Bitte zu berücksichtigen. Er müsse aber bis zum nächsten Tag eine Bescheinigung über Vollbeschäftigung in der Umgebung vorlegen. Als er dieser Aufforderung nachkam, wurde er von einem Angestellten des Arbeitsamtes als arbeitsunwillig bezeichnet, am Kragen gepackt und der Polizei übergeben. Nach Aussagen der Beamten soll es zu einem Handgemenge zwischen beiden gekommen sein.

Der polnische Bürger wurde von der Gestapo einige Wochen in Haft gehalten, dann aber freigelassen, weil man dort laut Urteil den Fall „als nicht sonderlich schwer“ ansah.

Dr. Heimfried Felmy, der Staatsanwalt beim Sondergericht Graudenz (Grudziads), war anderer Auffassung. Am 7. November 1941 berichtete er an das Nazi-Justizministerium: „Der Vorfall ist mir erst durch eine telefonische Mitteilung des Amtsrichters in Neumark (Dr. Babendreyer, heute Amtsgerichtsrat in Lippstadt - d. Hrsg.) am 16. Juni 1941 bekannt geworden, der die Behandlung der Angelegenheit durch die hiesige Staatspolizeileitstelle nicht für ausreichend hielt… Es ist mit einem Todesurteil zu rechnen.“

In der Hauptverhandlung des Sondergerichts Graudenz vom 4. Dezember 1941 stellte Felmy den Antrag auf Todesstrafe gegen den unschuldigen polnischen Bürger. Das Gericht entsprach seinem Antrag. Daraufhin wurde Franz Koslowski am 28. Januar 1942 hingerichtet. (Siehe Tafel 23)

Felmy ist auf der Kriegsverbrecherliste der polnischen Regierung unter der Nummer 80/192 verzeichnet. Seit Februar 1959 wurden vom Ausschuß für Deutsche Einheit 19 Todesurteile, an denen er mitwirkte, veröffentlicht. Doch bis heute sahen Bonn und das Niedersächsische Justizministerium darin keinen Grund, Felmy seines Amtes zu entheben und ihn gerecht zu bestrafen. Auch die Strafanzeige des 1. Vorsitzenden der VVN Niedersachsens, Ludwig Landwehr, vom 2. Mai 1960 fand im Landesjustizministerium keine Beachtung.

Ganser, Josef

TODESSTRAFE, WEIL SIE EIN KIND BEHERBERGTE

Bis April 1965:
Senatspräsident beim Bundespatentgericht.

„Gegen das Urteil vom 30. Juli 1943 erhebe ich… außerordentlichen Einspruch!“ So schrieb der Nazi-Jurist Dr. Josef Ganser am 4. Januar 1944, als er die Anfechtung eines Urteils begründete, das die Polin Anna Zwarycz freisprach.

Anna Zwarycz hatte im Oktober 1942 ein 18 Monate altes jüdisches Kind aufgenommen, um es vor dem sicheren Tod in den nazistischen Gaskammern zu bewahren. Sie war in erster Instanz am 30. Juli 1943 freigesprochen worden, weil sie „das Kind offen und für jedermann als jüdisches Kind erkenntlich bei sich gehabt“ habe. Für Ganser, den Oberregierungsrat im Nazi-Justizministerium und Leiter der Abteilung III der Hauptabteilung Justiz im „Generalgouvernement“, war die menschliche Tat von Anna Zwarycz ein todeswürdiges Verbrechen:

„… Diese Vorschrift läßt unschwer erkennen, daß es darauf ankam, die Juden an bestimmte Orte zu binden und ihnen darüber hinaus die Möglichkeit zu nehmen, sich außerhalb dieser Orte aufzuhalten. Deshalb muß jede Erleichterung eines solchen Aufenthalts durch Gewährung von Unterkunft und Verpflegung … als Unterschlupfgewährung … angesehen werden … Es wäre höchst unbillig, wenn derjenige, der in unverfrorener Weise öffentlich aufnimmt, straffrei ausgehen sollte, während derjenige, der dasselbe heimlich tut, dem Tode verfallen ist. Demnach kann im vorliegenden Falle nicht zweifelhaft sein, daß die Angeklagte dem jüdischen Kind Unterschlupf gewährt hat.“

Ganser erreichte sein unmenschliches Ziel. Frau Anna Zwarycz wurde am 3. März 1944 zum Tode verurteilt. (Siehe Tafel 26)

Auf Gansers „außerordentlichen Einspruch“ wurde auch eine zweijährige Gefängnisstrafe gegen den polnischen Arzt Dr. Sigismund Walczynski aufgehoben und in eine Todesstrafe umgewandelt. Ganser schrieb:

„Die gegen den Angeklagten Walczynski erkannte Gefängnisstrafe von zwei Jahren ist völlig unzureichend. Die an einer deutschen Frau vorgenommene Abtreibung stellt eine Beeinträchtigung der Lebenskraft des deutschen Volkes dar… Hier ist eine Strafe am Platze, die den gesetzlichen Strafrahmen voll ausschöpft…“

Daraufhin wurde Dr. Walczynski am 9. Februar 1943 vom deutschen Obergericht Krakau (Krakow) als „Schädling am deutschen Volk“ zum Tode verurteilt.

In einem Interview mit der Münchner „Abendzeitung“ legte Ganser ein erstes Teilgeständnis seiner Mordschuld ab. Im April 1965 mußte Ganser auf Grund der Enthüllungen der DDR pensioniert werden. Der Lohn für seine Verbrechen sind 2400 DM Monatspension.

Hoogen, Matthias

DURCHHALTEPOLITIKER DES TOTALEN KRIEGES

heute:
Wehrbeauftragter des Bundestages.

Matthias Hoogen legte seine „Bewährungsprobe“ für den Wehrbeauftragten-Posten als Kriegsgerichtsrat der faschistischen Luftwaffe und Oberstabsrichter bei der Kurlandarmee ab. Noch 1944 erteilte Hoogen im Sinne der hitlerschen Durchhaltepolitik Mordbefehle. So beantragte er am 24. April 1944 das Todesurteil gegen den deutschen Soldaten Felix Stolz, Vater von fünf Kindern.

Stolz war es gelungen, vorübergehend aus einer der berüchtigten Feldstrafgefangenenabteilungen zu fliehen.

Der ärztliche Gutachter stellte am 22. April 1944 fest:

„Da die genauen Umstände seiner Fahnenflucht noch gar nicht bekannt sind, läßt sich ein abschließendes Urteil über seinen Geisteszustand zur Zeit der Begehung der Tat nicht mit Sicherheit fällen …“

Trotzdem beantragte Hoogen schon zwei Tage später das Todesurteil wegen „Fahnenflucht“.

Auch die Gründe des Verteidigers, Oberleutnant Ostermann, verfehlten auf Hoogen jede Wirkung. Dieser legte seine Stellungnahme am 28. April 1944 noch einmal schriftlich zum Urteil nieder. Darin heißt es:

„Zudem ist zu berücksichtigen, daß sich St. längere Zeit vor seiner Tat in einer Strafgefangenenabteilung befand, wodurch er vermutlich auch infolge der beschränkten Ernährung (50% der Normalsätze) noch körperlich entkräftet war… Aus den angeführten Gründen scheint es angebracht, die Todesstrafe in eine Zuchthausstrafe umzuwandeln.“

Doch Felix Stolz wurde am 18. Juli 1944 nach dem Willen Hoogens und des heutigen Oberlandesgerichtsrates in Düsseldorf, Lefringhausen, der den Feuerbefehl erteilte, umgebracht. (Siehe Tafel 24)

Nach der Zerschlagung des Faschismus kam Hoogen in Westdeutschland schnell wieder zu Ehren. 1949 wurde er Bundestagsabgeordneter der CDU. 1956 war er führend an der Abwürgung einer Verfassungsbeschwerde gegen das Wehrpflichtgesetz beteiligt. Ausdrücklich begrüßte Hoogen das rechtswidrige KPD-Verbot und bekämpfte aktiv die Volksbefragung gegen die atomare Bewaffnung der Bundeswehr im Jahre 1958.

Als Vorsitzender des Rechtsausschusses des Bundestages erwarb sich Hoogen besondere „Verdienste“ bei der Reinwaschung des korrupten ehemaligen Kriegsministers Strauß.

Hoogen verhinderte in dieser Funktion auch die Säuberung der Justiz von Nazi-Blutrichtern. Er ließ keine Gelegenheit vorübergehen, um auf die Verabschiedung der Notstandsgesetze zu drängen. Nach seinem Willen sollten die Diktaturgesetze noch 1964 den Bundestag passieren.

Im Dezember 1964 wurde Blutjurist Hoogen auf den Posten des Wehrbeauftragten im Bundestag gesetzt, um die Bundeswehr reif zu machen, die von ihm mit ausgearbeiteten Notstandsgesetze gegen die westdeutsche Bevölkerung zu praktizieren.

Hüpers, Franz

TODESSTRAFE WEGEN VERTEIDIGUNG UND NOTWEHR

heute:
Erster Staatsanwalt in Oldenburg.

Als am 7. September 1939 - sieben Tage nach dem Überfall der Faschisten auf Polen - im damaligen Mönchsee und Dolenhain bekannt wurde, daß deutsche Fallschirmjäger in der Umgebung abgesetzt worden seien, versuchten sich mehrere Einwohner behelfsmäßig zu bewaffnen und die Heimat zu verteidigen. Sie durchsuchten das Gelände nach Fallschirmjägern und die Gehöfte der „Volksdeutschen“ nach Warfen. Dabei nahmen sie zwei Personen fest und brachten sie zur Wache der polnischen Volkswehr.

Es handelte sich dabei um einen legalen Akt der Verteidigung bzw. der Notwehr gegen die Aggressoren und wirklichen Landfriedensbrecher sowie die mit ihnen im Bunde stehende 5. Kolonne. Dr. Franz Hüpers jedoch, Erster Staatsanwalt beim Sondergericht Hohensalza (Inowraclaw), forderte gegen Eduard Beger, Stanislaw Koslowski und Jan Roszak am 9. September 1941 wegen „schweren Landfriedensbruches“ die Todesstrafe. Drei weitere polnische Bürger wurden wegen „einfachen Landfriedensbruches“ zu 5 Jahren Gefängnis verurteilt.

Die Verurteilung erfolgte gegen alle Rechtsprinzipien nach einem Gesetz, das zur Tatzeit für die Angeklagten keine Gültigkeit haben konnte. Hüpers nahm am 3. Oktober 1941 zur Frage einer Begnadigung Stellung. Im Faschistenjargon sagte er: „… ich halte eine Begnadigung nicht für tunlich. Bei den Verurteilten Beger, Koslowski und Roszak handelt es sich um gefährliche Rechtsbrecher…, für die daher in der Volksgemeinschaft kein Raum mehr sein darf.“

Nach bisherigen Ermittlungen war Hüpers an 26 Mordbefehlen beteiligt. Die Schandtaten Hüpers sind Bonn durch Veröffentlichungen der DDR mindestens seit 1959 bekannt. Der 1. Vorsitzende der VVN Niedersachsens, Ludwig Landwehr, erstattete im November 1961 Strafanzeige gegen diesen Blutjuristen. Doch nicht Hüpers wurde bestraft, sondern Ludwig Landwehr im Juli 1962 verhaftet.

Krebs, Heinrich

TODESSTRAFE FÜR DEN, DER DIE WAHRHEIT SUCHTE

heute:
Richter am Bundessozialgericht.

Bereits im Jahre 1961 wies der Ausschuß für Deutsche Einheit nach, daß der frühere Amtsgerichtsrat in Stuttgart, Sachgebiet Hochverrat, Dr. Heinrich Krebs, einer der Blutjuristen Hitlers war, die Todesurteile wegen Nichtigkeiten aussprachen. Als Beamter der Staatsanwaltschaft forderte Krebs am 26. Oktober 1943 vor dem Oberlandesgericht Stuttgart die Todesstrafe für den Arbeiter Heinrich Fehrentz aus Heidelberg. Fehrentz hatte die Wahrheit, die dem deutschen Volk von den Nazis vorenthalten wurde, gesucht und verschiedentlich ausländische Rundfunksender gehört. Über diese Nachrichten sprach er mit Bekannten. Das galt für Krebs als todeswürdiges Verbrechen.

Die faschistische Ausnahmeverordnung zum Verbot des Abhörens ausländischer Sender sah für Verstöße in der Regel Freiheitsstrafen vor. Aber Krebs wandte diese Verordnung bei seiner Anklage nicht an. Er forderte die Verurteilung wegen „Wehrkraftzersetzung“ auf Grund der berüchtigten Kriegssonderstrafrechtsverordnung und verlangte die Todesstrafe. Alle Milderungsmöglichkeiten ließ er unbeachtet.

Das Todesurteil gegen Heinrich Fehrentz wurde vollstreckt. Im Urteil mußte zugegeben werden, daß er nichts als die Wahrheit gesagt hatte: „Er berichtete von den angeblichen Erfolgen der Russen an der Ostfront, erklärte, Rußland sei von Deutschland überfallen worden und wehre sich um seine Freiheit.“ (Aktenzeichen: OJs 115/43)

Krebs hätte nicht einmal nach den nazistischen Unrechtsgesetzen die Todesstrafe aussprechen müssen - aber er wollte Nazi-Gegner morden, die die Wahrheit sagten. (Siehe Tafel 27)

Liebau, Dr.

TODESSTRAFE AUF VERDACHT

heute:
Oberamtsrichter in Seesen.

In zahlreichen Fällen bekräftigte der ehemalige Sachbearbeiter für Sondergerichte im Nazi-Justizministerium und Amtsgerichtsrat beim Sondergericht Posen (Poznan) durch seine Unterschrift die Terrorurteile der Ausnahmegerichte. Vom 9. April 1943 stammt eine Stellungnahme Liebaus über zehn am 27. November 1942 zum Tode verurteilte tschechoslowakische Widerstandskämpfer. Ihnen war zur Last gelegt worden, daß sie Beziehungen zu den alliierten Mächten - Großbritannien und der Sowjetunion - unterhalten und diese über die Verhältnisse in ihrem Heimatland informiert hätten. Dazu schreibt Liebau:

„Das Urteil erscheint bedenkenfrei… Gegenüber diesem Sachverhalt ist es ohne entscheidende Bedeutung, daß objektiv kein Staatsgeheimnis verraten worden ist… Rücksichten auf Familie und Eltern sind gegenüber dem Ausmaß des öffentlichen Interesses nicht entscheidend.“

Neun der tschechoslowakischen Bürger wurden daraufhin am 3. Mai 1943 hingerichtet. (Aktenzeichen: 12 J 184/42 g)

Auch das Todesurteil gegen die 35jährige Franziska Angermeier, die wegen „Brandstiftung“ angeklagt war - die Tat konnte ihr vom Sondergericht überhaupt nicht nachgewiesen werden -, ging durch die Hände Liebaus. In seiner Stellungnahme vom 16. April 1943 sagte er: „Die tatsächlichen und rechtlichen Feststellungen des Urteils sind bedenkenfrei. Die Verurteilte ist aus der Richtung des Tatortes kommend gesehen worden.“ Liebau behauptete, sie sei deshalb überführt, und schreibt weiter: „… vor allem der Schutz des deutschen Volkes selbst… erfordert die Vollstreckung der Todesstrafe“.

Daraufhin wurde Franziska Angermeier am 7. Mai 1943 dem Henker ausgeliefert. (Aktenzeichen: 1 KLs SO 11/43)

Dieser schwer belastete Nazi-Jurist wurde vom Bonner Staat offiziell dazu berufen, seine frühere Tätigkeit lediglich mit veränderten Methoden fortzusetzen. Liebau wurde Oberstaatsanwalt an der politischen Sonderstrafkammer in Lüneburg. Seine Anklageschriften glichen im Wortlaut mitunter fast denen der faschistischen Sondergerichte. In einer Anklageschrift vom 4. August 1954 (Aktenzeichen: 2b JS 306/53) gegen zwei Jugendliche heißt es z. B.: „Es besteht hinreichender Verdacht, daß auch die beiden Angeschuldigten… nach dem Verbot der illegalen FDJ (Freie Deutsche Jugend - d. Hrsg.) als Mitglieder angehört haben.“

Liebau wurde erst aus seinem Amt abberufen, als die demokratische Öffentlichkeit dies durch Proteste erzwang. Aber selbst dann wurde er lediglich versetzt, und zwar als Oberamtsrichter nach Seesen. Erst im August 1967 trat er in den Ruhestand.

Meusel, Johannes

TODESSTRAFE, WEIL SIE SICH ESSWAREN BESCHAFFTEN

heute:
Landgerichtsdirektor in Göttingen.

Die Vettern Drahomir und Miroslaus Moldrzyk, 22 und 21 Jahre alt, tschechoslowakische Staatsbürger, wurden am 27. Mai 1944 vom Sondergericht Bielitz (Bielsko) wegen „Kriegswirtschaftsverbrechen“ zum Tode verurteilt. Den Vorsitz hatte in dieser Verhandlung der Nazi-Richter Johannes Meusel, vor 1945 Landgerichtsdirektor bei den Sondergerichten Breslau (Wroclaw) und Bielitz.

Angesichts der Hungerration für Tschechen hatten sich die jungen Männer über Mittelsleute Bezugscheine für bewirtschaftete Lebensmittel beschafft. Für den Nazi-Richter Meusel und seine Blutrichter-Kollegen war es von vornherein beschlossene Sache, beide „im Namen des deutschen Volkes“ zum Tode zu verurteilen.

Der Bürgermeister der Gemeinde Dombrau wandte sich mit einem Schreiben an den Verteidiger der beiden Verurteilten:

„Völlig unverständlich verhält sich die hiesige Bevölkerung zu der Tatsache, daß die beiden Moldrzyks zur Todesstrafe verurteilt worden sind … Ein Gnadengesuch wird von mir aus als Leiter der Gemeindeverwaltung Dombrau sowohl als auch schon aus dem hier herrschenden Volksempfinden gegen das harte Urteil befürwortet.“

Am 16. Juni stellte sich der Oberreichsanwalt an die Seite Meusels und lehnte die Erhebung der Nichtigkeitsbeschwerde ab.

Nach den bisherigen Ermittlungen war Meusel an 22 Todesurteilen beteiligt.

Neidhard, Friedrich

TODESSTRAFE WEGEN PATRIOTISCHER HALTUNG

heute:
Regierungsdirektor im Justizministerium von Baden-Württemberg.

Wie „ernst“ es der Bonner Regierung mit ihren Freundschaftsbezeugungen gegenüber dem französischen Volk ist, läßt sich am Fall Neidhard ablesen. Obwohl den zuständigen Regierungs- und Justizbehörden Westdeutschlands seit Jahren bekannt ist, daß Neidhard Mordbefehle gegen französische Bürger erteilte, wurde er - statt ihn des Amtes zu entheben - 1959 sogar vom Oberregierungsrat zum Regierungsdirektor befördert.

Besonderes Aufsehen erregte die Enthüllung der Strasbourger „Humanité d’Alsace et de Lorraine“, die am 17. Februar 1963 berichtete: Durch den Urteilsspruch des Blutjuristen Neidhard am 17. Februar 1943 wurden 13 junge französische Wehrdienstgegner durch ein faschistisches Exekutionskommando in der Nähe des KZ Struthof ermordet.

Auf die Fragen des Journalisten Hellmut Rieber, Karlsruhe, rechtfertigte Neidhard, der frühere Amtsgerichtsrat beim Sondergericht Straßburg, dieses Blutbad noch in den Februartagen 1963: „Es ist ein ordentliches Gericht gewesen. Die Sache ist hier nachgeprüft. Es handelt sich um ein rechtskräftiges Urteil und meiner Erinnerung nach wegen Mord.“ In Wirklichkeit hatten die jungen Franzosen versucht, in die Schweiz zu fliehen, weil sie sich nicht für Hitler gegen das eigene Volk mißbrauchen lassen wollten.

Doch damit ist Neidhards Blutkonto bei weitem nicht erschöpft. Nach bisherigen Ermittlungen liegen von ihm fünf Todesurteile vor. Am 26. November 1943 verurteilte er unter ändern die beiden Elsässer Karl Ziller und Robert Eckert wegen angeblicher „hochverräterischer Umtriebe, Vorbereitung zum Hochverrat, Feindbegünstigung, Beschimpfung des Reichs und Abhörens nichtdeutscher Sender“ zum Tode. (Aktenzeichen: So KLs 193/43)

Die beiden Verurteilten hatten dem Faschismus Widerstand geleistet. Ziller hatte sich als Elsässer in mehreren Aufrufen gegen die völkerrechtswidrige Einführung der allgemeinen Wehrpflicht im okkupierten Elsaß gewandt. Eckert hatte ebenfalls einen Aufruf gegen die Nazi-Herrschaft verfaßt. Neidhard sprach ihnen das Urteil wegen ihrer patriotischen, demokratischen und im Einklang mit dem Völkerrecht stehenden Haltung. Der Faschist schrieb in dem Urteil: „Wer die Hand gegen das Reich zu erheben wagt, hat sein Leben verwirkt… Auch wenn der entstandene Schaden in Wirklichkeit jedenfalls nicht sehr bedeutend war. Dies ändert nichts …“ (Siehe Tafel 28) Ein Ermittlungsverfahren gegen Neidhard wurde am 28. Juni 1966 unter dem Aktenzeichen Is 1/62 vom Generalstaatsanwalt in Stuttgart eingestellt.

Ottersbach, Karl-Heinz

JUDEN DER GESTAPO AUSGELIEFERT

Bis Frühjahr 1965:
Staatsanwalt in Lüneburg.

Karl-Heinz Ottersbach gehört zu jenen belasteten Nazi-Juristen, die wegen ihrer „Erfahrungen“ wieder in den politischen Dienst der Adenauer-Justiz gestellt wurden. Als ehemaliger Staatsanwalt am Sondergericht Kattowitz (Katowice) machte er sich im Sinne der Nazis durch seine enge Zusammenarbeit mit der Gestapo besonders verdient.

Am 26. April 1942 verfaßte Ottersbach eine Anklageschrift gegen die polnischen Bürger Jakob Horowitz, geboren 15. Mai 1896, aus Chrzanow, und die Witwe Reisla Gutfreund, geboren am 28. Dezember 1908, ebenfalls aus Chrzanow. Beide Bürger mußten auf Grund der globkeschen Rassengesetze den zweiten Vornamen Sara bzw. Israel tragen.

Nach der faschistischen Okkupation war ihnen die Existenz geraubt worden. Um sich den Lebensunterhalt verdienen zu können, betrieben sie ihren Textilhandel notdürftig in ihrer Wohnung weiter. Da Juden in Polen so gut wie keine Lebensmittel zugeteilt erhielten - 1941 bekamen sie nur 184 Kalorien je Tag, das ist weniger als zwei Brötchen -, tauschten sie Textilien gegen Nahrungsmittel.

Ottersbach forderte deshalb Einziehung der noch verbliebenen kaum nennenswerten Habe und sechs bzw. drei Jahre verschärftes Straflager, was für die jüdischen Menschen den sicheren Tod bedeutete. Der Antrag Ottersbachs gegen Horowitz wurde durch Urteil des Sondergerichts Kattowitz am 10. September 1942 bestätigt. Doch der Unmensch Ottersbach begnügte sich nicht einmal damit. Eigenhändig schrieb er die Auslieferung des polnischen Bürgers Horowitz an die „Staatspolizeileitstelle“ Kattowitz aus. Über Frau Gutfreund befindet sich in den Akten lediglich ein Vermerk, daß sie am 15. April 1942 von der Gestapo ins KZ Auschwitz gebracht wurde. Daß auch das Ottersbachs Werk war, geht aus seinem Aktenvermerk vom 10. August 1942 hervor, in dem es heißt:

„Gegen die Gutfreund werde ich die Anklage in der Hauptverhandlung nicht verlesen.“

Gegen unschuldigen Polen Todesstrafe beantragt

Am 9. Juli 1942 stand der Schuhmacher Vinzent Furmann, geboren am 31. März 1903, vor dem Sondergericht Kattowitz (Katowice). Ihm wurde Waffenbesitz zur Last gelegt. Während der Vernehmungen hatte Furmann seine Unschuld beteuert. Dann wurde er derart zusammengeschlagen, daß er sogar beim Fotografieren gestützt werden mußte. Während eines solchen „Verhörs“ wurde ein Geständnis von ihm erpreßt, das jeglicher Grundlage entbehrte. Selbst das Sondergerichtsurteil mußte das zugeben:

„Durch die Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung konnte der Angeklagte nicht überführt werden. Der Zeuge Kriminalsekretär Polaczek hat bestätigt, daß der Angeklagte vom Kalfaktor geschlagen worden ist. Die damals abgelegten Geständnisse des Angeklagten konnten daher dem Urteil nicht zugrunde gelegt werden.“

Ottersbach aber beantragte in der Hauptverhandlung des Sondergerichts am 9. Juli 1942 trotzdem die Todesstrafe. Er wollte auf jeden Fall die Ermordung des unschuldigen Menschen. Als selbst das faschistische Sondergericht auf Freispruch erkennen mußte, stellte Ottersbach den Antrag, Vinzent Furmann der Gestapo auszuliefern. Da dieser Willkürakt Ottersbachs zu offensichtlich war, sah sich sogar das Sondergericht Kattowitz, das sonst skrupellos Todesurteile fällte, gezwungen, auch diesen Antrag abzulehnen.

Bar jeden menschlichen Gefühls

„Hiermit wende ich mich, ein dreizehnjähriges Kind, mit flehender Bitte um Freilassung meiner einzigen lieben Mutter. Wir sind 7 ganz kleine Kinder, mein kleines Brüderchen ist erst drei Monate alt, ich bin ratlos, denn ich habe kein Geld und bin zu klein, die sechs Geschwister allein zu betreuen … Ich bin schon selbst krank. Wir sind Waisen ohne Vater und Mutter, denn Vater ist schon seit langen Monaten von uns weg, wir wissen nichts von ihm.“

Diese Worte schrieb die Tochter von Helene Michon, geboren am 22. Juni 1907, und von Roman Michon am 16. Juni 1942 in einem Gnadengesuch nieder, das der Staatsanwaltschaft, also Ottersbach, zugeleitet wurde. Beide Elternteile waren inhaftiert; die Mutter - bis dahin unbestraft -, weil sie gestohlenes Geflügel gekauft hatte, um ihre Familie durchzubringen.

Die polnische Bevölkerung erhielt jahrelang nur ein Drittel der Hungerrationen der deutschen Bevölkerung von 1945. Über den Vater geht aus der Akte weiteres nicht hervor.

Ottersbach beantragte in der Hauptverhandlung am 29. Mai 1942 gegen Helene Michon zehn Jahre verschärftes Straflager, dem kaum ein Mensch lebend entkam. Ausgesprochen wurde vom Sondergericht eine Strafe von vier Jahren verschärftes Straflager. Auch dieses Opfer Ottersbachs wurde am 16. Dezember 1942 in das KZ Auschwitz gebracht. Unter dem 3. Mai 1943 teilte die Gestapo dem Oberstaatsanwalt des Sondergerichts Kattowitz (Kattowice) mit, daß Frau Michon im KZ Auschwitz, „verstorben“ ist.

Ottersbach hatte es in der Hand, die Mutter der sieben Kinder zu retten. Aber er beschwor die furchtbare Tragödie für diese polnische Familie herauf.

Darüber hinaus beantragte Ottersbach nach bisherigen Ermittlungen noch folgende Todesurteile:

am 19. Mai 1942 gegen Eduard Rodak, geboren am 22. Mai 1916, weil er an der Schwarzschlachtung einer Kuh teilgenommen hatte;

am 23. Juli 1942 gegen Bronslawa Ciecielska, geboren am 5. August 1896, und gegen Ottilie Wojcikiewicz, geboren am 8. Februar 1907, weil sie als Bäckereiinhaber an die notleidende Bevölkerung Brot verkauft und die Verkäufe durch gefälschte Brotmarken zu decken versucht hatten.

Die beiden zuletzt Genannten wurden am 14. August 1942 hingerichtet. (Siehe Tafel 23)

Trotz dieses Schuldkontos wurde Ottersbach wieder in den westdeutschen Justizapparat eingestellt. Mehr noch, er wurde beauftragt, an der politischen Sonderstrafkammer gegen Friedenskämpfer und aufrechte Demokraten zu Gericht zu sitzen.

Der Oberlandesgerichtspräsident i. R. Dr. Richard Schmid, Stuttgart, sagte über Ottersbach: „Dieser Fall ist der übelste und der, der am wenigsten Zweifel oder Entschuldigungen aufkommen läßt. Meines Erachtens hätte die niedersächsische Justizverwaltung die Anstellung von Staatsanwalt Ottersbach … sofort widerrufen oder anfechten müssen.“ (Stern, Hamburg, 7. Juni 1964)

Ottersbach knüpfte unmittelbar an seine Sondergerichtstätigkeit an. Das gab er unumwunden in der rechtswidrigen Hauptverhandlung gegen den DDR-Bürger Paul Butschek am 13. Mai 1960 zu, indem er äußerte:

„Aus Ihrer Inhaftierung in den Jahren 1933 bis 1945 haben Sie nichts gelernt.“

Ottersbach erklärte weiter, man müsse gegen Herrn Butschek, den er als „unverbesserlichen kommunistischen Funktionär“ bezeichnete, ein Exempel statuieren, und beantragte acht Monate Gefängnis. Butschek hatte Gespräche mit DGB-Kollegen geführt!

Am 14. Juni 1961 forderte Ottersbach 51 Monate Gefängnis gegen die westdeutschen Bürger Richard Brennig, Landrat a. D., und Heinz Hilke, Journalist, weil sie in der „Gemeinschaft zur Wahrung demokratischer Rechte“ mitgearbeitet hatten. In einer siebenstündigen Anklagerede propagierte der Blutrichter die atomare Aufrüstung der Bundeswehr; eine Politik der Verhandlungen bezeichnete er als witzlos.

Über vier Jahre mußten die DDR und demokratisch gesinnte Bürger Westdeutschlands darum kämpfen, daß Ottersbach aus seiner Funktion entfernt wurde. Der ehemalige niedersächsische Justizminister, von Nottbeck, der selbst zur 5. Kolonne Hitlers im damaligen Estland gehörte und nach dem Überfall auf Polen die Hitlerpolitik auf wirtschaftlichem Gebiet in Posen (Poznan) durchpeitschte, stellte sich immer wieder schützend vor den Blutjuristen. Erst im Frühjahr 1965 zog er Ottersbach aus der Schußlinie. Aber nichts wurde bisher getan, ihn gerichtlich zur Verantwortung zu ziehen. Im Gegenteil: Er erhält eine hohe Pension.

Ottersbach, der polnische Bürger ermorden ließ, kann in Westdeutschland auf ein neues Schuldkonto zurückblicken: Er wirkte nach zur Zeit noch unvollständigen Feststellungen an der Verurteilung von 21 Patrioten - vorwiegend Frauen, die in der Arbeitsgemeinschaft „Frohe Ferien für alle Kinder“ mitarbeiteten - mit, denen insgesamt 19 Jahre Gefängnis auferlegt wurden.

Rhode, Werner

TODESSTRAFE ALS „ABSCHRECKUNG“

heute:
Regierungsdirektor im Justizministerium Schleswig-Holsteins.

Der tschechische Hilfsarbeiter Josef Tyburec war - so sagte das Urteil des Sondergerichts Prag vom 26. Januar 1945 - „als Weichensteller eingeübt“ worden. Auf Antrag des Staatsanwalts beim Sondergericht Prag, Werner Rhode, erging das Todesurteil, weil der Angeklagte angeblich „vorsätzlich einen Zusammenstoß herbeigeführt und dadurch Sabotage getrieben“ hätte. Bei diesem Unfall war niemand verletzt worden. Trotzdem behauptete das Gericht, dieser Zusammenstoß könne nur mit der Höchststrafe gesühnt werden. Das Gericht gab also zu, daß es selbst nach den Nazi-Gesetzen die Möglichkeit hatte, auf eine geringere Strafe zu erkennen. Als Begründung für die Todesstrafe wurde ein „Abschreckungsbedürfnis“ konstruiert und zynisch hinzugesetzt: „…auch wenn die persönlichen Verhältnisse des Angeklagten und sein leichter Schwachsinn berücksichtigt werden“.

Vor fünf Jahren haben der Verband der Antifaschistischen Widerstandskämpfer der CSSR und der Sozialistische Studentenbund Westdeutschlands gegen Rhode Strafantrag gestellt. Rhode ist auf der Kriegsverbrecherliste der Regierung der CSSR unter der Nummer A 38/88 verzeichnet. Anfang August 1962 erklärte ein Sprecher des Landesjustizministeriums von Schleswig-Holstein ausdrücklich, daß die Willkürurteile Rhodes bekannt seien. Zynisch bemerkte der Sprecher, daß seine Behörde aber nicht daran denke, Rhode zur Verantwortung zu ziehen.

110 Todesurteile wurden bisher aufgefunden, die Rhode beantragte. Trotzdem stellte die Staatsanwaltschaft Kiel das gegen Rhode eingeleitete Ermittlungsverfahren am 8. Dezember 1960 (Aktenzeichen: 2 Js 840/59) ein. Rhodes „Erfahrungen“ als Anwalt des Todes sollen in den Dienst des neuen Strafgesetzbuches und der Notstandsdiktatur gestellt werden.

Schüle, Erwin

VERURTEILTER KRIEGSVERBRECHER
WURDE BONNER NAZI-„JÄGER“

heute:
Bis 31. August 1966 Leiter der Ludwigsburger Zentralstelle zur Aufklärung nationalsozialistischer Gewaltverbrechen, danach Oberstaatsanwalt in Stuttgart.
„Im Jahre 1933 trat ich der SA bei und bin seit 1935 Parteigenosse“, das schrieb Erwin Schule eigenhändig in seinem Lebenslauf am 3. September 1943 „im Felde“.

Welche Rolle er dort spielte, geht daraus hervor, daß er in der Sowjetunion als Kriegsverbrecher zu 25 Jahren Zwangsarbeit verurteilt wurde. Schule gehörte seit März 1943 als Ordonnanzoffizier der Abteilung IC des Divisionsstabes der 215. Infanteriedivision an, die vor Leningrad die „Politik der verbrannten Erde“ und der Aushungerung der Zivilbevölkerung praktizierte. Unmittelbar vor Kriegsende befehligte er noch eine der berüchtigten Sonderstrafkompanien, und zwar die der 253. Infanteriedivision.

Die Vergangenheit des heutigen Oberstaatsanwalts diente Bonn als Empfehlung, ihn als Verantwortlichen für die mit großem Propagandaaufwand gebildete Zentralstelle zur Aufklärung der Naziverbrechen einzusetzen. Ihm war von vornherein die Rolle zugedacht, die von Bonn seit Bestehen der Bundesrepublik systematisch betriebene Politik des Schutzes der Nazi- und Kriegsverbrecher unter dem Deckmantel der Zentralstelle fortzusetzen. In der Tat wurde auch seit Bestehen der Zentralstelle z.B. nicht einer der Schreibtischmörder vor Gericht gestellt, deren Federstrich mitunter den Tod Tausender und Zehntausender Menschen bedeutete.

Nachdem die Bonner Regierung am 5. November 1964 im Widerspruch zum Willen der Völker und zum Völkerrecht beschlossen hatte, die Nazi- und Kriegsverbrechen im Mai 1965 verjähren zu lassen, sprach sich auch Schule für die Verjährung aus.

Das „Spandauer Volksblatt“, Westberlin, vom 16. Februar 1965 schrieb zum Fall Schule:

„Nun wäre nichts dagegen einzuwenden, wenn Herr Schule als Sachbearbeiter eines Grundbuchamtes, auch in gehobener Amtsstellung, der Bundesrepublik seine wertvollen Dienste widmete. Auch als Eisenbahn- oder Postreferent würde niemand seiner Karriere Hindernisse in den Weg legen. Aber daß die Bundesregierung ausgerechnet den früheren SA-Mann und NSDAP-Kämpen Schule zur Aufklärung von Naziverbrechen nach Warschau entsendet, ist einfach mehr als eine unerträgliche Mißachtung der Gefühle aller von den Nazis barbarisch versklavten Völker. Ist denn wirklich niemand mehr an verantwortungsvoller Stelle fähig, Geschmacklosigkeit von Unerträglichkeit zu distanzieren?“ (Siehe Tafel 29)


Zurück zum Inhaltsverzeichnis