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Einleitung:-
Etwa 3 km südlich von Meroe, der Hauptstadt des Kuschitenreiches in dessen meroitischer Periode vom 3. Jh.v. Chr. bis zum 4. Jh. n. Chr., befindet sich die Ortschaft Domat al Hamadab.
1) In der Archäologie des Sudan fanden ihre beiden antiken Siedlungshügel bisher nur wenig Beachtung. Seit Beginn der gemeinsamen Ausgrabungen der Humboldt Universität zu Berlin, der Shendi Universität (Sudan) undder sudanesischen Denkmalpflege im Winter 2001,
2) konnten wir einen Teil der einstigen meroitischen Siedlung freilegen. Der sehr gute Erhaltungszustand der Siedlungsreste erweckt die Hoffnung, dass eine Ausweitung der Grabungen erlauben wird, Komponenten der Siedlung wie Wohn- und Produktionsbereiche, Verwaltungsbezirke, Tempelbauten und Verteidigungsanlagen, systematisch auf größerer Fläche zu studieren.
Mit Blick auf die noch recht junge Siedlungsarchäologie im mittleren und oberen Niltal wären somit interessante Erkenntnisse für die Stadtforschung in diesem Teil der alten Welt zu erwarten: beispielsweise Hinweise auf die Bauplanung und -geschichte, auf soziale und ökonomische Verhältnisse in einer Stadt des meroitischen Reiches, sowie auf das Alltagsleben in den Jahrhunderten um die Zeitenwende. Für mögliche Einblicke in die Geschichte und Politik der meroitischen Periode, aber auch für neue Schriftzeugnisse der meroitischen Sprache spricht indessen die Nähe zur antiken Hauptstadt Meroe. Bei entsprechend gut stratifiziertem Fundmaterial, und darauf geben die ersten drei Kampagnen deutliche Hinweise, sind auch neue Erkenntnisse über die Entwicklung der materiellen Kultur wie beispielsweise der meroitischen Keramik zu erwarten.
Die Topographie des Nordhügels:-

Die beiden Siedlungshügel von Hamadab überragen das Fruchtland am Ostufer des Nil um etwa 4 m. Der nördliche Hügel bedeckt eine Fläche von etwa 200 x250 m, der Südhügel misst 250 x 500 m. Ihre Fläche entspricht damit etwa derjenigen des benachbarten
Meroe-City. Ein in der Winterzeit trockenliegender Nilarm trennt die Hügel von dem namengebenden Dorf Hamadab. Während der jährlichen Nilüberschwemmung führt dieser Nilarm Wasser, so dass die Hügel bei höheren Nilfluten zu Inseln werden.
Ihre flache rundliche Form lässt auf ein kontinuierliches „hochleben“ des Geländes schließen. Die großen Mengen an verstreutem Ziegelbruch, Reibsteinfragmente, Daumenringe meroitischer. Bogenschützen, sowie unzählige Keramikscherben, darunter viel bemalte und stempel-verzierte meroitischer Feinware, sind deutliche Anzeichen einer längeren Besiedlung in der klassischen bis spätmeroi- tischen Periode. Unsere bisherigen Feldarbeiten konzentrierten sich auf den Nordhügel, wo wir mittels Oberflächensondagen mehr als 2000 m2 Hausgrundrisse aus luftgetrockneten Ziegeln freilegen konnten, die bis zu 20 cm oberhalb des Fußbodenniveaus erhalten waren (Plan 1- 2, Abb. 1). Damit war die Struktur eines Teiles der Stadtsiedlung gefunden - der nordöstliche Bezirk des meroitischen Hamadab. Er ist dicht mit Gebäuden bebaut, die am ehesten als Wohn- und Wirtschaftsbauten anzusprechen sind. Eine etwa 2,5 m starke Stadtmauer aus Adobenmauerwerk, an ihrer Außenseite mit gebrannten Ziegeln verkleidet, umfasst die Siedlung annähernd rechwinklig im Osten und im Norden.
Außerhalb dieser Mauer erbrachten die Sondagen bisher keine Siedlungsbauten. Entsprechend der lehmig- sandigen Zusammensetzung des Hügelbodens dürfte die Mehrzahl der Bauten aus Adobemauerwerk bestanden haben. Zwei Reihen flacher Anhäufungen gebrannter Ziegelfragmente zeugen im Nordwesten des Hügels auch von massiven Gebäuden. Es ist wahrscheinlich, dass hier repräsentative Bauten die Stadtsiedlung an ihrer Westseite begrenzten. Die Siedlung bedeckte auf dem Nordhügel eine Fläche von etwa 160 x 200 m und besaß wahrscheinlich eine rechtwinklige bzw. trapezoid nach Westen geöffnete Gesamtform. Eine dichte, dem Nordostbezirk vergleichbare Bebauung konnten wir durch eine Oberflächensondage auch im Zentrum und am Südhang des Hügels nachweisen (Abb. 2). Diese etwa 100 m lange Sondage reicht im Süden bis an mehrere Abfallhalden aus Asche, Scherben, Holzkohle, Knochen und Eisenschlacke (s. Plan 1, H 500-800). Wie auch die etwas kleineren Halden H 100-400 am Ostrand des Nordhügels, zeugen sie von einer regen Handwerkstätigkeit, bei Zerstörung der Stadtmauer an dieser Stelle und eine Konzentration von gebrannten Ziegelfragmenten lassenvermuten, dass sich hier ein kleineres Stadttor befand. Derartige Eingangskonstruktionen, die keinen „geradlinigen“ Weg in die Stadt erlauben, sind leichter zu verteidigen. Sie sind seit der Kerma-Zeit in der Stadtarchitektur des mittleren Niltals bekannt.
Gebäudeblock H 1100 hat eine quadratische Form und bedeckt eine Flächevon 15 x 14 m. H 1200, mit einer Fläche von etwa 26 x 16 m, hat ein Maßverhältnis von annähernd 1:2. Es ist möglich, dass hier zwei ursprünglich quadratische Häuserblocks zusammengelegt wurden. Ihre Binnenstruktur zeigt keine einheitliche Typologie. Die Räume und Höfe sind relativ klein, mit Grundflächen zwischen 3 und 8 m2 – vereinzelt bis zu 22 m2. Die Räume sind mit gut voneinander unterscheidbaren Bodenmaterialien gefüllt (Asche, lehmiger Sand etc.,) und haben unterschiedliche Funddichten an Keramik. Kochtöpfe, Brandspuren und Aschekonzentrationen liegen in vielen Räumen noch in situ. Gemeinsam mit den weißen und roten Putzresten lassen sich diese Beobachtungen zur Unterscheidung von Innenräumen und offenen Höfen nutzen . Die Gebäudemauern bestehen ausnahmslos der auch die Eisenverhüttung eine beachtliche Rolle gespielt haben muss. Einen zu der Siedlung gehörenden Friedhof konnten wir noch nicht finden. Allerdings werden immer wieder Gräber in den Straßen und am Westrand des heutigen Dorfes Hamadab durch Winderosion freigelegt.
Der Nordöstliche Siedlungsbezirk : -

Die Gebäudeblocks dieses Bezirkes sind durch rechtwinklig angelegte Straßen und Gassen gegliedert (Plan 2). Die ostwest- verlaufenden Straßen besitzen eine leichte Krümmung, auf welche die Bauten und Querstraßen bezug nehmen. Ihre generelle Orientierung entspricht derjenigen des Tempels (s.u.), der sich im Süden an den Häuserblock H 1100 anschließt. Vor dem Tempel endet eine etwa 13 m breite Prozessionsallee, die ihren Ursprung im Bereich der westlichen Ziegelstrukturen haben dürfte (vgl.Plan 1). Die Breite der übrigen Gassen variiert zwischen 1-2 m. Eine dieser Gassen trennt die Gebäudeblocks H 1100-1300 von dem querliegenden Block H 1400. Sie endet vor einer Mauer, hinter der sich ein Hof von ca. 7 x 7 m öffnet, der wiederum an die Stadtmauer grenzt. Die Zerstörung ausnahmslos aus Adobenmauerwerk.
Gebrannte Ziegelanscheinend sekundär verwendetes Abrissmaterial wurden nur gelegentlich als Schwellen oder Stufen verwendet Das Ziegelformat entspricht dem im meroitischen Bereich verwendeten Standard.5) Mit Ausnahme der Tempelmauern sind die Innen- und Meroiten und den Römern im ausgehenden
1. Jh. v. Chr. erwähnt (s.u.). Der Tempel misst etwa 24 x 8 m und ist etwa 60° nach West orientiert. Er besitzt einen durch zwei an den Längswänden angesetzte Säulen unterteilten Pronaos und ein kleines Sanktuar, in dem ein Altar bzw. Barkenuntersatz aufgestellt war. Ungewöhnlich für meroitische Tempel sind zwei Gruppen von erhöht angelegten Nebenräumen an seiner Nordseite, die durch Eingänge aus dem Pronaos zugänglich sind. Da ihr Raumvolumen größer als das des eigentlichen Tempels ist, müssen
sie für die Funktion des Gebäudes keine unmaßgebliche Rolle gespielt haben. Sayce deutete den Tempel als einen Schrein für Apis und Osiris.9) Diese Deutung ist jedoch nicht nachvollziehbar und wurde daher mit Recht angefochten. Mangels eines erhaltenen Bildprogramms und struktureller Vergleichsmöglichkeiten der im meroitischen Bereich einzigartigen Raumstruktur des Tempels, ist der einzige Hinweis für die Bestimmung eines Kultherren die Erwähnung des Amun in den Stelentexten. Török, der den Tempel auf der Basis der Texte in das 1. Jh. n. Chr. als terminus ante bzw. ad quem datiert, sieht in ihm einen Teil eines „extensive sacral building complex“ eine Interpretation, die, zumindest für die Zeitstufe der durch die Oberflächensondagen
freigelegten Siedlungsreste, schwerzu halten ist.
Abgesehen von älteren Ascheschichten lassen sich zwei Bauperioden im Bereich des Tempels unterscheiden. Zu der älteren gehören die oben erwähnten Überreste des Tempels selbst. Dessen Bodenniveau liegt aber 60-70 cm unterhalb der Fundamente der
Gebäudeblocks. Er gehört also zu einer älteren Besiedlungsschicht als die umliegenden Bauten. Zeitgleich mit diesen Bauten waren hingegen die Überreste eines Bauwerkes, die 1914 oberhalb der Tempelmauern bis zu zwei Lagen erhalten waren. Ob es sich dabei um die Reste eines späteren Tempels oder um Baureparaturen handelt, konnte weder 1914 noch 2001 geklärt werden. Die breite Prozessionsal Außenwände der Gebäude meist einen Ziegel stark. Einige anderthalb bis zwei Ziegel starke Mauern und längliche Räume könnten auf die Mehrstöckigkeit einiger Bauteile und auf Treppenkonstruktionen hinweisen, wie beispielsweise bei den an die Hauptstraße grenzenden Wänden der Blocks H 1200 und 1300.

Der Tempel H 1000

Der Tempel H 1000 wurde schon 1914 durch die University of Liverpool ausgegraben, aber leider nur unzulänglich dokumentiert. Grund der damaligen Ausgrabungen dürften wohl die beiden Stelen der Königin Amanirenas und des Vizekönigs Akinidad gewesen sein, die ursprünglich vor dem Tempel aufgestelltwaren. Ihr Aufstellungsort vor einem kleinen Schrein wie dem H 1000 ist durchaus bemerkenswert. Vergleichbar lange Inschriften sind sonst nur aus den großen Amuntempeln des Reichesbekannt. Somit geben die Stelen dem kleinen Hamadab Tempel in gewisser Weise eine herausragende Bedeutung. Der Text der größeren der beiden Stelen (REM 1003), die nördlich des Tempeleinganges stand, wurde mehrfach bearbeitet und publiziert.
Einige Bearbeiter äußerten die Meinung, dass er die militärischen Auseinandersetzungen zwischen den lee, aber auch die beiden Stelen, die selbst 1914 noch aus dem Erdreich ragten, legen nahe, dass hier auch in der jüngeren Bauperiode ein vergleichbares,
vermutlich sakrales Bauwerk gestanden haben muss.

Stratigraphie und Datierung:-

Die bisherigen Befunde zur Stratigraphie wurden andernorts vorgestellt und sollen hier nur kurz zusammengefasst werden. Sie stammen im wesentlichen aus den Schnitten im Pronaos des Tempels und aus zwei Testschnitten, die im Nordostbezirk angelegt wurden (Abb. 4). In diesen Sondagen lassen sich drei Bauhorizonte gut

unterscheiden:
A: Ein oberster, noch zwei Ziegellagen starker Bauhorizont. Er repräsentiert die durch die Oberflächensondagen freigelegten Gebäudeblocks H1100-1500. Auf Grund der darin gefundenen Keramik und Kleinfunde gehört er in die klassische bis späte meroitische Periode der Jahrhunderte nach Chr.
B: Der 60-70 cm starke Horizont einer früheren Periode, deren Bauten – auf Grund ihrer stratigraphischen Parallelität mit den Überresten des Tempels vermutlich in dessen Bau und Nutzungsphase
datiert werden können. Unter der Voraussetzung, dass diese Gleichzeitigkeit bestätigt werden kann, und dass der Tempel zeitgleich mit den Stelen erbaut wurde, wäre für diesen Horizont das Ende des 1. Jh. v. Chr. um die Regierungszeit der Amanirenas anzusetzen. Allerdings könnte die Datierung der kleinen Bronzestatuette des Gottes Sebiumeker in das ausgehende 3.-2. Jh. v. Chr. auch den Tempel und möglicherweise den gesamten Horizont B in eine frühere Zeitstufe rücken.
C: Ein früherer Bauhorizont aus Adoben- und Ziegelmauern, der u.a. bemalte und gestempelte Feinware enthält und somit ebenfalls in die meroitische Periode datiert. Da der gewachsene Boden in den bis zu 1,8 m tiefen Sondagen noch nicht erreicht wurde, sind ältere Siedlungsperioden nicht auszuschließen. Ebenso verhält es sich am oberen Ende der Stratigraphie. Oberhalb des ohnehin stark erodierten Horizontes A wurden bisher keine Baureste gefunden. Allerdings ist Bauhorizont nicht gleich Besiedlungshorizont.
So gehören zu den Oberflächenfunden auch Objekte die in das 4. - 5. nachchristliche Jahrhundertdatieren, wie beispielsweise die Fragmente zweier Öllampen (Abb. 5),16) oder Fragmente von Keramikständern, die in der Seriation des Westfriedhofes von Meroe ebenfalls erst in der ‚post-meroitischen’ Periode belegt sind.17) Sie lassen vermuten, dass die Siedlung von Hamadab auch noch in nachmeroitscher Zeit existierte. Der Erhaltungszustand der Bauten erlaubt in dieser Hinsicht aber nur Spekulationen. Möglich ist eine „squatter occupation“, wie sie auch für Meroe vermutet wird, oder eine Siedlung aus vergänglichen Materialien wie beispielsweise
Reisighütten. Damit ließe sich auch erklären, dass einige Ascheschichten die erhaltenen Mauerzüge überlagern, und dass Kochge- fäße in die Mauerreste aus Horizont A eingetieft waren. Eindeutige Hinweise auf eine großflächige mittelalterlich-christliche Besiedlung wurden hingegen nicht gefunden.

















A N S Ä T Z E einer I N T E R P R E T A T

Auf Grund der bisher gefundenen Baustrukturen ist eine Interpretation der Bauten des A-Horizontes als monumentaler Tempelkomplex18) auszuschließen. Dagegen spricht nicht nur die kleinräumige und unregelmäßige Binnenstruktur der Bauten im Nordostbezirk, die den Schrein H 1000 einschließen. Auch ein monumentaler Tempelbau, der sich – angesichts de guten Erhaltungs- zustandes der luftgetrockneten Ziegelmauern durch steinernde oder aus gebrannten Ziegeln errichtete Eingangstore und Pylonfundamente an der Hügeloberfläche markieren müsste, ist in diesem Bauhorizont auf dem Nordhügel nicht nachweisbar.
Der 100 Meter lange Nord-Süd-Schnitt, der in der Kampagne 2003 auf dem südlichen Hügelzentrum angelegt wurde, zeigt ebenfalls kleinteilige Bauten aus Adobenmauerwerk, die den Bauten im nordöstlichen Siedlungsbezirk vergleichbar sind (vgl. Abb. 2). Auch die Oberflächenfunde wie Spinnwirtel, Reibsteine, Kochgefäße, Schmuck und Daumenringe stammen aus einem Siedlungskontext.
In Hamadab fehlen einzelnstehende Gehöfte mit großen Hofräumen, Speichern und Verhauen für die Tierhaltung, die der Funktionsbedarf einer dörflichen Siedlung erfordern würde. Dörfliche Siedlungen nutzen den zur Verfügung stehenden Gesamtraum
in der Regel großzügiger und passen sich mehr dem Terrain an, haben in ihrem Kern aber eine weniger reguläre Bebauungsstruktur als in Hamadab, wie beispielsweise Siedlungen von Meinarti, Tila oder al Shaukan in Nubien19) oder der Südteil der mittelalterlichen.
Siedlung von al Turkab am 4. Katarakt (Abb. 6). Die durch Strassen voneinander abgegrenzten und in einer gewissen Recht- winkligkeit angelegten Gebäudeblocks von Hamadab lassen hingegen einen gewissen Grad an städtebaulicher Planung
erkennen. Ihre enge und komplexe Binnen- struktur und die Einfassung durch eine Stadtmauer sind ebenfalls Kennzeichen einer Stadtsiedlung.
Dazu passen auch Befunde wie Kochstellen sowie Funde wie die großen Mengen an Gebrauchskeramik, Fragmente von Öllampen, Reibsteine, Fayence Plaketten und Amulettfragmente. Dabei spricht die Qualität vieler Funde wie der hohe Anteil an keramischer Feinware und an stempelverzierten Gefäßen für einen höheren Gesellschaftsstand der Einwohner, der siedlungsarchäologisch nur aus dem benachbarten Meroe bekannt ist. Jedoch war Hamadab mit Sicherheit kein mit Meroe-Stadt oder Naqa vergleichbarer Villenort der meroitischen Elite. Die repräsentativen Palast und Villenviertel dieser Orte sind wesentlich großzügiger geplant, besitzen breite Straßen und weite Freiräume Abb. 7). Unter den Bauten in Hamadab fehlt der quadratische Bautypus der durch die Architektur der Mittelmeerwelt beeinflussten Villen mit ihren zentralen Höfen und großräumigen Innenbereichen.21) Hinsichtlich
ihrer Bauweise unterscheiden sich die Villen in Meroe, Naqa, ebenso wie die „de luxe houses“ inNubien von den Bauten in Hamadab durch wesentlich stärkere Außenmauern, die aus ihrer Mehrstöckigkeit resultieren. Entsprechend wird viel mit Sandsteinblöcken und gebrannten Ziegeln gebaut Materialien, die in Hamadab nur eine sehr untergeordnete Rolle spielen. Baustrukturen mit Durchgangsraum oder offenem Hof und mehreren den Hof umgebenden, gleichwertigen Endräumen mit mittigen Zugängen, wie sie in den Villen und Repräsentationsbauten der meroitischen Zeit zur Anwendung kamen, wurden in Hamadab nicht gefunden.
Die rechtwinklig abgeteilten Gebäudeblocks erinnern zwar an die insulae hellenistisch-römischer Stadtplanung. Es sind jedoch keine Typenhäuser wie beispielsweise das hellenistische Reihenhaus. Im Gegenteil, kein Gebäudeblock gleicht in seiner Binnenstruktur einem anderen. Die Mehrzahl der Raumgruppen besteht aus dem bipartite unit22) – einem Vorraum mit seitlichem Durchgang
zu einem Endraum – wie es auch in anderen meroitischen Siedlungsbauten üblich ist.23) Diese Einheiten werden in unterschiedlichen Grundrisslösungen, die im weitesten Sinne an die aus Ägypten bekannten Typen des „Dreistreifenhauses“ oder des „Hofhauses“ erinnern,24) in den einzelnen Bereichen der Gebäudeblocks miteinander kombiniert. So wäre beispielsweise der nordwestliche Teil des Blocks 1100 am ehesten als ein Hofhaus, bei dem sich die Räume an einen zentralen Innenhof anlagern, anzusprechen (vgl. Plan 2 und Abb. 8). Die Raumgruppe im Nordwesten des Blocks 1200 entspricht hingegen der Grundstruktur eines Dreistreifenhauses. Übergeordnete Funktionstypen, wie beispielsweise eine generell-lineare Funktionsfolge, die in der altägyptischen Architektur sowohl im profanen wie auch im sakralen Bereich typisch ist,25) sind auf die Gesamtstruktur der Gebäudeblocks aber nicht anwendbar. Wie schon erwähnt, scheint jeder Gebäudeblock unterschiedlich strukturiert zu sein. Dieses
‚Durcheinander’ lässt sich daher selbst als Merkmal werten. Will man nicht die Planlosigkeit eines additiven Raumclusters als Erklärung heranziehen, kann man folgern, dass die Bauten nicht unifunktional als beispielsweise Wohnbauten dienten, sondern untereinander funktionsbedingte Unterschiede aufwiesen und auch im Einzelbau multifunktional genutzt wurden (Wohnräume, Wirtschaftseinheiten, Werkstätten, Läden, Schenken...).
Die wichtigsten Strukturmerkmale

der Siedlung von Hamadab lassen sich folgendermaßen zusammenfassen. Es sind:
- die sehr dichte Bebauung des Geländes,
- eine anscheinend ursprünglich planmäßige Strukturierung durch annähernd rechtwinklig angelegte Straßen und
- die strenge Parzellierung durch in sich abgeschlossene Gebäudeblocks,
- kleinteilige Raumstrukturen innerhalb dieser Baueinheiten, die oft auf dem bipartite unit beruhen,
- eine anscheinend multifunktionale Nutzung der Bauten,
- die Befestigung der Siedlung durch eine Stadtmauer, und schließlich
- die einfache Bauausführung mit dünnen Wändenaus luftgetrockneten Lehmsteinen.

Zum Teil sind diese Merkmale in unterschiedlichen Siedlungen des mittleren und oberen Niltals in der meroitischen, sowie in früheren und späteren Perioden belegt. Auf der Suche nach Vergleichbarem wird man schon im benachbarten Meroe fündig.
Auf dem Nordhügel von Meroe, außerhalb der Royal Enclosure, gibt es enge Parallelen hinsichtlich Struktur und Größe der Bauten, sowie dem Baumaterial (Abb. 9). Für die Summe der Merkmale gibt es, zumindest in der SiedlungsRegion, kaum Parallelen. Das liegt sicher nicht an der Einzigartigkeit von Hamadab, sondern ist dem derzeitigen Forschungsstand geschuldet genauer gesagt der Tatsache, dass sich die Sudanarchäologie seit ihren Anfängen zu sehr auf Sakralbauten und Friedhöfe konzentrierte, Siedlungen aber stark vernachlässigte. Der verhältnismäßig starke Einfluss, den die hellenistisch römische Antike auf die meroitische Kultur ausübte und die sich u.a. in stilistischen und ikonographischen Adaptionen, aber auch in der Baukunst insbesondere im benachbarten Meroe niederschlug, rechtfertigt auch die Frage nach einem möglichem Einfluss der klassischen Antike auf die Stadtplanung von Hamadab. Ein mit Hamadab vergleichbarer Typ von befestigten Siedlungen im Ägypten und dem Vorderen Orient der ersten Jahrhunderte n. Chr. sind Siedlungen, deren Grundstruktur auf das römische Militärlager (castrum) zurückgeht. Sie dienten nicht ausschließlich militärischen Zwecken, sondern hatten oft zivile Funktionen, die eines militärischen Schutzes bedurften. Der militärische Aspekt. Im mittleren Niltal gehören Verteidigungsanlagen spätestens seit Kerma zur Siedlungsarchitektur.
Auch aus der meroitischen Periode sind mehrere Festungsanlagen belegt, beispielsweise in Umm Ruweim im Wadi Abu Dom, in el Fura, unweit der bedeutendsten Wasserstelle der Bayuda-Route, am Gebel Adda, am Gebel Umm Marrahi, in Kubinat, Hosh al Kab und Hosh al Kafir. Am Ende des ersten vorchristlichen Jahrhunderts hinterließen die Truppen des C. Petronius temporäre Militärcamps in Shellal, bei Qasr Ibrim und in Mirgissa auf ihrem Feldzug nach Napata. Sie könnten ebenfalls eine architektonische Vorlage für eine Siedlung wie Hamadab geliefert haben. Jedoch ist ein solch direkter Bezug gar nicht notwendig. Die Kontakte Meroes mit Ägypten und der Mittelmeerwelt waren so weit verzweigt, dass architektonische Grundideen auch ohne direkte Vorbilder im eigenen Lande übernommen und weiterentwickelt werden konnten. Die Tradition des Festungsbaues setzt sich auch nach den kuschitischen Epochen fort. Davon zeugen nicht nur die vielen mittelalterlichen Forts entlang des Nil, sondern auch große befestigte Stadtsiedlungen wie beispielsweise Faras oder Ikhmindi in Unternubien. Darauf, dass das meroitische Militär in Hamadab mehr als nur am Rande involviert war, macht zunächst einmal eine ungewöhnlich stark vertretene Fundgruppe aufmerksam die Daumenringe meroitischer Bogenschützen, die bei den Oberflächensondagen zu Dutzenden gefunden wurden. Einige Rohlinge veranschaulichen, dass diese Ausrüstungsgegenstände auch vor Ort produziert wurden. Einen weiteren Hinweis kann man in der Eisenverhüttung
sehen, die in Hamadab durch Abfallhügel mit Eisenschlacke bezeugt ist. Sie wurde andernorts ebenfalls mit dem Militär in Zusammenhang gebracht – beispielsweise in Hosh al Kafir, einer Festung in der architektur dieser Nähe von al Hobagi, 60 km südwestlich von Hamadab. Einige der dortigen Fundtypen entsprechen denen in Hamadab: viele Daumenringe, Gebrauchskeramik, einfache Wohnbauten, Eisenproduktion und andere Gewerke.
In Kampagne 2002 wurde einer der eisenschlackehaltigen Abfallhügel in Hamadab untersucht. Wie im benachbarten Meroe enthalten nur seine obersten Schichten außergewöhnlich hohe Schlackeanteile. Daher ist die Eisenproduktion ein Merkmal der späteren Besiedlungsperioden und damit derjenigen Epoche, in der sich kriegerische Ereignisse häuften.
Vermutlich diente sie auch der Herstellung von Munition, v.a. eisernen Pfeilspitzen, die parallel mit den Daumenringen zur Ausrüstung von Bogenschützen gehört. Der Vergleich einiger Merkmale von Hamadab mit denen römisch geprägter castra mag angesichts des kleinen Teiles, der bisher von der Gesamtsiedlung freigelegt wurde, gewagt erscheinen.
Er zeigt aber interessante Parallelen und könnte einige Erscheinungen in Hamadab erklären. Römische castra besitzen häufig einen rechteckigen bis quadratischen Grundriss. Ihr Hauptportal ist in der Regel monumental gestaltet (Abb. 10). In seiner Nähe befanden sich die Bauten der Lagerwache und der Festungsverwaltung. Ihre Kontroll-, Verwaltungs- und Repräsentationsfunktionen spiegelten sich in der Größe der oft mehrstöckigen und aufwendigen Bauten wieder. In Hamadab könnten die im Nordwesten erhaltenen Hügel mit gebrannten Ziegeln die Ruinen solcher Bauten darstellen (vgl. Plan 1). Das Hauptportal war durch eine Strasse mit den principia verbunden dem Stabsheiligtum
und damit dem in seiner Bedeutung zentralen Bauwerk der Festungen. Diese breite und repräsentativeStraße die decumana bzw. via praetoria stellte die Hauptachse der Anlage dar, an der die übrigen Bauten ausgerichtet waren (Abb. 10, 11). Oft befanden sich die principia nicht im Zentrum der Festung, sondern am Ende der via praetoria und damit an der dem Hauptportal gegenüberliegenden Seite der Siedlung. Diese Merkmale könnten auch auf Hamadab zutreffen: monumentale Portalbauten
an der Westseite der Siedlung und eine breite Hauptstraße, die auf den Tempel an ihrer Ostseite zuführt.
Betrachten wir den Tempel etwas näher. Meroitische Tempel haben gewöhnlich einen eigenen Temenos. Tempel H 1000 grenzt
hingegen direkt an die ihn umgebenen Bauten, eine Situation, die eher den principia gleicht, die in der Regel in das umliegende Bauensemble eingegliedert waren (Abb.10). Die seitlich angelagerten Nebenräume des Tempels, die ein größeres Raumvolumen
aufweisen als die Haupträume der Längsachse, sind für meroitische Tempel mit einfacher Raumstruktur sehr ungewöhnlich.34) Da sie außen nicht mit einem Rundstab versehen sind, hatten sie offenbar keine rein ‚sakrale’ Funktion. Principia hatten sakrale und zeremonielle Funktionen, da sie die vexilia und ex votos der stationierten Einheit und die Statuen des Imperators als Monumente
des Kaiserkultes beherbergten. Mit diesen Funktionen kombinierten sie aber auch administrative Aufgaben, weshalb ihre zentralen Kulträume in der Regel um Verwaltungsräume erweitert waren. So beispielsweise in Qasr Qarun (Dionysias), wo die im Süden angelagerten Verwaltungsräume – wie in Hamadab – durch den Vorraum des sacellums zugänglich waren (Abb. 11). Die Nebenräume im Tempel H 1000 ließen sich ebenfalls mit einer in diesem Sinne erweiterten Funktionen des Gebäudes
erklären. Als eine Art Stabsheiligtum36) mit Verwaltungsfunktionen wäre unser Tempel natürlich auch der geeignete Ort für die Aufstellung der Stelen der Amanirenas und des Akinidad. In diese Hypothese fügt sich die Interpretation der Stele BM 1650 (REM
1003) als eine Art Triumphinschrift, die u.a. über die militärischen Auseinandersetzungen der Meroiten mit Rom berichtet, wunderbar ein (Abb. 12). Sie würde das Heiligtum in einen direkten Zusammenhang mit dem meroitischen Militär stellen. Dieser
Konflikt, der 25 v. Chr. mit dem siegreichen Angriff bzw. einer Revolte der Meroiten auf Philae, Syeneund Elephantine begann, endete trotz schwerer Niederlagen des meroitischen Heeres gegen die Truppen des C. Petronius mit dem Friedensvertrag von
Samos ein aus meroitischer Sicht erfolgreicher Gesamtverlauf.37) Man muss jedoch einwenden, dass die Hinweise auf diesen Konflikt im Text der Stele philologisch nicht eindeutig sind. Es sind die Nennung von mehreren Hundert Männern (abr) und
Frauen (kdi), die man als Kriegsgefangene deuten könnte, und die Wörter qes, armi und armeyose, die mit ‚Kusch’, ‚Rom’ und ‚römisch/Römer/Imperator’ übersetzt werden könnten. Da abr, kdi und qes auch in völlig anderem Zusammenhang stehen können,
ist der wichtigste Hinweis die Erwähnung von Rom. Armi und armeyose wären jedoch eher ungewöhnliche Defektivschreibungen für „Rom“ oder „römisch“. In den sicheren Belegen wird Rom Arome geschrieben.38) Der Fries mit gebundenen Gefangenen unterhalb des Bildfeldes der Stele ist zwar ebenfalls ein Hinweis auf einen kriegerische Handlungen enthaltenden Bericht. Als ikonographisches
Motiv kommt er aber auch anderweitig vor, ohne dass man den jeweiligen Monumenten gleich einen Triumphalcharakter zubilligt.Im Text der Stele trägt Akinidad unterschiedliche Titel. Er wird als pqr qorise und als pesto (äg. = p3- n3-nsw), als Gouverneur von Akin (Unternubien) bezeichnet. Damit war er für die Verwaltung des Gebietes zuständig, um das es letztlich bei den Auseinandersetz- ungen mit den Römern ging und bei denen er gemeinsam mit der ‚einäugigen’ Kandake Amanirenas als Gegner des C. Petronius auftrat. Obwohl er auch in späteren Inschriften nach dem Tode der Amanirenas nie als König bezeichnet wird, ist sein Name auf den Reliefblöcken des ‚Sonnentempels’ M 250 in einer Kartusche geschrieben, und er wird dort in einem Kontext dargestellt, der
üblicherweise Königen vorbehalten ist.39) Daraus kann man schließen, dass er ähnlich einem hellenistischen Strategen neben dem König ranghöchste zivile und militärische Ämter inne hatte. Der militärische Rang wäre möglicherweise mit dem Titel pqr qorise (‚Paqar des Königs’) bezeichnet. Man denkt dabei auch an den ägyptischen Titel s3- njswt, der seit der 17. Dynastie hohen Militärs und Kommandanten von Festungen und Militärkolonien verliehen wurde, die als ‚Sohn des Königs’ demKönig direkt unterstanden (z.B. in Koptos). Könnte Hamadab, in Anbetracht der über 80zeiligen Inschrift auf den beiden Stelen vor dem Tempel der
Siedlung, dem ausführlichsten bekannten Dokument mit dem Namen des Akinidad, ein meroitisches Militärquartier gewesen sein das Hauptquartier des Akinidad?
Unter strategischen Gesichtspunkten ist die Lage von Hamadab am Zusammenfluss des Wadi al Hawad und des Nil, nur 3 km südlich der Hauptstadt Meroe, nahezu perfekt. Hier stationierte Truppen wären in der Lage, Meroe vor Angriffen aus dem Süden entlang des Nil und aus dem Osten entlang des Wadi al Hawad zu schützen.41) Im Falle einer Bedrohung könnten sie sich in kürzester Zeit einschiffen, um der nur 2,5 km stromab gelegenen Hauptstadt beizustehen. Abgesehen davon, dass das römische Reich am Ende des 1. Jh. v. Chr. eine durchaus ernsthafte Bedrohung für die Meroiten darstellen konnte, war die eigentliche Herausforderung der
meroitischen Militärs sicher nicht der Angriff einer Großmacht auf die Hauptstadt, sondern kleinere Beduinengruppen und einwandernde Volksstämme. Bei dem riesigen Territorium des meroitischen Reiches konnte man strategisch wichtige Objekte wie
Transportwege und politische Zentren nur direkt sichern. In der Tat sind die Verteidigungsanlagen von Hamadab nur für die Abwehr von Angriffen kleineren Ausmaßes geeignet. So dürfte die nur 2,5 m starke Befestigungsmauer einer systematischen Belagerung
durch ein größeres Heer kaum standhalten.

Auch andere für Militärkastelle römischer Art typische Installationen, wie beispielsweise eine Zirkularstrasse an der Innenseite der Stadtmauer oder die Unterbringung der Soldaten in Kasematten direkt neben dieser Mauer, sind in Hamadab noch nicht nachgewiesen worden.
Nun ist der militärische Aspekt ja nur eine der möglichen Funktionen. Wie schon erwähnt, dienten auch in Ägypten nicht alle mit der Struktur eines castrums versehenen Siedlungen ausschließlich militärischen Zwecken. Das Camp am Mons Claudianus in der ägyptischen Ostwüste beherbergte im 2.-3. Jh. n. Chr. die Verwaltung der dortigen Diorit- Steinbrüche.42) Zum Schutz dieser Verwaltung war dort auch Militär stationiert. Das Camp war nach dem Muster eines römischen castrums errichtet worden. Die Kombination militärischer und administrativer Funktionen und die gemeinsame Nuzung des Camps durch die Armee und zivile Beamte bedingte aber, dass die ursprünglich strengen Strukturen durch fortwährende Um- und Überbauung verschwommen und der militärische Charakter mit der Zeit verloren ging. Vor allem während des späteren Bebauungshorizontes ist eine ‚Verstädterung’
und damit die Verwischung der ursprünglichen strengen, rechtwinkligen Strukturen erkennbar. Ein Vergleich der Siedlung am Mons Claudianus mit Hamadab zeigt schon auf den ersten Blick interessante Parallelen in der Gesamtanlage der Bauten (vgl. Abb. 10 und Plan 2). Abgesehen von den oben erwähnten Entsprechungen hinsichtlich der aufwendigen Eingangstore, der Lage und der Eingliederung der principia in die umliegenden Baustrukturen und ihre Erweiterung um Nebenräume, finden hier auch Merkmale wie die kleine Raumgröße und die irreguläre Raumordnung in vielen der Gebäudeblocks eine nahezu exakte Entsprechung. Die
Grundstücksformen und Straßen weisen in beiden Siedlungen das Verschwimmen von ehemals rechtwinkliger Struktur auf. Die an die Hauptstrasse des camps grenzenden Blocks M-P werden am Mons Claudianus als Offiziersquartiere, Läden und Gaststuben
im Zentrum der Siedlung interpretiert. Wenn in Hamadab ebenfalls höhere Militärs und Verwaltungsbeamte mit ihren Familien, Soldaten einer größeren Wachmanschaft, sowie Bedienstete etc. lebten, hätten wir auch eine Erklärung für alle Fundgruppen: vor allem für den hohen Prozentsatz an Feinware, die sich vorwiegend aus Schalen und Trinkbechern zusammensetzt, den hohen Anteil an Daumenringen und ebenso für Schmuck, Spinnwirtel, Spielsteine und Möbelverzierungen. Auf dem derzeitigen Stand unseres Wissens möchte ich daher einer Interpretation den Vorzug geben, die der Siedlung militärische und zivile Funktionen einräumt. In Krisenzeiten könnte Hamadab die benachbarte Hauptstadt schützen – aber auch unter Druck setzen. In Friedenszeiten wäre es in der Lage, beispielsweise den Fernhandel zu kontrollieren.
Für einen Hafen oder für die Lagerung von Gütern dürfte es ausreichenden Schutz bieten. Auf Grund seiner Nähe zu Meroe wird ein großer Teil seiner Bevölkerung in einem Dienstleistungs- bzw. Beamtenverhältnis zur benachbarten Hauptstadt gestanden haben. Die generelle Vergleichbarkeit der Keramik und der Funde beider Orte weist ebenfalls darauf hin, dass Hamadab ökonomisch mit Meroe in Verbindung stand und sicher auch handwerkliche Produkte für den großen Nachbarn herstellte.
Wie der bisher freigelegte Teil von Hamadab tatsächlich ausgesehen haben könnte, veranschaulicht Farbabb. 13 auf dem Heftrücktitel. Diese Rekonstruktion entstand in dem Projekt ‚Antikes Niltal VR’, welches die Auswertung der Grabungen in Hamadab maßgeblich unterstützte. Eines seiner Ziele war es, 3D-basierte Dokumentations- und Präsentationssysteme archäologischer Stätten in Echtzeit- VR zu entwickeln. Hamadab wurde in das Projekt integriert, um an seinem Beispiel den Prototyp eines archäologischen ‚Arbeitssystems’ zu entwerfen, bei dem im Feld gewonnene Daten in ein virtuelles 3D-Modell der Grabung eingespeist werden. Unter anderem können damit zweidimensionale Bilddaten wie Feldzeichungen und Fotos im virtuellen
3D-Raum der Grabung dargestellt und miteinander kombiniert werden, oder 3D-Modelle freigelegter Bauten, Befunde und Bodenschichten verhältnismäßig einfach um hypothetische Elemente erweitert werden, um den weiteren Grabungsverlauf zu planen oder unterschiedliche Rekonstruktionen der ausgegrabenen Objekte durchzuspielen.
  
H A M A D A B - DAS HAUPTQUARTIER DES AKINIDAD ?